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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IV ZR 80/14
vom
23. September 2015
in dem Rechtsstreit
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Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin
Mayen,
die
Richterin
Harsdorf-Gebhardt,
die
Richter
Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller
am 23. September 2015
beschlossen:
Der Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers gegen
das Teilurteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Siegen vom 3. Februar 2014 gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen
eines Monats
Stellung zu nehmen.
Gründe:
1
I. Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rüc kzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer fondsgebundenen Lebensversicherung. Diese wurde aufgrund eines Antrags d. VN mit Versicherungsbeginn zum 1. November 2004 nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgen-
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den § 5a VVG a.F.) abgeschlossen. In der Folge zahlte er die Versicherungsprämien. Mit Schreiben vom Dezember 2010 kündigte er die Versicherung und erhielt den Rückkaufswert ausgezahlt. Mit Schreiben vom
Mai 2011 erklärte er den Widerspruch nach § 5a VVG. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. VN mit dem Versicherungsschein
die
Versicherungsbedingungen,
eine
Verbraucherinformation
nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) und eine schriftliche Belehrung über das Widerspruchsrecht gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1
VVG a.F.
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Mit der Klage verlangt d. VN - soweit für das Revisionsverfahren
noch von Interesse - Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts .
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Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam
zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des - gegen Gemeinschaftsrecht verstoßenden - § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. habe der Widerspruch noch erklärt werden können.
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II. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht die
hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Das Berufungsgericht
hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bere icherung verneint. D. VN habe die Prämien mit Rechtsgrund geleistet. Er
sei ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht nach § 5a Abs. 2 Satz 1
VVG a.F. belehrt worden und der Versicherungsvertrag sei wirksam z ustande gekommen.
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Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt
d. VN das Klagebegehren hinsichtlich des Bereicherungsanspruchs weiter.
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III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision i.S. von
§ 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor, und das Rechtsmittel hat auch keine
Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).
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1. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch e rfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
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a) Nach den für das Revisionsverfahren bindenden Feststellungen
des Berufungsgerichts erhielt d. VN mit dem Versicherungsschein die
Versicherungsbedingungen, eine Verbraucherinformation und eine W iderspruchsbelehrung. Entgegen der Ansicht der Revision ist d. VN auch
ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt worden. D er Begriff
der "Textform" in der Widerspruchsbelehrung ist nicht erläuterungsbedürftig. Mit Urteil vom 10. Juni 2015 hat der Senat entschieden, dass der
Begriff der "Textform" in einer Widerspruchsbelehrung nach § 5a VVG
a.F. nicht erläuterungsbedürftig ist (IV ZR 105/13). Wegen der Einzelhe iten wird auf dieses Urteil verwiesen. Damit ist diese entscheidungserhebliche Frage geklärt. Im Ergebnis ist es revisionsrechtlich auch nicht
zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Widerspruchsbelehrung
auch im Übrigen für ordnungsgemäß ansah. Unter Einbeziehung des Gesamtinhalts des Policenbegleitschreibens ist für d. VN noch ausreichend
deutlich ersichtlich, welche Unterlagen ihm vorliegen müssen, damit die
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Widerspruchsfrist zu laufen beginnt (vgl. Senatsbeschluss vom 30. Juni
2015 - IV ZR 16/14 Rn. 8).
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b) Ob solchermaßen nach dem Policenmodell geschlossene Versicherungsverträge wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a VVG
a.F. Wirksamkeitszweifeln unterliegen (vgl. dazu Senatsurteil vom
16. Juli 2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 16 ff.; BVerfG VersR
2015, 693 Rn. 30 ff.), kann im Streitfall dahinstehen. Die von der Revision begehrte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union sche idet bereits deshalb aus, weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit
den genannten Richtlinien unvereinbar ist, hier nicht entsc heidungserheblich ankommt. D. VN ist es auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger
Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu
berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten (vgl. im Einze lnen zu den Maßstäben Senatsurteil vom 16. Juli 2014 aaO Rn. 32-42;
BVerfG aaO Rn. 42 ff.). D. VN verhielt sich objektiv widersprüchlich. Die
zumindest vertraglich eingeräumte und bekannt gemachte Widerspruchsfrist ließ er bei Vertragsschluss 2004 ungenutzt verstreichen. D. VN zahlte über Jahre die Versicherungsprämien. Die jahrelangen Prämienzahlungen des bereits bei Vertragsschluss über die Möglichkeit, den Vertrag
nicht zustande kommen zu lassen, belehrten VN haben bei der Bekla gten ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages begrü ndet. Diese vertrauensbegründende Wirkung war für d. VN auch erkennbar (vgl. ergänzend Senatsbeschluss vom 16. September 2015 - IV ZR
16/14 und Senatsurteil vom 10. Juni 2015 - IV ZR 105/13, VersR 2015,
876 Rn. 13 f.).
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2. Aus den dargelegten Gründen hält das Berufungsurteil jede nfalls im Ergebnis rechtlicher Prüfung stand.
Mayen
Harsdorf-Gebhardt
Lehmann
Dr. Karczewski
Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
AG Lennestadt, Entscheidung vom 13.08.2012 - 3 C 280/11 LG Siegen, Entscheidung vom 03.02.2014 - 3 S 60/12 -