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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 28/05
vom
23. März 2006
in dem Insolvenzverfahren
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Fischer und die Richter Dr. Ganter, Raebel, Kayser und Cierniak
am 23. März 2006
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer
des Landgerichts Flensburg vom 20. Januar 2005 wird auf Kosten
der weiteren Beteiligten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf
3.058,41 € festgesetzt.
Gründe:
In dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners, der Al-
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leingesellschafter und Geschäftsführer der ebenfalls insolventen Segelmacherei
Sch.
GmbH gewesen war, wurde die weitere Beteiligte (Rechtsbeschwerde-
führerin)
mit
Beschluss
des
Amtsgerichts
- Insolvenzgerichts -
vom
28. Dezember 2003 zur Insolvenzverwalterin bestellt. Zuvor war sie Gutachterin
und vorläufige Insolvenzverwalterin gewesen. Am 28. Mai 2004 legte sie ihren
Schlussbericht sowie den Antrag auf Festsetzung ihrer Vergütung in Höhe von
4.585,32 € zuzüglich Auslagen und Umsatzsteuer vor. Dabei ging sie von der
Regelvergütung gemäß § 2 Abs. 1 InsVV bei einer Insolvenzmasse von
11.463,31 € aus.
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Das Insolvenzgericht hat diesem Antrag nur in Höhe von 2.292,66 € zuzüglich Auslagen und Umsatzsteuer stattgegeben. Es hat vom Regelsatz der
Vergütung zwei Abschläge von jeweils 25 vom Hundert vorgenommen, weil die
weitere Beteiligte zuvor bereits vorläufige Insolvenzverwalterin gewesen und
das Verfahren hinsichtlich des Umfangs der dadurch veranlassten Tätigkeit weit
hinter demjenigen eines Normalverfahrens zurückgeblieben sei. Die sofortige
Beschwerde der Insolvenzverwalterin hat das Landgericht mit Beschluss vom
20. Januar 2005 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Insolvenzverwalterin mit ihrer Rechtsbeschwerde.
II.
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Das Rechtsmittel ist statthaft (§§ 6, 7, 63 Abs. 3 Satz 1 InsO, § 574
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO), jedoch unzulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Weder hat die
Sache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Rechtsbeschwerdegerichts.
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1. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde besteht kein Bedürfnis
nach einer klarstellenden Leitentscheidung, "ob sich der Insolvenzrichter bei der
Vornahme eines Abschlags (nach § 3 Abs. 2 InsVV) auf eine Gesamtwürdigung
und die Feststellung eines prozentualen Gesamtabschlags beschränken" darf.
Der Senat hat mit Beschluss vom 24. Juli 2003 (IX ZB 607/02, NZI 2003, 603,
604) entschieden, das Insolvenzgericht brauche nicht für jeden in Frage kommenden Zuschlags- oder Abschlagstatbestand zunächst isoliert festzulegen, ob
er eine Erhöhung oder Ermäßigung des Regelsatzes rechtfertige; es dürfe vielmehr eine Gesamtbetrachtung vornehmen, bei welcher freilich die Umstände,
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welche in das Endergebnis einflössen, in einer für die Beteiligten nachvollziehbaren Weise darzulegen seien. Der Beschluss vom 18. Dezember 2003
(IX ZB 50/03, NZI 2004, 251, 253) liegt - entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde - auf derselben Linie. Die Entscheidungen der Vorinstanzen, welche
die mindere Bedeutung des hier in Rede stehenden Insolvenzverfahrens in einer Gesamtschau gewürdigt und zu einem Abschlag von 25 vom Hundert zusammengefasst haben, halten sich in diesem Rahmen.
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2. Die Frage, ob ein vom Normalfall abweichendes vergütungsminderndes Kriterium gegeben ist, wenn im eröffneten Insolvenzverfahren keine Betriebsfortführung mehr stattfindet, stellt sich nicht. Der Schuldner hatte nie einen
Betrieb. Unternehmensträger der Segelmacherei Sch.
war die GmbH und
nicht der Schuldner.
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3. Eine Leitentscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zu dem Maßstab für ein Unterschreiten des Regelsatzes ist nicht veranlasst.
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a) Die Ausführungen des Beschwerdegerichts, die von der weiteren Beteiligten als vorläufige Insolvenzverwalterin gefertigte Bestandsaufnahme sei
Grundlage der - ihrerseits mit keinen besonderen Schwierigkeiten verbundenen - Verwertung gewesen, sind nicht, wie die Rechtsbeschwerde meint, dahin
zu verstehen, dass nach Ansicht des Beschwerdegerichts das Fehlen besonderer Schwierigkeiten bereits für sich allein einen Abschlag rechtfertige. Das Beschwerdegericht hat das Fehlen besonderer Verwertungsschwierigkeiten nur
beiläufig bei der Abwägung des Umstands erwähnt, dass die Insolvenzverwalterin zuvor vorläufige Insolvenzverwalterin gewesen ist, was ihr nach Ansicht des
Beschwerdegerichts bei ihrer Tätigkeit - die sich im Wesentlichen auf die Verwertung beschränkt habe - sehr zustatten gekommen sei. Tragend für den Ab-
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schlag gemäß § 3 Abs. 2 Buchst. a InsVV war nur die Vorbefassung als vorläufige Insolvenzverwalterin und die dadurch bewirkte Arbeitserleichterung.
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b) Geht man von einem unterdurchschnittlichen Verfahren aus, scheitert
die Vornahme eines Abschlags - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - nicht daran, dass auch die Teilungsmasse klein gewesen ist. Zwar
fehlt damit eine Voraussetzung des Regeltatbestandes in § 3 Abs. 2 Buchst. d
InsVV. Die einzelnen Zuschlags- oder Abschlagstatbestände des § 3 InsVV sind
jedoch lediglich beispielhaft. Es gibt zahlreiche weitere Umstände, die für die
Bemessung der Vergütung im Einzelfall Bedeutung gewinnen können. Von bindenden Vorgaben hat der Verordnungsgeber bewusst abgesehen, weil im Einzelfall alle in Betracht kommenden Faktoren umfassend berücksichtigt und gegeneinander abgewogen werden müssen. Entscheidend ist, ob das Insolvenzgericht eine im Ergebnis angemessene Gesamtwürdigung vorgenommen hat
(BGH, Beschl. v. 24. Juli 2003 - IX ZB 607/02, NZI 2003, 603, 604; v. 23. März
2006 - IX ZB 20/05 z.V.b.). Dies ist eine Frage des Einzelfalls.
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4. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist es auch nicht willkürlich, dass das Insolvenzgericht, vom Beschwerdegericht bestätigt, zweimal einen Abschlag von 25 vom Hundert vorgenommen hat. Die Rechtsbeschwerde
meint, hier sei ein und derselbe Umstand doppelt berücksichtigt worden. Das
Insolvenzgericht habe "einmal wegen des Fehlens von ‚besonderen Schwierigkeiten‘ ... und ein weiteres Mal mit der Begründung, die Tätigkeit der Insolvenzverwalterin habe ‚deutlich unterhalb des Bearbeitungsaufwandes in einem Normalverfahren gelegen, weil die Verwertung des Schuldnervermögens keinerlei
Probleme bereitet habe' ", Abschläge vorgenommen. Wie bereits im Vorstehenden dargelegt, trifft dies jedoch nicht zu.
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5. Weder hat das Beschwerdegericht verkannt, dass nicht schon die
Vorbefassung als vorläufige Insolvenzverwalterin ein vergütungsmindernder
Faktor, eine Kürzung vielmehr nur bei einer erheblichen Arbeitsersparnis gerechtfertigt ist, noch liegen Anhaltspunkte dafür vor, es habe Vortrag der Insolvenzverwalterin unter Verstoß gegen deren Anspruch auf rechtliches Gehör
unberücksichtigt gelassen.
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Den fraglichen Abschlag hat das Beschwerdegericht für gerechtfertigt
gehalten, weil "die Insolvenzverwalterin aus ihrer Tätigkeit als Sachverständige
und vorläufige Insovenzverwalterin Erkenntnisse gewinnen konnte, die ihre Tätigkeit im nachfolgenden Insolvenzverfahren erheblich vereinfachten und erleichterten". Dies entspricht dem rechtlichen Ansatz der Rechtsbeschwerde.
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Aus der Begründung des Vergütungsfestsetzungsbeschlusses ergibt
sich, dass das Insolvenzgericht den Vortrag der Insolvenzverwalterin zur Darlegung eines Normalverfahrens in vollem Umfang zur Kenntnis genommen und
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lediglich anders bewertet hat, als es die Rechtsbeschwerde für angezeigt hält.
Für eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist damit nichts ersichtlich.
Fischer
Ganter
Kayser
Raebel
Cierniak
Vorinstanzen:
AG Flensburg, Entscheidung vom 27.09.2004 - 56 IN 493/03 LG Flensburg, Entscheidung vom 20.01.2005 - 5 T 360/04 -