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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 322/04
Verkündet am:
19. Mai 2005
Kiefer
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 654
Die Verwendung unzulässiger Allgemeiner Geschäftsbedingungen (hier: der formularmäßige Ausschluß aller Beratungspflichten seitens eines Versicherungsmaklers)
rechtfertigt im Regelfall - ohne Hinzutreten besonderer Umstände - keine Verwirkung
des Maklerlohnanspruchs.
BGH, Urteil vom 19. Mai 2005 - III ZR 322/04 - LG Karlsruhe
AG Karlsruhe
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. Mai 2005 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter
Streck, Dr. Kapsa, Dörr und Dr. Herrmann
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil der 9. Zivilkammer
des Landgerichts Karlsruhe vom 14. Mai 2004 im Kostenpunkt
und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten erkannt
worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin vermittelte dem Beklagten am 30. Oktober 1999 einen Vertrag über eine fondsgebundene Lebensversicherung bei der in Luxemburg ansässigen A.
S.A. mit einer Beitragssumme von 77.236,08 DM und
einer Vertragslaufzeit von 38 Jahren. Dabei handelte es sich um eine sogenannte Nettopolice, bei der die Versicherungsprämie keinen Provisionsanteil
für die Vermittlung des Vertrags enthält. Statt dessen unterzeichnete der Be-
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klagte eine vorformulierte "Vermittlungsgebührenvereinbarung", in der er sich
zur Zahlung einer Vermittlungsprovision an die Klägerin in Höhe von
6.019,92 DM, zahlbar in 36 Monatsraten zu je 167,22 DM, sowie ab dem vierten Versicherungsjahr von weiteren monatlich 1 % des dann jeweils fälligen
Versicherungsbeitrags während der Laufzeit des Versicherungsvertrags verpflichtete. Im Gegenzug wurde die an den Versicherer zu leistende Prämie
während der ersten drei Jahre von 247,52 DM auf 82,78 DM gesenkt. In der
Vereinbarung heißt es unter anderem:
1. Der Handelsmakler wird vom Kunden beauftragt, ihm die nachfolgend gekennzeichneten Versicherungsverträge zu vermitteln. Er erhält vom Kunden für jeden vermittelten Versicherungsvertrag eine Vermittlungsgebühr. Der Handelsmakler erhält vom jeweiligen Versicherungsunternehmen für die Vermittlung des jeweiligen Versicherungsvertrages keine Vergütung.
2. Die vom Handelsmakler zu erbringende Leistung ist auf die
Vermittlung des jeweiligen Versicherungsvertrages beschränkt.
Eine über die Vermittlung des jeweiligen Versicherungsvertrages hinausgehende Beratungs- oder Betreuungspflicht ist nicht
Gegenstand dieser Vereinbarung und wird vom Handelsmakler
nicht geschuldet.
4. Der Anspruch des Handelsmaklers gegenüber dem Kunden
auf Zahlung der jeweiligen Vermittlungsgebühr in den ersten drei Versicherungsjahren … entsteht mit der Annahme
des jeweiligen Versicherungsantrages durch das Versicherungsunternehmen, sofern der Kunde nicht nach den Bestimmungen des Versicherungsvertragsgesetzes dem jeweiligen Versicherungsvertrag widerspricht oder seinen
Rücktritt vom jeweiligen Versicherungsvertrag erklärt oder
seinen Antrag widerruft. Die Vermittlungsgebührenansprüche des Handelsmaklers … bleiben jedoch von einer Ände-
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rung oder vorzeitigen Beendigung des jeweiligen Versicherungsvertrages aus anderen Gründen unberührt.
Versicherungsbeginn war der 1. Dezember 1999. Der Beklagte zahlte
über einen Treuhänder die Versicherungsprämie und die Maklercourtage bis
zum November 2000. Danach kündigte er den Versicherungsvertrag und stellte
seine Zahlungen ein. Mit der vorliegenden Klage verlangt die Klägerin nach
Fälligstellung des Gesamtbetrags ihre restliche Vermittlungsprovision für die
Zeit von Dezember 2000 bis Mai 2002 in Höhe von 1.779,86 €. Der Beklagte
hat unter anderem eine Kongruenz zwischen der gewollten und der tatsächlich
abgeschlossenen Versicherung bestritten und eine Verwirkung des Provisionsanspruchs in entsprechender Anwendung des § 654 BGB eingewandt.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht hat ihr mit
einer geringfügigen Korrektur der Zinsen und der Mahnkosten stattgegeben.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg.
I.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts steht dem Provisionsanspruch der
Klägerin der im Verhältnis zwischen der Versicherungsgesellschaft und dem
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Makler geltende sogenannte "Schicksalsteilungsgrundsatz" nicht entgegen. Die
vorformulierte Gebührenvereinbarung verstoße auch weder gegen die Bestimmungen des AGB-Gesetzes noch gegen die Vorschriften über das Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers bei Lebensversicherungen nach den § 165
Abs. 1, § 174 Abs. 1 und § 178 VVG i.V.m. § 134 BGB. Ebensowenig weiche
der vermittelte Versicherungsvertrag wesentlich von dem Vertrag ab, der nach
dem Maklervertrag habe herbeigeführt werden sollen. Eine Verwirkung des
Provisionsanspruchs der Klägerin nach § 654 BGB sei gleichfalls nicht gegeben. Der Beklagte habe keine konkreten Tatsachen vorgetragen, die die Annahme einer groben Pflichtverletzung rechtfertigten. Soweit er in diesem Zusammenhang auf Ziffer 2 der Vermittlungsgebührenvereinbarung verweise,
könne daraus für ein pflichtwidriges Verhalten der Klägerin nichts hergeleitet
werden. Die Regelungen in Ziffer 1 und 2 der Vereinbarung benachteiligten
den Versicherungsnehmer nicht unangemessen. Hierdurch werde ihm lediglich
deutlich gemacht, daß der Makler nicht die typischen Pflichten eines Versicherungsmaklers übernehme und die Maklerprovision daher entsprechend den
Regelungen über den Handelsmakler bereits bei der Vermittlung anfiele.
II.
Diese Erwägungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten
stand.
1.
Das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien beurteilt sich im ganzen
nach deutschem Recht, auch soweit es um Auswirkungen des Versicherungsvertrags auf das Vermittlungsverhältnis geht. Denn auch der Versicherungsver-
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trag mit dem in Luxemburg ansässigen Versicherungsunternehmern unterliegt,
da der Beklagte als Versicherungsnehmer bei Vertragsschluß seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte, deutschem Recht (Art. 7 Abs. 2 Nr. 4
Buchst. a und Art. 8 EGVVG).
2.
Amtsgericht und Landgericht sind auf der Grundlage des Parteivorbrin-
gens davon ausgegangen, daß die Klägerin bei der Vermittlung des Versicherungsvertrags mit dem Beklagten nicht als Handelsvertreterin (Versicherungsvertreterin) nach den §§ 84 ff., 92 HGB, sondern als unabhängige Versicherungsmaklerin (§§ 93 ff. HGB) tätig geworden ist. Die Revision greift das nicht
an. Diese Feststellungen sind daher auch für den Senat maßgebend. Rechtsgrundlage der Provisionsansprüche ist somit § 652 BGB.
3.
Zutreffend hat das Berufungsgericht auf dieser Grundlage entschieden,
daß die Regelungen der - im Streitfall gemäß Art. 229 § 5 EGBGB noch anwendbaren - §§ 3 und 9 AGBG (jetzt § 305c Abs. 1, § 307 BGB) einer Verpflichtung des Beklagten zur Fortzahlung der vereinbarten Maklervergütung
trotz Kündigung des Versicherungsvertrags nicht entgegenstehen und daß insbesondere der sogenannte "Schicksalsteilungsgrundsatz" im Verhältnis der
Parteien nicht anwendbar ist. Entsprechendes gilt für den weiteren Einwand
der Revision, die Gebührenvereinbarung verstoße gegen zwingende Regelungen des Versicherungsvertragsgesetzes über das Recht zur Kündigung von
Lebensversicherungen (§ 165 Abs. 1, § 174 Abs. 1 und § 178 VVG) und damit
gegen ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB. Das Berufungsgericht
befindet sich bei dieser Beurteilung im Einklang mit der zwischenzeitlich erfolgten Rechtsprechung des erkennenden Senats (Urteile vom 20. Januar 2005
- III ZR 251/04 - NJW 2005, 1357 = VersR 2005, 406 für BGHZ bestimmt, und
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III ZR 207/04 - VersR 2005, 404). Auf die Gründe dieser Entscheidungen nimmt
der Senat ergänzend Bezug. Entgegen der Revision besteht auch für eine Verletzung des § 138 Abs. 2 BGB kein Anhalt. Der Provisionsanspruch des Maklers ist selbst bei vorzeitiger Kündigung des Versicherungsvertrags zur Beitragssumme für dessen gesamte Laufzeit ins Verhältnis zu setzen, nicht lediglich zu den vom Versicherungsnehmer tatsächlich gezahlten Versicherungsprämien.
4.
Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist ferner die Würdigung des
Berufungsgerichts, zwischen dem von der Klägerin vermittelten Versicherungsvertrag und dem, dessen Abschluß sie im Auftrag des Beklagten habe vermitteln sollen, bestehe die notwendige inhaltliche Kongruenz. Soweit die Revision
in diesem Zusammenhang auf Vortrag des Beklagten verweist, die abgeschlossene fondsgebundene Lebensversicherung sei für die vom Beklagten
gewünschte gesicherte Altersvorsorge ungeeignet, geht es nicht um Fragen
der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit beider Verträge, sondern um den anders
gearteten Vorwurf eines Beratungsverschuldens seitens der Klägerin.
5.
Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht weiter eine Verwirkung
des Provisionsanspruchs entsprechend § 654 BGB verneint. Die Vorschrift
kann nach ständiger Rechtsprechung zwar auch dann anwendbar sein, wenn
der Makler nicht vertragswidrig für den anderen Teil tätig geworden ist, er aber
sonst unter Verletzung wesentlicher Vertragspflichten den Interessen seines
Auftraggebers in erheblicher Weise zuwidergehandelt hat. Die Verwirkung des
Maklerlohnanspruchs hat jedoch Strafcharakter. Nicht jede objektiv erhebliche
Pflichtverletzung des Maklers und damit auch nicht jedes Informations- und
Beratungsverschulden läßt deshalb den Provisionsanspruch nach § 654 BGB
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entfallen, vielmehr ist in erster Linie subjektiv eine schwerwiegende
Treuepflichtverletzung zu fordern; der Makler muß sich seines Lohnes
"unwürdig" erwiesen haben. Das ist nach der Rechtsprechung erst dann der
Fall, wenn er seine Treuepflicht vorsätzlich, wenn nicht gar arglistig,
mindestens aber in einer dem Vorsatz nahekommenden grob leichtfertigen
Weise verletzt hat (BGHZ 36, 323, 326 f.; 92, 184, 185; BGH, Urteil vom
24. Juni 1981 - IVa ZR 225/80 - NJW 1981, 2297; Urteil vom 18. März 1992
- IV ZR 41/91 - NJW-RR 1992, 817, 818; kritisch MünchKomm/Roth, BGB,
4. Aufl., § 654 Rn. 2 f.). Andere Fälle sind unter dem Gesichtspunkt der
positiven Forderungsverletzung zufriedenstellend zu lösen (BGHZ 36, 323,
327).
Nach diesen Maßstäben reicht die vom Beklagten der Klägerin vorgeworfene objektive Sorgfaltspflichtverletzung bei der Empfehlung einer fondsgebundenen Lebensversicherung als - unterstellt - für den Beklagten ungeeignete
Alterssicherung für den Verwirkungstatbestand nicht aus. Auch der Ausschluß
jeglicher Beratungspflichten der Klägerin in Ziffer 2 der von ihr vorformulierten
Vertragsklauseln genügt entgegen der Revision hierfür nicht. Die Bestimmung
widerspricht zwar den insgesamt umfassenden Betreuungspflichten eines Versicherungsmaklers und ist deswegen jedenfalls insoweit, als sie sich auf den
vermittelten Vertrag bezieht, nach § 9 AGBG unwirksam (Senatsurteil vom
20. Januar 2005 - III ZR 251/04 aaO). In der trotzdem von der Klägerin angestrebten Haftungsfreizeichnung mag auch objektiv eine Pflichtverletzung liegen. Sie hat jedoch nicht das für eine Anwendung des Verwirkungsgedankens
erforderliche außergewöhnliche Gewicht. Die Verwendung unzulässiger Allgemeiner Geschäftsbedingungen seitens des Maklers allein kann im Regelfall
- ohne Hinzutreten besonderer Umstände - keine Verwirkung seines Lohnanspruchs rechtfertigen (vgl. Schulz, ZMR 2002, 102, 104; anders OLG Hamm
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NZM 2000, 1073, 1074 = NJW-RR 2001, 567, 578 für die Vereinbarung einer
sogenannten Verweisungsklausel; D. Fischer, NZM 2001, 873, 881; Schwerdtner, Maklerrecht, 4. Aufl., Rn. 733). Auf das in NJW-RR 2000, 476 abgedruckte
Urteil des Landgerichts Saarbrücken kann sich die Revision für ihren gegenteiligen Rechtsstandpunkt ebensowenig berufen. Unabhängig von der Frage, inwieweit der Entscheidung gefolgt werden könnte, ging es dort zugleich um ein
den Kunden und Versicherungsnehmer benachteiligendes Treuhandverhältnis
mit einem der Versicherung verbundenen Dritten und damit um einen hier nicht
festgestellten, wesentlich anders gelagerten Sachverhalt. Die (teilweise) Verlagerung des Stornorisikos auf den Kunden schließlich, auf die das LG Offenburg (VersR 2005, 646, 647) zusätzlich verweist, beruht auf einer zulässigen,
wenn auch von der bisherigen Praxis abweichenden Rechtsgestaltung und
stellt deshalb schon keine Vertragsverletzung des Maklers dar.
6.
Das vom Beklagten unter Beweis gestellte Vorbringen über die man-
gelnde Eignung der von der Klägerin vermittelten fondsgebundenen Lebensversicherung für eine gesicherte Altersversorgung, von dessen Richtigkeit
mangels abweichender Feststellungen des Berufungsgerichts für die Revisionsinstanz auszugehen ist, könnte indes den Vorwurf einer schuldhaften Verletzung des Maklervertrags und damit eine Schadensersatzpflicht der Klägerin
begründen. Unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt hat das Berufungsgericht
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den Sachvortrag der Parteien nicht geprüft. Der Senat kann dies nicht nachholen. Daher ist die Sache unter Aufhebung des Berufungsurteils zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Schlick
Streck
Dörr
Kapsa
Herrmann