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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 95/11
Verkündet am:
12. Januar 2012
Kluckow
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
InsO § 129 Abs. 1, § 133 Abs. 1
Entrichtet eine GmbH nach drohender Zahlungsunfähigkeit die Prämien für eine
Direktversicherung ihres Geschäftsführers weiter, auf welche dieser nach seinem
Anstellungsvertrag Anspruch hat, so benachteiligt dies im Regelfall trotz der als
Gegenleistung erhaltenen Dienste die Gläubiger der Gesellschaft und kann bei
entsprechendem Vorsatz gegenüber dem Geschäftsführer angefochten werden.
BGH, Urteil vom 12. Januar 2012 - IX ZR 95/11 - LG Bochum
AG Bochum
-2-
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Januar 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die
Richter Raebel und Vill, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Pape
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 9. Zivilkammer
des Landgerichts Bochum vom 10. Mai 2011 aufgehoben und die
Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die
Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Der Beklagte ist Geschäftsführer der D.
H.
GmbH, der
Kläger Verwalter in dem Insolvenzverfahren über ihr Vermögen, welches auf
den Antrag vom 25. Juni 2009 am 30. Juli desselben Jahres eröffnet worden ist.
Als Teil der Bezüge aus dem Anstellungsverhältnis leistete die Schuldnerin
Prämien auf eine Direktversicherung des Beklagten bei der G.
G.
in Höhe von 102,26 €, die jeweils zur Monatsmitte im Lastschriftverfahren eingezogen wurden. Der Kläger hat die Prämienzahlungen der Schuldnerin
für den Zeitraum vom Juli 2008 bis einschließlich Juni 2009 gegenüber dem
Beklagten angefochten und verlangt den Prämienbetrag von 1.227,12 € nebst
Zinsen seit Insolvenzeröffnung zur Masse zurück.
-3-
2
Das Amtsgericht hat den Beklagten verurteilt. Die Berufung hatte Erfolg.
Mit seiner vom Landgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache
zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
3
Die Revision ist begründet.
I.
4
Den hilfsweise auch auf § 133 Abs. 1 InsO gestützten Klageanspruch hat
das Berufungsgericht mangels objektiver Gläubigerbenachteiligung verneint.
Die Schuldnerin habe mit der Tätigkeit ihres Geschäftsführers eine gleichwertige und angemessene Gegenleistung für seine Bezüge erhalten. Die Unwiderruflichkeit des Bezugsrechts sei dem Beklagten schon vor der drohenden Insolvenz und nicht lediglich für diesen Fall gewährt worden. Auch bei Ermächtigung
der Versicherungsgesellschaft zum Lastschrifteinzug der Prämien habe eine
Insolvenz der Schuldnerin noch nicht konkret gedroht. Dagegen wendet sich die
Revision mit Erfolg.
-4-
II.
5
Der Bundesgerichtshof ist unabhängig von § 17a Abs. 5 GVG zur Entscheidung über die Revision berufen. Denn der Geschäftsführer einer GmbH
gilt nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht als Arbeitnehmer (vgl. BAG ZIP 2011,
2175 Rn. 12).
III.
6
Wird von der Insolvenzschuldnerin nach Eintritt der wirtschaftlichen Krise
durch weitere Prämienzahlungen der Rückkaufswert einer Direktversicherung
für ihren Geschäftsführer erhöht, so kommt deswegen die Insolvenzanfechtung
in Betracht (BGH, Urteil vom 10. Juli 1997 - IX ZR 161/96, NJW 1998, 312, 315,
in BGHZ 136, 220 nicht mit abgedruckt). Die Annahme des Berufungsgerichts,
die Prämienzahlungen an den Lebensversicherer seien wegen der Gegenleistung des Beklagten im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO nicht gläubigerbenachteiligend (ebenso OLG Brandenburg, NZI 2002, 439, 440 f unter 2.), ist rechtsfehlerhaft. Denn für die Gläubiger der Insolvenzschuldnerin gewähren die erbrachten Tätigkeiten des Beklagten keine Zugriffsmöglichkeit, wie sie die zur Entrichtung der Versicherungsprämien abgeflossenen Zahlungsmittel boten (vgl. Jaeger/Henckel, InsO, § 133 Rn. 19).
7
Da sich die Vermögenslage der Insolvenzschuldnerin im Anfechtungszeitraum weiter verschlechterte, war das Interesse der Gläubiger auch nicht
darauf gerichtet, dass der Beklagte seine Tätigkeit als Geschäftsführer unver-
-5-
ändert fortsetzte, sondern dass er baldigst nach § 18 Abs. 1 InsO Insolvenzantrag stellte. Die Frage, ob bei einem ernsthaften und aussichtsreichen Sanierungsversuch der Schuldnerin durch den Beklagten eine objektive Gläubigerbenachteiligung infolge der fortdauernden Prämienzahlungen zu seiner Versorgung hätte verneint werden können, bedarf deshalb keiner Prüfung. Jedenfalls
in der Regel kann der Insolvenzverwalter des Schuldners gegenüber dem Bezugsberechtigten die Rechtshandlungen anfechten, die auf Kosten der Masse
den Wert der Direktversicherung erhöht haben. Dies gilt gerade dann, wenn das
unwiderrufliche Bezugsrecht, wie hier, in anfechtungsfreier Zeit entstanden ist
(MünchKomm-InsO/Kirchhof, 2. Aufl., § 129 Rn. 52).
8
Zutreffend beanstandet die Revision ferner, dass das Berufungsgericht
den anfechtungsrechtlich maßgebenden Zeitpunkt verkannt habe. Da der einzugsberechtigte Gläubiger zuvor keine gesicherte Rechtsposition innehat, entscheidet nach § 140 Abs. 1 InsO in dieser Hinsicht statt der Erteilung der Einzugsermächtigung die vom Schuldner seiner Bank erklärte Genehmigung
(BGH, Urteil vom 19. Dezember 2002 - IX ZR 377/99, WM 2003, 524, 529; vom
4. November 2004 - IX ZR 22/03, BGHZ 161, 49, 56 f; vom 29. Mai 2008
- IX ZR 42/07, NZI 2008, 482 Rn. 11 ff, 16; vom 30. September 2010 - IX ZR
177/07, WM 2010, 2167 Rn. 10 f; vom 21. Oktober 2010 - IX ZR 240/09, ZInsO
2010, 2293 Rn. 7). Sie wird bei wiederkehrenden Leistungen gleicher Größenordnung an denselben Gläubiger von einem Unternehmer regelmäßig bereits
konkludent vor Ablauf der Widerspruchsfrist des Nr. 7 Abs. 3 AGB-Banken erklärt (BGH, Urteil vom 20. Juli 2010 - XI ZR 236/07, BGHZ 186, 269 Rn. 48;
vom 21. Oktober 2010, aaO Rn. 8; vom 3. Mai 2011 - XI ZR 152/09, WM 2011,
-6-
1267 Rn. 11; vom 27. September 2011 - XI ZR 328/09, WM 2011, 2259
Rn. 15 f; vom 25. Oktober 2011 - XI ZR 368/09, ZIP 2011, 2398 Rn. 13; vom
1. Dezember 2011 - IX ZR 58/11 unter III. 1., zVb). Das Berufungsurteil kann
danach mit der gegebenen Begründung nicht aufrechterhalten bleiben.
IV.
9
Die Sache ist nicht spruchreif. Das Berufungsgericht hat, aus seiner Sicht
folgerichtig, keine Feststellungen dazu getroffen, ob nach den behaupteten Verlusten der Schuldnerin der Beklagte als Geschäftsführer wusste, dass dieser
bereits im Juli 2008 die Zahlungsunfähigkeit drohte (§ 18 Abs. 2 InsO), oder ob
sie aus anderen Gründen bei der angefochtenen Genehmigung des Prämieneinzugs mit dem Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung gehandelt hat. Dies ist
im zweiten Berufungsdurchgang nachzuholen.
10
Es bedarf danach voraussichtlich keiner Entscheidung, ob der Beklagte
die gesamte Wertsteigerung seines unwiderruflichen Bezugsrechts aus der Direktversicherung für den Versicherungsfall oder den Rückkaufsfall, die infolge
der angefochtenen Prämienzahlungen eingetreten ist, nach § 143 Abs. 1 InsO
zur Insolvenzmasse zurückgewähren muss (vgl. dazu etwa Schuschke, BGHReport 2004, 198, 199 f; Kayser, Die Lebensversicherung in der Insolvenz des
Arbeitgebers, S. 72 f; MünchKomm-InsO/Kirchhof, 2. Aufl. § 129 Rn. 52 am Ende). Der Kläger hat hier nur die im Anfechtungszeitraum geleisteten Prämienzahlungen zurückverlangt, die auch vom Reichsgericht als aus dem Vermögen
-7-
des Versprechensempfängers stammend in dessen Konkurs als Anfechtungsgegenstand anerkannt worden sind (vgl. RGZ 61, 217, 219 f).
Kayser
Raebel
Lohmann
Vill
Pape
Vorinstanzen:
AG Bochum, Entscheidung vom 24.11.2010 - 38 C 273/10 LG Bochum, Entscheidung vom 10.05.2011 - I-9 S 251/10 -