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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 122/09
Verkündet am:
27. April 2010
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
-2-
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 27. April 2010 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter und die Richter
Raebel, Prof. Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein und Grupp
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 20. Mai 2009 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger ist Verwalter in dem am 2. Februar 2006 eröffneten Insol-
1
venzverfahren über das Vermögen der H. H.
Beklagte
H.
H.
gewährte
(fortan: H.
dem
damaligen
GmbH (fortan: Schuldnerin). Die
Geschäftsführer
der
Schuldnerin,
), am 18. Oktober 2004 ein Darlehen in Höhe von
50.000 €. Diesen Betrag leitete H.
an das Finanzamt weiter, das die Zahlung
mit Steuerforderungen gegen dessen Ehefrau, Ha.
H.
, verrech-
nete. Anschließend führte die Schuldnerin - neben Ha.
H.
(zu deren
Zahlungen siehe das Senatsurteil vom 19. November 2009 - IX ZR 9/08, ZIP
2010, 36) - das Darlehen von H.
bei der Beklagten zurück. Am 17. März 2005
überwies sie die fünfte Darlehensrate (5.000 €) zuzüglich Zinsen, am 29. Juli
2005 tilgte sie die neunte Rate (5.000 €) zuzüglich Zinsen im Wege der Verrechnung mit einem Anspruch gegen die Beklagte. Zu den Leistungszeitpunkten war H.
zahlungsunfähig. Über das Vermögen der Ha.
H.
wurde
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am 23. Januar 2006, über das Vermögen des H.
am 16. Juni 2006 das Insol-
venzverfahren eröffnet.
2
Der Kläger nimmt die Beklagte im Wege der Insolvenzanfechtung auf
Rückgewähr des ihr zugeflossenen Betrags von insgesamt 11.115, 24 € sowie
auf Ausgleich vorgerichtlicher Kosten in Höhe von 361,90 €, jeweils zuzüglich
Zinsen, in Anspruch. Die Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Mit ihrer vom
Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
3
Die Revision ist unbegründet.
I.
4
Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Schuldnerin durch die
Rückführung des von H.
aufgenommenen Darlehens eine unentgeltliche
und nach § 134 Abs. 1 InsO anfechtbare Leistung an die Beklagte erbracht habe. Werde - wie hier - eine dritte Person in den Zuwendungs- oder Gegenleistungsvorgang eingeschaltet, komme es für die Annahme der Unentgeltlichkeit
entscheidend darauf an, ob der Empfänger seinerseits eine Gegenleistung erbracht habe. Die Gegenleistung eines Leistungsempfängers, dessen gegen einen Dritten, hier H.
, gerichtete Forderung bezahlt werde, liege in der Regel
darin, dass der Leistungsempfänger mit der Zahlung die Forderung gegen seinen Schuldner verliere. Sei diese Forderung wertlos, fehle es an einer Gegen-
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leistung. So lägen die Dinge hier. H.
sei zu den maßgeblichen Zeitpunkten
zahlungsunfähig gewesen. Auf dessen etwaige Bereicherungsansprüche gegen
seine Ehefrau aus Nichtleistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB)
hätte die Beklagte nicht mit Erfolg zugreifen können, weil Ha.
-
, wie zwischen den Parteien unstreitig sei, ebenfalls zahlungsunfähig gewesen sei. Dem stehe nicht entgegen, dass es H.
als Vertragsschuldner der
Beklagten tatsächlich geschafft habe, für die Rückführung des Darlehens zu
sorgen. Der zweitinstanzliche Vortrag der Beklagten, wonach zwischen der
Schuldnerin und der Beklagten schon vorab eine Verrechnungsabrede getroffen
worden sei, könne nach § 531 ZPO keine Berücksichtigung mehr finden.
II.
5
Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.
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1. Der Senat hat in dem die weiteren Zahlungen an die Beklagte betreffenden Urteil vom 19. November 2009 unter Bezugnahme auf die ständige Senatsrechtsprechung ausgeführt, dass der Zuwendungsempfänger gegenüber
den Insolvenzgläubigern nicht schutzwürdig und deshalb der Insolvenzanfechtung nach § 134 Abs. 1 InsO ausgesetzt ist, wenn er mit der Entgegennahme
der Leistung eines Dritten nur eine wertlose Forderung gegen seinen Vertragsschuldner verloren hat (BGH, aaO Rn. 8). Die Werthaltigkeit der beglichenen
Forderung kann insbesondere nicht damit begründet werden, dass es dem insolvenzreifen Vertragsschuldner gelungen ist, für einen Ausgleich der gegen ihn
gerichteten Ansprüche zu sorgen. Auf die dort gegebene Begründung wird verwiesen (BGH, aaO Rn. 14). Entgegen der Auffassung der Revision ist deshalb
entscheidend, ob der Vertragsschuldner des Zuwendungsempfängers, H.
,
-5-
am 17. März 2005 und am 29. Juli 2005 zahlungsunfähig war. Dies hat das Berufungsgericht - ebenso wie in dem Parallelverfahren - festgestellt. Hiergegen
wendet sich die Revision nicht.
2. In dem genannten Senatsurteil (aaO Rn. 10 ff) wird auf der Grundlage
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der dortigen Feststellungen allerdings auch ausgeführt, die Entgeltlichkeit des
Zuwendungsvorgangs könne sich ausnahmsweise auch daraus ergeben, dass
dem Vertragsschuldner ein auf Tilgung der Verbindlichkeit gerichteter werthaltiger Regressanspruch gegen den Schuldner zugestanden habe, auf den der
Anfechtungsgegner - insolvenzbeständig - hätte zugreifen können. Nach den
hier vorliegenden Feststellungen scheidet ein solcher Anspruch des H.
seine Ehefrau jedoch aus, weil Ha.
H.
gegen
zu den maßgeblichen Zeit-
punkten ebenfalls zahlungsunfähig war. Diese Annahme des Tatrichters wird
von der Revision nicht mit Verfahrensrügen angegriffen. Der Umstand, dass
Ha.
H.
die übrigen Raten selbst gezahlt hat, ist rechtlich ohne Bedeu-
tung, weil der Schuldner in der Krise erfahrungsgemäß aus unterschiedlichsten
Gründen noch einzelne Gläubiger bevorzugt befriedigt (vgl. BGHZ 155, 75, 84;
BGH, Urt. v. 19. November 2009, aaO Rn. 14).
8
3. Die weitere Rüge der Beklagten, das Berufungsgericht habe ihren Vortrag zu der Aufrechnungsvereinbarung, von der in Bezug auf die neunte Rate
Gebrauch gemacht worden sei, prozessordnungswidrig als verspätet zurückgewiesen, ist unbegründet. Entgegen der Auffassung der Revision liegen die
Voraussetzungen für eine Zurückweisung des in zweiter Instanz gehaltenen
Vortrags gemäß § 531 ZPO vor. In erster Instanz war unstreitig, dass die neunte Rate durch die Schuldnerin im Wege der Verrechnung getilgt worden ist.
Mangels Gegenseitigkeit der Forderungen bedurfte es hierzu einer Aufrechnungsvereinbarung. An der Unentgeltlichkeit der Leistung der Schuldnerin än-
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derte dieses Geschehen nichts, weil das Vermögensopfer der Beklagten - wie
bei einer Erfüllung durch Zahlung - auch in diesem Fall in dem Verlust der Forderung gegen H.
zu suchen ist. Gerichtliche Hinweispflichten nach § 139
ZPO, deren Verletzung zu einer Zulassung des neuen Vortrags nach § 531
Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO führen könnten, bestanden deshalb nicht.
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Die Ausführungen der Beklagten zu einem angeblich ihr schon bei Darlehensausreichung eingeräumten Aufrechnungsrecht mit der Gegenforderung
aus dem Darlehensvertrag gegenüber Ansprüchen der Schuldnerin gegen sie
finden sich erstmals in ihrem Schriftsatz vom 11. Februar 2008. Da die mündliche Verhandlung bei Eingang dieses Schriftsatzes bereits geschlossen war und
sich der gewährte Schriftsatznachlass, wie das Berufungsgericht rechtlich einwandfrei ausgeführt hat, auf diesen Punkt nicht bezog, konnte der diesbezügliche Vortrag in erster Instanz keine Berücksichtigung mehr finden (vgl. §§ 156,
283 Satz 1, § 296a ZPO). In zweiter Instanz war er "neu" (vgl. BGH, Urt. v.
-7-
16. Oktober 2007 - VI ZR 173/06, NJW-RR 2008, 335, 337 Rn. 29) und brauchte deshalb ebenfalls nicht beachtet zu werden.
Ganter
Raebel
Gehrlein
Kayser
Grupp
Vorinstanzen:
LG
Oldenburg, Entscheidung vom 06.03.2008 - 16 O 2289/07 -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 20.05.2009 - 4 U 50/08 -