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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZA 16/17
vom
19. Oktober 2017
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2017:191017BIXZA16.17.0
-2-
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richterin Lohmann, den Richter Prof. Dr. Pape, die
Richterin Möhring und den Richter Meyberg
am 19. Oktober 2017
beschlossen:
Der Antrag der Klägerinnen auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Nichtzulassungsbeschwerde gegen den die Berufung zurückweisenden Beschluss des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 7. April 2017 wird abgelehnt.
Gründe:
I.
1
Die Klägerin zu 1, mehrere Gläubiger der Klägerin zu 2, die sich in einer
BGB-Gesellschaft zusammengeschlossen haben, und die Klägerin zu 2, die
sich nach Einstellung des im Jahr 2002 eröffneten Insolvenzverfahrens über ihr
Vermögen im Jahr 2008 seither in Liquidation befindet, machen Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten persönlich als früheren Insolvenzverwalter
über das Vermögen der Klägerin zu 2 geltend. Das Landgericht hat die Klage
abgewiesen. Die Berufung der Klägerinnen ist erfolglos geblieben. Die Klägerinnen beantragen, ihnen Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens gegen den die Berufung zurückweisenden Beschluss vom 7. April 2017 zu gewähren, um ihre Schadensersatzansprüche
gegen den Beklagten weiterzuverfolgen.
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II.
2
Der Antrag hat keinen Erfolg. Prozesskostenhilfe ist den Klägerinnen bereits deshalb zu versagen, weil die Unterlassung der Rechtsverfolgung durch
die Klägerinnen keinen allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde (§ 116
Satz 1 Nr. 2 ZPO).
3
Die Klägerinnen als parteifähige Vereinigungen erhalten Prozesskostenhilfe nach § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO nur, wenn das Unterbleiben der Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderliefe. Dies setzt voraus, dass durch
die Entscheidung größere Kreise der Bevölkerung oder des Wirtschaftslebens
angesprochen werden und die Entscheidung soziale Wirkungen nach sich ziehen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 5. November 1985 - X ZR 23/85, NJW
1986, 2058, 2059; vom 10. Februar 2011 - IX ZB 145/09, ZIP 2011, 540 Rn. 10
mwN). Das ist vorliegend nicht der Fall. Das Verfahren hat keine wirtschaftliche
oder soziale Bedeutung, die ein allgemeines Interesse an der Rechtsverfolgung
der Klägerinnen begründen könnte.
4
Die als Gesellschaft bürgerlichen Rechts geführte Klägerin zu 1 kann
zwar grundsätzlich als parteifähige Vereinigung im Sinne des Prozesskostenhilferechts angesehen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Februar 2011, aaO
Rn. 6 f). Die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen ihrer Mitglieder berührt aber keine allgemeinen Interessen. Sie dient nur dem individuellen Interesse der in der Gläubigertreuhand zusammengeschlossenen Personen und ist
damit nicht geeignet, die Voraussetzungen des § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO zu begründen. Hieran ändern auch die Ausführungen in dem Schriftsatz vom
9. August 2017 nichts. Die Gesellschaft ist nur zu dem Zweck gegründet worden, Ansprüche ihrer Mitglieder, deren Anzahl sich nach Erlass des klagabwei-
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senden erstinstanzlichen Urteil von ursprünglich 28 auf 6 Personen reduziert
hat, durchzusetzen. Anhaltspunkte, die Unterlassung der Rechtsverfolgung
könnte allgemeinen Interessen zuwiderlaufen, wenn die Vereinigung ohne die
Durchführung des Rechtsstreits gehindert wäre, der Allgemeinheit dienende
Aufgaben zu erfüllen, sind nicht zu erkennen.
5
Bezüglich der Klägerin zu 2 scheidet die Bewilligung von Prozesskostenhilfe schon deshalb aus, weil die Gesellschaft ihren Geschäftsbetrieb eingestellt
hat und die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen erfolgt ist
(vgl. BGH, Beschluss vom 10. Februar 2011, aaO Rn. 9). Die Klägerin zu 2 ist
seit dem Jahr 2002 nicht mehr werbend tätig und befindet sich derzeit im Stadium der Liquidation. Damit ist ausgeschlossen, dass von der Durchführung des
Prozesses die Existenz eines Unternehmens abhängt, an dessen Erhaltung
wegen der großen Zahl von Arbeitsplätzen ein allgemeines Interesse besteht,
oder eine große Zahl von Kleingläubigern betroffen ist (vgl. BGH, Beschluss
vom 10. Februar 2011, aaO Rn. 10 mwN). Die in dem Schriftsatz vom 9. August
2017 angedeuteten künftigen Vorhaben der Klägerin zu 2 können die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht rechtfertigen. Durch eine Insolvenzeröffnung
aufgelöste, im Liquidationsstadium befindliche Vereinigungen besitzen keine
von der Rechtsordnung anerkannte Existenzberechtigung mehr. Diese besteht
nur, wenn sie in der Lage sind, ihre Ziele aus eigener Kraft zu verfolgen (BTDrucks. 8/3068 S. 26 unter Hinweis auf BVerfGE 35, 348 ff, 356). Die Regelung
des § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO soll Vorsorge dagegen treffen, dass mittellose Vereinigungen wirtschaftliche Interessen auf Kosten der Allgemeinheit verwirklichen (BGH, Beschluss vom 10. Februar 2011, aaO Rn. 9 mwN).
6
Im Hinblick auf die Versagung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens kann offen bleiben, ob den
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Klägerinnen wegen der Versäumung der Frist zur Einreichung der dem Antrag
vom 12. Mai 2017 beizufügenden Unterlagen Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand zu gewähren ist. Ob es den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten zumutbar wäre, die Kosten aufzubringen (§ 116 Satz 1 Nr. 2
ZPO), braucht nicht entschieden zu werden.
Kayser
Lohmann
Möhring
Pape
Meyberg
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 20.05.2016 - 30 O 13615/13 OLG München, Entscheidung vom 07.04.2017 - 5 U 2875/16 -