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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 352/13
Verkündet am:
10. September 2014
Heinekamp
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
-2-
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin
Mayen,
die
Richterin
Harsdorf-Gebhardt,
die
Richter
Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller im schriftlichen Verfahren, bei dem Schriftsätze bis zum 15. August 2014 eingereicht werden konnten,
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das am 26. September
2013 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig aufgehoben, auf die Berufung der Bekla gten das am 28. März 2013 verkündete Urteil des Amtsgerichts Borna unter Zurückweisung des weitergehenden
Rechtsmittels teilweise geändert und insgesamt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.171,20 €
nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem
jeweiligen Basiszinssatz seit dem 9. Juni 2012 sowie
außergerichtliche
Rechtsanwaltskosten
in
Höhe
von
382,59 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten
über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 9. Juni 2012
zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 55%
und die Beklagte 45%.
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Der Streitwert wird für das Revisionsverfahren auf
4.830,24 € festgesetzt.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Der Kläger nimmt die Beklagte, einen liechtensteinischen Leben sversicherer, auf Rückzahlung einbehaltener Beträge aus einer Koste nausgleichsvereinbarung in Anspruch. Am 2. März 2010 stellte der Kläger
bei der Beklagten einen "Antrag auf Fondsgebundene Rentenversicherung/Antrag auf Kostenausgleichsvereinbarung". Als monatlicher Beitrag
für die Rentenversicherung waren 230 € vorgesehen. In Abschnitt B ist
hierzu unter der Rubrik "Vertragsdaten/Beitrag" geregelt:
"In den ersten 48 Monaten wird der Monatsbeitrag um die
Teilzahlungen für die Kostenausgleichsvereinbarung reduziert. Versicherungsdauer = Zeitraum bis zur ersten Rentenzahlung."
2
In dem die Kostenausgleichsvereinbarung betreffenden Abschnitt
C findet sich der fettgedruckte Hinweis:
"Die Auflösung des Versicherungsvertrages führt grun dsätzlich nicht zur Beendigung dieser Kostenausgleichsvereinbarung."
3
Weiter ist bestimmt, dass die Tilgung der Abschluss- und Einrichtungskosten separat vom Versicherungsvertrag und nicht in Form einer
Verrechnung der Kosten mit den Versicherungsbeiträgen erfolgt. Die Ab-
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schluss- und Einrichtungskosten sind mit einem Gesamtpreis von 5.466 €
angegeben, zahlbar in 48 monatlichen Raten von 113,88 €. Als nominaler und effektiver Jahreszins sind 0% angegeben.
4
In Abschnitt E zur Beratungsdokumentation heißt es unter anderem:
"Ich habe verstanden, dass die Abschluss- und Einrichtungskosten separat vom Versicherungsvertrag getilgt we rden. Diese Kosten sind auch im Falle einer Beitragsfreiste llung oder Kündigung des Versicherungsvertrages zu ti lgen."
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Unmittelbar über dem Unterschriftsfeld für die Kostenausgleichsvereinbarung findet sich die vorformulierte Erklärung (der letzte Satz in
Fettdruck):
"Ich beantrage die unkündbare Kostenausgleichsvereinb arung gemäß dieses Antrages. ... Ich habe die Sicherungsabtretung meiner Leistungsansprüche an die P.
zur
Kenntnis genommen.
Mir ist ebenfalls bekannt, dass ich die Kostenausgleich svereinbarung nicht kündigen kann."
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Ferner heißt es zum "Widerrufsrecht im Rahmen des Versich erungsvertrages":
"Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von 30 Tagen
ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Telefax,
E-Mail) gegenüber der P.
in
R.
, widerrufen. Die Frist beginnt
nach Erhalt der Versicherungspolice, der Vertragsbestimmungen einschließlich der Versicherungsbedingungen, der
weiteren Informationen nach § 7 Abs. 1 und 2 des Versicherungsvertragsgesetzes in Verbindung mit den §§ 1 bis 4
der VVG-Informationspflichtenverordnung und dieser Belehrung jeweils in Textform. Zur Wahrung der Widerrufsfrist
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genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Wide rrufsfolgen: Im Falle eines wirksamen Widerrufs endet der
ggf. bereits bestehende Versicherungsschutz, und wir e rstatten Ihnen unverzüglich, spätestens 30 Tage nach Zugang des Widerrufs, den Rückkaufswert nach § 169 Versicherungsvertragsgesetz, mindestens jedoch die bisher gezahlten Beiträge. Die Abschluss- und Einrichtungskosten
des Versicherungsvertrages bezahlen Sie durch die ebe nfalls mit uns geschlossene Kostenausgleichsvereinbarung.
Die beiden Verträge bilden damit eine wirtschaftliche Einheit. Widerrufen Sie den Versicherungsvertrag wirksam,
sind Sie daher auch an die Kostenausgleichsvereinbarung
nicht mehr gebunden, die damit auch endet. Wenn Sie im
Zeitpunkt des Widerrufs die Forderung aus der Kostenau sgleichsvereinbarung bereits ganz oder teilweise beglichen
haben, erstatten wir Ihnen den gezahlten Betrag."
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Schließlich ist zum Widerrufsrecht im Rahmen der Kostenau sgleichsvereinbarung bestimmt:
"Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von 30 Tagen
ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Telefax,
E-Mail) gegenüber der P.
in
R.
widerrufen. Die Frist beginnt
nach Erhalt der Vertragsurkunde der Kostenausgleichsve reinbarung, der Durchschrift des Antrages und dieser Bele hrung in Textform. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt
die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Widerrufsfolgen:
Mit der Kostenausgleichsvereinbarung bezahlen Sie die
Abschluss- und Einrichtungskosten des ebenfalls mit uns
geschlossenen Versicherungsvertrages. Die beiden Verträge bilden damit eine wirtschaftliche Einheit. Daher, und weil
Ihnen in Bezug auf den Versicherungsvertrag ein Wide rrufsrecht zusteht, ist dieser zu widerrufen, wobei ein wir ksamer Widerruf neben dem Versicherungsschutz auch die
Kostenausgleichsvereinbarung beendet. Widerrufen Sie
dennoch die Kostenausgleichsvereinbarung, so gilt dies als
Widerruf des Versicherungsvertrages, wobei ein wirksamer
Widerruf neben dem Versicherungsschutz auch die Koste nausgleichsvereinbarung beendet. Bezüglich der weiteren
Rechtsfolgen verweisen wir auf die oben stehenden Wide rrufsfolgen in der Belehrung zum Widerrufsrecht im Rahmen
-6-
des Versicherungsvertrages, die Sie bitte erneut zur Kenntnis nehmen."
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Die Beklagte nahm den Antrag an, wobei für die Kostenau sgleichsvereinbarung nur noch ein Gesamtpreis von 4.830 ,24 € bei 48
monatlichen Teilzahlungen von 100,63 € ohne Verzinsung vereinbart
wurde. Der Kläger leistete seit Vertragsschluss ab dem 1. April 2010 zunächst die Prämien für den Versicherungsvertrag und die Kostenau sgleichsvereinbarung. Mit Schreiben vom 15. März 2012 focht er den gesamten Vertrag einschließlich der Kostenpauschale an, erklärte hilfsweise die Kündigung mit sofortiger Wirkung und forderte Rückzahlung der
gezahlten Beiträge. Die Beklagte bestätigte mit Schreiben vom 4. April
2012 die Wirksamkeit der Kündigung und teilte dem Kläger den Rüc kkaufswert der gekündigten Versicherung mit 2.913,53 € mit. Ferner wies
sie darauf hin, dass dieser mit der offenen Kostenausgleichsvereinb arung verrechnet werde, woraus sich ein Auszahlungsbetrag für den Kl äger von 742,33 € ergab. Mit anwaltlichem Schreiben vom 17. Mai 2012
forderten die Prozessbevollmächtigten des Klägers die Beklagte auf, die
auf die Kostenausgleichsvereinbarung erfolgten Zahlungen zurückzuzahlen, und widerriefen vorsorglich die Vertragserklärung des Klägers .
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Das Amtsgericht hat der auf Zahlung von 4.830,24 € nebst Zinsen
und Rechtsanwaltskosten gerichteten Klage stattgegeben. Auf das
Rechtsmittel der Beklagten hat das Landgericht das amtsgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die
Revision des Klägers, der eine Wiederherstellung des amtsgerichtlichen
Urteils begehrt.
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Entscheidungsgründe:
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Die Revision ist teilweise begründet.
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I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist eine gesonderte Ko stenausgleichsvereinbarung zulässig und wirksam. Insbesondere verstoße
sie nicht gegen § 169 Abs. 5 VVG und stelle keine unzulässige Umgehung dar. Eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsne hmers liege ebenfalls nicht vor. Auch das Transparenzgebot sei ge wahrt.
Einen Widerruf des Versicherungsvertrages oder der Kostenausgleichsvereinbarung habe der Kläger nicht erklärt. Es liege ohnehin kein entgeltlicher Zahlungsaufschub i.S. von § 506 BGB vor. § 8 VVG finde auf
Kostenausgleichsvereinbarungen ferner keine Anwendung. Von eine r
Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten sei ebenfalls nicht auszugehen. Auch eine unzulässige Verflechtung der Beklagten mit dem Versicherungsvermittler, der A.
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AG, liege nicht vor.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung in einem wesentlichen Punkt
nicht stand.
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1. Wie der Senat bereits in seinen - vergleichbare Sachverhalte
betreffenden - Urteilen vom 12. März 2014 entschieden und im Einzelnen
begründet hat, verstößt die Kostenausgleichsvereinbarung nicht gegen
§ 169 Abs. 5 Satz 2, § 171 Satz 1 VVG (IV ZR 295/13, VersR 2014, 567
Rn. 14-22; IV ZR 255/13 juris Rn. 12-20). Auch eine Unwirksamkeit wegen fehlender Transparenz gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kommt nicht
in Betracht. Dem Versicherungsnehmer wird unmissverständlich vor A u-
-8-
gen geführt, dass er die Kostenausgleichsvereinbarung nicht kü ndigen
kann und nur der Widerruf seiner Vertragserklärung zu deren Beend igung führt, nicht dagegen eine Kündigung des Versicherungsvertrages
oder der Kostenausgleichsvereinbarung selbst (vgl. Senatsurteil vom
12. März 2014 - IV ZR 295/13, aaO Rn. 23-25).
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2. Dem Kläger stand allerdings das Recht zu, die Kostenausgleichsvereinbarung zu kündigen, da die vertraglich festgelegte Una bhängigkeit der Kostenausgleichsvereinbarung von einer Auflösung oder
Aufhebung des Versicherungsvertrages sowie der ausdrückli che Ausschluss des Kündigungsrechts in der vorgedruckten Formulierung im A ntragsformular wegen unangemessener Benachteiligung des Versich erungsnehmers gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam sind (Senatsurteile vom 12. März 2014 - IV ZR 295/13, VersR 2014, 567 Rn. 26-35;
IV ZR 255/13 juris Rn. 21-30). Hieran hält der Senat auch in Anbetracht
des weiteren Vorbringens der Beklagten fest. Wie im Fall desjenigen
Versicherungsnehmers zu entscheiden wäre, der die Abschluss- und Einrichtungskosten - anders als in sämtlichen bisher dem Senat vorliegenden Fallgestaltungen - nicht ratierlich, sondern in einem Betrag sofort bei
Vertragsschluss zahlt, muss hier nicht entschieden werden. Es besteht
ferner keine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von durch
den Versicherungsnehmer widerrufenen oder gekündigten Versich erungsverträgen. Im Falle eines wirksamen Widerrufs seitens des Vers icherungsnehmers ist der Vertrag von Anfang an unwirksam. Soweit die
vertraglichen und gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, kann in di esen Fällen ein Anspruch auf Wertersatz in Betracht kommen. Die Künd igung führt demgegenüber nur zu einer Beendigung des Vertrages ex
nunc, so dass der Versicherer bis zu diesem Zeitpunkt geleistete Zah-
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lungen des Versicherungsnehmers auf die Kostenausgleichsvereinb arung ohnehin behalten darf.
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Hieraus folgt, dass der Kläger die Kostenausgleichsvereinbarung
mit seinem Schreiben vom 15. März 2012 wirksam gekündigt hat. Die
Beklagte kann für die Zeit danach aus ihr keine Zahlungsansprüche mehr
geltend machen. Ausweislich ihres Abrechnungsschreibens vom 4. April
2012 bemisst die Beklagte ihre restliche Forderung aus der Kostenausgleichsvereinbarung mit 2.171,20 € (Rückkaufswert von 2.913,53 € abzüglich Auszahlung von 742,33 €). In dieser Höhe kann der Kläger mithin
Zahlung von der Beklagten verlangen.
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3. Ein weitergehender Anspruch des Klägers wegen des Widerrufs
seiner auf den Abschluss des Versicherungsvertrages und der Kos tenausgleichsvereinbarung gerichteten Willenserklärung auf Rückzahlung
der auf die Kostenausgleichsvereinbarung geleisteten Beträge kommt
dagegen nicht in Betracht. Unzutreffend nimmt das Berufungsgericht
zwar an, dass ein derartiger Widerruf des Klägers nicht vorliegt. Diesen
Widerruf hat der Kläger nicht nur mit dem anwaltlichen Schreiben vom
17. Mai 2012 erklärt, sondern diesen nochmals in der Klageschrift vom
9. August 2012 wiederholt. Entgegen der Auffassung des Klägers sind
die Widerrufsbelehrungen sowohl zum Versicherungsvertrag als auch zur
Kostenausgleichsvereinbarung aber weder inhaltlich noch formal zu b eanstanden. Die Widerrufsbelehrungen im hier zu beurteilenden Fall en tsprechen denjenigen, die der Senatsentscheidung vom 14. Mai 2014
(IV ZA 5/14, VersR 2014, 824) zugrunde lagen. Insoweit wird auf die dortigen Ausführungen verwiesen (Rn. 12-19).
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Der Anspruch des Klägers auf teilweisen Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ergibt sich auf der Grundlage eines Gege nstandswerts von 2.171,20 € aus dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß § 280 Abs. 2, § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB.
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Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Mayen
Harsdorf-Gebhardt
Lehmann
Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
AG Borna, Entscheidung vom 28.03.2013 - 9 C 876/12 LG Leipzig, Entscheidung vom 26.09.2013 - 3 S 204/13 -
Dr. Karczewski