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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 110/10
Verkündet am:
13. Januar 2011
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 280 Abs. 1; ZPO §§ 704, 767, 794 Abs. 1 Nr. 5; RVG § 14 Abs. 1, § 19 Abs. 1
Satz 2 Nr. 2, RVG VV Nr. 2300, Nr. 3309
Die
vorgerichtliche
Tätigkeit
des
Rechtsanwalts
vor
Erhebung
einer
Voll-
streckungsabwehrklage löst die allgemeine Gebühr für das Betreiben des Geschäfts
aus.
BGH, Urteil vom 13. Januar 2011 - IX ZR 110/10 - LG Magdeburg
AG Wernigerode
-2-
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Januar 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, den
Richter Raebel, die Richterin Lohmann, den Richter Dr. Pape und die Richterin
Möhring
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 15. Dezember 2009 wird auf Kosten der
Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Durch notariellen Vertrag vom 25. April 2001 erklärte der Kläger, der zu
diesem Zeitpunkt noch mit der Beklagten verheiratet war, dieser (umgerechnet)
70.046,98 € als Darlehen zu schulden. Wegen dieses Anspruchs unterwarf er
sich der sofortigen Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde. Ein Jahr
später verkaufte er der Beklagten seinen ideellen Miteigentumsanteil an dem
gemeinsamen Hausgrundstück. In dem Vertrag vereinbarten die Parteien, dass
die Beklagte anstelle eines Kaufpreises auf die Darlehensforderung verzichtete.
Der Vertrag wurde vollzogen.
2
In Kenntnis dieser Umstände ließ die Beklagte den Kläger nach zwischenzeitlich erfolgter Scheidung am 26. Mai 2008 anwaltlich auffordern, das
Darlehen nebst Zinsen, zusammen 75.674,10 €, zurückzuzahlen. In dem an die
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Rechtsanwälte des Klägers adressierten Aufforderungsschreiben wurde diesem
unter Androhung der Zwangsvollstreckung eine Zahlungsfrist bis zum 10. Juli
2008 gesetzt. Der Kläger ließ die Forderung durch seine Anwälte unter Hinweis
auf die Verrechnung im notariellen Kaufvertrag zurückweisen. Zugleich forderten seine Anwälte die Beklagte zur Abgabe einer Vollstreckungsverzichtserklärung auf und kündigten für den Fall der Weigerung eine negative Feststellungsklage an. Die Beklagte gab daraufhin die gewünschte Verzichtserklärung ab
und gestand zu, dass die Darlehensforderung erloschen sei.
3
Der Kläger fordert Ersatz der zur Abwehr der Darlehensforderung durch
die Einschaltung seiner Rechtsanwälte entstandenen Kosten in Höhe einer 1,5fachen Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG nebst Auslagenpauschale
und Umsatzsteuer.
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Das Amtsgericht hat nur den Gebührentatbestand Nr. 3309 VV RVG
(Verfahrensgebühr in der Zwangsvollstreckung) als erfüllt angesehen und dem
Kläger ein hälftiges Mitverschulden an der Schadensentstehung zugerechnet,
weil er trotz klarer Rechtslage sogleich Rechtsanwälte beauftragt habe. Das
Berufungsgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Mit ihrer vom
Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
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Die Revision ist unbegründet.
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I.
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Das Landgericht hat angenommen, dem Kläger stehe ein Schadensersatzanspruch gemäß § 280 BGB dem Grunde nach zu. Die Beklagte habe ihre
Pflichten aus dem Darlehensvertrag mit dem Kläger verletzt, indem sie mit einer
sehr knapp bemessenen Frist die Rückzahlung des Darlehens trotz vorangegangenen Verzichts eingefordert habe. Sie habe schuldhaft gehandelt, weil das
Erlöschen der Forderung - auch für sie - offensichtlich gewesen sei. Den durch
die Kosten der Verteidigung des Klägers gegen die unberechtigte Forderung
entstandenen Schaden habe sie zu ersetzen. Ein Mitverschulden sei dem Kläger nicht anzulasten. Da die Beklagte ihr Forderungsschreiben an die im Scheidungsverfahren für ihn tätig gewesenen Rechtsanwälte gesandt habe, hätte er
diese sogleich einschalten dürfen. Überdies sei die Forderung hoch gewesen
und die Beklagte habe über eine vollstreckbare Urkunde verfügt, deren Durchsetzung binnen kurzer Zeit sie angedroht habe. Der Höhe nach könnten die
vom Kläger mit der Abwehr der Forderung beauftragten Rechtsanwälte eine
1,5-fache Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG geltend machen; sie
müssten sich nicht auf die nur 0,3-fache Verfahrensgebühr für eine Tätigkeit in
der Zwangsvollstreckung gemäß Nr. 3309 VV RVG beschränken, weil sie nicht
bloß die formellen Vollstreckungsvoraussetzungen, sondern auch die materielle
Rechtslage hätten einbeziehen müssen. Hierbei seien mögliche Anfechtungsansprüche im Hinblick auf den am 25. April 2002 geschlossenen Grundstücksübertragungs- und Verzichtsvertrag zu prüfen gewesen; dies rechtfertige ein
Überschreiten der in Nr. 2300 VV RVG erwähnten Durchschnittlichkeitsgrenze
von 1,3 Gebühren.
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II.
7
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand.
8
1. Die Tätigkeit der vom Kläger beauftragten Rechtsanwälte erfüllt den
Gebührentatbestand der Nr. 2300 VV RVG. Sie hatten den Bestand des titulierten Anspruchs zu prüfen, über den die Parteien in der notariellen Kaufvertragsurkunde eine Verrechnungsabrede getroffen hatten. Die hierzu entfalteten Tätigkeiten lösten die Geschäftsgebühr aus.
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a) Die Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG entsteht gemäß Vorbemerkung 2.3 Abs. 3 für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Aus der systematischen Stellung im zweiten Teil des Vergütungsverzeichnisses ergibt sich, dass es sich um eine außergerichtliche Tätigkeit handeln muss. Der Begriff "Betreiben des Geschäfts" ist weit auszulegen. Er umfasst unter anderem die erste auftragsgemäße Unterhaltung mit dem Auftraggeber, das anschließende Anlegen einer Handakte, den Entwurf eines Schreibens oder Schriftsatzes, seine Übersendung an den Auftraggeber zur Prüfung,
die Durchsicht der Stellungnahme des Auftraggebers, die Reinschrift des
Schriftsatzes, seine Unterzeichnung, seine Absendung und Einreichung sowie
eine Akteneinsicht (Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl., VV 2300 Rn. 12).
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b) Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Ob daneben eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG in Ansatz gebracht werden kann, braucht
nicht entschieden zu werden. Sie wird vorliegend nicht verlangt. Zur Prüfung
der Erfolgsaussichten einer Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO), einer negativen Feststellungsklage (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juni 1984 - IX ZR 89/83,
MDR 1985, 138; vom 5. März 2009 - IX ZR 141/07, WM 2009, 918 Rn. 8 f), ei-
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ner Nichtigkeits- oder Restitutionsklage (§§ 579, 580 ZPO) oder einer auf § 826
BGB gestützten Schadensersatzklage wegen Titelerschleichung oder sonstigen
Urteilsmissbrauchs (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juni 1963 - IV ZR 136/62, BGHZ
40, 130, 132 f; vom 27. März 1968 - VIII ZR 141/65, BGHZ 50, 115, 117 ff; vom
24. September 1984 - III ZR 187/86, BGHZ 101, 380, 383 ff; vom 22. Dezember
1987 - VI ZR 165/87, BGHZ 103, 44, 46 ff) muss der beauftragte Rechtsanwalt
die materielle Rechtslage sowie die Beweislage in vollem Umfang durchdringen.
Der Bearbeitungsaufwand unterscheidet sich dann nicht von demjenigen, den
der Rechtsanwalt hätte aufbringen müssen, wenn er vor Einleitung eines streitigen Erkenntnisverfahrens mit der zunächst außergerichtlichen Bearbeitung des
Falls betraut worden wäre. Gleicht sich der jeweilige Bearbeitungsaufwand, gibt
es keine Rechtfertigung, die Geschäftsgebühr nur deshalb als nicht angefallen
anzusehen, weil sie möglicherweise in Konkurrenz zu einer Gebühr aus
Nr. 3309 VV RVG tritt.
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aa) Dieser Befund wird bestätigt durch einen Vergleich der gebührenrechtlichen Lage vor Erhebung einer Leistungsklage einerseits und einer Vollstreckungsabwehrklage andererseits. Erhält ein Rechtsanwalt einen unbedingten Auftrag zur Klageerhebung und führt vor derselben noch erfolgreich außergerichtliche Verhandlungen mit dem Gegner, hat er Anspruch auf eine Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100, 3101 VV RVG. Denn die außergerichtlichen Verhandlungen gehören gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 RVG zu der Tätigkeit in
dem Rechtszug (LG Augsburg VersR 1967, 788; LG Berlin VersR 1968, 1001 f;
Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 19. Aufl., VV 2300, 2301 Rn. 6; Gerold/Schmidt/
Müller-Rabe, aaO VV 3100 Rn. 17 f; Bischof in Bischof/Jungbauer/Bräuer/
Curkovic/Mathias/Uher, RVG, 3. Aufl., Nr. 3100 VV Rn. 31). Nichts anderes gilt,
wenn der Rechtsanwalt den unbedingten Auftrag zur Erhebung einer Vollstreckungsabwehrklage gemäß § 767 ZPO erhalten hat. Auch er hat bei Einrei-
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chung dieser Klage Anspruch auf eine Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV
RVG (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, aaO, VV 3309 Rn. 334; Hartmann, aaO, VV
3309, 3310 Rn. 41; Riedel/Sußbauer/Keller, RVG, 9. Aufl., VV Teil 3 Vorbem. 3
Rn. 2). Folglich kann er diese Gebühr auch bei Erfolg außergerichtlicher Verhandlungen vor Klageeinreichung geltend machen. Hat der Rechtsanwalt, der
einen Leistungsanspruch verfolgen (oder abwehren) soll, noch keinen unbedingten Auftrag zur Klageerhebung (bzw. Verteidigung vor Gericht) erhalten,
kann er erfolgreiche außergerichtliche Bemühungen gemäß Nr. 2300 VV RVG
abrechnen. Es gibt keinen Grund, warum die Tätigkeit eines Rechtsanwalts im
Vorfeld einer Vollstreckungsabwehrklage gebührenrechtlich anders behandelt
werden sollte. Wenn diese Tätigkeit bei unbedingtem Klageauftrag der Tätigkeit
im Vorfeld einer Leistungsklage (oder sonstigen Klage außerhalb eines
Zwangsvollstreckungsverfahrens) gleich zu achten ist, kann sie bei noch nicht
unbedingt erteiltem Klageauftrag nicht unterschiedlich zu vergüten sein. In dieser Weise sind die Rechtsanwälte des Klägers für diesen gegenüber der Beklagten tätig geworden. Sie sollten für ihn gegenüber der vollstreckbaren notariellen Urkunde vom 25. April 2001 Erfüllung einwenden und hätten mithin bei
Erfolglosigkeit der zunächst nur betriebenen außergerichtlichen Korrespondenz
Vollstreckungsabwehrklage erheben müssen.
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bb) Eine gegen Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende gebührenrechtliche Ungleichbehandlung der im Vorfeld einer Vollstreckungsabwehrklage tätigen Rechtsanwälte droht entgegen der Befürchtung der Revision nicht.
Zwar begründet der für den Vollstreckungsgläubiger tätige Rechtsanwalt durch
die mit einer Vollstreckungsandrohung versehene Aufforderung zur Leistung
zunächst nur einen Gebührenanspruch nach Nr. 3309 VV RVG. Wird sodann
auf Seiten des Vollstreckungsschuldners ein Rechtsanwalt tätig, der gegen die
titulierte Forderung mehr als nur vollstreckungsverfahrensrechtliche Einwände
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oder Vollstreckungsschutzanträge ankündigt, sondern die Berechtigung der
Forderung in einer Weise bekämpft, die in eine Vollstreckungsabwehrklage,
eine negative Feststellungsklage oder eine auf § 826 BGB gestützte Schadensersatzklage wegen Titelerschleichung oder Titelmissbrauchs münden würde,
muss der Rechtsanwalt des Vollstreckungsgläubigers diese Verteidigung prüfen
und seinem Mandanten über das weitere Vorgehen beraten. Damit hat auch er
die Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG verdient.
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2. Den Kläger trifft kein Mitverschulden an der Schadensentstehung
(§ 254 Abs. 1 BGB). Der Anspruch auf Schadensersatz umfasst regelmäßig
auch die durch das schädigende Ereignis verursachten Kosten der Rechtsverfolgung, so dass auch die Gebühren eines Rechtsanwalts erstattungsfähig sein
können. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat ein
Schädiger zwar nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis adäquat verursachten Anwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur
Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (BGH, Urteil
vom 30. April 1986 - VIII ZR 112/85, WM 1986, 1056, 1057 f; vom 8. November
1994 - VI ZR 3/94, BGHZ 127, 348, 250 ff; vom 12. Dezember 2006 - VI ZR
175/05, WM 2007, 752 Rn. 10). Die vom Berufungsgericht angestellten Erwägungen, warum die Beauftragung von Rechtsanwälten aus der Sicht des Klägers erforderlich und zweckmäßig war, begegnen jedoch keinen rechtlichen
Bedenken. Insbesondere entspricht es sowohl höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 30. April 1986 - VIII ZR 112/85, WM 1986, 1056, 1058)
als auch einem allgemeinen Rechtsgedanken (vergleiche § 121 Abs. 2 Fall 2
ZPO), dass der Kläger sich zur Herstellung von "Waffengleichheit" seiner
Rechtsanwälte bedienen durfte, nachdem auch die Beklagte Rechtsanwälte zur
Durchsetzung ihres vermeintlichen Anspruchs eingeschaltet hatte.
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Die Beklagte hat ihren im Revisionsverfahren eingenommenen Standpunkt, der Kläger habe zunächst selbst die angeblich einfache Rechtslage prüfen und sich verteidigen können, durch ihr eigenes Verhalten widerlegt. Sie
selbst sah Veranlassung, den Darlehensanspruch mit anwaltlicher Hilfe geltend
zu machen. Deshalb verstößt ihr Mitverschuldenseinwand schließlich auch gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB). Sie verhält sich in rechtlich unzulässiger
Weise widersprüchlich, indem sie von dem Kläger eine Rücksichtnahme erwartet, die sie ihm gegenüber selbst nicht gezeigt hat.
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3. Das Berufungsgericht hat die Schadenshöhe im Ergebnis zutreffend
bestimmt. Die von den Rechtsanwälten des Klägers berechnete 1,5-fache Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG ist gemäß § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG auch
im Verhältnis zur Beklagten verbindlich, weil sie nicht unbillig ist.
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a) Die Rechtsanwälte des Klägers durften jedenfalls eine 1,3-fache Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG in Rechnung stellen. In dieser Höhe
fällt die Geschäftsgebühr in durchschnittlichen Rechtssachen als Regelgebühr
an (BGH, Urteil vom 31. Oktober 2006 - VI ZR 261/05, NJW-RR 2007, 420
Rn. 8; vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 207). Ob eine Rechtssache als wenigstens
durchschnittlich anzusehen ist, bestimmt sich gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG
im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs
und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers. Die Tätigkeit der Rechtsanwälte des Klägers war nach diesen Kriterien
jedenfalls durchschnittlich aufwändig. Davon ist selbst dann auszugehen, wenn
die Rechtsanwälte nicht, wie vom Berufungsgericht zur Begründung der Gebührenhöhe angenommen, die Übertragung der ideellen Hälfte am gemeinsamen
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Grundstück der Parteien unter Berücksichtigung etwaiger Anfechtungen nach
dem Anfechtungsgesetz auf ihre Wirksamkeit hin überprüfen mussten. Auch
ohne diesen zusätzlichen Aufwand mussten sie jedenfalls mit Hilfe einer Einsichtnahme in das Grundbuch überprüfen, ob die Grundstücksumschreibung
gemäß Vertrag vom 25. April 2002 rechtswirksam vollzogen war, weil sie nur
dann den Verzicht auf die Darlehensforderung mit Aussicht auf Erfolg einwenden konnten. Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings auch hervorgehoben, dass aus Sicht der Rechtsanwälte des Klägers die Überprüfung etwaiger
Ansprüche der Gläubiger des Klägers aus Anfechtung der Grundstücksübertragung durchaus als notwendig erscheinen konnte, weil schon die beurkundende
Notarin bei Vertragsschluss am 25. April 2002 darüber belehrt hatte (Nr. II. 3. 2
des Vertrages). Ob diese Überprüfung letztlich konkrete Anhaltspunkte dafür
erbrachte, dass der im selben Vertrag vereinbarte Verzicht auf die Darlehensforderung durch Anfechtung der Grundstücksübertragung gefährdet sein könnte, ist unerheblich. Für die Gebührenhöhe bedeutsam ist allein, dass die
Rechtsanwälte des Klägers alle nicht völlig fern liegenden Risiken zu erwägen
hatten und die Überprüfung von Anfechtungsmöglichkeiten einen nicht unerheblichen juristischen Aufwand erzeugt.
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Außerdem wurde das Mandat maßgeblich dadurch bestimmt, dass die
Rechtsanwälte den Kläger gegen eine bereits titulierte Forderung verteidigen
mussten und die Beklagte überdies eine außerordentliche knappe Frist hatte
setzen lassen, nach deren Ablauf jederzeit mit der Vollstreckung aus dem der
Beklagten erteilten Titel zu rechnen war. Die Angelegenheit bedurfte mithin einer besonders schnellen Bearbeitung.
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b) Die Erhöhung der 1,3-fachen Regelgebühr auf eine 1,5-fache Gebühr
ist einer gerichtlichen Überprüfung entzogen. Für Rahmengebühren entspricht
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es allgemeiner Meinung, dass dem Rechtsanwalt bei der Festlegung der konkreten Gebühr ein Spielraum von 20 v.H. (sog. Toleranzgrenze) zusteht (BGH,
Urteil vom 31. Oktober 2006, aaO, Rn. 5; Gerold/Schmidt/Mayer, aaO, § 14
Rn. 12; AnwKomm-RVG/Onderka, 5. Aufl., § 14 Rn. 80 ff mwN; Mayer/Kroiß/
Winkler, RVG, 4. Aufl., § 14 Rn. 54 mwN; Römermann in Hartung/Römermann/Schons, RVG, § 14 Rn. 89 f). Hält sich der Anwalt innerhalb dieser Grenze, ist die von ihm festgelegte Gebühr jedenfalls nicht im Sinne des § 14 Abs. 1
Satz 4 RVG unbillig und daher von dem ersatzpflichtigen Dritten hinzunehmen.
Mit der Erhöhung der in jedem Fall angemessenen Regelgebühr um 0,2 haben
die Rechtsanwälte des Klägers die Toleranzgrenze eingehalten.
Kayser
Raebel
Pape
Lohmann
Möhring
Vorinstanzen:
AG Wernigerode, Entscheidung vom 29.04.2009 - 10 C 872/08 LG Magdeburg, Entscheidung vom 15.12.2009 - 2 S 187/09 -