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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 122/12
Verkündet am:
11. April 2013
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
InsO § 259 Abs. 3
Auf der Grundlage des Insolvenzplans darf der Insolvenzverwalter nur einen bei Aufhebung des Verfahrens bereits rechtshängigen Anfechtungsprozess fortsetzen.
BGH, Urteil vom 11. April 2013 - IX ZR 122/12 - OLG München
LG München I
-2-
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. April 2013 durch die Richter Vill, Raebel, Prof. Dr. Gehrlein, Grupp und
die Richterin Möhring
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts München vom 17. April 2012 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des
Landgerichts München I vom 26. Juli 2011 wird mit der Maßgabe
zurückgewiesen, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird.
Der Kläger trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Der Kläger ist Verwalter in dem auf den Eigenantrag vom 22. Oktober
2009 über das Vermögen der P.
GmbH & Co. KG (nachfol-
gend: Schuldnerin) am 1. Januar 2010 eröffneten Insolvenzverfahren.
2
Die Schuldnerin belieferte die Beklagte im Rahmen einer ständigen Geschäftsbeziehung mit Ware. Jener standen nach Maßgabe einer Konditionenvereinbarung umsatzabhängige Provisionen gegen die Schuldnerin zu. Gegen
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Kaufpreisforderungen der Schuldnerin über 125.835,37 € rechnete die Beklagte
am 3. Dezember 2009 mit Provisionsforderungen in entsprechender Höhe auf.
3
Das Amtsgericht hat das Insolvenzverfahren über das Vermögen der
Schuldnerin nach Rechtskraft der Bestätigung des Insolvenzplans durch Beschluss vom 5. Juli 2010 mit Wirkung zum 3. Juli 2010 aufgehoben. Der Insolvenzplan ermächtigt den Insolvenzverwalter, "anhängige Rechtsstreitigkeiten,
die eine Insolvenzanfechtung zum Gegenstand haben, auch nach Aufhebung
des Verfahrens fortzuführen".
4
Mit der am 28. Mai 2010 eingereichten und am 22. Juli 2010 zugestellten
Klage nimmt der Kläger die Beklagte auf Zahlung von 125.835,37 € in Anspruch. Nach Abweisung der Klage durch das Landgericht hat das Oberlandesgericht dem Begehren stattgegeben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
5
Die Revision ist begründet und führt zur Wiederherstellung des Urteils
des Landgerichts.
I.
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Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Kläger mache keinen insolvenzrechtlichen Anfechtungsanspruch, sondern den ursprünglichen Kaufpreisoder Werklieferungsanspruch der Schuldnerin geltend. Er sei zur Verfolgung
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des Anspruchs befugt, weil er nach dem Inhalt des Insolvenzplans ermächtigt
sei, anhängige Rechtsstreitigkeiten, die eine Insolvenzanfechtung zum Gegenstand haben, fortzuführen. Da die Klageforderung nur dann keinen Bestand habe, wenn die von der Beklagten erklärte Verrechnung wirksam sei, kämen hinsichtlich der Aufrechnung nur anfechtungsrechtliche Gesichtspunkte in Betracht. Der Rechtsstreit habe daher im Sinne von § 259 Abs. 3 InsO eine Insolvenzanfechtung zum Gegenstand. Die Aufrechnung sei hier gemäß § 96 Abs. 1
Nr. 3, § 130 InsO unwirksam.
II.
7
Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Klage ist
bereits unzulässig. Wäre sie als allgemeine Leistungsklage anzusehen, fehlte
dem Kläger mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens die aus § 80 Abs. 1 InsO
herrührende Klagebefugnis. Ist die Klage als Anfechtungsklage anzusehen, ist
der Kläger auch nicht gemäß § 259 Abs. 3 Satz 1 InsO prozessführungsbefugt,
weil die vorliegende Klage erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens erhoben wurde.
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1. Die zuletzt genannte Vorschrift verleiht dem Insolvenzverwalter nach
Bestätigung des Insolvenzplans und Aufhebung des Insolvenzverfahrens die
Befugnis, einen anhängigen Anfechtungsrechtsstreit fortzuführen, wenn dies im
gestaltenden Teil des Planes vorgesehen ist. Zwar kann die Insolvenzanfechtung als spezifisches Instrument des Insolvenzverfahrens grundsätzlich nur
während der Dauer des Verfahrens von dem Insolvenzverwalter kraft seines
Amtes ausgeübt werden. In Durchbrechung dieses Grundsatzes wird ausnahmsweise durch § 259 Abs. 3 InsO aufgrund einer Entscheidung der Gläubi-
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ger in dem Plan die Prozessführungsbefugnis des Verwalters für schwebende
Verfahren über die Dauer des Insolvenzverfahrens hinaus aufrechterhalten. Ist
das Insolvenzverfahren aufgehoben worden, schließt das Gesetz eine Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters für neue, erst anhängig zu machende Anfechtungsklagen schlechthin aus (BGH, Urteil vom 10. Dezember 2009
- IX ZR 206/08, WM 2010, 136 Rn. 10).
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2. Die am 28. Mai 2010 eingereichte Klage wurde der Beklagten am
22. Juli 2010 zugestellt. Da das Insolvenzverfahren durch Beschluss vom 5. Juli
2010 aufgehoben worden war, konnte durch die spätere Zustellung die gemäß
§ 259 Abs. 3 Satz 1 InsO für den Zeitpunkt der Aufhebung verlangte Rechtshängigkeit nicht begründet werden.
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a) Der Verwalter kann nach dem Wortlaut der Regelung einen "anhängigen Rechtsstreit", der eine Insolvenzanfechtung zum Gegenstand hat, auf der
Grundlage des Insolvenzplans auch nach Aufhebung des Verfahrens fortsetzen. Bereits zur Auslegung des § 240 ZPO hat der Senat erkannt, dass durch
die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei eine
Unterbrechung nur stattfindet, wenn ein durch Klagezustellung bewirktes
rechtshängiges Verfahren vorliegt (BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2008
- IX ZB 232/08, WM 2009, 332 Rn. 9). Sowohl im Rahmen des § 240 ZPO als
auch den darauf bezogenen konkurs- bzw. insolvenzrechtlichen Vorschriften
wird Rechtshängigkeit vorausgesetzt (BGH, aaO).
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b) Auf diesem Verständnis beruht auch die hier maßgebliche Regelung
des § 259 Abs. 3 Satz 1 InsO. Ein "anhängiger Rechtsstreit" im Sinne dieser
Vorschrift scheidet aus, wenn - wie im Streitfall - zum Zeitpunkt der Verfahrensaufhebung lediglich eine Anfechtungsklage eingereicht, aber noch nicht zuge-
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stellt ist. Durch die Verbindung des Tatbestandsmerkmals "anhängig" mit dem
Begriff "Rechtsstreit" wird unmissverständlich verdeutlicht, dass eine Fortführung nur für eine im Zeitpunkt der Verfahrensaufhebung bereits zugestellte Anfechtungsklage in Betracht kommt (zutreffend Wollweber/Hennig, ZInsO 2013,
49, 50 ff). Dieses Verständnis liegt auch den §§ 85, 86 InsO zugrunde, die "anhängig" im Sinne von "rechtshängig" begreifen. In Übereinstimmung hiermit ist
auch der Senat davon ausgegangen, dass der Insolvenzverwalter spätestens
im Zeitraum zwischen der Abstimmung über den Insolvenzplan und der Verfahrensaufhebung Anfechtungsklage zu erheben hat und nur einen bereits rechtshängigen
Anfechtungsrechtsstreit
fortsetzen
kann
(vgl.
Urteil
vom
10. Dezember 2009, aaO).
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c) Der Beschluss über die Aufhebung des Verfahrens zum 3. Juli 2010
wurde im Streitfall am 5. Juli 2010 erlassen und öffentlich bekannt gemacht. Die
Aufhebung ist jedenfalls mit der Beschlussfassung am 5. Juli 2010 wirksam geworden (BGH, Beschluss vom 15. Juli 2010 - IX ZB 229/07, BGHZ 186, 223
Rn. 5 ff) und damit vor Klageerhebung.
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Die Aufhebung unterliegt, wenn die Entscheidung von einem Richter getroffen wurde, gemäß § 6 Abs. 1 InsO nicht der Beschwerde (MünchKommInsO/Huber, 2. Aufl., § 258 Rn. 19; HK-InsO/Flessner, 6. Aufl., § 258 Rn. 9;
Uhlenbruck/Lüer, InsO, 13. Aufl., § 258 Rn. 2; HmbKomm-InsO/Thies, 4. Aufl.,
§ 258 Rn. 20). Ergeht die Entscheidung - wie im Streitfall - durch einen Rechtspfleger, ist zwar nach § 11 Abs. 2 Satz 1 RpflG die befristete Erinnerung eröffnet (MünchKomm-InsO/Huber, aaO Rn. 20; Uhlenbruck/Lüer, aaO; HKInsO/Flessner, aaO; HmbKomm-InsO/Thies, aaO). Gleichwohl ist ebenso wie
bei einer Entscheidung durch den Richter auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Aufhebung abzustellen, weil der Erinnerung, wie der Beschwerde ge-
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mäß § 570 Abs. 1 ZPO, keine aufschiebende Wirkung zukommt (BGH, Urteil
vom 13. Januar 1975 - VII ZR 220/73, NJW 1975, 692; MünchKommInsO/Ganter, aaO § 6 Rn. 51; im Ergebnis ebenso MünchKomm-Inso/Huber,
aaO). Bei dieser Sachlage ist die Regelung des § 259 Abs. 3 Satz 1 InsO vorliegend nicht einschlägig, weil die Anfechtungsklage der Beklagten erst nach
Verfahrensaufhebung zugestellt wurde. § 167 ZPO ist insofern nicht einschlägig.
III.
14
Das angefochtene Urteil ist, weil sich die Revision als begründet erweist,
gemäß § 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben. Da die Aufhebung des Urteils nur wegen
Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachver-
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hältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, kann
der Senat gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden und die
Berufung mit der Maßgabe zurückweisen, dass die Klage unzulässig ist.
Vill
Raebel
Grupp
Gehrlein
Möhring
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 26.07.2011 - 6 O 10074/10 OLG München, Entscheidung vom 17.04.2012 - 5 U 3216/11 -