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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 261/99
Verkündet am:
2. November 2000
Freitag
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
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GG Art. 34; BGB § 839 A; StVZO §§ 21, 25
Überläßt das Straßenverkehrsamt im Rahmen der Erteilung einer Betriebserlaubnis nach § 21 StVZO die Rückgabe des Kraftfahrzeugbriefs dem
TÜV, so haftet bei weisungswidriger Aushändigung des Briefs an einen
Nichtberechtigten nicht der Träger der Zulassungsstelle, sondern das Bundesland, das den Kraftfahrzeugsachverständigen ihre amtliche Anerkennung erteilt hat.
BGH, Urteil vom 2. November 2000 - III ZR 261/99 - OLG Hamm
LG Detmold
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 2. November durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter
Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und Galke
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 11. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Hamm vom 18. Juni 1999 im Kostenpunkt
und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten erkannt
worden ist.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Zivilkammer III
des Landgerichts Detmold vom 26. Februar 1998 wird in vollem
Umfang zurückgewiesen.
Die Klägerin hat auch die Kosten der Rechtsmittelzüge zu tragen.
Von Rechts wegen
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Tatbestand
Die Klägerin war Eigentümerin eines älteren Pkw Daimler-Benz 190 SL,
den sie im Oktober 1994 zu einem Kaufpreis von 77.000 DM unter Eigentumsvorbehalt verkauft und dem Käufer übergeben hatte. Nach einer Anzahlung
standen von dem Kaufpreis noch 57.000 DM offen.
Unter dem 12. Januar 1995 beantragte die Klägerin, da das Fahrzeug
längere Zeit stillgelegen hatte, bei der Zulassungsstelle des beklagten Kreises
eine neue Betriebserlaubnis gemäß § 21 StVZO. Mit Rücksicht auf ihr Sicherungsinteresse verlangte sie zugleich, den neu auszustellenden Kraftfahrzeugbrief dem Technischen Überwachungsverein nur treuhänderisch zu übersenden mit der Verpflichtung, ihn an die Klägerin zurückzuschicken. Dementsprechend bat das Straßenverkehrsamt des Beklagten den TÜV B. in seinem Anschreiben vom 16. Januar 1995, mit dem es diesem den neuen Brief zur Anfertigung eines Gutachtens nach § 21 StVZO übersandte, nach Abnahme des
Fahrzeugs den Kraftfahrzeugbrief dem Halter auszuhändigen; in einer Anlage
war als Halterin die Klägerin bezeichnet. Dessen ungeachtet übergab ein Mitarbeiter des TÜV B. den Fahrzeugbrief einem Angestellten des Käufers, der
das Fahrzeug vorgeführt hatte. Der Käufer veräußerte alsbald den Wagen unter Übergabe des Fahrzeugbriefs.
Über den Restkaufpreis von 57.000 DM erwirkte die Klägerin gegen den
Käufer ein Scheckvorbehaltsurteil, die Zwangsvollstreckung blieb jedoch ergebnislos. Mit der vorliegenden Klage nimmt die Klägerin deswegen - unter
Einschluß von Prozeß- und Vollstreckungskosten - den Kreis L. auf Schadens-
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ersatz in Höhe von 63.661,96 DM in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage
abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr in der Hauptsache stattgegeben. Mit
der Revision erstrebt der beklagte Kreis Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Gegen den Beklagten steht der Klägerin der
geltend gemachte Amtshaftungsanspruch (§ 839 BGB, Art. 34 GG) nicht zu.
I.
Das Berufungsgericht verneint im Ergebnis zwar Amtspflichtverletzungen
der Kreisangestellten W. bei der Übergabe des Kraftfahrzeugbriefs an den
TÜV B., es lastet dem Kreis aber einen Verstoß der Mitarbeiter des Technischen Überwachungsvereins gegen die in § 25 Abs. 1 StVZO normierten
Pflichten zur Behandlung des Fahrzeugbriefs an. Hierfür habe der beklagte
Kreis einzustehen. Die Rückgabe des Fahrzeugbriefs an den Übergeber nach
§ 25 Abs.1 Satz 5 StVZO sei eine der Zulassungsstelle obliegende amtliche
Aufgabe, zu deren Erfüllung sie zwar auch andere Kräfte heranziehen könne,
die aber gleichwohl eigene Verpflichtung der Kreisverwaltung bleibe. In diesen
ihr übertragenen Aufgabenkreis habe im Streitfall die Zulassungsstelle die Mitarbeiter des TÜV B. im Wege eines Auftrags als Verwaltungshelfer einbezo-
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gen. Hingegen habe kein ausreichender Zusammenhang zu deren eigener hoheitlicher Sachverständigentätigkeit - mit Amtshaftung des Landes - bestanden.
II.
Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision im entscheidenden Punkt nicht stand.
1.
Zuzustimmen ist dem Berufungsgericht darin, daß das an den Techni-
schen Überwachungsverein mit Schreiben vom 16. Januar 1995 gerichtete Ersuchen der Zulassungsstelle, den Kraftfahrzeugbrief nach erfolgter Abnahme
unmittelbar dem Halter auszuhändigen, nicht amtspflichtwidrig war. Gemäß
§ 25 Abs. 1 Satz 5 StVZO war die Zulassungsstelle zwar grundsätzlich selbst
verpflichtet, den neu ausgestellten Fahrzeugbrief der Klägerin zu übergeben.
Das schließt es indessen bei dem hier geübten Verfahren, in dem die nach
§ 21 StVZO erforderliche Bescheinigung eines amtlich anerkannten Sachverständigen an letzter Stelle stand, nicht aus, diesem zugleich die Rückgabe des
Briefs an den nach § 25 Abs. 1 Satz 5 StVZO Berechtigten zu überlassen. Dabei war lediglich sicherzustellen, daß der Sachverständige den Empfangsberechtigten kannte. Jedoch war in diesem Punkt das an den TÜV B. übersandte
Schreiben des Straßenverkehrsamts eindeutig, zumal sich die Klägerin deswegen auch selbst mit dem TÜV in Verbindung gesetzt und ihn auf ihre Berechtigung am Brief hingewiesen hatte.
2.
Pflichtwidrig war unter diesen Umständen ausschließlich die spätere
unberechtigte Aushändigung des Kraftfahrzeugbriefs an den Käufer durch die
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Mitarbeiter des TÜV B.. Für diese Pflichtverletzung hat indessen nicht der Beklagte einzustehen.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs übt der amtlich
anerkannte Sachverständige für den Kraftfahrzeugverkehr bei den ihm durch
die Straßenverkehrszulassungsordnung übertragenen Tätigkeiten hoheitliche
Befugnisse aus. Für Amtspflichtverletzungen, die er hierbei begeht, haftet darum nicht der Technische Überwachungsverein als sein Arbeitgeber, sondern
das Bundesland, das ihm die amtliche Anerkennung als Sachverständiger erteilt hat (BGHZ 49, 108, 110 ff.; 122, 85, 87 ff.; Senatsurteil vom 11. Januar
1973 - III ZR 32/71 - NJW 1973, 458).
b) Eine solche hoheitliche Tätigkeit im Rahmen der Erteilung einer Betriebserlaubnis nach § 21 StVZO haben die Sachverständigen des TÜV B. hier
ausgeübt. Mit dieser war die Aushändigung des Fahrzeugbriefs nach seiner
Vervollständigung und dem damit erreichten Abschluß des Verwaltungsverfahrens aufs engste verbunden. Ob es deswegen bereits gerechtfertigt erschiene,
diese als bloßen "Annex" der Sachverständigentätigkeit zu begreifen, mag dahinstehen. Jedenfalls wäre das vom Berufungsgericht als "Auftrag" qualifizierte
Ersuchen der Zulassungsstelle an den TÜV B. angesichts der eigenverantwortlichen hoheitlichen Tätigkeit der Kraftfahrzeugsachverständigen weder ein
verwaltungsrechtliches Mandat, das für den Beauftragten ein Handeln im fremden Namen voraussetzte (vgl. Schenke, VwA 68 [1977], 118, 148; begrifflich
etwas weiter Triepel, Delegation und Mandat im öffentlichen Recht, 1942,
S. 26), noch eine Inanspruchnahme dieser Sachverständigen oder ihrer Mitarbeiter als bloße - unselbständige - Verwaltungshelfer (vgl. BGHZ 121, 161, 164
f.), wie das Berufungsgericht meint; das Ersuchen wäre vielmehr als Bitte um
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Amtshilfe anzusehen. Mit der Heranziehung eines freiberuflich tätigen Prüfingenieurs zur Prüfung der Statik eines Bauvorhabens durch die Baugenehmigungsbehörde (BGHZ 39, 358), auf die das Berufungsgericht verweist, ist der
vorliegende Fall schon deshalb nicht vergleichbar, weil der Prüfingenieur
- anders als die Kraftfahrzeugsachverständigen, deren hoheitliche Aufgaben
gesetzlich festgelegt sind - erst durch den ihm jeweils erteilten Prüfungsauftrag
in die öffentliche Verwaltung einbezogen wird (BGHZ 39, 358, 361 f.; 49, 108,
113 f., 116 f.) und die Verantwortung im Verhältnis zu Dritten darum insgesamt
bei der Baugenehmigungsbehörde verbleibt. In beiden denkbaren Alternativen
- Annex oder Amtshilfe - würde für Amtspflichtverletzungen aber nicht die ersuchende Behörde, sondern die für den pflichtwidrig tätigen Amtsträger allgemein
eintrittspflichtige Körperschaft haften (vgl. zur Amtshilfe Senatsurteil vom
25. April 1960 - III ZR 65/57 - LM § 839 C BGB Nr. 56; BGB-RGRK/Kreft,
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12. Aufl., § 839 Rn. 56; Soergel/Vinke, BGB, 12. Aufl., § 839 Rn. 253), hier also
das Land Nordrhein-Westfalen. Mit Recht hat demnach das Landgericht die
Klage abgewiesen.
Rinne
Wurm
Dörr
Kapsa
Galke