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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 183/06
Verkündet am:
12. November 2007
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB §§ 705, 730
a) Die Annahme einer Innengesellschaft bürgerlichen Rechts erfordert, dass sich die
Beteiligten mit gesellschaftsrechtlicher Bindung zur Förderung eines gemeinsamen Zwecks verpflichten.
b) Ein auf einem anderen Rechtsverhältnis (hier: Kaufvertrag über einen Erbanteil)
beruhender Anspruch eines Gesellschafters gegen seinen Mitgesellschafter unterliegt in der Auseinandersetzung einer Gesellschaft keiner Durchsetzungssperre.
BGH, Urteil vom 12. November 2007 - II ZR 183/06 - OLG Koblenz
LG Koblenz
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. November 2007 durch die Richter Dr. Kurzwelly, Kraemer,
Caliebe, Dr. Reichart und Dr. Drescher
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Koblenz vom 12. Juli 2006 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens - mit Ausnahme der Gerichtskosten für das Revisionsverfahren, die nicht erhoben werden -, an den 6. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Der Kläger war mit einem Anteil von 2/12 Miterbe nach dem 1978 verstorbenen A.
P.
H.
K.
. Mit notariellem Vertrag vom 26. No-
vember 1993 verkaufte und übertrug er seinen Erbanteil an dem - ausschließlich aus dem Grundstück L.
Flur
Nr. 1
bestehenden - Nachlass an die
Beklagte. Der Kaufpreis in Höhe von 80.000,00 DM war am 31. Dezember 2003
fällig und vom Tage des Vertragsschlusses an als Darlehen mit 7 % zu verzin-
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sen. In Nr. II.F.2. der notariellen Urkunde verpflichtete sich die Beklagte, den
Erbanteil auf den Kläger zurück zu übertragen, wenn sie einer von ihr in der
Urkunde übernommenen Verpflichtung ganz oder teilweise nicht nachkomme.
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Die Beklagte, die mit gleicher Urkunde vom Vater des Klägers das benachbarte Grundstück L.
Flur
Nr.
8 erwarb, ließ auf den Grundstücken
ein Mehrfamilienwohnhaus errichten. Mit der Leitung und Überwachung der
Bauarbeiten betraute die Beklagte den Vater des Klägers, dem sie auch die
finanziellen Mittel während der von 1993 bis 1998 andauernden Bauphase zur
Verfügung stellte. Als sich die Kosten des Bauvorhabens gegenüber der ursprünglichen Planung wesentlich erhöhten und die Beklagte deshalb in finanzielle Schwierigkeiten geriet, teilte sie das Objekt in drei Eigentumswohnungen
auf. Mit notariellem Vertrag vom 15. Dezember 1995 veräußerte sie zunächst
eine Eigentumswohnung an ihre Schwester, die Mutter des Klägers, zu einem
Kaufpreis von 400.000,00 DM. In einer handschriftlichen Zusatzabrede vom
selben Tag wurde zwischen den Parteien des Kaufvertrages vereinbart, dass
der Kaufpreis "nach den tatsächlichen Baukosten entweder nach unten oder
nach oben nachverhandelt wird". Wegen weiterer finanzieller Probleme verkaufte die Beklagte mit notariellem Vertrag vom 15. August 1997 eine weitere Eigentumswohnung gleicher Größe an den Kläger zum Kaufpreis von
400.000,00 DM. Der Kläger trat durch handschriftlichen Zusatz vom 15. August
1997 der von seiner Mutter und der Beklagten getroffenen, auf einem Notizzettel niedergelegten Vereinbarung vom 15. Dezember 1995 bei.
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Der Kläger hat am 28. Januar 2005 von der Beklagten, die den Kaufpreis
für den Erbanteil in voller Höhe schuldig geblieben ist und die vereinbarten Zinsen nur teilweise entrichtet hat, Rückübertragung des Erbanteils verlangt. Die
Beklagte hat am 23. März 2005 die Aufrechnung mit einem - ihr infolge gestiegener Baukosten aus dem Verkauf der Eigentumswohnung angeblich zuste-
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henden - weiteren Kaufpreisanspruch von 99.066,95 DM erklärt. Das Landgericht hat der - auf Rückübertragung des Erbanteils und auf Abgabe der zur Eintragung des Klägers im Grundbuch erforderlichen Erklärungen gerichteten Klage stattgegeben, das Berufungsgericht (Einzelrichter) hat die Klage "als zur
Zeit unbegründet" abgewiesen. Hiergegen richtet sich die von dem erkennenden Senat zugelassene Revision des Klägers.
Entscheidungsgründe:
Die Revision des Klägers ist begründet und führt zur Aufhebung des an-
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gefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an einen anderen
Senat des Berufungsgerichts (§ 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausge-
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führt:
6
Der geforderten Rückübertragung des Erbanteils stehe die Durchsetzungssperre des § 730 BGB entgegen. Denn spätestens nach dem Auftreten
von Finanzierungsproblemen hätten die Parteien und die Eltern des Klägers
zumindest durch schlüssiges Verhalten 1995/1997 eine BGB-Innengesellschaft
gegründet mit dem Zweck, das Bauvorhaben fertig zu stellen. Diese Gesellschaft sei noch nicht auseinandergesetzt. Mit der Rückforderung seines Erbanteils verstoße der Kläger jedenfalls bis zur Auseinandersetzung der Gesellschaft gegen seine Pflicht, den Gesellschaftszweck zu fördern.
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II. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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Die Ansicht des Berufungsgerichts, der geltend gemachte Anspruch auf
Rückübertragung des veräußerten Erbanteils unterliege einer auf einer Innen-
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gesellschaft bürgerlichen Rechts beruhenden Durchsetzungssperre, ist in mehrfacher Hinsicht verfehlt.
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1. Schon die Annahme des Berufungsgerichts, zwischen den Parteien
und den Eltern des Klägers habe eine BGB-Innengesellschaft bestanden, stellt
eine Rechtskonstruktion ohne hinreichende Tatsachengrundlage dar. Sie beruht
darauf, dass das Berufungsgericht die an die Gründung einer BGBInnengesellschaft zu stellenden Anforderungen grundlegend verkannt und zudem - unter Verletzung des Rechts des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs - den Parteivortrag unrichtig eingeordnet hat.
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a) Das Berufungsgericht hat gemeint, aus dem Vorbringen der Parteien
und den "vorgelegten weiteren Unterlagen" ergebe sich "mit ausreichender
Klar- und Sicherheit", dass die Parteien zusammen mit den Eltern des Klägers
jedenfalls
ab
1995/1997
durch
schlüssiges
Verhalten
eine
BGB-
Innengesellschaft mit dem Ziel der Fortsetzung des Bauprojektes gegründet
und hierzu unterschiedliche Beiträge geleistet hätten. Der vom Berufungsgericht
festgestellte Sachverhalt trägt diese Annahme nicht. Danach hat der Kläger erst
im August 1997 zur Überwindung der finanziellen Engpässe der Beklagten als
Bauherrin dadurch beigetragen, dass er von ihr im August 1997 eine Eigentumswohnung gekauft und sich dabei am selben Tag der - zwischen seiner Mutter und der Beklagten getroffenen - Zusatzvereinbarung inhaltlich angeschlossen hat, wonach über den Kaufpreis unter Berücksichtigung der tatsächlichen
Baukosten noch einmal nachverhandelt werden sollte. Diese Tatsachen rechtfertigen nicht den Schluss, dass der Kläger zugleich eine weitere - sich vom
Kaufvertrag unterscheidende - gesellschaftsrechtliche Rechtsbeziehung eingehen und sich über die im Kaufvertrag eingegangenen Verbindlichkeiten hinaus
verpflichten wollte, zusammen mit der Beklagten und seinen Eltern die Fertigstellung des Bauobjektes als gemeinsamen Zweck zu fördern (vgl. Münch-
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KommBGB/Ulmer 4. Aufl. § 705 Rdn. 27). Mit dem Kauf der Eigentumswohnung und der in Erfüllung des Kaufvertrags geleisteten Kaufpreiszahlung verfolgte der Kläger - wie jeder Käufer - den lediglich in seinem eigenen Interesse
liegenden Zweck, das Kaufobjekt zu Eigentum zu erwerben. Mit der Zusatzvereinbarung sollte lediglich eine Nachverhandlung zur etwaigen Anpassung des
Kaufpreises an die bei Vertragsschluss noch nicht endgültig ermittelten tatsächlichen Baukosten ermöglicht werden. Dass der Kläger nicht nur Käufer einer
Eigentumswohnung war, sondern darüber hinaus im Innenverhältnis aufgrund
schuldrechtlicher Absprachen mit gesellschaftsrechtlicher Bindung noch in die
restliche, kurz bevorstehende Fertigstellung des Gesamtobjekts einbezogen
werden sollte (vgl. BGHZ 142, 137, 144 f.; MünchKommBGB/Ulmer aaO § 705
Rdn. 284 f.), lässt sich den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht entnehmen.
b) Die Konstruktion der Gründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts
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zwischen den Parteien und den Eltern des Klägers zur Fertigstellung des Mehrfamilienhauses lässt sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht
dem vom Kläger vorgelegten notariellen Vergleichsvorschlag des Notars
S.
entnehmen. Dem Vergleichsentwurf kommt schon deshalb kein Be-
weiswert zu, weil ein Vergleich dieses Inhalts nicht zustande gekommen ist.
Zudem datiert der maßgebliche Vergleichsentwurf aus dem Jahr 2000, mithin
aus einer Zeit, als das Bauprojekt, zu dessen Verwirklichung die Gesellschaft
nach Meinung des Berufungsgerichts gegründet wurde, bereits zwei Jahre fertig gestellt war. Abgesehen davon sah der Entwurf lediglich vor, dass die Beklagte das Anwesen dem Kläger zu 50 % und seinen Eltern zu je 25 % in Gesellschaft bürgerlichen Rechts übertragen sollte, um auf diese Weise die bestehenden Streitigkeiten zu beenden. Dies rechtfertigt in keiner Weise die Annahme, dass etwa vor Erstellung des Entwurfes eine Gesellschaft bürgerlichen
Rechts unter Einschluss der Beklagten bestanden hätte.
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c) Überdies lässt das Berufungsgericht - unter Verletzung des Anspruchs
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des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs - völlig außer Acht, dass seine
Würdigung zum Vortrag des Klägers und ebenso zu dem - bis zur Erteilung eines entsprechenden Hinweises durch das Berufungsgericht gehaltenen - Vortrag der Beklagten in Widerspruch steht. Nach dem Vorbringen des Klägers
haben die Beklagte und sein Vater als Gesellschaft bürgerlichen Rechts das
Mehrfamilienhaus errichtet. Demgegenüber hatte die Beklagte stets die Gründung einer derartigen Gesellschaft unter ausdrücklichem Leugnen eines gemeinsamen Zwecks in Abrede gestellt und behauptet, als Bauherrin den Vater
des Klägers mit der Verwirklichung des Bauvorhabens beauftragt zu haben.
Dementsprechend hat die Beklagte, was das Berufungsgericht ebenfalls übersehen hat, auch den Vater des Klägers in einem weiteren Prozess nicht etwa
auf Auseinandersetzung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, sondern auf
Auskunft und Rückzahlung des überschüssigen Betrags in Anspruch genommen.
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d) Schließlich wird die Auffassung, der Kläger habe mit der Beklagten
und seinen Eltern zum Zwecke der Fertigstellung des Bauvorhabens durch
schlüssiges Verhalten eine Innengesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet,
auch nicht von der Hilfserwägung des Berufungsgerichts getragen, diese Feststellung entspreche dem eigenen Vortrag des Klägers, den dieser in einem weiteren - von der Beklagten gegen ihn geführten - Rechtsstreit gehalten habe.
Anders als das Berufungsgericht offenbar meint, lässt sich den von ihm angeführten Schriftsätzen des in Bezug genommen Verfahrens keineswegs entnehmen, der Kläger sei zusammen mit seinen Eltern und der Beklagten an einer
Gesellschaft bürgerlichen Rechts beteiligt gewesen, um das Bauvorhaben fertig
zu stellen. Vielmehr hat sich der Kläger auch im dortigen Verfahren lediglich
darauf berufen, das Bauvorhaben sei von seinem Vater und der Beklagten in
Gesellschaft bürgerlichen Rechts errichtet worden.
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2. Wie die Revision mit Recht rügt, stünde der Annahme einer gesellschaftsvertraglich fundierten Durchsetzungssperre außerdem entgegen, dass
der Anspruch auf Rückübertragung des Erbanteils seine Grundlage nicht in einem - vom Berufungsgericht zu Unrecht angenommenen - Gesellschaftsvertrag, sondern in dem Kaufvertrag der Parteien über den Erbanteil findet. Ebenso wie andere gesellschaftsrechtliche Beschränkungen kann die Durchsetzungssperre den Ansprüchen eines Gesellschafters nur entgegengehalten werden, wenn und soweit die Ansprüche auf dem gesellschafterlichen Verhältnis
beruhen (Sen.Urt. v. 3. April 2006 - II ZR 40/05, ZIP 2006, 994, 996 Tz. 18 ff.;
Sen.Urt. v. 16. September 1985 - II ZR 41/85, WM 1986, 68). Macht ein Gesellschafter indessen gegen seinen Mitgesellschafter eine Forderung aus einem
anderen Rechtsverhältnis als der Gesellschaft geltend und steht er demzufolge
seinem Mitgesellschafter in Bezug auf diese Forderung wie ein dritter Gläubiger
gegenüber, fehlt es an der - die Durchsetzungssperre allein rechtfertigenden gesellschafterlichen Bindung.
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So aber läge der Fall - wollte man die verfehlte Annahme des Berufungsgerichts vom Bestehen einer Innengesellschaft bürgerlichen Rechts
zugrunde legen - hier. Nach Ansicht des Berufungsgerichts kam es frühestens
1995/1997 zur Entstehung der Innengesellschaft. Demgegenüber haben die
Parteien den Vertrag, mit dem der Kläger den Erbanteil an die Beklagte veräußerte und aus dem er seinen Rückübertragungsanspruch herleitet, bereits im
Jahr 1993, mithin unabhängig von der Gründung einer Gesellschaft geschlossen. Dass nach der Vorstellung der Parteien mit dem Erwerb des Erbanteils
auch die Bebauung des vom Vater des Klägers erworbenen Grundstücks gesichert werden sollte und - wie vom Berufungsgericht angenommen - eine später
gegründete Gesellschaft den gleichgerichteten Zweck verfolgte, den begonnenen Bau eines Mehrfamilienhauses fertig zu stellen, rechtfertigt es entgegen der
Meinung des Berufungsgerichts nicht, den auf einem anderen Rechtsverhältnis
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beruhenden Anspruch einer gesellschaftsrechtlichen Durchsetzungssperre zu
unterwerfen.
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III. Aufgrund der aufgezeigten Rechtsfehler kann das Berufungsurteil mit
der gegebenen Begründung nicht aufrechterhalten werden. Mangels Endentscheidungsreife ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen
(§§ 562, 563 Abs. 1 ZPO), damit es sich nunmehr mit dem - von seinem bisherigen Rechtsstandpunkt aus nicht entscheidungserheblichen - streitigen Parteivorbringen befassen und die erforderlichen Feststellungen treffen kann.
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Zur Vermeidung erneuter rechtlicher Fehlbewertungen weist der Senat
auf Folgendes hin:
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Eine die Anwendung des § 352 BGB gegenüber dem Klageanspruch
rechtfertigende Aufrechnungslage lässt sich allein aus der privatschriftlichen
Zusatzabrede über die "Nachverhandlung des Kaufpreises nach den tatsächlichen Baukosten entweder nach unten oder nach oben" - unabhängig von der
Frage ihrer Formbedürftigkeit nach § 311 b Abs. 1 BGB (§ 313 BGB a.F.; vgl.
MünchKommBGB/Kanzleiter 5. Aufl. § 311 b Rdn. 51) - nicht ableiten. Besteht
nur das Recht, eine Nachverhandlung zu verlangen, so stand der Beklagten im
Zeitpunkt des "Rücktritts" des Klägers bzw. der eigenen Aufrechnungserklärung
ein fälliger, aufrechenbarer Gegenanspruch auf Zahlung eines höheren Kaufpreises (noch) nicht zu.
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Bei der Zurückverweisung hat der Senat von der Möglichkeit des § 563
Abs. 1 Satz 2 ZPO und der Nichterhebung der Gerichtskosten für das Revisionsverfahren gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG Gebrauch gemacht. Eine erneute
- 10 -
Übertragung des Rechtsstreits an den Einzelrichter dürfte im Hinblick auf § 526
Abs. 1 Nr. 2 ZPO nicht in Betracht kommen.
Kurzwelly
Kraemer
Reichart
Caliebe
Drescher
Vorinstanzen:
LG Koblenz, Entscheidung vom 05.08.2005 - 15 O 95/05 OLG Koblenz, Entscheidung vom 12.07.2006 - 1 U 1322/05 -