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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 16/10
Verkündet am:
14. Oktober 2010
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
InsO §§ 129 ff
Die Zahlung einer Geldstrafe unterliegt der Insolvenzanfechtung.
BGH, Urteil vom 14. Oktober 2010 - IX ZR 16/10 - LG Hildesheim
AG Hildesheim
-2-
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Oktober 2010 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter, die Richter
Raebel, Prof. Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein und Grupp
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim vom 14. Januar 2010 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Der Kläger ist Verwalter in dem am 27. August 2008 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des
S.
(fortan: Schuldner).
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens war am 14. März 2008 von einem Gläubiger beantragt worden. Mit Beschluss vom 6. Juni 2008 bestellte das Insolvenzgericht den Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter und ordnete an,
dass Verfügungen des Schuldners nur mit seiner Zustimmung wirksam sind.
Die Staatsanwaltschaft, die vom Schuldner zuvor über das Insolvenzeröffnungsverfahren informiert worden war, forderte den Schuldner mit Schreiben
vom 8. August 2008 auf, eine gegen ihn verhängte Geldstrafe nebst Verfahrenskosten in Höhe von 963,50 € zu überweisen, andernfalls müsse er mit
Zwangsmaßnahmen rechnen. Der Schuldner veranlasste hierauf am 21. August
2008 die geforderte Zahlung. Mit Schreiben vom 26. November 2008 erklärte
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der Kläger die Anfechtung der Zahlung und forderte die Staatsanwaltschaft vergeblich zur Rückzahlung auf.
2
Das Amtsgericht hat den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von
963,50 € nebst Zinsen verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen
Revision erstrebt der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe:
3
Die Revision hat keinen Erfolg.
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1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Beklagte sei nach § 143
InsO zur Rückzahlung des ihm überwiesenen Betrags an den Kläger verpflichtet. Die Zahlung der Geldstrafe sei eine anfechtbare Rechtshandlung im Sinne
der §§ 130, 131 InsO. Einen allgemeinen Vorrang des Strafvollstreckungsrechts
vor dem Insolvenzrecht gebe es nicht. Der Schuldner habe den überwiesenen
Betrag die Insolvenzgläubiger benachteiligend aus der Insolvenzmasse entnommen. Ob die Anfechtbarkeit aus § 130 InsO oder aus § 131 InsO folge,
könne dahinstehen. Die Zahlung sei nach dem Eröffnungsantrag erfolgt, von
dem der Beklagte Kenntnis gehabt habe. Dahinstehen könne auch, ob die vom
Konto einer dritten Person erfolgte Überweisung eine Verfügung im Sinne des
§ 81 InsO gewesen sei und sich der Anspruch deshalb auch aus den §§ 812 ff
BGB ergebe.
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2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand. Nach
den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, die von der Revision
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nicht angegriffen werden und deshalb auch im Revisionsverfahren zugrunde zu
legen sind, besteht ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Rückzahlung des überwiesenen Betrags nach § 131 Abs. 1 Nr. 1, § 143 Abs. 1
Satz 1 InsO.
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a) Auch die Bezahlung einer Geldstrafe unterliegt der Insolvenzanfechtung, sofern deren tatbestandliche Voraussetzungen erfüllt sind. Der Strafcharakter rechtfertigt insofern keine Sonderbehandlung (MünchKomm-InsO/Kirchhof, 2. Aufl. § 129 Rn. 142; Rinjes, wistra 2008, 336, 337 f und wistra 2009, 16;
Bittmann, wistra 2009, 15; für Geldauflagen gemäß § 153a StPO, die zur Einstellung eines Strafverfahrens gezahlt werden, auch BGH, Urt. v. 5. Juni 2008
- IX ZR 17/07, NJW 2008, 2506 Rn. 21).
7
Nach der gesetzlichen Regelung in § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO handelt es
sich bei Geldstrafen um nachrangig zu befriedigende Insolvenzforderungen. Die
Konkursordnung hatte Geldstrafen ganz vom Konkursverfahren ausgeschlossen (§ 63 Nr. 3 KO). Beiden Regelungen liegt die Wertung zugrunde, dass die
Folgen strafbarer Handlungen des Schuldners diesen persönlich treffen und
nicht den übrigen Insolvenzgläubigern aufgebürdet werden sollen (BGH, Urt. v.
5. Juni 2008 aaO). Als nachrangige Insolvenzforderungen müssen Geldstrafen
im Insolvenzverfahren regelmäßig nicht angemeldet werden (§ 174 Abs. 3
Satz 1 InsO). Bei der Verteilung werden sie nur bedient, wenn alle vorrangigen
Insolvenzforderungen befriedigt sind. Wegen des Strafcharakters kann die Haftung des Schuldners für eine Geldstrafe allerdings weder in einem Insolvenzplan ausgeschlossen oder eingeschränkt werden (§ 225 Abs. 3 InsO) noch wird
sie von der Erteilung der Restschuldbefreiung berührt (§ 302 Nr. 2 InsO). Dem
liegt zugrunde, dass eine Geldstrafe nicht der Disposition der Gläubiger unterliegt und der Schuldner sich durch das Insolvenzverfahren der Strafe nicht ent-
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ziehen können soll (Begründung zu § 251 und § 268 RegE-InsO, BT-Drucks.
12/2443 S. 194 und 201). Geldstrafen sind sonach in das Insolvenzverfahren
einbezogen. Für sie gelten die allgemeinen Regelungen der Insolvenzordnung,
soweit keine Sondervorschriften bestehen (vgl. Begründung zu § 46 RegEInsO, BT-Drucks. 12/2443 S. 123). Die Normen über die Insolvenzanfechtung
(§§ 129 ff InsO) enthalten keine Sonderregelung. Sie sind daher auf Geldstrafen grundsätzlich anwendbar. Anfechtbar erlangte Zahlungen sind von der Justizkasse zur Insolvenzmasse zurückzugewähren (§ 143 Abs. 1 Satz 1 InsO).
Geschieht dies, lebt die Forderung des Staates auf Zahlung der Geldstrafe
nach § 144 Abs. 1 InsO wieder auf.
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b) Die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Anfechtung der Zahlung
der gegen den Schuldner verhängten Geldstrafe nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO
liegen vor. Die Zahlung war, auch wenn der Schuldner nicht direkt an die Justizkasse leistete, sondern - wovon das Berufungsgericht ausgegangen ist - den
Geldbetrag einer dritten Person zur Verfügung stellte, damit diese ihn an die
Justizkasse überwies, als mittelbare Zahlung eine Rechtshandlung des Schuldners (BGH, Urt. v. 16. September 1999 - IX ZR 204/98, BGHZ 142, 284, 287; v.
8. Dezember 2005 - IX ZR 182/01, ZIP 2006, 290 Rn. 7; v. 29. November 2007
- IX ZR 121/06, BGHZ 174, 314 Rn. 14). Sie gewährte dem Beklagten als Insolvenzgläubiger eine Befriedigung, welche er nicht in der Art zu beanspruchen
hatte. Die Inkongruenz der Zahlung folgt zum einen aus dem Umstand, dass sie
erbracht wurde, nachdem die Staatsanwaltschaft ein Gesuch des Schuldners
um Zahlungsaufschub abgelehnt, ihn zur sofortigen Überweisung aufgefordert
und angekündigt hatte, im Falle nicht fristgerechter Zahlung müsse er mit
Zwangsmaßnahmen bis hin zur Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe rechnen.
Eine Befriedigung unter dem Druck der unmittelbar bevorstehenden Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe (§ 43 StGB), die auch im eröffneten Insolvenz-
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verfahren möglich ist und keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet
(BVerfG NJW 2006, 3626), ist wie im Falle einer unmittelbar bevorstehenden
Zwangsvollstreckung (dazu BGH, Urt. v. 7. Dezember 2007 - IX ZR 157/05, ZIP
2007, 136 Rn. 8 m.w.N.) inkongruent. Zum anderen war die Zahlung auch deswegen inkongruent, weil sie durch eine dritte Person erfolgte, der die erforderlichen Mittel zuvor vom Schuldner zur Verfügung gestellt worden waren (BGH,
Urt. v. 8. Dezember 2005, aaO Rn. 9; v. 10. Mai 2007 - IX ZR 146/05, ZIP 2007,
1162 Rn. 8; v. 16. November 2007 - IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 Rn. 25; jeweils m.w.N.). Die Zahlung erfolgte nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und benachteiligte die übrigen Insolvenzgläubiger, weil sie nach
der Feststellung des Berufungsgerichts aus dem pfändbaren Vermögen des
Schuldners erfolgte und daher die künftige Insolvenzmasse minderte. Auf die
erfolgte Anfechtung des Klägers ist der Beklagte gemäß § 143 Abs. 1 InsO zur
Rückzahlung des erlangten Betrags an die Insolvenzmasse verpflichtet.
c) Die Zahlung wäre aber auch dann anfechtbar, wenn sie zu einer kon-
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gruenten Deckung geführt hätte. Dann wären die Anfechtungsvoraussetzungen
nach § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO erfüllt, weil die Zahlung nach dem Eröffnungsantrag erfolgte und die Staatsanwaltschaft zu diesem Zeitpunkt aufgrund eines bei
ihr eingegangenen Schreibens des Schuldners Kenntnis vom Eröffnungsantrag
hatte.
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d) Bei dieser Rechtslage durfte das Berufungsgericht offen lassen, ob die
Klageforderung auch als bereicherungsrechtlicher Rückgewähranspruch begründet ist, weil die Geldstrafe unter Missachtung des Vorbehalts einer Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters bezahlt wurde (§ 21 Abs. 2 Nr. 2,
§ 24 Abs. 1, § 81 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Insofern ist nicht zweifelsfrei, ob der Beklagte den Geldbetrag aufgrund einer unwirksamen Verfügung erlangte, weil die
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Überweisung nicht durch den Schuldner, sondern durch eine dritte Person erfolgte.
Ganter
Raebel
Gehrlein
Kayser
Grupp
Vorinstanzen:
AG Hildesheim, Entscheidung vom 01.10.2009 - 448 C 33/09 LG Hildesheim, Entscheidung vom 14.01.2010 - 1 S 58/09 -