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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
III ZR 341/04
vom
24. Februar 2005
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
Nds. WasserG § 33 Abs. 1 Satz 1, § 55 Abs. 1; WHG § 15 Abs. 4 Satz 1
Im Falle des Widerrufs eines alten Rechts (hier: Staurecht zum Betrieb einer
Mühle) durch die Wasserbehörde gegen Entschädigung hat die zu leistende
Entschädigung den (Verkehrs-)Wert der Nutzung dieses Rechts auszugleichen, nicht jedoch einen "Ertragswert" im Hinblick auf Einkünfte, die der Inhaber des Rechts als Gegenleistung dafür erzielte, daß er das Recht nicht
ausübte.
BGH, Beschluß vom 24. Februar 2005 - III ZR 341/04 - OLG Celle
LG Stade
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Februar 2005 durch den
Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Dr. Wurm, Streck, Dörr und
Dr. Herrmann
beschlossen:
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle
vom 24. Juni 2004 - 4 U 105/03 - wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97
Abs. 1 ZPO).
Streitwert: 61.529,88 €.
Gründe:
I.
Die Kläger waren als Erben des am 25. Dezember 1987 verstorbenen
W.
W.
sen. Inhaber eines in das Wasserbuch eingetragenen alten
Rechts, das Wasser der H.
zum Betrieb einer Mühle anzustauen. Der
Erblasser hatte das Staurecht seit mehreren Jahrzehnten nicht mehr ausgenutzt, sondern es mit Vertrag vom 5. Dezember 1958 langfristig gegen Gewährung eines zinslosen Darlehens von 120.000 DM an den beklagten Wasserund Bodenverband "verpachtet". Der Beklagte bezweckte mit diesem Vertrag
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- erklärtermaßen -, die Ausübung des Staurechts über einen längeren Zeitraum
zu verhindern, um in seinem Gebiet Entwässerungsmaßnahmen mit dem Ziel
der besseren landwirtschaftlichen Nutzung der Grundstücke seiner Mitglieder
durchführen zu können. Durch bestandskräftigen Bescheid vom 22. November
1990 widerrief der Landkreis S.
das alte Recht gemäß § 33 Abs. 1 des Nie-
dersächsischen Wassergesetzes (NWG) gegen Entschädigung, deren Höhe in
einem gesonderten Verfahren ermittelt werden sollte.
Mit Bescheid vom 7. September 2000 hat der Landkreis die - u.a. von
dem Beklagten als dem durch den Widerruf unmittelbar Begünstigten zu zahlende - Entschädigung auf 45.000 DM nebst Zinsen seit dem 23. November
1990 festgesetzt. Im vorliegenden Prozeß haben - soweit hier von Interesse die Kläger eine höhere Entschädigung (als Teilbetrag geltend gemachte
150.000 DM) verlangt, wogegen der Beklagte mit der Widerklage die Verurteilung der Kläger zur Zahlung von Darlehensraten aus dem 1958 gewährten
Darlehen beantragt hat. Das Landgericht hat den Entschädigungsbetrag
um 12.666,44 € (= 24.773,40 DM) angehoben, das Oberlandesgericht hat
ihn nochmals - um insgesamt 39.705,92 € (= 77.658,03 DM) - erhöht. Der Widerklage des Beklagten haben das Landgericht in Höhe von 6.135 €
(= 12.000 DM)
und
das
Oberlandesgericht
in
Höhe
von
12.271,01 €
(= 24.000 DM) nebst Zinsen stattgegeben, unter Zurückweisung einer hilfsweise geltend gemachten Aufrechungsforderung der Kläger wegen Unterlassung
vertraglich übernommener Unterhaltungsarbeiten.
II.
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Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision
durch das Berufungsgericht ist unbegründet. Weder hat die Rechtssache
grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).
1.
In bezug auf die Klageforderung (Entschädigungsanspruch) ist auszu-
führen:
a) Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 NWG kann die Wasserbehörde alte Rechte und alte Befugnisse gegen Entschädigung widerrufen, soweit von der Fortsetzung der Benutzung eine erhebliche Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit zu erwarten ist. Daß den Klägern eine solche Entschädigung - dem
Grunde nach - zu gewähren ist, ergibt sich aus dem bestandskräftigen Bescheid des Landkreises vom 23. November 1990. Bei diesem Akt handelt es
sich um eine Enteignung (vgl. BVerfGE 101, 239, 259; 102, 1, 15 f), nämlich
die Entziehung einer konkreten subjektiven, durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Rechtsposition zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben (vgl.
auch Czychowski/Reinhardt WHG 8. Aufl. § 15 Rn. 13; Breuer, Öffentliches
und privates Wasserrecht 3. Aufl. Rn. 339; Dahme, in Zeitler WHG § 15
Rn. 26). Jedenfalls ist der Entschädigungsanspruch im Gesetz (§ 55 Abs. 1
Satz 1 NWG) wie eine Enteignungsentschädigung konzipiert; die Entschädigung hat "den eintretenden Vermögensschaden angemessen auszugleichen".
Bei Anlegung enteignungsrechtlicher Grundsätze heißt dies, daß beim Entzug
einer wasserrechtlichen Befugnis zum Wohl der Allgemeinheit die Entschädigung sich nach der "Substanz" des Genommenen zu richten hat, also nach
dem Verkehrswert dieses Rechts (vgl. § 95 Abs. 1, § 194 BauGB). Der Ver-
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kehrswert wird durch den Preis bestimmt, der zum Stichtag im gewöhnlichen
Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Gegenstandes,
jedoch ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse, zu
erzielen wäre.
b) Im Streitfall war danach der Verkehrswert des Rechts, das Wasser
der H.
zum Betrieb einer Mühle anzustauen, zu ermitteln, mithin derje-
nige Wert, der sich aus der Nutzung bzw. aus den naheliegenden - sich nicht
nur als Chancen darstellenden - Nutzungsmöglichkeiten ergab. Zur "Nutzung"
des Anstaurechts gehörte aber (nur) der Gebrauch dieses Rechts, die Abflußverhältnisse zum Betrieb einer Mühle zu regulieren. Nicht gehörten dazu Einkünfte oder Einkunftsmöglichkeiten, die sich für den Inhaber des Rechts nur
daraus ergaben, daß er die Ausübung des Staurechts - gegen Entgelt - unterließ. Derartige Geldzahlungen, die zum Hintergrund hatten, daß die Landwirte
in der Umgebung die Beeinträchtigung der Abflußverhältnisse ihrer Ländereien
durch das Anstauen der H.
vermeiden wollten, gehörten nicht zur
"Substanz" des Staurechts. Es handelte sich um Gegenleistungen aus ganz
besonderen persönlichen Interessen der Betroffenen, also gerade nicht um
solche Gegenleistungen, die "jedermann" für das Staurecht als Vermögenswert
zu zahlen bereit war.
Ausgehend hiervon erweist sich der Standpunkt der Tatsacheninstanzen, als "Nutzung" des alten Staurechts sei der Vermögensvorteil zu bewerten,
den der Rechtsvorgänger der Kläger dadurch erlangt hat, daß ihm für die
Nichtausübung ein Darlehen in Höhe von 120.000 DM zinslos zur Verfügung
gestellt wurde, als nicht richtig. Da andererseits die Kläger sich eine Entschädigung im Sinne eines Ausgleichs für entgangene (positive) Nutzung des Stau-
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gung im Sinne eines Ausgleichs für entgangene (positive) Nutzung des Staurechts selbst nicht ausrechnen (wie sich insbesondere aus dem von ihnen vorgelegten Gutachten ergibt), haben sie jedenfalls keine höhere Entschädigung
zu beanspruchen als den Betrag, der ihnen bereits zugesprochen worden ist.
2.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 544 Abs. 4 Satz 2
ZPO).
Schlick
Wurm
Dörr
Streck
Herrmann