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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 205/04
vom
22. September 2005
in dem Verfahren auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
über das Vermögen der
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Fischer, die Richter Raebel, Kayser, Cierniak und die Richterin Lohmann
am 22. September 2005
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss
der 3. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz vom 28. Juli 2004
aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung – auch über die Kosten des Verfahrens der Rechtsbeschwerde – an das Landgericht
zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert für das Verfahren der Rechtsbeschwerde
wird auf 4.000 Euro festgesetzt. Gerichtskosten für dieses Verfahren werden nicht erhoben.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin hat die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das
Vermögen der Schuldnerin beantragt. Das Insolvenzgericht hat den Antrag zurückgewiesen, weil der Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit nicht glaub-
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haft gemacht worden sei. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde unter
Bezugnahme auf die Begründung der Entscheidung des Insolvenzgerichts zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde rügt das Fehlen verwertbarer Entscheidungsgründe sowie einen Verstoß gegen die Pflicht zur Gewährung rechtlichen
Gehörs (Art. 103 GG), weil das Landgericht den Vortrag der Antragstellerin
überwiegend nicht einmal zur Kenntnis genommen habe. Von grundsätzlicher
Bedeutung sei die Frage, ob und inwieweit die eidesstattliche Versicherung
eines Gläubigers zur Glaubhaftmachung eines Insolvenzgrundes im Rahmen
der Zulässigkeitsprüfung gemäß § 14 Abs. 1 InsO geeignet sei. Während des
Rechtsbeschwerdeverfahrens, am 25. Februar 2005, ist auf Antrag des Finanzamts Dresden das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet worden. Die Antragstellerin hat die Hauptsache für erledigt erklärt
und beantragt nunmehr, der Schuldnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
1. Der Antrag auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache ist zulässig. Bei einem Fremdantrag kann der Antragsteller die Hauptsache für erledigt
erklären, solange das Gericht den Eröffnungsbeschluss nicht erlassen hat.
Dasselbe gilt, wenn ein Eröffnungsbeschluss auf einen anderen Antrag hin ergangen ist, sich der erste Antrag also infolge prozessualer Überholung erledigt
hat (BGH, Beschl. v. 11. November 2004 – IX ZB 258/03, WM 2005, 135, 136
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mit weiteren Nachweisen). Gibt der dazu angehörte Schuldner keine Stellungnahme ab, ist von einer einseitig gebliebenen Erledigungserklärung auszugehen (BGH, aaO). Die Grundsätze, die für den Zivilprozess zur einseitigen Erledigungserklärung des Klägers entwickelt worden sind, gelten in modifizierter
Form. Das Gericht hat zu prüfen, ob der Antrag bis zu der Erledigungserklärung zulässig gewesen ist. Wird die Erledigung in einem höheren Rechtszug
erklärt, muss auch das Rechtsmittel zulässig sein (BGH, aaO).
2. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, § 7 InsO
statthaft. Ihre Zulässigkeit folgt aus § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der angefochtene
Beschluss kann schon deshalb nicht bestehen bleiben, weil er nicht mit gesetzmäßigen Gründen versehen ist.
a) Beschlüsse, welche der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen den
maßgeblichen Sachverhalt wiedergeben, über den entschieden wird; denn die
Feststellungen des Beschwerdegerichts sind Grundlage der Entscheidung des
Rechtsbeschwerdegerichts (§ 577 Abs. 2 Satz 4, § 559 ZPO; vgl. BGH, Beschl.
v. 5. Februar 2004 – IX ZB 29/03, WM 2004, 1686 f; v. 7. April 2005 – IX ZB
63/03, WM 2005, 1246). Fehlen tatsächliche Feststellungen, so kann eine
Rechtsprüfung nicht erfolgen. Ausführungen des Beschwerdegerichts, die eine
solche Überprüfung nicht ermöglichen, sind keine Gründe im zivilprozessualen
Sinne. Sie führen zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung nach § 576
Abs. 3, § 547 Nr. 6 ZPO.
b) Der Antrag eines Gläubigers ist gemäß § 14 InsO zulässig, wenn der
Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens
hat und seine Forderung und den Eröffnungsgrund glaubhaft macht. Welche
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Anforderungen an Darlegung und Glaubhaftmachung von Forderung und Eröffnungsgrund zu stellen sind, richtet sich nach den Umständen des jeweiligen
Falles. Eine nicht titulierte Forderung ist nach Grund und Höhe schlüssig darzulegen. Die Glaubhaftmachung hat sich auf die tatsächlichen Voraussetzungen der Forderung zu beziehen. Sie richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 4 InsO, 294 ZPO). Gleiches gilt für den Eröffnungsgrund. Kann
der Gläubiger keine aktuelle Unpfändbarkeitsbescheinigung vorlegen, muss er
Tatsachen darlegen und glaubhaft machen, die den Schluss auf eine Zahlungsunfähigkeit – im Unterschied zur Zahlungsunwilligkeit oder zur bloßen
Zahlungsstockung – des Schuldners zulassen. Von Bedeutung kann insbesondere sein, ob der Schuldner die Forderung aus tatsächlichen Gründen oder
Rechtsgründen bestreitet und deshalb nicht zahlt oder ob er die Berechtigung
der Forderung nicht in Zweifel zieht, aber gleichwohl keine Zahlungen leistet.
c) Wie es sich im vorliegenden Fall verhält, lässt sich weder dem angefochtenen Beschluss des Landgerichts noch dem in Bezug genommenen Beschluss des Insolvenzgerichts entnehmen.
III.
Hinsichtlich des weiteren Verfahrens sieht der Senat Anlass zu dem
Hinweis, dass das Gericht der sofortigen Beschwerde selbst „Tatrichter“ ist,
deshalb eine eigene Sachprüfung vornehmen muss und zusätzlich über die –
gemäß § 571 Abs. 2 ZPO zulässigen – neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel
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zu entscheiden hat. Die Entscheidung über die Nichterhebung der Gerichtskosten für das Verfahren der Rechtsbeschwerde wegen unrichtiger Sachbehandlung beruht auf § 21 GKG.
Fischer
Raebel
Cierniak
Kayser
Lohmann