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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 177/05
vom
26. Oktober 2006
in dem Zwangsvollstreckungsverfahren
während der Insolvenz
-2-
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Gero Fischer, die Richter Raebel und Vill, die Richterin Lohmann und den
Richter Dr. Detlev Fischer
am 26. Oktober 2006
beschlossen:
Auf die Rechtsmittel des Insolvenzverwalters werden der Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Gießen vom 20. Juni
2005,
der
Beschluss
des
Amtsgerichts
Büdingen
vom
2. Dezember 2004 und der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Büdingen vom 14. April 2004 aufgehoben.
Der Antrag der Gläubigerin auf Erlass eines Pfändungs- und
Überweisungsbeschlusses wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der Rechtsmittelzüge
hat die Gläubigerin zu tragen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf
5.000 € festgesetzt.
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Gründe:
I.
Über das Vermögen der Schuldnerin ist das Insolvenzverfahren eröffnet
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und der Rechtsbeschwerdeführer zum Insolvenzverwalter bestellt worden. Zugunsten der Gläubigerin war aufgrund notarieller Urkunde vom 3. März 1997
eine Grundschuld zu Lasten des Grundstücks der Schuldnerin im Grundbuch
eingetragen worden.
Am 14. April 2004 hat die Gläubigerin aus dinglichem Recht gemäß der
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Grundschuldbestellungsurkunde auf der Grundlage der auf den Insolvenzverwalter umgeschriebenen Vollstreckungsklausel einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gegen den Insolvenzverwalter erwirkt. Danach wurde die angebliche Forderung auf Zahlung der fälligen und künftig fällig werdenden Nettomiete gegen die Drittschuldner gepfändet. Die Drittschuldner schulden die
Mietzinsen aufgrund eines Mietvertrages mit der Schuldnerin.
Die gegen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss eingelegte Erin-
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nerung hat das Amtsgericht durch Beschluss des Richters als unbegründet zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde ist ohne Erfolg
geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde beantragt der Insolvenzverwalter, die amts- und landgerichtlichen Entscheidungen aufzuheben und den
Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses abzuweisen.
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II.
4
Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und nach § 575
Abs. 1 bis 3 ZPO auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
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Der Senat hat zwischenzeitlich die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene rechtsgrundsätzliche Frage mit Beschluss vom 13. Juli 2006 (IX ZB
301/04, ZIP 2006, 1554; z.V.b. in BGHZ) entschieden. Danach ist nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners die Pfändung mithaftender Mieten oder Pachten durch absonderungsberechtigte Grundpfandgläubiger nicht mehr zulässig.
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Bereits die wortgetreue Auslegung des § 49 InsO ergibt, dass Gläubiger,
denen ein Recht auf Befriedigung aus unbeweglichen Gegenständen zusteht,
nur nach Maßgabe des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung zur abgesonderten Befriedigung berechtigt sind. Der Wortlaut
spricht dagegen, dass Grundpfandgläubiger ihr Absonderungsrecht an den gemäß §§ 1123, 1124 BGB mithaftenden Mieten und Pachten auch noch nach
Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Grundstückseigentümers (Schuldners) im Wege der Forderungspfändung verfolgen können.
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Bestätigt wird diese wortgetreue Auslegung des § 49 InsO insbesondere
durch § 110 Abs. 1 und 2 InsO. Eine Vorauspfändung von Mieten nach §§ 829,
832, 835 ZPO begründet danach spätestens nach Ablauf des nächsten auf die
Eröffnung des Insolvenzverfahrens folgenden Kalendermonats kein Absonderungsrecht mehr. Dann leuchtet aber nicht ein, dass die im hypothekarischen
Haftungsverbund stehenden Mieten und Pachten nach der Eröffnung des Insol-
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venzverfahrens von Grundpfandgläubigern durch Pfändung beschlagnahmt
werden könnten.
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Dies entspricht auch der Interessenlage der Beteiligten, weil die Durchsetzung des Absonderungsrechts von Grundpfandgläubigern in die nach
§§ 1123, 1124 BGB mithaftenden Mieten oder Pachten auf dem Wege der Forderungspfändung den Insolvenzverwalter in die Lage brächte, öffentliche Lasten des Grundeigentums und laufende Kosten der Gebäudeinstandhaltung und
der Gebäudeversicherung als Masseverbindlichkeit berichtigen zu müssen, ohne dafür aus der Nutzung des Absonderungsgutes Deckung zu erhalten. Hierdurch würden die Insolvenzgläubiger ungerechtfertigt benachteiligt. Der Insolvenzverwalter wäre demgemäß verpflichtet, diesen Folgen mit einem eigenen
Antrag gemäß § 165 InsO, §§ 172 f ZVG zu begegnen.
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Die angefochtenen Entscheidungen sind deshalb aufzuheben und der
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Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses abzuweisen.
Dr. Gero Fischer
Raebel
Lohmann
Vill
Dr. Detlev Fischer
Vorinstanzen:
AG Büdingen, Entscheidung vom 14.04.2004 - 8 M 400/04 LG Gießen, Entscheidung vom 20.06.2004 - 7 T 145/05 -