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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 36/17
Verkündet am:
5. April 2018
Kiefer
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
WBVG § 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1; SGB XI §§ 85, 91
Vorformulierte Bestimmungen in einem Wohn- und Betreuungsvertrag über
vollstationäre Pflege zwischen einem Versicherten der Pflegeversicherung
(Verbraucher) und einer zugelassenen Pflegeeinrichtung ohne Pflegesatzvereinbarung (§§ 85, 91 Abs. 1 SGB XI), die eine Verpflichtung des Heimbewohners zur Sicherheitsleistung vorsehen, sind mit § 14 Abs. 4 Satz 1 WBVG vereinbar. Dies gilt auch gegenüber Verbrauchern, die berechtigt sind, Hilfe in Einrichtungen nach dem SGB XII in Anspruch zu nehmen.
BGH, Urteil vom 5. April 2018 - III ZR 36/17 - OLG Köln
LG Köln
ECLI:DE:BGH:2018:050418UIIIZR36.17.0
- 2 -
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. April 2018 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann, die Richter
Dr. Remmert und Reiter sowie die Richterinnen Dr. Arend und Dr. Böttcher
für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Köln vom 16. Dezember 2016 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsrechtszugs hat der Kläger zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
1
Der Kläger, der satzungsgemäß bundesweit Verbraucherinteressen
wahrnimmt und ein in die Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 UKlaG
eingetragener Verbraucherschutzverein ist, nimmt die Beklagte auf Unterlassung gemäß § 1 UKlaG in Anspruch.
2
Die Beklagte betreibt mehrere Einrichtungen der stationären Pflege. Für
die vollstationäre Aufnahme pflegebedürftiger Personen in die "Kaiser-Otto-Residenz" in E.
verwendet sie einen vorformulierten Pflegevertrag, der unter
anderem folgende Bestimmungen enthält:
- 3 -
"1. Vertragsgegenstand
1.1
1.2
Die Residenz ist durch einen Versorgungsvertrag mit den Pflegekassen gemäß §§ 72, 73 SGB XI zur Erbringung vollstationärer Pflegeleistungen zugelassen. Der Inhalt des Versorgungsvertrages sowie die
Regelung des Landesrahmenvertrages nach § 75 SGB XI sind für die
Residenz verbindlich und können vom Bewohner eingesehen werden.
3. Pflegevergütung
3.1
Die Residenz ist eine zugelassene Pflegeeinrichtung, die auf eine
vertragliche Regelung der Pflegevergütung mit öffentlichen Kostenträgern verzichtet hat. Gemäß § 91 SGB XI wird die Pflegevergütung mit
dem Bewohner direkt vereinbart und abgerechnet.
3.6
Die Residenz ist zugelassen gemäß § 72 SGB XI mit der Maßgabe der Kostenerstattung gemäß § 91 SGB XI. Der Bewohner hat daher
einen Kostenerstattungsanspruch gegenüber seiner Pflegekasse in Höhe
von max. 80 % des Betrages, den die Pflegekasse für den Bewohner
nach Art und Schwere seiner Pflegebedürftigkeit zu leisten hat. Dies gilt
auch für den Fall der Versicherung bei einer privaten Pflegeversicherung.
Verbindliche Auskünfte zur Höhe der Kostenerstattung kann nur die Pflegekasse oder die private Pflegeversicherung erteilen.
4. Kaution
Die Kaution beträgt (2-fache Monatsentgelt)
…€
4.1
Der Bewohner verpflichtet sich, der Residenz gemäß § 14 Abs. 1
WBVG im Hinblick auf die Überlassung des Pflegeplatzes eine Kaution,
die dem zweifachen Monatspflegesatz entspricht, zu gewähren.
- 4 -
6. Vertragsdauer und Kündigung
6.1
Der Vertrag gilt ab dem eingangs vereinbarten Zeitraum und endet mit dem Tod des Bewohners.
Im Übrigen richtet sich die Vertragsdauer nach den §§ 4, 11 und 12 des
Gesetzes zur Regelung von Verträgen über Wohnraum mit Pflege- oder
Betreuungsleistungen (Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz – WBVG
vom 29. Juli 2009)."
3
Auf eine vorgerichtliche Abmahnung des Klägers, welche noch andere
Vertragsklauseln betraf, gab die Beklagte nur eine eingeschränkte Unterlassungserklärung ab, die die in den Nummern 4 und 4.1 bestimmte Verpflichtung
des Heimbewohners zur Sicherheitsleistung nicht umfasste.
4
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Vertragsklauseln 4 und 4.1
verstießen gegen § 307 Abs. 1, 2 BGB i.V.m. §§ 14, 16 des Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes (WBVG) vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2319). Die Klauseln beachteten nicht das in § 14 Abs. 4 WBVG geregelte Kautionsverbot gegenüber Personen, die Leistungen nach § 42 oder § 43 SGB XI (Kurzzeitpflege
bzw. vollstationäre Pflege) bezögen. Die Klauseln verstießen somit gegen halbzwingendes Recht und führten zu einer unangemessenen Benachteiligung des
Heimbewohners.
5
Das Landgericht hat die Beklagte unter anderem zu der vom Kläger begehrten Unterlassung hinsichtlich der vorliegend noch streitgegenständlichen
Klauseln (Nr. 4 und 4.1) verurteilt. Auf die hiergegen gerichtete Berufung der
Beklagten hat das Oberlandesgericht unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage insoweit abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des
landgerichtlichen Urteils.
- 5 -
Entscheidungsgründe
6
Die zulässige Revision des Klägers hat keinen Erfolg.
I.
7
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung (veröffentlicht in BeckRS 2016, 117693) im Wesentlichen ausgeführt:
8
Die Vertragsklauseln Nummer 4 und 4.1 des Pflegevertrags hielten einer
Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB stand. Ein Verstoß
gegen § 14 Abs. 4, § 16 WBVG liege nicht vor. Gemäß Nummer 3.1 des Pflegevertrags i.V.m. § 91 Abs. 1 SGB XI richte sich die vertragliche Vereinbarung
ausschließlich an Personen, die keine Sachleistungen der Pflegeversicherung
in Anspruch nehmen wollten. Denn die Beklagte habe als zugelassene Pflegeeinrichtung unstreitig auf eine vertragliche Regelung der Pflegevergütung nach
§§ 85 und 89 SGB XI verzichtet, so dass sie den Preis für stationäre Leistungen
unmittelbar mit den Pflegebedürftigen vertraglich vereinbaren könne.
9
Eine am Wortlaut des § 14 Abs. 4 WBVG und der Normen, auf die die
Vorschrift Bezug nehme, orientierte Auslegung spreche dafür, dass von so genannten Selbstzahlern, also Personen, die keine Sachleistungen im Rahmen
der §§ 42, 43 SGB XI erhielten und in einer Einrichtung ohne Vereinbarung einer Pflegevergütung (§ 91 SGB XI) gepflegt würden, eine Sicherheitsleistung
gefordert werden dürfe. § 14 Abs. 4 WBVG schließe die Möglichkeit, Sicherheit
zu verlangen, ausdrücklich aus, wenn Leistungen nach §§ 42, 43 SGB XI bezogen würden. Im konkreten Fall schieden Leistungen der Kurzzeitpflege (§ 42
SGB XI) von vornherein aus, da dieser Personenkreis von dem Vertragswerk
- 6 -
gar nicht angesprochen werde. Das Gleiche gelte für Personen, die Leistungen
nach dem SGB XII erhielten. Hinsichtlich der allein vertragsgegenständlichen
vollstationären Pflege verzichteten die Heimbewohner auf die ihnen möglicherweise zustehende Sachleistung nach § 43 SGB XI, um einen individuellen Vertrag mit der Beklagten gemäß § 91 Abs. 1 SGB XI abschließen zu können. In
diesem Fall erhielten die Pflegebedürftigen die pflegebedingten Aufwendungen
bis zu einer Höhe von 80 % der sonst möglichen Vergütung von der Pflegekasse erstattet (§ 91 Abs. 2 SGB XI).
10
Die Systematik des Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes spreche
ebenfalls dafür, dass die Forderung einer Sicherheitsleitung gegenüber Selbstzahlern nicht ausgeschlossen sei. Durch § 91 SGB XI werde die Wahlfreiheit
von Pflegebedürftigen gewährleistet, die von einer Betreuungseinrichtung betreut werden wollten, die bewusst auf den Abschluss einer Vergütungsvereinbarung verzichtet habe. Würde auch in diesen Fällen die Zulässigkeit der Vereinbarung einer Sicherheitsleistung verneint werden, hätte dies eine erhebliche
Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 14 Abs. 1 WBVG zur Folge.
11
Auch der Zweck des § 14 Abs. 4 WBVG spreche für dieses Auslegungsergebnis. Durch den Verzicht des Leistungsträgers auf eine Vergütungsvereinbarung (§ 91 Abs. 1 SGB XI) ändere sich die Abrechnungsmodalität, da der
Träger der Betreuungseinrichtung nicht direkt mit der Pflegekasse abrechnen
könne, sondern das gesamte Entgelt dem Betreuten in Rechnung stellen müsse. Nach § 14 Abs. 4 WBVG solle aber die Erbringung einer Sicherheitsleistung
nur für den Fall eingeschränkt werden, dass der Träger der Einrichtung einen
Anspruch gegen einen solventen Dritten (Pflegekasse) habe.
- 7 -
12
Hierfür spreche auch die Entstehungsgeschichte des § 14 WBVG. Nach
der Vorgängerregelung des § 14 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 8 des Heimgesetzes in der
bis zum 30. September 2009 gültigen Fassung (HeimG) sei das Verlangen einer Sicherheitsleistung zwar grundsätzlich zulässig gewesen. Dies habe jedoch
nicht gegenüber Versicherten der Pflegeversicherung und gegenüber Personen, denen Hilfe in Einrichtungen nach dem SGB XII gewährt worden sei, gegolten. Insoweit sei der Ausschluss einer Sicherheitsleistung damit begründet
worden, dass der Heimträger bei Versicherten der Pflegeversicherung gegenüber der Pflegekasse einen Anspruch auf Vergütung seiner pflegerischen Leistungen habe. Mit Einführung des Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes habe
der Gesetzgeber diese Regelung inhaltlich beibehalten wollen. Vor diesem Hintergrund entspreche es auch im vorliegenden Fall der tatsächlichen Interessenlage, § 14 Abs. 4 WBVG nicht anzuwenden Die Beklagte habe unstreitig keinen
unmittelbaren Anspruch gegen einen Kostenträger. Vielmehr richte sich ihr Anspruch ausschließlich gegen den Pflegebedürftigen als Vertragspartner, so
dass ein Sicherungsinteresse der Beklagten zu bejahen sei.
II.
13
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung stand.
14
Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass dem Kläger hinsichtlich der Vertragsklauseln Nummer 4 und 4.1 kein Unterlassungsanspruch nach § 1 UKlaG i.V.m. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB, § 14 Abs. 1
Satz 1 und Abs. 4 Satz 1, § 16 WBVG zusteht.
15
Vorformulierte Bestimmungen in einem Wohn- und Betreuungsvertrag
über vollstationäre Pflege zwischen einem Versicherten der Pflegeversicherung
(Verbraucher) und einer zugelassenen Pflegeeinrichtung ohne Pflegesatzver-
- 8 -
einbarung (§§ 85, 91 Abs. 1 SGB XI), die eine Verpflichtung des Heimbewohners zur Sicherheitsleistung vorsehen, sind mit § 14 Abs. 4 Satz 1 WBVG vereinbar und benachteiligen den Pflegebedürftigen nicht unangemessen. Dies gilt
auch gegenüber Verbrauchern, die berechtigt sind, Hilfe in Einrichtungen nach
dem SGB XII in Anspruch zu nehmen, so dass dahinstehen kann, ob diese zum
Kundenkreis der Beklagten gehören.
16
1.
Dem Berufungsgericht ist darin zuzustimmen, dass die Fälle der Kurz-
zeitpflege (§ 42 SGB XI) von dem vorliegenden Vertragswerk von vornherein
nicht erfasst werden. Nummer 6.1 des Pflegevertrags legt fest, dass das Vertragsverhältnis auf unbestimmte Zeit geschlossen wird (§ 4 WBVG) und - vorbehaltlich einer Kündigung durch den Verbraucher (§ 11 WBVG) oder den Unternehmer (§ 12 WBVG) - erst mit dem Tod des Bewohners endet. Demgegenüber setzt die - auf acht Wochen pro Kalenderjahr - beschränkte Kurzzeitpflege
voraus, dass vollstationäre Pflegemaßnahmen für eine Übergangszeit im Anschluss an eine stationäre Behandlung des Pflegebedürftigen oder in sonstigen
Krisensituationen, in denen vorübergehend häusliche oder teilstationäre Pflege
nicht möglich oder nicht ausreichend ist, erbracht werden (§ 42 Abs. 1 Satz 2
SGB XI).
17
2.
Nach § 72 Abs. 1 SGB XI zugelassene Pflegeeinrichtungen im Sinne des
§ 91 Abs. 1 SGB XI, die auf eine Pflegesatzvereinbarung nach § 85 SGB XI
verzichtet und sich für freie Entgeltvereinbarungen sowie das Kostenerstattungsverfahren nach § 91 Abs. 2 SGB XI entschieden haben, können mit Versicherten der Pflegeversicherung eine Sicherheitsleistung nach § 14 Abs. 1
Satz 1 WBVG vereinbaren. In diesen Fällen greift das Verbot des § 14 Abs. 4
Satz 1 WBVG nicht ein. Dafür sprechen der Wortlaut unter Berücksichtigung
der Gesetzessystematik, die Entstehungsgeschichte sowie der Sinn und Zweck
von § 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 WBVG.
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a) Steht der Pflegeeinrichtung im Sinne des § 91 Abs. 1 SGB XI, die
- wie die Beklagte - auf eine Pflegesatzvereinbarung nach § 85 SGB XI verzichtet hat, kein direkter Zahlungsanspruch gegenüber Sozialleistungsträgern zu, ist
§ 14 Abs. 4 Satz 1 WBVG bereits nach seinem Wortlaut nicht anwendbar.
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aa) Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 WBVG wird der Pflegeeinrichtung (Unternehmer) grundsätzlich die Möglichkeit eingeräumt, Sicherheiten für die Erfüllung der Pflichten des pflegebedürftigen Heimbewohners (Verbraucher) aus
dem Vertrag zu verlangen und dies entsprechend im Wohn- und Betreuungsvertrag zu vereinbaren. Die Sicherheit ist wie eine mietrechtliche Kaution zu
verstehen (Dickmann/Kempchen, Heimrecht, 11. Aufl., § 14 WBVG Rn.1). Allerdings kann der Unternehmer nach § 14 Abs. 4 Satz 1 WBVG von Verbrauchern,
die Leistungen nach §§ 42, 43 SGB XI (Kurzzeit- und Vollzeitpflege) in Anspruch nehmen oder denen Hilfe in Einrichtungen nach dem SGB XII gewährt
wird (insbesondere gemäß §§ 61 ff SGB XII), keine Sicherheitsleistung verlangen. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass in diesen Fällen dem Unternehmer
ein unmittelbar zahlender öffentlicher Kostenträger zur Verfügung steht, so dass
für eine Sicherheitsleistung des Heimbewohners kein Bedürfnis besteht
(Bachem/Hacke, Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz, § 14 WBVG Rn. 5;
BeckOGK/Drasdo, § 14 WBVG Rn. 48 [Stand: 1. Januar 2018]; Dickmann/
Kempchen aaO Rn. 7; Rasch, Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz, § 14
WBVG Rn.16; siehe auch die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur
sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit, BT-Drucks. 12/5262,
S. 169).
20
bb) Damit knüpft § 14 Abs. 4 Satz 1 WBVG an das Sachleistungsprinzip
an, wie es insbesondere in § 87a Abs. 3 Satz 1 SGB XI niedergelegt ist. Die
Leistungen bei stationärer Pflege (§ 43 SGB XI) sind keine Geld-, sondern
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Sachleistungen der Pflegeversicherung an den pflegebedürftigen Versicherten
(O‘Sullivan in jurisPK-SGB XI, 2. Aufl., § 87a Rn. 49). Da der Leistungsträger
(Pflegekasse) die fragliche Leistung nicht selbst erbringen kann, muss er diese
dem Versicherten durch Dritte (Leistungserbringer) verschaffen. Diesen Anspruch erfüllen die Pflegekassen durch Versorgungsverträge nach § 72 Abs. 1
SGB XI, mit denen sich im Bereich stationärer Pflege Heimträger - wie die Beklagte (siehe Nr. 1.2 und 3.6 des Pflegevertrags) - verpflichten, die pflegebedürftigen Versicherten aufzunehmen und zu betreuen (§ 72 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1 SGB XI). Im Gegenzug entsteht ein direkter Zahlungsanspruch des Leistungserbringers gegen die Pflegekasse. Im Bereich der vollstationären Pflege
gehört hierzu der in § 87a Abs. 3 Satz 1 geregelte Anspruch auf Zahlung der in
§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB XI festgesetzten Beträge. Diese zahlt die Pflegekasse
direkt an die Pflegeeinrichtung (O’Sullivan in jurisPK-SGB XI aaO Rn. 48, 50 ff).
Art, Höhe und Laufzeit der Pflegesätze werden zwischen dem Träger des Pflegeheims und den Leistungsträgern nach § 85 SGB XI vereinbart (Pflegesatzvereinbarung).
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cc) Für die Hilfe zur Pflege nach § 61 ff SGB XII gilt im Ergebnis nichts
anderes. Das gesetzliche Regelungskonzept, das dem Leistungserbringungsrecht des SGB XII zugrunde liegt, geht davon aus, dass der Sozialhilfeträger die
ihm im Rahmen des sozialhilferechtlichen Leistungsdreiecks obliegende Leistung nicht als Geldleistung an den jeweiligen Hilfeempfänger erbringt, um diesem die Zahlung des vertraglichen Entgelts aus dem privatrechtlichen Vertrag
über die Erbringung von Pflegeleistungen zu ermöglichen, sondern dass die
Zahlung in Erfüllung der Sachleistungsverschaffungspflicht des Sozialhilfeträgers direkt an den Dienst erfolgt, der die Pflege leistet (siehe Senatsurteile vom
7. Mai 2015 - III ZR 304/14, NJW 2015, 3782 Rn. 20 ff und 31. März 2016
- III ZR 267/15, BGHZ 209, 316 Rn. 15 ff zu den verschiedenen Rechtsbeziehungen im sozialhilferechtlichen Leistungsdreieck). Ein unmittelbarer Zahlungs-
- 11 -
anspruch der Pflegeeinrichtung gegenüber dem Sozialhilfeträger entsteht durch
dessen Schuldbeitritt zur zivilrechtlichen Verpflichtung des Bewohners gegenüber der Einrichtung im Wege eines entsprechenden Kostenübernahmebescheids (Senatsurteile vom 7. Mai 2015 aaO Rn. 24 und vom 31. März 2016
aaO Rn. 20 f). Gemäß § 75 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 SGB XII ist der Sozialhilfeträger in Bezug auf zugelassene Pflegeeinrichtungen an die für stationäre Einrichtungen maßgeblichen Pflegesatzvereinbarungen nach § 85 SGB XI grundsätzlich gebunden (Jaritz/Eicher, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl., § 75 Rn. 150).
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dd) Nach alledem erfasst § 14 Abs. 4 Satz 1 WBVG, der allein auf den
Bezug von vollstationären Leistungen nach §§ 42, 43 SGB XI oder die Gewährung von Hilfe in Einrichtungen nach dem SGB XII abstellt, bereits seinem Wortlaut nach unter Berücksichtigung des systematischen Zusammenhangs mit
§ 87a Abs. 3 Satz 1 SGB XI nur die Fälle der Sachleistungsverschaffung. Demgegenüber liegt den streitgegenständlichen Klauseln Nummer 4 und 4.1 nicht
das Sachleistungsprinzip, sondern das Kostenerstattungsprinzip zugrunde.
Denn nach den Nummern 1.2 und 3.1 des Pflegevertrags ist die Beklagte zwar
durch einen Versorgungsvertrag gemäß §§ 72, 73 SGB XI zur Erbringung vollstationärer Pflegeleistungen zugelassen; sie hat jedoch auf eine vertragliche
Regelung der Pflegevergütung mit öffentlichen Kostenträgern nach § 85 SGB XI
verzichtet. In einem solchen Fall ermöglicht § 91 Abs. 1 SGB XI dem Träger der
Pflegeeinrichtung trotz seiner Zulassung und Verpflichtung zur Erbringung von
Pflegeleistungen (vgl. § 72 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1 SGB XI), das Vergütungssystem des Buches XI Sozialgesetzbuch in Durchbrechung des Sachleistungsprinzips zu verlassen und den Preis für die zu erbringenden stationären Leistungen unmittelbar mit den pflegebedürftigen Kunden marktorientiert zu vereinbaren. Gemäß § 91 Abs. 2 SGB XI verlieren die in der sozialen Pflegeversicherung versicherten Pflegebedürftigen ihren Sachleistungsanspruch gegen ihre
- 12 -
Pflegekasse und werden auf einen bloßen Kostenerstattungsanspruch verwiesen, der zudem auf 80 % der sonst gewährten Leistungen beschränkt ist. Der
Träger des Pflegeheims rechnet nur noch mit dem pflegebedürftigen Kunden
ab. Dieser ist alleiniger Schuldner (Dickmann aaO § 91 Rn. 4; O’Sullivan in
jurisPK-SGB XI aaO § 91 Rn. 27; KassKomm/Weber, § 91 SGB XI Rn. 5
[95. EL, Juli 2017]). Um zu verhindern, dass "vertragslose" Pflegeeinrichtungen
mit Pflegebedürftigen Preisvereinbarungen zu Lasten der Sozialhilfe abschließen, bestimmt § 91 Abs. 2 Satz 3 SGB XI als sozialhilferechtliche Norm, dass
eine weitergehende Kostenerstattung durch einen Träger der Sozialhilfe unzulässig ist (Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur sozialen Absicherung
des Risikos der Pflegebedürftigkeit, BT-Drucks. 12/5262, S. 150; BeckOK Sozialrecht/Wilcken, 47. Edition, § 91 SGB XI Rn. 2 [Stand: 1. September 2017];
KassKomm/Weber aaO Rn. 8; O’Sullivan in jurisPK-SGB XI aaO Rn. 31).
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Da Pflegeeinrichtungen, die sich gemäß § 91 Abs. 1, 2 SGB XI gegen
das Sachleistungsprinzip und für das Kostenerstattungsverfahren entschieden
haben, somit keinen Direktanspruch gegen Sozialleistungsträger haben, der sie
gegen eine Zahlungsunfähigkeit des Heimbewohners unmittelbar absichert,
besteht ein Sicherungsbedürfnis, dem der Wortlaut des § 14 Abs. 4 Satz 1
WBVG Rechnung trägt, indem er bei Wahl des Kostenerstattungsverfahrens die
Vereinbarung einer Sicherheitsleistung nicht verbietet.
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b) Für dieses Ergebnis spricht auch die Entstehungsgeschichte des § 14
WBVG.
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aa) Die Vorgängerregelung findet sich in § 14 HeimG (gültig bis zum
30. September 2009). Nach § 14 Abs. 2 Nr. 4 HeimG waren Sicherheitsleistungen für die Erfüllung der Bewohnerpflichten aus dem Heimvertrag vom Verbot
des § 14 Abs. 1 HeimG ausgenommen, soweit § 14 Abs. 8 HeimG nicht wiede-
- 13 -
rum den Geltungsbereich des Absatzes 2 Nummer 4 einschränkte. Gemäß § 14
Abs. 8 HeimG durfte sich der Heimträger keine Sicherheiten von Versicherten
der Pflegeversicherung und Personen, die Hilfe in Einrichtungen nach dem
SGB XII erhielten, versprechen oder gewähren lassen. Der Wortlaut der Norm
wurde allgemein als zu weit angesehen. Danach erstreckte sich nämlich das
Verbot von Sicherheitsleistungen auf fast alle Heimbewohner, da der größte
Teil der Bevölkerung gemäß § 1 Abs. 2 SGB XI in der sozialen Pflegeversicherung und der verbleibende Rest zumeist in der privaten Pflegeversicherung versichert ist (Krahmer/Richter/Plantholz, Heimgesetz, 2. Aufl., § 14 Rn. 29). § 14
Abs. 8 HeimG wurde deshalb nach seinem Sinn und Zweck einschränkend
ausgelegt. Das Verbot, eine Sicherheitsleistung zu fordern, setze voraus, dass
der Heimträger - jedenfalls in Bezug auf einen großen Teils des Entgelts - einen eigenen Zahlungsanspruch gegenüber Sozialleistungsträgern habe und
deshalb nicht in diesem Umfang auf Sicherheiten angewiesen sei. Das sei dann
nicht der Fall, wenn nur der Bewohner Anspruch auf Kostenerstattung habe,
weil er zum Beispiel privatversichert sei oder die Pflegeeinrichtung ohne Pflegesatzvereinbarung nach § 85 SGB XI auf der Basis des § 91 Abs. 2 SGB XI
arbeite (siehe nur Krahmer/Richter/Plantholz, Heimgesetz aaO; Rasch aaO
Rn.17). Ergänzend wurde darauf hingewiesen, dass in der Begründung zum
Entwurf des Pflege-Versicherungsgesetzes davon ausgegangen worden sei,
dass bei Versicherten der Pflegeversicherung kein sachliches Bedürfnis für die
Bereitstellung von Sicherheiten bestehe, wenn der Heimträger gegenüber der
Pflegekasse Anspruch auf Vergütung seiner pflegerischen Leistungen habe
(BT-Drucks. 12/5262, S. 169; Krahmer/Richter/Plantholz, Heimgesetz aaO).
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bb) Als das Heimrecht nach der am 1. September 2006 in Kraft getretenen Föderalismusreform durch das Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz vom
29. Juli 2009 neu geregelt wurde, hat der Gesetzgeber die Vorschriften des
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Heimgesetzes über Sicherheitsleistungen der Verbraucher für die Erfüllung der
Vertragspflichten als "bewährt" eingestuft (Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der zivilrechtlichen Vorschriften des Heimgesetzes
nach der Föderalismusreform, BT-Drucks. 16/12409, S. 11). Dementsprechend
ist die in § 14 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 8 HeimG geregelte Möglichkeit für den Unternehmer, von dem Verbraucher Sicherheiten für die Erfüllung seiner Pflichten
aus dem Vertrag zu verlangen, grundsätzlich übernommen worden. Der oben
unter aa) dargestellten einschränkenden Auslegung des § 14 Abs. 8 HeimG
wurde dadurch Rechnung getragen, dass § 14 Abs. 4 Satz 1 WBVG eine
Sicherheitsleistung nur gegenüber Verbrauchern ausschließt, die bestimmte
Leistungen nach dem SGB XI oder SGB XII in Anspruch nehmen (BT-Drucks.
16/12409, S. 13). Demgegenüber hatte § 14 Abs. 8 HeimG noch wörtlich auf
"Versicherte der Pflegeversicherung" abgestellt. Durch die engere sprachliche
Fassung des Ausschlusstatbestands hat der Gesetzgeber somit zum Ausdruck
gebracht, dass Sicherheitsleistungen nur gegenüber solchen Heimbewohnern
untersagt sind, die im Rahmen des sozialrechtlichen Leistungsdreiecks Pflegesachleistungen erhalten, weil in diesen Fällen ein direkter Zahlungsanspruch
des Heimträgers gegenüber den Sozialleistungsträgern besteht (Bachem/Hacke
aaO § 14 WBVG Rn. 6). Da - wie bereits ausgeführt - Bewohnern von Einrichtungen im Sinne des § 91 Abs. 1 SGB XI (ohne Pflegsatzvereinbarung nach
§ 85 SGB XI) in Abweichung vom Sachleistungsprinzip lediglich ein Kostenerstattungsanspruch nach § 91 Abs. 2 SGB XI gegenüber den Sozialleistungsträgern zusteht, verbleibt es in diesen Fällen beim Grundsatz des § 14 Abs. 1
Satz 1, 2 WBVG, das heißt der Unternehmer kann von dem pflegebedürftigen
Verbraucher eine Sicherheitsleistung in Höhe des doppelten Entgelts für einen
Monat verlangen.
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c) Das Berufungsgericht hat auch zutreffend darauf abgestellt, dass der
Sinn und Zweck der Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 WBVG
dafür spricht, Sicherheitsleistungen des Verbrauchers nur in den Fällen zu verbieten, in denen der Unternehmer einen eigenen Direktanspruch gegen Sozialleistungsträger hat, der ihn gegen eine Zahlungsunfähigkeit des Heimbewohners unmittelbar absichert.
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aa) Zweck des § 14 WBVG ist der Ausgleich zwischen dem Sicherungsbedürfnis des Unternehmers und dem Schutzbedürfnis des Verbrauchers (Senatsurteil vom 21. Mai 2015 - III ZR 263/14, NJW 2015, 2573 Rn. 14). Durch die
Zulassung und Regulierung von Sicherheitsleistungen in bestimmten Grenzen
dient die Norm dem Interessenausgleich der Vertragsparteien (Rasch aaO § 14
WBVG Rn. 2). Zwar soll der Verbraucher vor Nachteilen geschützt werden, die
ihm aus der doppelten Abhängigkeit von einem Unternehmer und der Komplexität der miteinander verbundenen Leistungen für die Wahrung seiner Interessen
drohen. Gleichzeitig müssen dem Unternehmer aber hinreichende Gestaltungsmöglichkeiten verbleiben, die seinem Sicherungsbedürfnis Rechnung tragen und die Entwicklung neuer und vielfältiger Angebote zulassen (Begründung
zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der zivilrechtlichen Vorschriften
des Heimgesetzes nach der Föderalismusreform, BT-Drucks. 16/12409,
S. 10 f). Danach stellt es einen angemessenen Interessausgleich dar, dem Unternehmer das Verlangen einer Sicherheitsleistung lediglich in den Fällen zu
untersagen, in denen ihm mit dem Träger der Pflegeversicherung oder der Sozialhilfe ein leistungsfähiger unmittelbar zahlender Schuldner zur Verfügung
steht (BeckOGK/Drasdo, § 14 WBVG Rn. 48 [Stand: 1. Januar 2018]; Dickmann aaO § 14 WBVG Rn. 7). Eine Erstreckung des Verbots auch auf Pflegeeinrichtungen, die das Entgelt für ihre stationären Leistungen nach § 91 Abs. 1
SGB XI unmittelbar mit den Pflegebedürftigen vereinbaren und sich für das
Kostenerstattungsverfahren nach § 91 Abs. 2 SGB XI entschieden haben, wäre
- 16 -
nicht mehr interessengerecht, weil dem berechtigten Sicherungsbedürfnis des
Unternehmers nicht Rechnung getragen würde.
29
bb) Zudem wäre ein solches Verständnis des § 14 Abs. 4 Satz 1 WBVG
kaum mit dem Normzweck des § 91 SGB XI vereinbar. Danach ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass Pflegeeinrichtungen auf eine Vergütungsvereinbarung nach § 85 SGB XI verzichten können, aber möglicherweise Pflegebedürftige gleichwohl von einer solchen Einrichtung betreut werden möchten.
Dieses "Wahlrecht" der Pflegebedürftigen soll dadurch gesichert werden, dass
sie nicht völlig von den Leistungen der Pflegeversicherung abgeschnitten werden mit der Folge, dass solche Einrichtungen in der Regel nicht gewählt würden. Dementsprechend wird den Heimbewohnern nach § 91 Abs. 2 SGB XI ein
Kostenerstattungsanspruch in Höhe von 80 % der ansonsten gewährten Leistungen zugestanden (O’Sullivan in jurisPK-SGB XI aaO § 91 Rn. 5). Hätte der
Unternehmer keine Möglichkeit, von diesem Kundenkreis eine Sicherheitsleistung im Umfang von § 14 Abs. 1 Satz 2 WBVG zu verlangen, würde dies dazu
führen, dass Pflegeverträge mit Selbstzahlern unangemessen erschwert würden, weil der Unternehmer das Risiko der Zahlungsunfähigkeit seines Vertragspartners ungeschmälert tragen müsste. In diesem Zusammenhang kann auch
nicht geltend gemacht werden, dass Verbraucher, die mit Einrichtungen ohne
Pflegesatzvereinbarung einen Pflegevertrag abschlössen, schlechter gestellt
seien als Versicherte, die ein Vertragsverhältnis mit einem am Pflegsatzverfahren teilnehmenden Unternehmer eingingen. Mit § 91 SGB XI hat der Gesetzgeber gerade eine Möglichkeit schaffen wollen, das Kostenerstattungsverfahren
anstelle des Sachleistungsprinzips zu wählen. Dabei werden die Interessen des
Verbrauchers durch § 91 Abs. 2 SGB XI hinreichend berücksichtigt.
- 17 -
30
cc) Soweit die Revision die Zulässigkeit von Sicherheitsleistungen vom
Gewicht der mietvertraglichen Komponente des Pflegevertrags abhängen machen und die Höhe der Sicherheitsleistung daran orientieren will, widerspricht
dies nicht nur dem eindeutigen Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 1, 2 WBVG, wonach der Unternehmer Sicherheiten für die Erfüllung der Pflichten des Verbrauchers aus dem Vertrag in Höhe des Doppelten des auf einen Monat entfallenden Entgelts verlangen kann, sondern auch dem Zweck des § 14 WBVG, einen
angemessenen Interessenausgleich zwischen Unternehmer und Verbraucher
zu ermöglichen.
Herrmann
Remmert
Arend
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 23.03.2016 - 26 O 407/15 OLG Köln, Entscheidung vom 16.12.2016 - 6 U 71/16 -
Reiter
Böttcher