You can not select more than 25 topics Topics must start with a letter or number, can include dashes ('-') and can be up to 35 characters long.
 
 

377 lines
24 KiB

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 235/00
Verkündet am:
5. Juli 2001
Fitterer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
------------------------------------
VermG § 11 Abs. 1, § 11 a Abs. 3, § 15 Abs. 1; BGB § 670
Zum Kostenerstattungsanspruch des staatlichen Verwalters eines Hausgrundstücks gegen den (damaligen) Eigentümer, der die nach dem Ende
der staatlichen Verwaltung zurückgewonnene Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Grundstück wieder verliert, weil dem Restitutionsantrag eines NS-geschädigten Voreigentümers stattgegeben wird.
BGH, Urteil vom 5. Juli 2001 - III ZR 235/00 - KG Berlin
LG Berlin
- 2 -
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. Juli 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter
Dr. Wurm, Streck, Schlick und Dörr
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Grund- und Teilurteil des
22. Zivilsenats des Kammergerichts vom 20. Juli 2000 aufgehoben, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten
Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Durch Verwaltungsauftrag des Magistrats von Groß-Berlin vom 2. Februar 1953 wurde das im Eigentum von E. M. stehende, mit einem Mietshaus
bebaute Grundstück M.-Straße in Berlin-P. gemäß § 2 der Verordnung zur Sicherung von Vermögenswerten vom 4. September 1952 (VOBl. I S. 445) unter
staatliche Verwaltung gestellt. Nach Beendigung der staatlichen Verwaltung mit
Ablauf des 31. Dezember 1992 gab die klagende Wohnungsbaugesellschaft
- 3 -
das Grundstück mit Wirkung vom 1. Januar 1993 an die Beklagte heraus, die
mittlerweile im Wege der Erbfolge Grundstückseigentümerin geworden war.
E. M. hatte das Grundstück 1938 von E. S. erworben, die es ihrerseits
1934 von einem jüdischen Voreigentümer gekauft hatte. Mit Schreiben vom
8. April 1992 hatte die Streithelferin der Beklagten die Rückübertragung der
Eigentumsrechte an dem Grundstück beantragt. Mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 7. Oktober 1997 übertrug das zuständige Amt zur Regelung
offener Vermögensfragen das Grundstückseigentum an die Streithelferin der
Beklagten. Zur Begründung führte das Amt aus, daß gemäß § 1 Abs. 6 des
Vermögensgesetzes die Veräußerung des Grundstücks durch den jüdischen
Voreigentümer im Jahre 1934 als verfolgungsbedingter Vermögensverlust zu
vermuten sei.
Die Klägerin vereinnahmte bis zum Ende der staatlichen Verwaltung die
Mieten und bestritt die Betriebs-, Verwaltungs- und sonstigen Kosten. Die von
ihr für den Zeitraum vom 1. Juli 1990 bis zum 31. Dezember 1992 erstellten
Abrechnungen ergaben unter Einschluß eines aus den vorangegangenen
Wirtschaftsjahren bis zum 30. Juni 1990 entstandenen Negativsaldos von
34,88 DM einen Fehlbetrag von 464.941,77 DM. Die Klägerin verlangt von der
Beklagten Zahlung dieses Betrags nebst Zinsen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Kammergericht das angefochtene Urteil im wesentlichen dahin abgeändert, daß der Klageanspruch dem Grunde nach gerechtfertigt sei. Nur hinsichtlich des Fehlbetrags aus der Zeit vor dem 1. Juli 1990 hat es die Berufung
- 4 -
zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe
Die - als einheitliches Rechtsmittel zu behandelnde (BGH, Beschluß
vom 1. Juli 1993 - V ZR 235/92 - NJW 1993, 2944; Urteil vom 26. März 1982 V ZR 87/81 - NJW 1982, 2069) - Revision der Beklagten und ihrer Streithelferin
hat Erfolg.
1.
Nach der Rechtsprechung des Senats hat das Institut der staatlichen
Verwaltung, das in der früheren DDR neben den Enteignungen und sonstigen
zu Eigentumsverlusten führenden Maßnahmen planmäßig als Mittel der "wirtschaftlichen Enteignung" eingesetzt wurde, ab dem 1. Juli 1990 einen in den
Bestimmungen des Vermögensgesetzes sinnfällig zum Ausdruck gekommenen
Funktionswandel dahin erfahren, daß dem staatlichen Verwalter im Verhältnis
zum Eigentümer eine echte Treuhänderstellung zugewiesen worden ist. Diese
Treuhänderstellung rechtfertigt es, ungeachtet der öffentlich-rechtlichen Natur
des Rechtsinstituts der staatlichen Verwaltung dem staatlichen Verwalter einen
allgemeinen Kostenerstattungsanspruch nach § 670 BGB (entsprechend) für
nach dem 1. Juli 1990 gemachte Aufwendungen zuzubilligen (Senatsurteile
BGHZ 137, 183, 188 ff; BGHZ 140, 355, 356, 363 f). Dieser Anspruch umfaßt
auch pauschalierte Verwaltungskosten nach Maßgabe der Höchstbeträge des
§ 26 der Zweiten Berechnungsverordnung in der jeweils geltenden Fassung
(BGHZ 140, 355, 358 ff).
- 5 -
Demgegenüber verwehrt das Vermögensgesetz in den Fällen, in denen
die Schädigungsmaßnahme zum vollständigen Verlust des Eigentums geführt
hat und die Korrektur des Teilungs- bzw. Diskriminierungsunrechts durch eine
Rückübertragung des Vermögenswerts vorzunehmen ist, dem Verfügungsberechtigten einen "allgemeinen" Erstattungsanspruch für Aufwendungen, die er
vor der Rückübertragung auf den der Restitution unterliegenden Vermögensgegenstand gemacht hat. § 3 Abs. 3 Satz 4 VermG gewährt dem Verfügungsberechtigten lediglich einen Kostenerstattungsanspruch für Instandsetzungsmaßnahmen, die den Vermieter zu einer Erhöhung der Miete berechtigen, soweit diese Kosten nicht bereits durch eine Mieterhöhung ausgeglichen worden
sind. Wenn auch diese an Satz 3 des Absatzes 3 anschließende Bestimmung
nach der Rechtsprechung des Senats auf die in § 3 Abs. 3 Satz 2 und 5 VermG
geregelten Tatbestände anwendbar ist, so ändert dies doch nichts daran, daß
der Verfügungsberechtigte die Betriebs- und gewöhnlichen Erhaltungskosten
selbst zu tragen hat (vgl. Senatsurteile BGHZ 136, 57, 62 ff; 137, 183, 186 ff
und vom 17. Mai 2001 - III ZR 283/00 - zur Veröffentlichung bestimmt). Diese
Kosten kann der Verfügungsberechtigte nur dann im Aufrechnungswege geltend machen, wenn und soweit der Berechtigte nach § 7 Abs. 7 Satz 2 VermG
Herausgabe der dem Verfügungsberechtigten ab dem 1. Juli 1994 aus einem
Miet-, Pacht- oder sonstigen Nutzungsverhältnis zustehenden Entgelte verlangt.
2.
Vorliegend bestand zwischen den Parteien bis zum Ablauf des 31. De-
zember 1992 (vgl. § 11 a Abs. 1 Satz 1 VermG) ein "Verwalterverhältnis". Daneben wurde spätestens ab Stellung des Restitutionsantrags durch die Streithelferin der Beklagten mit Schreiben vom 8. April 1992 ein "Restitutionsver-
- 6 -
hältnis" begründet, an dem zum einen die Streithelferin der Beklagten als Berechtigte und zum anderen - jedenfalls ab dem 1. Januar 1993 - die Beklagte
und - jedenfalls bis zum Ablauf des 31. Dezember 1992 - die Klägerin als Verfügungsberechtigte beteiligt waren. Demzufolge war die Klägerin bis zum Ende
der staatlichen Verwaltung in einen doppelten Pflichtenkreis eingebunden:
Gegenüber der Beklagten, für die sie die Sicherung und ordnungsgemäße
Verwaltung des Vermögenswerts wahrzunehmen hatte (§ 15 Abs. 1 Satz 2
VermG), war sie der Unterlassungsverpflichtung nach § 15 Abs. 2 VermG unterworfen, gegenüber deren Streithelferin der Unterlassungsverpflichtung aus
§ 3 Abs. 3 Satz 1 VermG (Senatsurteil BGHZ 137, 183, 191).
Daraus ist nach Auffassung des Berufungsgerichts zu schließen, daß
dem früheren staatlichen Verwalter auch die "doppelten" Rechte zustehen: Für
die von ihm während der staatlichen Verwaltung getätigten Aufwendungen
könne er, wenn und soweit die besonderen gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, nach § 3 Abs. 3 Satz 4 VermG vom Restitutionsberechtigten Kostenerstattung verlangen, während er gegenüber dem früheren Eigentümer den ungeschmälerten "allgemeinen" Kostenerstattungsanspruch nach § 670 BGB entsprechend habe. Der Umstand, daß der frühere Eigentümer die gerade erst mit
Ablauf der staatlichen Verwaltung zurückgewonnenen vollen Verwaltungs- und
Verfügungsbefugnisse über den betreffenden Vermögenswert mit Bestandskraft des Rückgabebescheids wieder - und zwar endgültig - verloren hat, ist
nach Meinung des Berufungsgerichts nur im Rahmen des zwischen diesen
beiden Berechtigten vorzunehmenden Gesamtschuldnerausgleichs nach § 426
BGB zu berücksichtigen. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
- 7 -
3.
Zwar endete die staatliche Verwaltung spätestens mit Ablauf des
31. Dezember 1992 (§ 11 a Abs. 1 Satz 1 VermG), so daß vom jeweiligen Eigentümer im Regelfalle Verwaltungsdefizite über lediglich einen Zeitraum von
2½ Jahren auszugleichen sind. Gleichwohl konnten angesichts der niedrigen,
nicht sofort auf das in den westlichen Bundesländern bestehende Niveau anhebbaren DDR-Mieten einerseits und des vielfach weit überdurchschnittlichen
Umfangs an Erhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen, die angesichts des
schlechten baulichen Zustands der der staatlichen Wohnraumbewirtschaftung
unterliegenden Gebäude gerade in den ersten Jahren nach Herstellung der
Wirtschafts- und Währungsunion und der deutschen Einheit ergriffen werden
mußten, andererseits Fehlbeträge in beträchtlicher Höhe entstehen. Wie dem
Senat aus vielen bei ihm anhängig gemachten Verfahren bekannt ist, sind
Verwaltungsdefizite - wie hier - in Höhe von mehreren 100.000 DM keine Seltenheit. Die Verwertung dieser gerichtsbekannten Fakten (§ 291 ZPO) ist dem
Senat, nach entsprechendem Hinweis in der mündlichen Verhandlung, auch
als Revisionsgericht nicht verwehrt (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 2000
- II ZR 218/00 - NJW 2001, 1270, 1272 m.N.).
Die Belastung des Eigentümers mit diesen Kosten ist nicht unbillig, da er
im allgemeinen bei Rückgabe des Grundstücks eine deutlich bessere Ertragslage vorgefunden hat und zudem nicht ernsthaft zu befürchten ist, daß die zu
erstattenden Kosten eine Höhe erreichen, die die Bewirtschaftung des Grundstücks auf Dauer unrentabel machen oder gar den Wert des Grundstücks
übersteigen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß es der Gesetzgeber - anders als
in den Restitutionsfällen - auch in der Hand gehabt hätte, die staatliche Verwaltung mit Inkrafttreten des Vermögensgesetzes übergangslos aufzuheben
und den Vermögenswert sofort dem Eigentümer oder einem zu bestellenden
- 8 -
gesetzlichen Vertreter desselben (vgl. § 11 b VermG) mit der Folge zurückzugeben, daß diese im Interesse der ordnungsgemäßen Verwaltung des Vermögenswerts erforderlichen (vgl. § 15 Abs. 1 VermG) Aufwendungen der Eigentümer oder sein Vertreter hätten tätigen müssen.
Diese Bewertung der Interessenlage trifft aber nur für den den gesetzlichen Bestimmungen des Vermögensgesetzes zugrundeliegenden Normalfall
zu, daß die mit dem Ende der staatlichen Verwaltung einhergehende Wiederherstellung der Verfügungs- und Verwaltungsbefugnisse des Eigentümers auf
Dauer angelegt ist, also das Grundstückseigentum nur entweder aufgrund eigener Dispositionen des Vermögensinhabers (Verkauf, Schenkung etc.) oder
deshalb verloren geht, weil sich allgemeine Risiken (wirtschaftliche Schwierigkeiten, Insolvenz etc.) verwirklichen, denen jede am Wirtschaftsleben teilnehmende Person ausgesetzt ist.
Verliert aber - wie hier - der von der Anordnung der staatlichen Verwaltung betroffene Berechtigte sein Eigentum deshalb wieder, weil sich ein anderer, ebenfalls von Teilungs- und Diskriminierungsunrecht Betroffener nach den
Bestimmungen dieses Gesetzes als der noch besser Berechtigte erweist, so
stellt sich die wirtschaftliche Lage des Eigentümers in einem völlig anderen
Licht dar: Infolge des durchgreifenden Restitutionsantrags konnte er das
Grundstück nur zeitweise nutzen. Aufgrund dessen bestand keine realistische
Chance, ein in der Zeit der staatlichen Verwaltung aufgelaufenes Verwaltungsdefizit, das auch nur annähernd den vorliegend geltend gemachten Betrag
ausmacht, aus den ihm zufließenden Einnahmen des Grundstücks zu bestreiten. Dies gilt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht nur dann,
wenn der Restitutionsbescheid kurze Zeit nach Ablauf des 31. Dezember 1992
- 9 -
bestandskräftig wird, sondern auch dann, wenn - wie hier - der Eigentumsverlust erst nach mehreren (fast fünf) Jahren eintritt. Denn bei der rechtlichen Beurteilung darf, worauf die Revision zu Recht hinweist, nicht unberücksichtigt
bleiben, daß der Restitutionsberechtigte nach § 7 Abs. 7 Satz 2 VermG die
Möglichkeit hat, die vom Eigentümer ab dem 1. Juli 1994 aus einem Miet-,
Pacht- oder sonstigen Nutzungsverhältnis vereinnahmten Entgelte herauszuverlangen. Den Eigentümer hinsichtlich der ihm vom staatlichen Verwalter in
Rechnung gestellten Beträge auf die Auseinandersetzung im Innenverhältnis
mit dem Restitutionsgläubiger zu verweisen, wie das Berufungsgericht dies tut,
stellt schon deshalb keine ausreichende Kompensationsmöglichkeit dar, weil in
den Restitutionsfällen der Berechtigte einem "allgemeinen" Erstattungsanspruch des Verfügungsberechtigten nicht ausgesetzt ist (Senatsurteil BGHZ
137, 183, 187 f). Diese vom Vermögensgesetz gewollte Besserstellung des
Restitutionsgläubigers ist auch dann zu beachten, wenn neben dem "Restitutionsverhältnis" noch ein "Verwalterverhältnis" besteht (Senatsurteil aaO
S. 192), und setzt daher auch einem etwaigen Gesamtschuldnerausgleich
Grenzen. Darüber hinaus ist es, wie die Revision zutreffend geltend macht,
dem Eigentümer nicht zuzumuten, unter Umständen langwierige Auseinandersetzungen mit dem Restitutionsgläubiger führen zu müssen und insoweit auch
das Insolvenzrisiko zu tragen.
Diese Ausführungen machen deutlich, daß bei einer Konstellation wie
der vorliegenden aufgrund der vom Berufungsgericht für richtig gehaltenen Lösung in der Person des durch die Anordnung der staatlichen Verwaltung geschädigten Eigentümers nicht nur das Ziel des Vermögensgesetzes, das geschehene Teilungs- und Diskriminierungsunrecht nachhaltig wiedergutzumachen, verfehlt würde; vielmehr würde dieser Eigentümer in einer nicht zu ver-
- 10 -
nachlässigenden Zahl von Fällen aufgrund von im Vermögensgesetz selbst
angelegter, dem Eigentümer nicht zurechenbarer und von ihm nicht beherrschbarer
Umstände
(Vorhandensein
eines
weiteren
[Restitutions-
]Berechtigten) im Ergebnis schlechter gestellt als er stehen würde, wenn es bei
der "wirtschaftlichen Enteignung" geblieben und der Gesetzgeber von einer
Korrektur des Teilungsunrechts Abstand genommen hätte. Dieses Ergebnis
stünde in klarem Widerspruch zum Sinn und Zweck des Gesetzes.
a) Dieses sinnwidrige Ergebnis hätte aufgrund der ursprünglichen Konzeption des Vermögensgesetzes nicht eintreten können:
Unbeschadet des Umstands, daß sich die nach § 11 a Abs. 3 Satz 1
VermG normierten Verwalterpflichten nicht nur auf den Zeitraum zwischen der
Beendigung der staatlichen Verwaltung und der Rückgabe des Vermögenswerts erstrecken, sind die auftragsrechtlichen Bestimmungen der § 666 ff BGB
nur dann anwendbar, wenn es zur "Abwicklung" des Verwalterverhältnisses
kommt (vgl. BGHZ 140, 355, 362; 144, 271, 274 ff).
Nach der ursprünglichen Fassung des Vermögensgesetzes war die Aufhebung der staatlichen Verwaltung nur auf Antrag des Berechtigten durch Verwaltungsakt der zuständigen Behörde möglich. Diesem stand nach § 11 Abs. 1
Satz 1 VermG ein öffentlich-rechtlicher Aufhebungsanspruch zu. Im Aufhebungsverfahren hatte die Behörde den staatlichen Verwalter und Dritte, deren
rechtliche Interessen durch den Ausgang des Verfahrens berührt werden können, zu informieren und zu dem weiteren Verfahren hinzuzuziehen (§ 31 Abs. 2
VermG), die im Falle einer nachteiligen Entscheidung Widerspruch einlegen
- 11 -
und gegebenenfalls Antrag auf gerichtliche Nachprüfung stellen konnten
(§§ 36, 37 VermG; BGHZ 140, 355, 361).
Daraus folgt, daß die Behörde, wenn diese Bestimmung maßgeblich geblieben wäre, im Aufhebungsverfahren zu prüfen gehabt hätte, ob der von der
Streithelferin der Beklagten gestellte Restitutionsantrag begründet war. Bejahendenfalls hätte entsprechend dem in § 3 Abs. 2 VermG verankerten Prioritätsgrundsatz nur der Restitutionsantrag Erfolg haben können. Dem steht nicht
entgegen, daß diese Regelung aufgrund ihrer - freilich unsystematischen, weil
es der Sache nach um eine Ergänzung des § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG geht
(vgl. Redeker/Hirtschulz/Tank, in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, § 3 [Stand August 1997] Rn. 173) - Stellung im Gesetz nur das
Konkurrenzverhältnis mehrerer Restitutionsgläubiger betrifft (Redeker/Hirtschulz/Tank aaO Rn. 174). Da nämlich die aus dem Eigentum sowie aus den in
bezug auf den betreffenden Vermögenswert bestehenden Rechtsverhältnissen
sich ergebenden Rechte und Pflichten nur entweder durch denjenigen, der die
Rückübertragung beantragt hat, oder durch denjenigen, der die Aufhebung der
staatlichen Verwaltung begehrt, wahrgenommen werden können, nicht aber
durch beide gleichzeitig, wäre die "Prioritätsfrage" auch in dieser "Konkurrenzsituation" zu beantworten gewesen.
Wenn es aber wegen des Vorrangs des nach § 1 Abs. 6 VermG Restitutionsberechtigten zu einer "Abwicklung" der staatlichen Verwaltung gar nicht
gekommen wäre, so hätte sich auch die Frage einer Kostenerstattungspflicht
desjenigen, der durch die Anordnung der staatlichen Verwaltung beeinträchtigt
worden war, von vornherein nicht gestellt.
- 12 -
b) Dadurch, daß im Interesse der Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung mit der Einfügung der §§ 11 a bis 11 c VermG durch das Zweite
Vermögensrechtsänderungsgesetz vom 14. Juli 1992 (BGBl. I S. 1257) die
noch bestehenden Verwalterverhältnisse mit Ablauf des 31. Dezember 1992
von Gesetzes wegen beendet wurden, konnte eine abschließende Klärung der
Eigentumsfrage an dem betreffenden Vermögenswert im Aufhebungsverfahren
nicht mehr erreicht werden. Vielmehr war diese Frage in dem anhängig bleibenden Restitutionsverfahren zu beantworten, wobei der Eigentümer und - wie
sich später herausstellt, nur - "Zwischen-Berechtigte" anstelle des Verwalters in
die (alleinige) Position des Verfügungsberechtigten einrückte. Dabei hat der
Gesetzgeber die sich für den Eigentümer daraus ergebenden Gefahren und
Risiken, daß sich die durch die Beendigung der staatlichen Verwaltung mit
Ablauf des 31. Dezember 1992 wiedererlangte "vollwertige" Eigentümerstellung
je nach Ausgang des Restitutionsverfahrens als nur vorläufig und daher wirtschaftlich weitgehend wertlos erweisen könnte, nicht bedacht. Dem ist dadurch
Rechnung zu tragen, daß der Eigentümer, der das Grundstück später aufgrund
eines positiv verbeschiedenen Restitutionsantrags wieder verliert, dem staatlichen Verwalter jedenfalls nicht mehr Kosten nach § 670 BGB entsprechend zu
erstatten hat als der Wert der Gebrauchsvorteile ausmacht, die dem Eigentümer im Zeitraum der Grundstücksnutzungsmöglichkeit vom Ende der staatlichen Verwaltung bzw. der Herausgabe des Grundstücks bis zur Bestandskraft
des Rückgabebescheids zugeflossen sind und ihm auch im Verhältnis zum Restitutionsberechtigten verbleiben (vgl. § 7 Abs. 7 Satz 2 VermG). Abzuziehen
sind die vom Eigentümer in diesem Zeitraum auf das Grundstück gemachten
eigenen Aufwendungen. Dabei haben allerdings nach der dem § 3 Abs. 3
VermG zugrundeliegenden Interessenbewertung und Risikoverteilung solche
Aufwendungen außer Betracht zu bleiben, die der Eigentümer unter Verletzung
- 13 -
der auch ihm gegenüber dem Restitutionsberechtigten obliegenden Unterlassungspflicht getätigt hat (vgl. BGHZ 126, 1, 4 ff) oder derentwegen ihm ein eigener Aufwendungsersatzanspruch gegen den Restitutionsberechtigten nach
§ 3 Abs. 3 Satz 4 VermG zusteht.
c) Diese Lösung benachteiligt den staatlichen Verwalter nicht unbillig.
Die für ihn hiermit verbundenen Nachteile und Schwierigkeiten sind angesichts
der überwiegenden schützenswerten Eigentümerinteressen hinzunehmen.
aa) Da Rückübertragungsansprüche für Grundstücke nach dem 31. Dezember 1992 nicht mehr angemeldet werden können (§ 30 a Abs. 1 Satz 1
VermG), hatte der Verwalter regelmäßig vor dem Ende der staatlichen Verwaltung von der Stellung eines Restitutionsantrags Kenntnis erlangt und konnte
sein Verhalten danach ausrichten. Insbesondere konnte er sich mit dem Eigentümer dahin verständigen (pactum de non petendo), daß vor Abschluß des Restitutionsverfahrens Kostenerstattungsansprüche nicht geltend gemacht werden. Allerdings ist zuzugeben, daß angesichts der zu diesem Zeitpunkt noch
völlig ungeklärten Rechtslage ein dahingehendes Einvernehmen nicht ohne
weiteres zu erzielen war und sich der staatliche Verwalter daher möglicherweise doch gezwungen sah, noch vor Abschluß des Restitutionsverfahrens rechtzeitig (vor Ablauf des 31. Dezember 1995) gegen den Eigentümer Klage zu
erheben, um die Verjährung seiner Kostenerstattungsansprüche zu verhindern
(vgl. BGHZ 140, 355, 362).
bb) Wenn und soweit gegen den Restitutionsgläubiger Aufwendungsersatzansprüche nach § 3 Abs. 3 Satz 4 VermG bestehen sollten, können diese
selbstverständlich immer noch geltend gemacht werden, da der staatliche Ver-
- 14 -
walter zu dem Zeitpunkt, zu dem er die Aufwendungen gemacht hat, auch im
Verhältnis zum Restitutionsgläubiger der Verfügungsberechtigte war. Daß er
diese Stellung noch vor Abschluß des Restitutionsverfahrens mit Ablauf des
31. Dezember 1992 wieder verloren hatte, führt nicht zu einem Anspruchsverlust. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, daß die kurze Verjährung des
§ 196 Abs. 1 Nr. 1 oder 7 BGB, der der Kostenerstattungsanspruch des staatlichen Verwalters nach § 670 BGB entsprechend unterliegt (BGHZ 140, 355,
357 ff), für den Aufwendungsersatzanspruch des Verfügungsberechtigten nach
§ 3 Abs. 3 Satz 4 VermG nicht gilt. Insoweit bleibt es mangels Eingreifens einer
speziellen Regelung bei der regelmäßigen Verjährungsfrist von 30 Jahren
(§ 195 BGB).
4.
Mit dieser Entscheidung setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu
seiner bisherigen Rechtsprechung.
a) Daß bei der Beantwortung der Frage, ob und in welcher Höhe dem
staatlichen Verwalter Kostenerstattungsansprüche zustehen, auch - aber nicht
nur - auf ein Ereignis - hier: Verbescheidung des Restitutionsantrags - abgestellt werden kann, das nach dem Ende der staatlichen Verwaltung eingetreten
ist, hat der Senat bereits mit Beschluß vom 27. Juli 2000 ausgesprochen (III ZR
359/99 - WM 2000, 2052 bezüglich der Frage, ob der frühere Eigentümer oder
der Käufer, dem das Grundstück zum Zeitpunkt der Beschlagnahme bereits
übergeben worden war, der aber erst nach Aufhebung der staatlichen Verwaltung das Grundstückseigentum erlangt hatte, erstattungspflichtig ist).
b) Mit Beschluß vom 30. Juli 1998 (III ZR 102/97) hat der Senat die Revision gegen ein Berufungsurteil nicht angenommen, in dem der staatliche
- 15 -
Verwalter zur Rechnungslegung und Herausgabe erzielter Überschüsse verurteilt worden war, obwohl der Kläger das Grundstückseigentum später ebenfalls an einen besser berechtigen Restitutionsgläubiger verloren hatte. Der Fall,
daß der Verwalter einen Überschuß erzielt hat, ist indes mit der hier vorliegenden "Defizit-Konstellation" nicht vergleichbar. Bei Herausgabe eines Überschusses trotz anschließender Restitution kann der vom Vermögensgesetz bezweckte Wiedergutmachungseffekt wenigstens teilweise erreicht werden, während dann, wenn ein solcher Eigentümer auch ein den Wert der ihm zugekommenen Gebrauchsvorteile übersteigendes Defizit ausgleichen müßte, dieser
Zweck - wie ausgeführt - verfehlt würde.
5.
Das Berufungsurteil ist aufzuheben. Eine abschließende sachliche Ent-
scheidung des Senats kommt nicht in Betracht, weil das Berufungsgericht, von
seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig, keine Feststellungen dazu getroffen
hat, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die Beklagte in der Zeit vom
1. Januar 1993 bis zur Bestandskraft des am 7. Oktober 1997 ergangenen
Rückgabebescheids einen Überschuß erzielt hat und ob ihr dieser Überschuß
verblieben oder dadurch wieder (teilweise) entzogen worden ist, daß ihre
Streithelferin rechtzeitig und formgemäß (schriftlich) den Herausgabeanspruch
nach § 7 Abs. 7 Satz 2 VermG geltend gemacht hat (vgl. § 7 Abs. 8 Satz 2
- 16 -
VermG in der Fassung des Vermögensrechtsbereinigungsgesetzes vom
20. Oktober 1998, BGBl. I S. 3180). Die Parteien haben insoweit Gelegenheit
zu weiterem Sachvortrag.
Rinne
Wurm
Schlick
Streck
Dörr