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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 416/00
Verkündet am:
20. Januar 2005
Bürk
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 249 Hd
Zur Schadensberechnung bei Haftung des Steuerberaters wegen der Aufdeckung
stiller Reserven durch Verkauf von Gewerbeerwartungsland (Abgrenzung zu BGH
WM 2004, 475).
BGH, Urteil vom 20. Januar 2005 – IX ZR 416/00 – OLG Koblenz
LG Mainz
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 20. Januar 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer und die Richter Dr. Ganter, Raebel, Kayser und Neškovi
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Koblenz vom 6. Oktober 2000 unter
Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen im Kostenpunkt und
insoweit
aufgehoben,
als
der
Beklagte zur Zahlung von
132.519,59 DM nebst Zinsen verurteilt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung der Kläger gegen
das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 15. Juli
1999 zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits je zur Hälfte.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Kläger, die als Gesellschaft bürgerlichen Rechts einen land- und
forstwirtschaftlichen Betrieb führen, hatten in ihrem Betriebsvermögen unter
anderem drei Weinberggrundstücke, deren Buchwert in den Bilanzen mit
42.882 DM (7 DM/m²) angesetzt war. Im Mai 1999 bekundete ein Investor Inte-
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resse an den Grundstücken zu einem Kaufpreis von 70 DM/m². Daraufhin ließen sich die Kläger von dem Beklagten, der sie fortlaufend steuerlich betreute,
beraten, ob ein Verkauf der Grundstücke ohne anfallende Steuerschuld möglich sei. Dies wurde bejaht. Daraufhin veräußerten die Kläger die Grundstücke
mit Kaufvertrag vom 25. Juli 1991 an den Investor zu einem Quadratmeterpreis
von 70 DM/m². Später stellte das Finanzamt eine Steuerschuld von
132.519,59 DM aus land- und forstwirtschaftlichem Gewinn fest. Es hatte den
erzielten Kaufpreis als Entnahmewert für das Betriebsvermögen zugrunde gelegt und den nach Abzug des Buchwertes verbleibenden Betrag als steuerpflichtigen Entnahmegewinn erfaßt.
Die Kläger, die vortragen, sie hätten die Grundstücke auf keinen Fall
verkauft, wenn sie von dem Anfall der Steuerschuld gewußt hätten, haben auf
Ersatz der vom Finanzamt veranlagten Einkommensteuer sowie verschiedener
Folgekosten (Aussetzungszinsen: 20.465,50 DM; Gerichtskosten Finanzgericht: 2.657 DM) in Höhe von insgesamt 155.642,09 DM geklagt. Das Landgericht hat die Klage, soweit damit Schadensersatz wegen der festgesetzten
Steuer verlangt wird, abgewiesen und ihr im übrigen stattgegeben. Auf die Berufung der Kläger und die Anschlußberufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht den Beklagten wegen des Steuerschadens und der Gerichtskosten
zur Zahlung von insgesamt 135.176,79 DM nebst Zinsen verurteilt und den Anspruch auf die Aussetzungszinsen abgewiesen.
Mit der Revision begehrt der Beklagte, die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision hat überwiegend Erfolg.
I.
1. Zur Schadensposition des steuerpflichtigen Entnahmegewinns hat
das Berufungsgericht ausgeführt, daß der Beklagte mit seiner Beratung, die
Veräußerung der drei Grundstücke führe zu keiner steuerlichen Belastung,
seine vertraglichen Pflichten schuldhaft verletzt habe. Hierdurch sei dem Kläger auch ein Schaden in Höhe von 132.519,59 DM entstanden. Das Landgericht habe zu Unrecht auf einen Grundstückswert von lediglich 9 DM/m² abgestellt. Bei sachgerechter steuerlicher Aufklärung hätten die Kläger die drei
Grundstücke nicht aus dem Betriebsvermögen entnommen. Da der Verkehrswert der Grundstücke zum Zeitpunkt der steuerlichen Beratung im Mai/Juli
1991 in einem Sachverständigengutachten per 30. Juni 1991 mit 70 DM/m²
richtig ermittelt worden sei, hätte das Landgericht von diesem Wert ausgehen
müssen. Dann wäre der in den drei Grundstücken enthaltene damalige Verkaufswert von 70 DM/m² (= 428.820 DM) ohne die Veräußerung uneingeschränkt erhalten geblieben. Aufgrund der fehlerhaften steuerlichen Aufklärung
und der darauf beruhenden Veräußerung sei den Klägern nur ein um die Steuer verminderter Barbetrag als Vermögen verblieben, so daß die Kläger statt
428.820 DM nur noch 296.341 DM hätten. Die Differenz - die festgesetzte
Steuerschuld in Höhe von 132.519,59 DM - sei der den Klägern zu ersetzende
Schaden.
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2. Bei der Schadensposition Gerichtskosten ist das Berufungsgericht
dem Landgericht gefolgt und hat diese als ersatzfähigen Folgeschaden der
fehlerhaften steuerlichen Beratung angesehen. Die Klage vor dem Finanzgericht Rheinland-Pfalz sei unbegründet gewesen, und der Beklagte habe die
Kläger damals nicht über die fehlende Erfolgsaussicht der von ihm vertretenen
Klage aufgeklärt.
II.
Diese Ausführungen halten nicht in allen Punkten rechtlicher Nachprüfung stand.
1. Der Beklagte hat seine vertragliche Pflicht verletzt, indem seine Mitarbeiterin den Klägern die unrichtige Auskunft erteilt hat, der Verkauf der drei
Grundstücke sei steuerlich unschädlich. Diese Pflichtverletzung ist ursächlich
für den Entschluß der Kläger geworden, die Grundstücke am 25. Juli 1991 zu
veräußern.
Dies wird in der Revisionsinstanz nicht in Frage gestellt und läßt auch
keine Rechtsfehler erkennen.
2. Zu Recht hat das Berufungsgericht auch das Verschulden des Beklagten bejaht. Das objektiv fehlerhafte Verhalten des Beklagten spricht zunächst für sein Verschulden (vgl. BGHZ 129, 386, 399; BGH, Urt. v. 20. Juni
1996 - IX ZR 106/95, WM 1996, 1832, 1835). Dies kann die Revision nicht mit
dem Hinweis ausräumen, der Beklagte habe in der ersten Jahreshälfte 1991
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nicht vorhersehen können, daß sich die Grundstücke der Kläger ab den Jahren
1991 bis 1994 in Bauerwartungsland verwandeln würden. Dem Beklagten wird
nicht vorgeworfen, er habe die Wertentwicklung der betreffenden Grundstücke
falsch eingeschätzt. Vielmehr wird ihm angelastet, eine unrichtige Auskunft zur
möglichen Steuerschädlichkeit des Verkaufs der drei Grundstücke gegeben zu
haben.
3. Unrichtig ist jedoch die Annahme des Berufungsgerichts, den Klägern
sei ein Schaden durch die Versteuerung des (nach Abzug der Buchwerte
verbleibenden) Gewinns mit darauf entfallender Einkommensteuer, Kirchensteuer und einem Solidaritätszuschlag in Höhe von zusammen 132.519,59 DM
entstanden.
a) Der rechtliche Berater, der seinem Auftraggeber wegen positiver Vertragsverletzung zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat diesen durch die
Schadensersatzleistung so zu stellen, wie er bei pflichtgemäßem Verhalten des
rechtlichen Beraters stünde (BGH, Urt. v. 20. Oktober 1994 - IX ZR 116/93,
NJW 1995, 449, 451 [st. Rspr.]). Danach muß die tatsächliche Vermögenslage
derjenigen gegenübergestellt werden, die sich ohne den Fehler des rechtlichen
Beraters ergeben hätte. Das erfordert einen Gesamtvermögensvergleich, der
alle von dem haftungsbegründenden Ereignis betroffenen finanziellen Positionen umfaßt (BGH, Urt. v. 30. Mai 2000 - IX ZR 121/99, NJW 2000, 2669, 2670,
insoweit in BGHZ 144, 343 nicht abgedruckt).
b) Es ist demnach zu fragen, ob der jetzige tatsächliche Wert des Vermögens der Kläger geringer ist, als er es ohne den Verkauf der Grundstücke
gewesen wäre. Diese Frage hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft beurteilt.
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Allerdings hat der Senat einen Schaden in Höhe der angefallenen Einkommensteuer bei einem Mandanten des Steuerberaters bejaht, der infolge
fehlerhafter Beratung den Gewerbebetrieb aufgegeben hatte mit der Folge der
Aufdeckung stiller Reserven (BGH, Urt. v. 23. Oktober 2003 - IX ZR 249/02,
WM 2004, 475). Jenes Urteil beruhte jedoch entscheidend darauf, daß der
Mandant durch die Aufgabe des Gewerbebetriebs keinen Vorteil erlangt hatte,
der ihm nicht zugeflossen wäre, wenn er von einem entsprechenden Entschluß
abgesehen hätte (vgl. BGH, Urt. v. 23. Oktober 2003, aaO S. 477). Dies ist im
Streitfall anders.
Ohne den Fehler des Beklagten hätten die Kläger zwar keine Steuern
bezahlen müssen, aber auch keinen Veräußerungsgewinn erzielt. Beim Vermögensvergleich muß gegenübergestellt werden der Veräußerungsgewinn abzüglich Steuern einerseits und der Verkehrswert der Weinberge ohne Veräußerung andererseits. Der von einer gewerblichen Nutzungserweiterung geprägte
Verkehrswert, von dem das Berufungsgericht ohne Veräußerung ausgegangen
ist (70 DM/m² = 428.820 DM), ergibt sich jedoch nicht aufgrund einer rechtlich
gesicherten Bodennutzung. Dafür, daß bei weinbaulicher Nutzung der Wert der
Grundstücke den nunmehr erzielten Kaufpreis abzüglich der Steuerlast überstiege, ist nichts ersichtlich. Der realisierte Verkehrswert als Gewerbeerwartungsland ließ sich jedoch nur bei einer Veräußerung erzielen. Da diese
zwangsläufig die Steuerlast auslöste, stellt die festgesetzte Steuerschuld im
Gesamtvermögensvergleich keinen Schaden dar. Die Auffassung des Berufungsgerichts hat zur Folge, daß die Kläger so gestellt werden, als hätten sie
durch Entnahme der Weinberg-Grundstücke die stillen Reserven steuerfrei
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realisieren können. Ein solches Ergebnis war, von hier nicht vorgetragenen
Ausnahmen abgesehen, nicht erreichbar.
4. Ohne Erfolg bleibt die Revision bezüglich der Schadensposition Gerichtskosten. Das Berufungsgericht hat in Übereinstimmung mit dem Landgericht den Prozeßkostenschaden der Kläger im Verfahren vor dem Finanzgericht
Rheinland-Pfalz als ersatzfähigen Schaden anerkannt. Diese rechtliche Beurteilung, zu der die Revision keine Ausführungen gemacht hat, läßt keinen
Rechtsfehler erkennen.
III.
Das angefochtene Urteil ist demnach teilweise aufzuheben (§ 564 Abs. 1
ZPO a.F.). Da die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO
a.F.), kann der Senat in der Sache selbst entscheiden.
Fischer
Ganter
Kayser
Raebel
Neškovi