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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
II ZR 222/06
vom
9. Juli 2007
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
GmbHG § 19 Abs. 1; BGB § 362
Die grundsätzliche Beweislast des GmbH-Gesellschafters für die - auch längere Zeit
zurückliegende - Einzahlung der Stammeinlage (§ 19 Abs. 1 GmbHG, § 362 BGB)
hindert den Tatrichter nicht, den entsprechenden Nachweis aufgrund unstreitiger oder erwiesener Indiztatsachen als geführt anzusehen. Insoweit handelt es sich um
eine tatrichterlicher Beurteilung unterliegende Frage des im Einzelfall erforderlichen
Beweismaßes.
BGH, Hinweisbeschluss vom 9. Juli 2007 - II ZR 222/06 - OLG Brandenburg
LG Neuruppin
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 9. Juli 2007 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Kraemer, Dr. Strohn,
Caliebe und Dr. Reichart
einstimmig beschlossen:
Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers durch Beschluss gemäß § 552 a
ZPO zurückzuweisen.
Gründe:
1
Die von dem Berufungsgericht mit leerformelhaftem Hinweis auf künftige
Fälle als Grund für die Zulassung der Revision angegebene "Frage des Umfanges der sekundären Darlegungslast des Insolvenzverwalters" bei primärer Beweislast der Gegenseite für die Erfüllung der Einlageschuld (§§ 19 Abs. 1
GmbHG, 362 BGB) ist keine Grundsatzfrage im Sinne von § 543 ZPO (vgl.
Musielak/Ball, ZPO 5. Aufl. § 543 Rdn. 6 m.w.Nachw.), sondern hängt, wie das
Berufungsgericht selbst ausführt, "von den Umständen des Einzelfalles ab". Im
Übrigen ist die genannte Rechtsfrage, wie noch auszuführen ist, hier ohnehin
nicht entscheidungserheblich. Die Revision hat im Ergebnis auch keine Aussicht auf Erfolg.
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1. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (z.B. Urt. v. 22. Juni 1992
- II ZR 30/91, ZIP 1992, 1303 = NJW 1992, 2698; v. 13. September 2004 - II ZR
137/02, ZIP 2005, 28) ist zwar in einem Rechtsstreit um die Erfüllung einer Einlageschuld (§ 19 Abs. 1 GmbHG, 362 BGB) grundsätzlich der betreffende Ge-
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sellschafter darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass die Einlage erbracht ist.
Das gilt im Grundsatz auch bei einem längeren Zeitabstand seit der behaupteten Zahlung und späterem Erwerb des Geschäftsanteils durch den nunmehrigen Gesellschafter, wie hier dem Beklagten. Davon zu unterscheiden ist aber
die hier allein relevante Frage, welches Beweismaß im Einzelfall für die mehr
oder weniger lange zurückliegende Einzahlung der Stammeinlage zu fordern
ist. Das ist, wie der Senat im Beschluss vom 8. November 2004 (II ZR 202/02,
DStR 2005, 297 m.Anm. Goette) klargestellt hat, eine Sache tatrichterlicher Beurteilung, die gem. § 559 Abs. 2 ZPO revisionsgerichtlicher Nachprüfung weitgehend entzogen ist. Dem Tatrichter ist es insbesondere nicht verwehrt, den
einer Partei obliegenden Nachweis - hier der Einlagenzahlung - aufgrund einer
Gesamtbeurteilung unstreitiger oder erwiesener Indiztatsachen als geführt anzusehen (vgl. BGH, Urt. v. 13. Juli 2004 - VI ZR 136/03, NJW 2004, 3423 f.)
und auf die Erhebung weiteren Hauptbeweises zu verzichten, wenn nicht gegenteilige Indizien dargelegt oder ersichtlich sind oder der Prozessgegner nicht
seinerseits Gegenbeweis anbietet (vgl. dazu BGH, Urt. v. 19. März 2002 - XI ZR
193/01, NJW-RR 2002, 1073). Im vorliegenden Fall gilt nichts anderes.
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2. Das Berufungsgericht stellt in tatrichterlicher Würdigung fest, der Beklagte habe "eine Vielzahl von Umständen dargelegt, die den Schluss auf die
Erfüllung der Stammeinlagenverpflichtung durch die früheren Gesellschafter der
Schuldnerin zulassen". Darauf und auf das Fehlen gegenteiliger Anhaltspunkte
hat das Berufungsgericht in der mündlichen Verhandlung und schon vorher in
einem Prozesskostenhilfebeschluss hingewiesen. Die von dem Berufungsgericht als Hilfstatsachen (Indizien) herangezogenen Umstände, nämlich die in
notariellen Urkunden enthaltenen Erklärungen der früheren Gesellschafter über
die Einzahlung der Stammeinlagen auf das ursprüngliche und das im November
1985 erhöhte Kapital sowie das Fehlen von Hinweisen auf ausstehende Einlagen in der vorgelegten Bilanz und weiteren Geschäftsunterlagen, sind als sol-
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che unstreitig. Lassen sie, wie das Berufungsgericht tatrichterlich feststellt und
im Einzelnen ausführt, den Schluss auf die Einlagenzahlung zu, so ist damit der
entsprechende Hauptbeweis der Zahlung geführt. Dann kommt es nicht darauf
an, ob der Beklagte mangels Darlegung konkreter Anhaltspunkte für das Gegenteil die Haupttatsache der Zahlung auch schon nicht wirksam bestritten hat.
Ebenso wenig brauchte das Berufungsgericht - entgegen der Ansicht der Revision - unter diesen Umständen noch zusätzlich die allein von dem Beklagten
benannten Zeugen zu vernehmen.
3. Die revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbare Gesamtwürdi-
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gung der vorliegenden Umstände (vgl. BGH, Urt. v. 13. Juli 2004 aaO) ist aus
Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Zu Recht weist das Berufungsgericht
insbesondere darauf hin, dass die Unrichtigkeit der Angaben von Gesellschaftern zu notarieller Urkunde nicht als Regel unterstellt und erst recht im vorliegenden Fall nicht davon ausgegangen werden kann, die Gesellschafter hätten
die Einlagen auf das im Jahr 1985 erhöhte Kapital nicht einbezahlt, obwohl
sie
damals
eine
erhebliche
Kapitalerhöhung
(von
60.000,00 DM
auf
180.000,00 DM) mit sofortiger Einzahlung des gesamten Erhöhungsbetrages
für erforderlich hielten, wie aus dem vorgelegten Kapitalerhöhungsbeschluss
ersichtlich. Das Fehlen unmittelbarer Einzahlungsbelege (Kontoauszüge o.ä.)
ist in Anbetracht der im vorliegenden Fall längst abgelaufenen Aufbewahrungsfrist (§ 257 Abs. 4 HGB) kein gegenläufiges Indiz, wie das Berufungsgericht
zutreffend ausführt. Dass der Beklagte im Jahr 1994 - neun Jahre nach der behaupteten Zahlung, aber vor Ablauf der Aufbewahrungsfrist - Gesellschafter der
Schuldnerin wurde, rechtfertigt - entgegen der Ansicht der Revision - nicht die
Hypothese, dass er sich von dem Anteilsveräußerer Einzahlungsbelege hätte
geben lassen und noch in deren Besitz wäre, wenn die Einlagen eingezahlt gewesen wären. Denn die Einzahlungsbelege waren (bis zum Ablauf der Aufbewahrungsfrist) bei der Gesellschaft aufzubewahren und konnten dort eingese-
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hen werden, im Übrigen war der Beklagte zu solchen Nachforschungen nicht
verpflichtet, sondern durfte auf die in dem Anteilskaufvertrag enthaltene Zusicherung der Volleinzahlung der Einlagen vertrauen.
Goette
Kraemer
RiBGH Dr. Strohn kann wegen
Urlaubs nicht unterschreiben.
Goette
Caliebe
Reichart
Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt
worden.
Vorinstanzen:
LG Neuruppin, Entscheidung vom 09.02.2006 - 2 O 59/05 OLG Brandenburg, Entscheidung vom 12.09.2006 - 6 U 29/06 -