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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
III ZR 315/07
vom
11. November 2008
in dem Rechtsstreit
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. November 2008 durch
den Vorsitzenden Richter Schlick, die Richter Dörr, Dr. Herrmann, Wöstmann
und die Richterin Harsdorf-Gebhardt
beschlossen:
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 5. November 2007 - 1 U 222/07 - wird zurückgewiesen.
Von den Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens und den außergerichtlichen Kosten des Beklagten haben der Kläger zu 1
13,45 %, der Kläger zu 2 11,40 %, der Kläger zu 3 22,99 % und
der Kläger zu 4 52,16 % zu tragen.
Der Beschwerdewert wird auf 56.976,01 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Kläger beteiligten sich - jeder für sich, aber teilweise zusammen mit
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ihren Ehepartnern - unter Vermittlung der T.
W.
GmbH in
zwischen Oktober 2001 und Oktober 2003 an einem von der P.
GmbH (im Folgenden: P. GmbH) aufgelegten P.
Managed
Account. Bei dieser Anlage wurden Gelder von Anlegern gesammelt, um auf
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deren gemeinsame Rechnung Handel mit Termingeschäften zu betreiben. Im
Jahr 2005 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der P. GmbH eröffnet. Der seit 1990 für diese Gesellschaft, später als deren Mitgeschäftsführer
tätige M.
wurde im Jahr 2006 wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfäl-
schung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und vier Monaten verurteilt.
Der Beklagte, ein Wirtschaftsprüfer, prüfte im Auftrag der Gesellschaft seit 1997
deren Jahres- und Konzernabschlüsse nach §§ 316 ff HGB sowie die Einhaltung der Meldepflichten und Verhaltensregeln nach § 36 WpHG und erteilte, da
seine Prüfungen zu keinen Beanstandungen führten, Bestätigungsvermerke.
Dass M.
Fälschungen vorgenommen hatte, die sich auf ein in Wirklichkeit
nicht bestehendes Konto bei einer Brokergesellschaft bezogen, bemerkte der
Beklagte bei seinen Prüfungen nicht.
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Die Kläger nehmen den Beklagten wegen des Verlustes ihrer eingezahlten Beträge auf Schadensersatz in Anspruch, weil sich der Beklagte in einem
Telefongespräch mit der Vermittlerin im Oktober 2000 positiv über die Seriosität
der P. GmbH geäußert und angeboten habe, Prüfberichte und Testate zum
Zwecke der Weiterleitung an ihre Kunden zu übermitteln. In den Beratungsgesprächen habe die Vermittlerin hierauf Bezug genommen und - soweit vorhanden - Prüfberichte des Beklagten vorgelegt, die Grundlage für die Anlageentscheidung der Kläger geworden seien.
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In den Vorinstanzen hatte die Klage keinen Erfolg. Mit ihrer Beschwerde
erstreben die Kläger die Zulassung der Revision.
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II.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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Die Beantwortung der von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen erfordert die
Eröffnung eines Revisionsverfahrens nicht (§ 543 Abs. 2 ZPO). Das Berufungsgericht hat richtig entschieden.
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1.
In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, unter welchen näheren
Voraussetzungen die Haftung eines Wirtschaftsprüfers, der mit der Pflichtprüfung einer Gesellschaft nach §§ 316 ff HGB betraut ist, Dritten gegenüber in
Betracht kommt (vgl. BGHZ 138, 257; 167, 155). Danach gilt grundsätzlich,
dass der Abschlussprüfer für Fehler nach § 323 Abs. 1 Satz 3 HGB nur der Gesellschaft und, wenn ein verbundenes Unternehmen geschädigt worden ist,
auch diesem gegenüber, nicht jedoch den Anteilseignern und sonstigen Gläubigern der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet ist (vgl. BGHZ 138, 257, 259 f). Die Bestimmung des § 323 HGB schließt
zwar nicht von Rechts wegen aus, dass für den Abschlussprüfer auf vertraglicher Grundlage auch eine Schutzpflicht gegenüber dritten Personen begründet
werden kann (BGHZ aaO S. 260 f). An die Annahme einer vertraglichen Einbeziehung eines Dritten in den Schutzbereich sind jedoch strenge Anforderungen
zu stellen (BGHZ 167, 155, 162 ff Rn. 13). Da Bestätigungsvermerken nach
§ 325 Abs. 1 HGB ohnehin die Bedeutung zukommt, Dritten Einblick in die wirtschaftliche Situation des publizitätspflichtigen Unternehmens zu gewähren und
ihnen für ihr beabsichtigtes Engagement eine Beurteilungsgrundlage zu geben,
dies den Gesetzgeber aber nicht veranlasst hat, die Verantwortlichkeit des Abschlussprüfers ebenso weit zu ziehen, genügt es für die Annahme einer
Schutzwirkung in dem hier betroffenen Bereich allein nicht, dass ein Dritter die
von Sachkunde geprägte Stellungnahme des Prüfers für diesen erkennbar zur
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Grundlage einer Entscheidung mit wirtschaftlichen Folgen machen möchte. Der
Senat hat daher namentlich Bedenken gegen eine stillschweigende Ausdehnung der Haftung auf Dritte geäußert und es hierfür grundsätzlich für erforderlich gehalten, dass dem Abschlussprüfer deutlich wird, dass von ihm im Drittinteresse eine besondere Leistung erwartet wird, die über die Erbringung der gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtprüfung hinausgeht (vgl. BGHZ 167, 155, 166
Rn. 15).
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2.
Gemessen an diesen Grundsätzen ist es nicht zu beanstanden, dass das
Berufungsgericht eine vertragliche Haftung des Beklagten verneint hat.
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a) Unmittelbare vertragliche Beziehungen bestanden zwischen den Parteien nicht, auch nicht auf der Grundlage eines Auskunftsvertrags. Die Beschwerde beanstandet auch nicht die Feststellung des Berufungsgerichts, dass
sich aus dem Prüfvertrag der P. GmbH mit dem Beklagten keine Schutzwirkungen zugunsten der beitretenden Anleger ergaben.
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b) Die Beschwerde möchte den telefonischen Kontakten der Vermittlerin
mit dem Beklagten im Oktober 2000 entnehmen, dass insoweit ein Auskunftsvertrag zustande gekommen sei, in den alle - auch künftige - Kunden der Vermittlerin einbezogen worden seien. Insoweit hält sie die Zulassung der Revision
zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und zur Rechtsfortbildung für
erforderlich.
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Es ist schon zweifelhaft, was die Beschwerde aber ohne weiteres unterstellt, ob dem Telefongespräch von Oktober 2000 ein Auskunftsvertrag zwischen der Vermittlerin und dem Beklagten entnommen werden kann. Das Berufungsgericht hat dies nach dem Verständnis des Senats nicht etwa bejaht, son-
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dern ist sofort auf die Frage eingegangen, ob sich aus diesem Gespräch
Schutzwirkungen für die Kunden der Vermittlerin ergeben konnten. Dies hat es
auf der Grundlage seiner nachvollziehbaren Würdigung, die Vermittlerin habe
nicht nur an die Einbeziehung von etwa 100 bis 200 Kunden aus dem vorhandenen Kundenkreis, sondern von weiteren neuen Kunden gedacht, rechtsfehlerfrei verneint. Die Beschwerde macht zwar unter Bezugnahme auf die Urteile
des X. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 13. November 1997 (X ZR
144/94 - NJW 1998, 1059, 1062) und vom 20. April 2004 (X ZR 250/02 - BGHZ
159, 1, 10) geltend, die Einbeziehung setze nicht voraus, dass die Zahl und
Namen der zu schützenden Dritten von vornherein feststünden und dass der
Schuldner sie kenne. Die Fallgestaltungen, die jenen Entscheidungen zugrunde
lagen, sind indes nicht vergleichbar. In der Sache X ZR 144/94 ging es um die
Einbeziehung eines (unbekannten) Bürgen, ohne dass damit eine Vervielfältigung des Risikos verbunden war, während in der Sache X ZR 250/02 der Wert
des als Sicherheit vorgesehenen Grundstücks das Risiko des als Gutachter
herangezogenen Sachverständigen begrenzte.
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Demgegenüber ist für die hier vorliegende Fallkonstellation maßgeblich,
dass eine Dritthaftung des Pflichtprüfers nur unter strengen Voraussetzungen
angenommen werden kann (siehe oben 1). Das ist auch bei der Prüfung der
Frage von Bedeutung, ob im Rahmen eines Auskunftsvertrags von einem
Pflichtprüfer, der wenig mehr bestätigt, als dass er eine Prüfung vorgenommen
und dass diese - bezogen auf einen bestimmten Zeitpunkt - keine Beanstandungen ergeben hat, billigerweise erwartet werden kann, er wolle gegenüber
einer Vielzahl ihm nicht bekannter Kunden einer Vermittlerin für die Seriosität
des geprüften Unternehmens eintreten (vgl. Senatsurteil vom 15. Dezember
2005 - III ZR 424/04 - NJW-RR 2006, 611, 612 Rn. 12). Es wäre ein Verstoß
gegen die gesetzliche Wertung des § 323 Abs. 1 Satz 3 HGB, wenn man unter
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den hier gegebenen Umständen annehmen wollte, der Pflichtprüfer übernehme
ohne besonderen Anlass und ohne Gegenleistung - gewissermaßen in doppelter Hinsicht konkludent - sowohl die Begründung als auch die mögliche Vervielfältigung seiner Haftung.
Unter diesen Umständen ist auch kein Raum für die Überlegung der Be-
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schwerde, es komme ferner ein Schadensersatzanspruch des Beklagten aus
Verschulden bei Vertragsschluss in Betracht.
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3.
Soweit es um eine mögliche deliktische Verantwortlichkeit des Beklagten
geht, hat das Berufungsgericht zwar erwogen, dem Beklagten könne bei seinen
Prüfungen grobe Leichtfertigkeit zur Last gefallen sein und er möge eine Schädigung von Anlegern billigend in Kauf genommen haben. § 826 BGB setze Sittenwidrigkeit aber gerade im Verhältnis zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten voraus. Die Kläger behaupteten nicht, dass sie zu dem Personenkreis gehörten, der auf die nach Publizitätsvorschriften offen gelegten Bestätigungsvermerke vertraut habe.
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Ob dies in Einklang damit steht, dass den Klägern nach ihrem Vortrag
über die Vermittlerin Kopien von verschiedenen Bestätigungsvermerken vorgelegt worden sein sollen, mag auf sich beruhen. Denn die angefochtene Entscheidung wird von der tatrichterlichen Erwägung getragen, die Kläger hätten
nicht bewiesen, dass der Beklagte das Bewusstsein gehabt habe, seine künftigen, nach Oktober 2000 zu erstellenden Prüfberichte und Testate würden - entgegen den Vereinbarungen mit der P. GmbH - als Argumentationshilfe bei Verhandlungen mit Anlageinteressenten eingesetzt.
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4.
Auch die weiter erhobenen Rügen der Beschwerde erfordern eine Zulas-
sung der Revision nicht. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544
Abs. 4 Satz 2 ZPO abgesehen.
Schlick
Dörr
Wöstmann
Herrmann
Harsdorf-Gebhardt
Vorinstanzen:
LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 24.08.2007 - 2/25 O 230/06 OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 05.11.2007 - 1 U 222/07 -