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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 153/04
Verkündet am:
25. Januar 2006
Heinekamp
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
-2-
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Dr. Franke auf die mündliche Verhandlung vom 25. Januar 2006
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 27. Mai 2004
im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung
der Beklagten gegen die Abweisung ihrer Widerklage
betreffend Einräumung von Miteigentum an dem Grundstück R.
120 sowie Auskunft über die Einnahmen aus
diesem Grundstück seit dem Erbfall zurückgewiesen worden ist.
Die Sache wird insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens
an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Soweit die Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss
des Senats vom 14. September 2005 zurückgewiesen worden ist, hat die Beklagte - die Gerichtskosten nach dem
Wert
des
erfolglosen
Teils
ihrer
Beschwerde,
d.h.
48.983,45 € - sowie die außergerichtlichen Kosten des Klägers und des Widerbeklagten zu 2) in Höhe von 48% des
Gesamtstreitwerts
101.483,47 €
zu
des
tragen
Beschwerdeverfahrens
(vgl.
BGH,
Beschluss
von
vom
-3-
17. Dezember 2003 - V ZR 343/02 - NJW 2004, 1048 unter
2).
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte fordert mit ihrer Widerklage u.a. von ihren Brüdern,
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dem Kläger und dem Widerbeklagten zu 2), ihr aufgrund von § 2287 BGB
das Miteigentum in Höhe eines Drittels an dem mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstück einzuräumen, das der Erblasser und Vater
der Parteien zu seinen Lebzeiten den beiden Brüdern übertragen hat.
Dieses Grundstück war im Erbvertrag des Vaters mit der vorverstorbenen
Mutter allen drei Kindern zu gleichen Teilen als Vorerben zugedacht worden.
2
Die Vorinstanzen haben die Widerklage abgewiesen. Dagegen
wendet sich die Beklagte mit der Revision.
Entscheidungsgründe:
3
Die Revision hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache
an das Berufungsgericht.
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1. Die Vorinstanzen haben in der Übertragung des Grundstücks
nur an die beiden Brüder der Beklagten keinen Missbrauch der lebzeiti-
-4-
gen Verfügungsbefugnis des Erblassers gesehen, weil er einen Ausgleich für Vorempfänge der Beklagten habe schaffen wollen. Diese Annahme habe die für den geltend gemachten Anspruch beweispflichtige
Beklagte nicht widerlegen können.
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2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
6
a) Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 29. Juni 2005 (IV ZR
56/04 - ZEV 2005, 479 unter 2) näher ausgeführt hat, lässt sich das Verhalten eines Erblassers, der im Hinblick auf Vorempfänge einzelner Vertragserben der Meinung ist, er müsse abweichend vom Erbvertrag anderen Vertragserben einen Ausgleich durch lebzeitige Zuwendungen verschaffen, nicht als Wahrung eines lebzeitigen Eigeninteresses des Erblassers werten, das von den benachteiligten Vertragserben hinzunehmen
wäre. Die uneigennützige Absicht des Erblassers, Abkömmlinge nach
dem Vorbild von § 1924 Abs. 4 BGB gleich zu behandeln, auch wenn
damit vom bindenden Erbvertrag abgewichen wird, steht für sich genommen der Annahme einer missbräuchlichen Benachteiligung von Vertragserben im Sinne des § 2287 Abs. 1 BGB nicht entgegen.
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b) Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass die Zuwendungen der
Eltern zugunsten der Beklagten, die den Erblasser nach dem Inhalt des
notariellen Vertrages mit den Brüdern der Beklagten bewogen haben,
diesen das Grundstück R.
120 unter Ausschluss der Beklagten
zu übertragen, u.a. darin bestanden haben sollen, dass die Beklagte
10 Jahre lang mietfrei gewohnt und damit monatlich rund 800 DM erspart
habe. Die Beklagte hat eingeräumt, in den Jahren 1967 bis 1976 keine
Miete an die Eltern gezahlt zu haben. Die Revision macht mit Recht gel-
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tend, dass diese Umstände bei Abschluss des Erbvertrages der Eltern im
Jahre 1979 bekannt waren. Sie haben ihre drei Kinder gleichwohl zu
gleichen Teilen eingesetzt. Die Meinung des Erblassers, er müsse einen
Ausgleich für die Brüder der Beklagten schaffen, deute auf einen Sinneswandel hin, dem der Anspruch aus § 2287 Abs. 1 BGB gerade begegnen soll. Einer solchen Wertung des vorliegenden Sachverhalts steht
nicht entgegen, dass in Fällen einer sittlichen Verpflichtung oder eines
altersbedingten Versorgungsbedarfs das lebzeitige Eigeninteresse des
Erblassers schon beim Abschluss des Erbvertrages vorhanden sein kann
und gleichwohl eine spätere, den Vertragserben beeinträchtigende
Schenkung - bei Berücksichtigung nachträglich eingetretener Veränderungen - rechtfertigt (BGHZ 83, 44, 46).
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c) Das Berufungsgericht wird den Voraussetzungen des § 2287
Abs. 1 BGB daher noch einmal nachzugehen und auch zu prüfen haben,
ob die streitige lebzeitige Verfügung des Erblassers im Hinblick auf
Pflichtteilsansprüche der Brüder der Beklagten deren nach dem Erbvertrag berechtigte Erberwartungen objektiv überhaupt beeinträchtigt haben
-6-
(vgl. BGHZ 88, 269, 272; Senatsurteil vom 27. September 1995 - IV ZR
217/93 - ZEV 1996, 25 unter 3 a).
Terno
Dr. Schlichting
Dr. Kessal-Wulf
Seiffert
Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Mainz, Entscheidung vom 14.11.2003 - 9 O 385/01 OLG Koblenz, Entscheidung vom 27.05.2004 - 5 U 1477/03 -