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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
II ZR 85/07
vom
14. Januar 2008
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB §§ 276 Ci, 280; ZPO §§ 130 Nr. 6, 520
a) Ein vom Prozessbevollmächtigten eigenhändig unterschriebener Berufungsbegründungsschriftsatz ist auch dann formwirksam, wenn er entgegen der Anweisung des Prozessbevollmächtigten nicht auf "normalem" Weg gefaxt, sondern direkt als Computerfax mit eingescannter Unterschrift elektronisch an das Berufungsgericht übermittelt wird. Dies stellt eine lediglich äußerliche (technische,
nicht aber inhaltliche) Veränderung des von dem Prozessbevollmächtigten durch
seine eigenhändige Unterschrift autorisierten bestimmenden Schriftsatzes dar.
b) Der Prospekt, mit dem für den Beitritt zu einer Windpark-Beteiligungsgesellschaft
geworben wird, muss - auch - im Bereich der für die Beitrittsentscheidung des Anlegers wesentlichen Frage der Winderträge, und damit letztlich der Rentabilität
der Anlage, die Interessenten richtig und vollständig informieren. Daran fehlt es,
wenn in dem Prospekt verschwiegen wird, dass in den Gutachten über die im
Prospekt dargestellten prognostizierten Winderträge jeweils ein Sicherheitsabschlag empfohlen worden ist.
BGH, Beschluss vom 14. Januar 2008 - II ZR 85/07 - OLG Hamm
LG Bochum
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 14. Januar 2008 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Kraemer, Caliebe,
Dr. Reichart und Dr. Drescher
einstimmig beschlossen:
Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Revision gegen das Urteil des 27. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Hamm vom 29. März 2007 durch Beschluss
nach § 552 a ZPO zurückzuweisen.
Streitwert: 30.000,00 €
Gründe:
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Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor; die Revision hat
auch keine Aussicht auf Erfolg.
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I. Weder der vom Berufungsgericht als Zulassungsgrund angeführte
noch ein sonstiger Zulassungsgrund liegt vor. Sämtliche für die Entscheidung
des vorliegenden Falles erheblichen Rechtsfragen, d.h. welche Anforderungen
an die Unterschrift bestimmender Schriftsätze zu stellen sind, welchen Anforderungen ein Beteiligungs-Prospekt im Hinblick auf die ordnungsgemäße Information eines Anlageinteressenten genügen muss, wann von der Ursächlichkeit
eines Prospektmangels auszugehen und wer Prospektverantwortlicher ist,
höchstrichterlichen Rechtsprechung hinreichend geklärt und rechtfertigen die
Zulassung nicht. Dies gilt insbesondere auch für die vom Berufungsgericht für
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zulassungswürdig gehaltene Frage: "… welche Anforderungen an die Darstellung der Prognose von Windenergieerträgen in Prospekten, mit denen für die
Beteiligung an Windkraftanlagen geworben wird, zu stellen sind". Nach der
ständigen Rechtsprechung des Senates hat nach den von ihm entwickelten
Prospekthaftungsgrundsätzen, die an ein typisiertes Vertrauen des Anlegers in
die Richtigkeit und Vollständigkeit der von den Prospektverantwortlichen gemachten Angaben anknüpfen, der Prospekt, der im allgemeinen die Grundlage
für den Beitrittsentschluss des mit ihm geworbenen Interessenten bildet, diesem
ein zutreffendes Bild von der angebotenen Beteiligung zu vermitteln. Dazu gehört, dass sämtliche Umstände, die für die Entschließung der mit dem Prospekt
angesprochenen Anlageinteressenten von Bedeutung sind oder sein können,
richtig und vollständig dargestellt werden (vgl. nur Sen.Urt. v. 14. Januar 2002
- II ZR 40/00, WM 2002, 813, 814; zuletzt Sen.Urt. v. 3. Dezember 2007
- II ZR 21/06, Umdr. S. 5 f. m.w.Nachw.). Genau diesen Anforderungen muss
auch ein Prospekt genügen, mit dem zu dem Beitritt zu einer WindparkBeteiligungsgesellschaft geworben wird. Er muss - auch - im Bereich der für die
Beitrittsentscheidung des Anlegers wesentlichen Frage der Winderträge, und
damit letztlich der Rentabilität der Anlage, die Interessenten richtig und vollständig informieren. Ob ein Prospekt diesen Anforderungen genügt, ist eine
Frage des Einzelfalls, nämlich der Prüfung und Bewertung der konkreten Prospektangaben, und damit eine Frage, deren Überprüfung dem Tatrichter obliegt.
Dieser muss - evtl. sachverständig beraten - feststellen, ob die Darstellung der
Prognose von Winderträgen in dem konkreten Prospekt richtig und vollständig
ist.
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II. 1. Die Revision ist insgesamt statthaft (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Zwar
hat das Berufungsgericht in den Entscheidungsgründen die Revision nur in dem
oben angeführten Umfang zugelassen. Diese Beschränkung der Zulassung ist
aber unzulässig. Die Zulassung der Revision kann nach ständiger Rechtspre-
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chung des Bundesgerichtshofs nur auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffes beschränkt werden, der Gegenstand eines
Teil- oder Grundurteils sein oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte (st. Rspr. siehe nur BGHZ 161, 15, 18 m.w.Nachw.).
Unzulässig ist es hingegen, die Zulassung der Revision auf eine bestimmte
Rechtsfrage oder ein Entscheidungselement des Urteils zu beschränken. Da
die Fehlerhaftigkeit des Prospektes ein solches nicht selbständig anfechtbares
Urteilselement darstellt, ist die Beschränkung der Zulassung der Revision durch
das Berufungsgericht unzulässig. Fehlt es an einer wirksamen Beschränkung
der Zulassung, so ist allein die Beschränkung, nicht aber die Zulassung unwirksam, die Revision daher unbeschränkt zugelassen (BGHZ aaO m.w.Nachw.).
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2. Die Revision hat jedoch keine Aussicht auf Erfolg.
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a) Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Berufung rechtzeitig begründet worden ist. Das mit der eingescannten Unterschrift
des Prozessbevollmächtigten der Kläger beim Berufungsgericht eingegangene
Computerfax hat die Berufungsbegründungsfrist gewahrt.
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aa) Für eine durch Computerfax übermittelte Berufungsbegründung hat
der Gemeinsame Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes am 5. April
2000 entschieden (BGHZ 144, 160), dass in Prozessen mit Vertretungszwang
bestimmende Schriftsätze formwirksam durch elektronische Übertragung einer
Textdatei mit eingescannter Unterschrift auf ein Faxgerät des Gerichts übermittelt werden können. Der Zweck der Schriftform, die Rechtssicherheit und insbesondere die Verlässlichkeit der Eingabe zu gewährleisten, könne auch im Falle
einer derartigen elektronischen Übermittlung gewahrt werden. Entspreche ein
bestimmender Schriftsatz inhaltlich den prozessualen Anforderungen, so sei die
Person des Erklärenden in der Regel dadurch eindeutig bestimmt, dass seine
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Unterschrift eingescannt sei. Maßgeblich für die Beurteilung der Wirksamkeit
des elektronisch übermittelten Schriftsatzes sei allein die auf Veranlassung des
Prozessbevollmächtigten am Empfangsort (Gericht) erstellte körperliche Urkunde (BGHZ aaO S. 165).
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bb) Angesichts der vom Berufungsgericht festgestellten Umstände der
Versendung des Computerfaxes genügt der Schriftsatz diesen Anforderungen.
Der Prozessbevollmächtigte der Kläger hat durch seine persönliche Unterschrift
unter dem ausgedruckten Berufungsbegründungsschriftsatz - wie von der ständigen Rechtsprechung gefordert (siehe nur BGHZ 37, 156, 157; 75, 340, 349;
97, 283, 285) - seinen unbedingten Willen zum Ausdruck gebracht, die volle
Verantwortung für den Inhalt dieses Schriftsatzes zu übernehmen, und dies mit
der Anweisung an den Zeugen H.
verbunden, diesen Schriftsatz, d.h. den
von ihm verantworteten Inhalt, bei Gericht einzureichen. Die bei dem Berufungsgericht fristgerecht erstellte körperliche Urkunde mit dem von ihm verantworteten Inhalt ist damit auf seine Veranlassung dort erstellt worden. Daran
vermag der Umstand nichts zu ändern, dass der eigenhändig unterschriebene
Schriftsatz entgegen seiner Anweisung nicht auf "normalem" Weg gefaxt, sondern vom Zeugen H.
wegen eines Defekts des Faxgeräts direkt als Com-
puterfax mit eingescannter Unterschrift elektronisch an das Gericht übermittelt
worden ist. Dies stellt eine lediglich äußerliche (technische, nicht aber inhaltliche) Veränderung des von dem Prozessbevollmächtigten durch seine eigenhändige Unterschrift autorisierten bestimmenden Schriftsatzes dar und ändert
deshalb nichts daran, dass der fristgerecht eingegangene Schriftsatz auf Veranlassung des Prozessbevollmächtigten dort als körperliche Urkunde erstellt worden ist.
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b) Das Berufungsgericht hat unter zutreffender Anwendung der hiervon
in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze in tatrichterlicher, revisions-
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rechtlich nicht angreifbarer Weise einen Prospektfehler bejaht. Der Windenergieertrag einer Windparkanlage ist sicherlich, wenn nicht das, so jedoch eines
der entscheidenden Kriterien für die Anlageentscheidung desjenigen, der sich
an einem derartigen Projekt beteiligt. Die Prognose der Winderträge ist, wie das
Berufungsgericht, das sich in diesem Zusammenhang auf die Feststellungen
des Landgerichts gestützt hat, wonach die prospektierten Erträge nicht erzielt
worden sind, zutreffend entschieden hat, in dem Prospekt nicht in einer den
Anlageinteressenten inhaltlich richtig und vollständig informierenden Art und
Weise dargestellt.
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Daran vermag der Umstand nichts zu ändern, dass, was auch das Berufungsgericht nicht in Zweifel zieht, die drei Windgutachten als solche fachlich
zutreffend erstellt sind. Der Mangel des Prospekts liegt vielmehr darin, dass in
ihm verschwiegen wird, dass in jedem der drei eingeholten Gutachten von dem
fachlich zutreffend ermittelten Windertrag jeweils ein Sicherheitsabschlag (einmal 15 % und zweimal 10 %) empfohlen worden ist. Demgegenüber vermittelt
der Prospekt den Eindruck, als ob die dort für die einzelnen Gutachten genannten Winderträge von den Gutachtern jeweils abschließend als prognostizierte
Erträge dargestellt worden seien und die Prospektverantwortlichen sozusagen
als eigene Maßnahme zur größtmöglichen Absicherung der Prognose ihrerseits
eigenständig einen zusätzlichen 3 %-igen Abschlag auf das niedrigste bzw. ca.
8 % bzw. ca. 16 % bei den beiden anderen Gutachten vorgenommen hätten.
Tatsächlich lag dieser 3 %-ige Abschlag bei zwei Gutachten 7 % bzw. 2 % unter
dem von dem jeweiligen Gutachter empfohlenen Sicherheitsabschlag und bei
dem dritten Gutachten nur geringfügig darüber. Durch die Darstellung im Prospekt wurde den Anlageinteressenten damit eine vorsorglich von den Prospektherausgebern prognostizierte Sicherheit vorgespiegelt, die jedenfalls von zwei
der drei Gutachten nicht gedeckt war.
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Da - jedenfalls - dieser Prospektmangel vorliegt, kommt es auf den weiteren vom Berufungsgericht angenommenen Fehler im Zusammenhang mit der
Darstellung der Netz- und Übertragungsverluste nicht mehr entscheidend an.
Ihm ist aber auch darin zu folgen, dass insoweit ein - weiterer - Prospektmangel
vorliegt. Diese genannten Verluste sind nicht in den absoluten Zahlen der Gutachter, sondern lediglich jeweils in den von ihnen vorgenommenen Sicherheitsabschlägen berücksichtigt und mindern vor diesem Hintergrund nochmals den
von den Prospektverantwortlichen herausgestellten 3 %-igen Sicherheitsabschlag. Dieser wird nämlich dann bereits in einem Umfang von 1 % bis 2 %
durch die - auch nach Darstellung der Beklagten - regelmäßig in diesem Umfang vorhandenen Netz- und Übertragungsverluste bereits fast völlig aufgezerrt.
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c) Die gegen die vom Berufungsgericht angestellten Kausalitätserwägungen erhobene Rüge der Beklagten aus § 286 ZPO greift nicht durch.
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Das Berufungsgericht geht unter Heranziehung der ständigen Rechtsprechung des Senats zutreffend davon aus, dass es der Lebenserfahrung entspricht, dass ein Prospektfehler für die Anlageentscheidung ursächlich geworden ist. Entscheidend ist insoweit, dass durch unzutreffende oder unvollständige Informationen des Prospekts in das Recht des Anlegers eingegriffen worden
ist, in eigener Entscheidung und unter Abwägung des Für und Wider darüber zu
befinden, ob er in das Projekt investieren will oder nicht (siehe nur Sen.Urt. v.
29. Mai
2000
- II ZR 280/98,
ZIP 2000,
1296,
1297;
v.
14. Juli
2003
- II ZR 202/02, ZIP 2003, 1651, 1653). Diese Vermutung ist zwar widerlegbar.
Anhaltspunkte dafür, dass sich die Kläger bei vollständiger Aufklärung dennoch
für die Anlage entschieden hätten, sind von den insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten nicht vorgetragen worden und auch sonst nicht ersichtlich. Auch die Revisionsbegründung vermag insoweit übergangenen Vortrag in den Tatsacheninstanzen nicht aufzuzeigen.
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d) Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht auch die
Prospektverantwortlichkeit der Beklagten zu 3 und 4 zu Recht bejaht.
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aa) Wegen falscher oder unvollständiger Prospektangaben haften die
Personen, die für die Geschicke des Unternehmens und damit für die Herausgabe des Prospekts verantwortlich sind. Dazu zählen die Initiatoren, Gründer
und Gestalter der Gesellschaft, soweit sie das Management bilden oder beherrschen. Darüber hinaus haften aber auch die Personen, die hinter der Gesellschaft stehen und neben der Geschäftsleitung besonderen Einfluss ausüben
und deshalb Mitverantwortung tragen (BGHZ 115, 213, 217 f. m.w.Nachw.), die
also als Hintermänner angesehen werden können bzw. maßgeblich an der
Konzeption des Projekts beteiligt waren. Anknüpfungspunkt ist dabei der Einfluss auf die Gesellschaft bei der Initiierung des Projekts (BGHZ 115, 213, 227;
79, 337, 340).
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bb) Beide Beklagte erfüllen diese Voraussetzungen.
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Die Beklagte zu 3 war nicht nur alleinige Gründungskommanditistin der
Beteiligungsgesellschaft, sondern hielt sämtliche Geschäftsanteile an der persönlich haftenden Gesellschafterin, der Beklagten zu 2. Darüber hinaus hatte
sie maßgeblichen Einfluss auf die Gesellschaft bei der Initiierung des Projekts.
Sie war zu der über die Bauleitung hinausgehenden Koordinierung aller Beteiligten bis zur Fertigstellung des Windparks sowie dazu verpflichtet, die Abstimmung zwischen den Kreditinstituten und den übrigen Beteiligten vorzunehmen.
Weiteren maßgeblichen Einfluss hatte sie dadurch, dass ihr die Sicherstellung
der Fremdfinanzierung oblag und zwar sowohl in Form der Vermittlung der Darlehen als auch im Hinblick auf die gesamte Vertragsabwicklung und insbesondere die Konzeptionierung der Fremdfinanzierung einschließlich der mit den
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Kreditinstituten und institutionellen Anlegern verbundenen Gespräche sowie die
Aushandlung und Prüfung der Darlehenskonditionen.
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Die Prospektverantwortlichkeit der Beklagten zu 4 folgt nicht nur daraus,
dass sie sich in dem Grußwort selbst als Initiatorin dargestellt hat, in dem sie
dort von "ihrem Projekt" gesprochen und auf die von ihr bereits entwickelten
anderen Windparks hingewiesen hat. Ihre Verantwortlichkeit folgt zusätzlich
daraus, dass sie Mehrheitsaktionärin der Beklagten zu 3 war, die wiederum
sämtliche Geschäftsanteile der Komplementärin der Beteiligungsgesellschaft
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hielt und deren alleinige Gründungskommanditistin war. Durch ihren Mehrheitseinfluss auf die Komplementär-GmbH hatte sie - zusätzlich - maßgeblichen Einfluss auf die Gesellschaft bei der Initiierung des Projekts.
Goette
Kraemer
Reichart
Caliebe
Drescher
Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Zurückweisungsbeschluss erledigt
worden.
Vorinstanzen:
LG Bochum, Entscheidung vom 24.05.2005 - 2 O 368/04 OLG Hamm, Entscheidung vom 29.03.2007 - 27 U 121/05 -