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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 217/09
vom
22. April 2010
in dem Insolvenzeröffnungsverfahren
-2-
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter, die Richter Raebel, Vill, Dr. Pape und Grupp
am 22. April 2010
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 25. Zivilkammer
des Landgerichts Düsseldorf vom 28. August 2009 wird auf Kosten des Schuldners als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Verfahrens der Rechtsbeschwerde wird
auf 1.205.641 € festgesetzt.
Gründe:
I.
1
Unter dem 24. September 2008 beantragte die Gläubigerin die Eröffnung
des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners, der sich im November 2007 von seinem bisherigen Wohnsitz in D.
nach S.
/
Frankreich abgemeldet hatte. Um die Eröffnungsvoraussetzungen zu prüfen
und zu ermitteln, ob das Insolvenzgericht international zuständig ist, ordnete
das Insolvenzgericht am 25. November 2008 die Einholung eines Sachverständigengutachtens an.
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Mit Beschluss vom 23. März 2009 hat das Insolvenzgericht zur Siche-
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rung der künftigen Insolvenzmasse und zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und angeordnet, dass Verfügungen des Schuldners nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Die Beschwerde des Schuldners gegen diese Anordnungen ist erfolglos geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde macht der Schuldner
weiter geltend, einen Wohnsitz in Frankreich zu haben. Neben der Aufhebung
der Sicherungsmaßnahmen begehrt er die Zurückweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens als unzulässig.
II.
1. Die Rechtsbeschwerde ist unstatthaft, soweit sie auf Zurückweisung
3
des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gerichtet ist. Insoweit fehlt
es an einem tauglichen Angriffsgegenstand (MünchKomm-InsO/Ganter, 2. Aufl.,
§ 6 Rn. 12, 14). Das Insolvenzgericht hat über den Antrag der Gläubigerin auf
Eröffnung des Insolvenzverfahrens bislang nicht entschieden.
2. Die im Übrigen gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, §§ 7, 6 Abs. 1, 21
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Abs. 1 Satz 2 InsO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Die nach § 574
Abs. 2 ZPO geltend gemachten Zulässigkeitsgründe liegen nicht vor; weder hat
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.
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a) Zwar setzt die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen grundsätzlich
einen zulässigen Insolvenzantrag voraus. Bei zweifelhaftem Gerichtsstand kön-
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nen aber berechtigte Sicherungsinteressen der Insolvenzgläubiger es gebieten,
Sicherungsmaßnahmen vor der Feststellung der Zulässigkeit des Insolvenzantrags zu treffen, wenn sich das Insolvenzgericht letzte Gewissheit erst im weiteren Verfahrensablauf verschaffen kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn der
Schuldner bei der Aufklärung der zuständigkeitsbegründenden Anknüpfungstatsachen nicht mitwirkt (BGH, Beschl. v. 22. März 2007 - IX ZB 164/06, ZInsO
2007, 440, 441 Rn. 11 ff). Nach den Grundsätzen dieser Entscheidung wäre
vorliegend gegen die Anordnung der Sicherungsmaßnahmen selbst dann nichts
einzuwenden, wenn die internationale Zuständigkeit des Insolvenzgerichts, die
von der Rechtsbeschwerde allein gerügt wird, noch nicht abschließend geklärt
wäre.
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b) Soweit die Rechtsbeschwerde sich mit dem Verfahren auseinandersetzt und Rügen zur Annahme der internationalen Zuständigkeit des Insolvenzgerichts erhebt, aus denen wohl die Unzulässigkeit der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen folgen soll, haben die aufgeworfenen Fragen keine grundsätzliche Bedeutung. Eine Divergenz zur Rechtsprechung des Senats besteht
nicht. Verfahrensgrundrechte des Schuldners hat das Beschwerdegericht nicht
verletzt.
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aa) Dass bei Verfahren mit internationalem Bezug die internationale Zuständigkeit des Insolvenzgerichts gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 1 EuInsVO zu prüfen ist, bedarf keiner Klärung. Eine Abweichung des Beschwerdegerichts von
dieser Vorschrift ist nicht festzustellen. Das Beschwerdegericht hat sich auf
mehreren Seiten seiner Entscheidung ausführlich mit der Frage der Zuständigkeit französischer Gerichte für ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des
Schuldners auseinandergesetzt.
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bb) Die Sache erfordert auch nicht die Aufstellung neuer Leitsätze zu den
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Maßstäben, die an die Bejahung der Zulässigkeitsvoraussetzungen durch das
Insolvenzgericht zu stellen sind. Diese sind geklärt. Nach einhelliger Meinung
muss sich das Insolvenzgericht insoweit eine persönliche Überzeugung verschaffen, die dem Beweismaß des § 286 Abs. 1 ZPO entspricht (BGH, Beschl.
v. 22. Oktober 2009 - IX ZB 113/08, Rn. 2 f). Dieses Beweismaß hat das Beschwerdegericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Es hat die Feststellungen des Insolvenzgerichts zur internationalen Zuständigkeit umfassend gewürdigt.
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cc) Die von der Rechtsbeschwerde als rechtsgrundsätzlich aufgeworfene
Frage, ob § 16 ZPO im Rahmen des Insolvenzverfahrens anwendbar sein kann,
wenn die Zuständigkeit des Gerichts eines anderen Mitgliedsstaates nach Art. 3
EuInsVO in Betracht kommt, ist nicht klärungsbedürftig. Der Senat hat hierzu
bereits ausgeführt, wenn Art. 3 EuInsVO nicht anwendbar sei, richte sich die
Zuständigkeit gemäß § 13 ZPO nach dem Wohnsitz des Schuldners. Bei wohnsitzlosen Personen sei gemäß § 16 ZPO allgemeiner Gerichtsstand der Aufenthaltsort im Inland und, wenn ein solcher nicht bekannt sei, der Ort des letzten
Wohnsitzes. Habe die Person einen Wohnsitz im Ausland, sei dagegen § 16
ZPO nicht anwendbar (BGH, Beschl. v. 14. Januar 2010 - IX ZB 76/09, ZInsO
2010, 348 Rn. 3). Hier hat das Beschwerdegericht die Anwendung des Art. 3
Abs. 1 EuInsVO ausgeschlossen. Über einen Wohnsitz im Inland verfügt der
Schuldner nicht. Mithin konnte zur Bestimmung der Zuständigkeit § 16 ZPO
herangezogen werden (vgl. BGH, Beschl. v. 14. Januar 2010 aaO S. 348 f
Rn. 4).
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dd) Der von der Rechtsbeschwerde gerügte Gehörsverstoß liegt nicht
vor. Die Rechtsbeschwerde versucht, ihre eigene Würdigung an die Stelle der
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Würdigung des Beschwerdegerichts zu setzen. Ihrem Vorbringen kann jedoch
nicht entnommen werden, dass das Beschwerdegericht bestimmte Umstände
nicht zur Kenntnis genommen und erwogen hat (BVerfGE 86, 133, 145 f; 96,
205, 216 f; BGHZ 154, 288, 300). Es liegt nahe, bei einem Schuldner, der zunächst in seinen eidesstattlichen Versicherungen unterschiedliche Wohnsitze in
Frankreich angibt, um dann zu erklären, dass er sich dort tatsächlich gar nicht
aufgehalten, sondern ganz woanders in Frankreich gewohnt habe, erhebliche
Bedenken bezüglich seiner Angaben zu haben. Wenn das Gericht bei dieser
Sachlage aufgrund der weiter ermittelten Umstände zu dem Ergebnis kommt,
dass eine Wohnsitzverlegung ins Ausland zum für die Zuständigkeitsbestimmung maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung nicht vorgelegen hat (vgl.
BGH, Beschl. v. 13. November 2008 - IX ZB 201/07, ZInsO 2008, 1382, 1383
Rn. 8), ist dagegen nichts zu erinnern.
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Die weiteren, von der Rechtsbeschwerde gerügten Verstöße gegen Verfahrensgrundsätze hat der Senat geprüft. Zulassungsrelevante Rechtsverlet-
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zungen haben sich nicht ergeben. Von einer weiteren Begründung wird nach
§ 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen.
Ganter
Raebel
Pape
Vill
Grupp
Vorinstanzen:
AG Düsseldorf, Entscheidung vom 23.03.2009 - 500 IN 207/08 LG Düsseldorf, Entscheidung vom 28.08.2009 - 25 T 287/09 -