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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 162/05
Verkündet am:
23. Oktober 2006
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
AktG §§ 41, 262, 265; BGB §§ 314, 723
a) Eine Vor-Gesellschaft (hier: Vor-AG) kann durch Kündigung eines Gesellschafters aus wichtigem Grund entsprechend § 723 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3
Nr. 1 BGB aufgelöst werden.
b) Ein wichtiger Grund für die Kündigung kann insbesondere vorliegen, wenn
der Fortgang der Gesellschaftsgründung daran scheitert, dass ein Mitgesellschafter zur Erbringung seiner Einlage außerstande ist.
c) Für die Abwicklung einer aufgelösten Vor-AG sind nicht entsprechend
§§ 730 ff. BGB deren Gesellschafter, sondern entsprechend § 265 Abs. 1
AktG die Vorstandsmitglieder zuständig (im Anschluss an BGH, Urt. v.
28. November 1997 - V ZR 178/96, ZIP 1998, 109).
BGH, Urteil vom 23. Oktober 2006 - II ZR 162/05 - OLG Frankfurt am Main
LG Frankfurt am Main
-2-
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
Verhandlung
vom
23. Oktober
2006
durch
den
Vorsitzenden
Richter
Prof. Dr. Goette und die Richter Kraemer, Dr. Strohn, Caliebe und Dr. Reichart
für Recht erkannt:
Die Revisionen gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 10. Mai 2005 werden auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Klägerin und die Beklagte zu 2 gründeten am 30. März 2000 zu notarieller Urkunde die Beklagte zu 1, eine Aktiengesellschaft, die im Bereich der
Telekommunikation tätig werden sollte. Von dem Grundkapital in Höhe von
3 Mio. €, eingeteilt in 3 Mio. vinkulierte Namensaktien, übernahmen die Klägerin
750.001 und die Beklagte zu 2 die übrigen Aktien. Die Einlagen waren bar zu
leisten und sofort in voller Höhe zur Zahlung fällig, sind aber nicht einbezahlt
worden. Die - nach wie vor nicht im Handelsregister eingetragene - Beklagte
zu 1 nahm ihre Geschäftstätigkeit auf. In der Folgezeit erklärte sich die Beklagte
zu 2 zur Leistung ihrer Einlage außerstande. Im August und September 2000
forderte die Klägerin die Beklagte zu 2 unter Fristsetzung vergeblich zur Leistung der Einlage auf. Wie vorher angedroht, erklärte sie schließlich mit Schrei-
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ben vom 7. Oktober 2001 die Kündigung der Vor-Gesellschaft gegenüber beiden Beklagten aus wichtigem Grund und verlangte von dem Vorstand der Beklagten zu 1, dessen Vorsitzender der Alleingesellschafter und Geschäftsführer
der Beklagten zu 2 ist, die Liquidation der Vor-Gesellschaft durchzuführen.
2
Mit der Klage hat die Klägerin die Feststellungen begehrt, dass die Beklagte zu 1 als AG i.Gr. durch die Kündigung vom 7. Oktober 2001 aufgelöst
worden ist (Antrag zu 1) und ihre Vorstandsmitglieder verpflichtet sind, die Liquidation zu besorgen (Antrag zu 2). Nach Rechtshängigkeit hat die Beklagte
zu 1 die Klägerin und die Beklagte zu 2 zur Leistung der Einlagen aufgefordert.
Beide Beklagte meinen, die Vor-AG könne nicht durch Kündigung, sondern nur
in entsprechender Anwendung der §§ 262 ff. AktG aufgelöst werden. Jedenfalls
sei bei der Frage eines wichtigen Grundes für die Kündigung zu berücksichtigen, dass der Vorsitzende des Aufsichtsrats und Vertreter der Mehrheitsaktionärin der Klägerin dem Geschäftsführer der Beklagten zu 2 zugesagt habe, das
für die Gründung der Beklagten zu 1 erforderliche Kapital darlehensweise zur
Verfügung zu stellen, diese Zusage aber zurückgezogen habe. Zudem sei in
einer Aufsichtsratssitzung der Beklagten zu 1 vom 19. Juli 2000 beschlossen
worden, den Weg ihrer Gründung zu ändern.
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Das Landgericht hat der Klage entsprochen; die Berufung der Beklagten
blieb erfolglos. Dagegen richtet sich die - von dem Berufungsgericht zugelassene - Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
4
Die Revision ist unbegründet.
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A. Klageantrag zu 1:
6
I. Der Klageantrag ist, wie auch das Berufungsgericht von der Revision
unbeanstandet annimmt, gegenüber beiden Beklagten zulässig.
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1. Die Beklagte zu 1 besteht zwar mangels Eintragung im Handelsregister nicht als juristische Person (§ 41 Abs. 1 AktG); sie ist aber als VorGesellschaft ein von ihren Gründern bzw. Gesellschaftern verschiedenes körperschaftlich strukturiertes Rechtsgebilde mit eigenen Rechten und Pflichten
(BGHZ 117, 323, 326) und als solches rechtsfähig sowie im Rechtsstreit parteifähig (§ 50 Abs. 1 ZPO; vgl. BGH, Urt. v. 28. November 1997 - V ZR 178/96,
ZIP 1998, 109). Die etwaige Auflösung der Beklagten zu 1 (aufgrund der Kündigung der Klägerin vom 7. Oktober 2001) ließe ihre Rechts- und Parteifähigkeit
als Vor-Gesellschaft in Liquidation unberührt (vgl. BGH, Urt. v. 28. November
1997 aaO).
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2. Der Antrag auf Feststellung der Auflösung der Beklagten zu 1 betrifft
Rechtsverhältnisse der Klägerin gegenüber beiden Beklagten im Sinne von
§ 256 Abs. 1 ZPO. Die Gesellschafter einer Vor-Gesellschaft stehen in Rechtsbeziehungen sowohl zu ihr als auch untereinander. Sie schulden der Vor-AG
insbesondere die Leistung der versprochenen Einlagen (§ 54 Abs. 2 AktG; vgl.
Hüffer, AktG 7. Aufl. § 54 Rdn. 3); weiter sind sie untereinander verpflichtet, die
Entstehung der Aktiengesellschaft zu fördern (vgl. Flume, Allgemeiner Teil des
Bürgerlichen Rechts Bd. I/2 Die juristische Person § 5 III 2 Seite 157 f.;
MünchKommAktG/Pentz, 2. Aufl. § 41 Rdn. 41; Scholz/K. Schmidt, GmbHG
9. Aufl. § 11 Rdn. 43) und bei der Anmeldung zum Handelsregister gemäß § 36
Abs. 1 AktG mitzuwirken (vgl. Pentz aaO § 36 Rdn. 19; Röhricht in
Großkomm.z.AktG 4. Aufl. § 36 Rdn. 8). Diese Verpflichtungen entfallen naturgemäß mit der Auflösung der Vor-Gesellschaft. An die Stelle ihrer ursprüngli-
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chen Zwecksetzung (vgl. dazu BGHZ 80, 129, 139) tritt der Abwicklungszweck
(vgl. Hüffer aaO § 262 Rdn. 2) mit der Folge, dass ihr Anspruch auf Leistung
ausstehender Einlagen sich nach allgemeinen Grundsätzen auf das für die Abwicklung Erforderliche beschränkt (vgl. MünchKommAktG/Hüffer, 2. Aufl. § 264
Rdn. 22; Kraft in Kölner Komm.z.AktG, 2. Aufl. Vorbem. § 262 Rdn. 19;
Roth/Altmeppen, GmbHG 5. Aufl. § 69 Rdn. 6 f.; MünchKommBGB/Ulmer,
4. Aufl. vor § 723 Rdn. 6). Daraus ergibt sich zugleich, dass die Klägerin ein
berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung im Sinne von § 256 Abs. 1
ZPO gegenüber beiden Beklagten hat.
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II. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht die Auflösung der Beklagten zu 1 aufgrund der Kündigung der
Klägerin vom 7. Oktober 2001 festgestellt. Eine andere zumutbare Form der
Beendigung der Vor-Gesellschaft besteht für die Klägerin nicht.
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1. Nach der Rechtsprechung des Senats ist die - einer Kapitalgesellschaft vorgelagerte - Vor-Gesellschaft eine Organisationsform eigener Art, welche den im Gesetz oder im Gesellschaftsvertrag statuierten Gründungsvorschriften sowie dem Recht der angestrebten Gesellschaftsform unterliegt, soweit es mit ihrem besonderen Zweck vereinbar ist und nicht die Eintragung im
Handelsregister voraussetzt (vgl. Senat, BGHZ 21, 242, 246; 51, 30, 32; 80,
212, 214).
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a) Das Aktiengesetz sieht zwar eine Auflösung der eingetragenen Gesellschaft durch Kündigung nicht vor (vgl. § 262 Abs. 1 AktG), was aber nicht
zwangsläufig auch für eine Vor-Gesellschaft gelten muss, deren Rechtsverhältnisse an sich zur Regelungsmaterie der Gründungsvorschriften gehören, dort
aber nur bruchstückhaft geregelt sind (vgl. Hüffer, AktG 7. Aufl. § 41 Rdn. 7).
Anders als die im Handelsregister eingetragene Kapitalgesellschaft ist die Vor-
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Gesellschaft nicht auf einen dauerhaften Bestand als Unternehmensträgerin,
sondern darauf ausgerichtet, als Vorstufe der juristischen Person deren Entstehung durch Einziehung der Mindesteinlagen (§ 36 a AktG) und durch Anmeldung zum Handelsregister (§ 36 Abs. 1 AktG) zu bewirken (Senat, BGHZ 80,
129, 132 ff.). Ob es tatsächlich zur Entstehung der juristischen Person kommt
oder die Gründung schließlich scheitert, ist in dieser Phase noch offen. Der VorGesellschaft fehlt damit die verfestigte, auf Dauer angelegte Struktur und Verselbständigung, welche der juristischen Person eigen ist (vgl. Barz in GroßkommAktG 3. Auf. § 29 Rdn. 13; Ulmer in Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG
§ 11 Rdn. 53) und die enge Auswahl der Auflösungsgründe in §§ 262 AktG, 6062 GmbHG rechtfertigt.
12
b) Zu Recht wird deshalb im Schrifttum angenommen, dass der zwingende Charakter der Vorschriften des Aktiengesetzes (§ 23 Abs. 5) der Wirksamkeit einer Satzungsbestimmung, welche die Auflösung der Gesellschaft
durch Kündigung vorsieht, im Stadium der Vor-Gesellschaft nicht entgegensteht
(MünchKommAktG/Hüffer aaO § 262 Rdn. 24). Im vorliegenden Fall fehlt zwar
eine entsprechende Satzungsregelung. Das schließt aber eine Kündigung der
Vor-Gesellschaft aus wichtigem Grund nicht aus.
13
Ein entsprechendes Kündigungsrecht findet sich in § 723 Abs. 1 Satz 2
und Satz 3 Nr. 1 BGB und ist Ausdruck eines allgemeinen, nunmehr in § 314
BGB kodifizierten Rechtsgrundsatzes, nach dem ein Dauerschuldverhältnis aus
wichtigem Grund fristlos gekündigt werden kann, wenn dem kündigenden Teil
eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht mehr zumutbar ist (vgl.
MünchKommBGB/Ulmer aaO § 723 Rdn. 26). In Anlehnung hieran billigt der
Senat in ständiger Rechtsprechung dem Gesellschafter einer (eingetragenen)
GmbH ein Austrittsrecht aus wichtigem Grund zu, wenn Umstände vorliegen,
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die ihm den weiteren Verbleib in der Gesellschaft unzumutbar machen
(BGHZ 9, 157, 162 f.; 116, 359, 369). Dieses Austrittsrecht, das der Sache nach
auf eine Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses hinausläuft, führt allerdings
nicht zur Auflösung der GmbH, sondern bedarf einer Umsetzung dadurch, dass
der Geschäftsanteil eingezogen (§ 34 GmbHG) oder von einem anderen Gesellschafter oder von einem Dritten übernommen wird (vgl. BGHZ 88, 320;
Sen.Urt. v. 2. Dezember 1996 - II ZR 243/95, NJW-RR 1997, 606). Das setzt
die Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister voraus, weil Geschäftsanteile vorher nicht bestehen (vgl. Senat BGHZ 21, 242, 245; Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG 16. Aufl. § 14 Rdn. 2; § 15 Rdn. 2).
14
Im Ergebnis ebenso ist auch das Ausscheiden aus einer Vor-AG nur auf
dem Wege einer einstimmigen Satzungsänderung möglich (vgl. § 41 Abs. 4
AktG; Hüffer, AktG 7. Aufl. § 41 Rdn. 30; Kraft in Kölner Komm.z.AktG 2. Aufl.
§ 41 Rdn. 112; zur Vor-GmbH BGHZ 21, 242, 246). Diesen Weg eröffnet die
Beklagte zu 2 der Klägerin aber nicht. Ihr geht es vielmehr, wie das Berufungsgericht feststellt, gerade darum, dass die Klägerin die ihr obliegende Einlageverpflichtung erfüllt, obwohl sie, die Beklagte zu 2, ihrerseits nicht leistungsbereit ist. Andererseits ist die Beklagte zu 1 weder willens noch überhaupt in der
Lage, die Anteile der Beklagten zu 2 gemäß § 64 AktG zu kaduzieren, weil diese Vorschrift ebenfalls die Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister voraussetzt (vgl. Lutter in Kölner Komm.z.AktG § 63 Rdn. 8, § 64 Rdn. 12; Gehrlein in Großkomm.z.AktG 4. Aufl. § 64 Rdn. 15). Ebenso wenig ist die Klägerin
(als Minderheitsgesellschafterin) in der Lage, einen Auflösungsbeschluss herbeizuführen, zumal nach der Satzung der Beklagten zu 1 das Stimmrecht erst
mit Zahlung der Einlage beginnt.
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c) Ist sonach ein Ausscheiden aus der Vor-Gesellschaft nicht möglich,
muss der allgemeine Grundsatz des § 723 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 Nr. 1 BGB
zum Zuge kommen. Auf eine Auflösungsklage in entsprechender Anwendung
der §§ 61 GmbHG, 133 HGB kann die Klägerin entgegen der Ansicht der Revision nicht verwiesen werden. Das Fehlen eines Austrittsrechts im Stadium der
Vor-Gesellschaft legitimiert zwar für sich allein noch nicht den Rückgriff auf das
weitergehende Kündigungsrecht mit Auflösungsfolge entsprechend § 723 BGB.
Umgekehrt beruht aber der Umstand, dass dem Gesellschafter einer GmbH nur
eine "Austrittskündigung" anstelle einer "Auflösungskündigung" entsprechend
§§ 314, 723 BGB zugebilligt wird, darauf, dass § 61 GmbHG im Interesse der
Erhaltung des Gesellschaftsunternehmens eine Auflösung nur im Klagewege
und nur unter engen Voraussetzungen zulässt. Derselbe Gedanke der Unternehmenserhaltung liegt auch der Neufassung des § 131 Abs. 3 HGB (durch
HRefG vom 22. Juni 1998) im Verhältnis zu § 133 HGB zugrunde (vgl. Baumbach/Hopt, 32. Aufl. § 131 Rdn. 1; § 133 Rdn. 1). Aus dem gleichen Grund sieht
das Aktiengesetz eine Auflösungsklage einzelner Aktionäre erst gar nicht vor.
Wie eingangs ausgeführt, ist jedoch die Vor-Gesellschaft nicht auf dauerhaften
Bestand als Unternehmensträgerin, sondern nur darauf angelegt, die Entstehung der juristischen Person zu ermöglichen. Sie ist auch keine OHG (Senat,
BGHZ 51, 30, 32), sofern ihre Geschäftstätigkeit nicht nach Aufgabe der Eintragungsabsicht fortgesetzt wird (vgl. BGHZ 22, 240, 244; 152, 293, 294 f.). Aus
diesen Gründen wird im Schrifttum die Anwendbarkeit des allgemeinen Grundsatzes des § 723 BGB auf die Vor-Gesellschaft weit überwiegend befürwortet
(vgl. Barz in Großkomm.z.AktG 3. Aufl. § 29 Anm. 13; Eckardt in Geßler/Hefermehl, AktG § 29 Rdn. 38, 41; Flume aaO Seite 158; MünchHdb GesR IV/Hoffmann-Becking, 2. Aufl. § 3 Rdn. 31; zur Vor-GmbH vgl. Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG 18. Aufl. § 11 Rdn. 30; Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff,
GmbHG 16. Aufl. § 11 Rdn. 17; U. Huber in FS R. Fischer S. 263, 293 sowie
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insbesondere Hachenburg/Ulmer, GmbHG 8. Aufl. § 11 Rdn. 39; ders. in Großkomm. GmbHG § 11 Rdn. 53; a.A. OLG Hamm, GmbHR 1994, 706; Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG 4. Aufl. § 11 Rdn. 64, 66; K. Schmidt in Großkomm.z.AktG 4. Aufl. § 41 Rdn. 123; ders. in Scholz, GmbHG 9. Aufl. § 11
Rdn. 55; wohl auch Roth/Altmeppen, GmbHG 5. Aufl. § 11 Rdn. 63).
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Zuzustimmen ist dieser Auffassung zumindest für den hier relevanten
Fall, dass ein Gründer trotz Aufforderung nicht die notwendige Mitwirkung bei
der Vollendung der juristischen Person leistet, so dass diese endgültig zu scheitern droht oder schon als gescheitert anzusehen ist (vgl. Flume aaO S. 158).
Soweit darüber hinaus die Auffassung vertreten wird, das endgültige Scheitern
der
Gesellschaftsgründung
führe
schon
kraft
Gesetzes
entsprechend
§ 726 Alt. 2 BGB zur Auflösung der Vor-Gesellschaft (Röhricht in Großkomm.z.AktG 4. Aufl. § 36 Rdn. 116; Schmidt-Leithoff aaO § 11 Rdn. 66;
K. Schmidt in Großkomm.z.AktG aaO § 41 Rdn. 123), mag dem für den exemplarisch genannten Fall rechtskräftiger Ablehnung des Eintragungsantrags zuzustimmen sein, während aber ansonsten der Zeitpunkt der Auflösung infolge
eines "Scheiterns" der Gründung für die Gesellschaftsorgane schwer zu beurteilen ist und deshalb der Fixierung durch eine Kündigung (oder durch einen
Auflösungsbeschluss) bedarf, wenn der betreffende Gesellschafter nicht Gefahr
laufen will, durch eine Fortführung der Geschäfte der Vor-Gesellschaft in eine
unbeschränkte
Außenhaftung
nach
personengesellschaftsrechtlichen
Grundsätzen zu geraten (vgl. BGHZ 152, 290). Mit der Kündigung, die zur Auflösung der Vor-Gesellschaft führt, unternimmt er von seiner Seite aus das, was
der Senat (aaO) von sämtlichen Gesellschaftern einer Vor-Gesellschaft zur
Vermeidung einer solchen Außenhaftung verlangt, nämlich bei erkennbarem
Scheitern der Gründung die werbende Geschäftstätigkeit sogleich zu beenden
und die Vor-Gesellschaft abzuwickeln. Schon aus diesem Grund sowie zur Be-
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schleunigung der Abwicklung im Falle eines Scheiterns der Gründung muss
einem Vor-Gesellschafter das besagte Kündigungsrecht und nicht nur der
langwierige Weg einer Auflösung durch Gestaltungsurteil entsprechend §§ 61
GmbHG, 133 HGB zu Gebote stehen. Gründe der Rechtssicherheit und
Rechtsklarheit erzwingen - entgegen der Ansicht der Revision - nicht die Notwendigkeit einer Auflösungsklage entsprechend §§ 61 GmbHG, 133 HGB.
Streit um die Wirksamkeit einer Kündigung kann es auch im Falle einer zulässigen Kündigungsklausel in der Satzung geben. Ebenso kann die Wirksamkeit
eines Auflösungsbeschlusses streitig sein. Endgültige Rechtsklarheit wird hier
wie dort erst durch die gerichtliche Entscheidung geschaffen.
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d) Entgegen der Ansicht der Revision ist die Beklagte zu 1 nicht schon
deshalb als OHG zu qualifizieren (mit der Folge der Anwendbarkeit der §§ 131
Abs. 3 Nr. 3, 133 HGB), weil sie nach ihrer Gründung eine Geschäftstätigkeit
aufgenommen hat. Abgesehen davon, dass die Beklagte zu 1 gemäß dem Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils eine Geschäftstätigkeit nur "in Form von
Akquisition, Administration und Organisation aufgenommen" hat, gelten für die
(zulässige) Geschäftstätigkeit im Rahmen einer Vor-Gesellschaft besondere
Grundsätze (vgl. BGHZ 80, 129, 139). Dass die Prozessparteien schon geraume Zeit vor der Kündigung der Klägerin im Oktober 2001 ihre Eintragungsabsicht aufgegeben hatten und die Beklagte zu 1 damit schon zur Zeit der Kündigung in eine "unechte Vor-Gesellschaft" in Form einer OHG umqualifiziert war
(vgl. Senat BGHZ 152, 290; MünchKommAktG/Hüffer aaO § 262 Rdn. 24;
Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG 18. Aufl. § 11 Rdn. 32), ist nicht vorgetragen. Vielmehr wurde nach dem Vortrag der Beklagten über Ersatzlösungen für
die Finanzierung der Gründung verhandelt (vgl. unten 2 c).
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2. Ohne Rechtsfehler erachtet das Berufungsgericht einen wichtigen
Grund für die Kündigung der Klägerin für gegeben.
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a) Entgegen der Ansicht der Revision scheitert die Annahme eines wichtigen Grundes wegen fehlender Bereitschaft der Beklagten zu 2 zur Einlageleistung nicht daran, dass die Einlagen zur Zeit der Kündigung der Klägerin noch
nicht vom Vorstand der Beklagten zu 1 eingefordert (§ 63 AktG), sondern nur
von der Klägerin angemahnt waren. Dahinstehen kann, ob es angesichts der in
der Satzung der Beklagten zu 1 bestimmten sofortigen Fälligkeit der Einlage
(vgl. dazu MünchKommAktG/Bayer 2. Aufl. § 63 Rdn. 38; vgl. auch BGHZ 110,
47, 76) und der dem Vorstand der Beklagten zu 1 durch ihren Vorsitzenden,
den Geschäftsführer der Beklagten zu 2, bekannten Leistungsunfähigkeit der
Beklagten zu 2 einer "Aufforderung" im Sinne von § 63 Abs. 1 AktG überhaupt
bedurfte oder ob dies unter den vorliegenden Umständen nicht eine pure Förmelei wäre. Entscheidend ist vielmehr, dass die Beklagte zu 2 nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zur Leistung effektiv außerstande war und die
Klägerin deshalb nach den ergebnislosen Fristsetzungen und den sich hinziehenden Verhandlungen schließlich von einem Scheitern der Gründung ausgehen durfte, wie bereits ausgeführt.
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b) Wie das Berufungsgericht zu Recht annimmt, kann der Klägerin unter
den vorliegenden Umständen nicht vorgehalten werden, dass auch sie ihre Einlage nicht an die Beklagte zu 1 geleistet hat. Denn nach den vorinstanzlichen
Feststellungen hatten sich beide Beklagte hoher Aufwendungen in Form von
"Gründungskosten" (mehr als 1 Mio. DM) berühmt, darunter Gehaltsforderungen von 330.000,00 DM für den Vorstandsvorsitzenden der Beklagten zu 1 und
Geschäftsführer der Beklagten zu 2. Die Klägerin musste deshalb befürchten,
dass ihre Einlageleistung sofort zur Deckung der von ihr bestrittenen Aufwen-
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dungen verbraucht würde, ohne dass damit - schon wegen fehlender Mindesteinlage der Beklagten zu 2 - die Voraussetzungen für eine Registeranmeldung
der Beklagten (§§ 36 f. AktG) herbeigeführt werden könnten.
21
c) Entgegen der Ansicht der Revision scheitert die Kündigung der Klägerin auch nicht daran, dass die Beklagte zu 2 eine "Anpassung" der Gründungsvereinbarungen wegen "Wegfalls der Geschäftsgrundlage" verlangen konnte,
weil die angeblich von einem Aufsichtsratsmitglied der Klägerin gegenüber der
Beklagten zu 2 erteilte Finanzierungszusage nicht eingehalten worden sein soll.
Abgesehen davon, dass die "Zusage" nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ohnehin sehr vage war, kann sie der Klägerin - als Erklärung eines Dritten - jedenfalls nicht zugerechnet werden. Wenn sich die Beklagte zu 2 trotz
Unbestimmtheit der genannten Zusage zu ihrer Beteiligung an der Gründung
der Beklagten zu 1 bereit fand, so war das ihr Risiko. Selbst wenn dies Geschäftsgrundlage gewesen wäre, so wäre die Klägerin aus diesem Grund erst
recht zu der Kündigung gemäß § 313 Abs. 3 Satz 2 BGB berechtigt, weil die
von der Beklagten zu 2 angebotene Alternativlösung keine der Klägerin zumutbare Anpassung gewesen wäre. Danach sollte die Beklagte zu 1 unter Herabsetzung ihres Grundkapitals auf eine erst noch zu erwerbende (bereits eingetragene) Vorrats-AG verschmolzen, also eine zweite AG ins Spiel gebracht
werden. Das geht über eine bloße Anpassung hinaus und lässt auch nicht erkennen, welche Vorteile sich aus einem derartigen - mit erheblich höheren
Gründungskosten verbundenen - Vorgehen hätten ergeben sollen. Ebenso wenig ist ersichtlich, weshalb nunmehr ein geringeres Grundkapital für eine erfolgreiche Unternehmensführung ausreichen sollte. Die Klägerin musste darauf
nicht eingehen. Aus ihrer gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht folgt auch nicht,
dass sie ihre eigenen Interessen gegenüber denjenigen der Beklagten zu 2 zurückzustellen und ihr eine gleich bleibende Beteiligung trotz geringen Kapital-
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einsatzes einzuräumen hatte. Vielmehr durfte die Klägerin nach den sich hinziehenden Verhandlungen die Gründung der Beklagten zu 1 als gescheitert ansehen und kündigen.
22
B. Klageantrag zu 2:
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I. Der Antrag auf Feststellung, dass die Vorstandsmitglieder der Beklagten zu 1 deren Liquidation "zu besorgen" haben, ist gegenüber beiden Beklagten zulässig.
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1. Zwar fehlt es insoweit an einem Rechtsverhältnis zwischen den Prozessparteien, weil die von der Klägerin postulierte Abwicklungsverpflichtung der
Vorstandsmitglieder gemäß § 265 Abs. 1 AktG gegenüber der Gesellschaft besteht. Jedoch kann auch ein Drittrechtsverhältnis Gegenstand einer Feststellungsklage sein, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dessen Klärung
hat. Ein entsprechendes Interesse hat der Senat zuletzt im Urteil vom
10. Oktober 2005 (II ZR 90/03, BGHZ 164, 249 = ZIP 2005, 2207) angenommen, soweit es um die Verletzung von Mitgliedschaftsrechten eines Aktionärs
durch pflichtwidriges Vorstandshandeln geht. So liegt der Fall auch hier, weil
der Vorstand der Beklagten bisher aus der Kündigung der Klägerin keine Abwicklungskonsequenzen gezogen hat.
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2. Zulässig ist der Feststellungsantrag - entgegen der Meinung der Revision - auch gegenüber der Beklagten zu 2. Denn insoweit geht es hier um die
Befugnisse der beiden Gesellschafterinnen untereinander im Verhältnis zum
Vorstand der Beklagten zu 1, weil dieser im Stadium der Vor-Gesellschaft noch
an Weisungen der Gründer gebunden ist, § 76 Abs. 1 AktG hier also noch nicht
gilt (vgl. K. Schmidt in Großkomm.z.AktG 4. Aufl. § 41 Rdn. 57). Mit der begehrten Feststellung wird im Verhältnis zwischen den beiden Gründungsgesellschaf-
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terinnen geklärt, dass eine Abwicklungsanweisung gegenüber den Vorstandsmitgliedern rechtens ist und eine gegenteilige Weisung der Beklagten zu 2
Grundlage für Schadensersatzansprüche der Klägerin sein kann.
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3. Ein Feststellungsinteresse der Klägerin im Sinne von § 256 Abs. 1
ZPO ist nicht, wie die Revision meint, "aus tatsächlichen Gründen" bzw. deshalb zu verneinen, weil die Beklagten eine Abwicklungsverpflichtung der Vorstandsmitglieder für den Fall der Auflösung der Beklagten zu 1 nicht in Abrede
genommen hätten. Schon dadurch, dass die Beklagten eine Auflösung der Beklagten zu 1 überhaupt bestreiten und die Abweisung des Antrags begehren,
stellen sie zwangsläufig eine Abwicklungsverpflichtung der Vorstandsmitglieder
in Abrede. Darüber hinaus berufen sie sich darauf, dass gemäß der bisherigen
Rechtsprechung des Senats nicht die Vorstandsmitglieder einer Vor-AG, sondern analog §§ 730 ff. BGB deren Gesellschafter zur Abwicklung berufen seien
(mit Hinweis auf BGHZ 51, 30, 34; 86, 122, 127 zur Vor-GmbH).
II. Der Antrag auf Feststellung der Abwicklungspflicht der Vorstandsmit-
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glieder ist begründet. Wie die Revision selbst ausführt, ist der V. Zivilsenat des
Bundesgerichtshofs im Urteil vom 28. November 1997 (V ZR 178/96, ZIP 1998,
109)
in
Übereinstimmung
mit
dem
neueren
Schrifttum
(vgl.
MünchKommAktG/Hüffer 2. Aufl. § 265 Rdn. 3; MünchKommAktG/Pentz aaO
§ 41 Rdn. 49) davon ausgegangen, dass für die Abwicklung einer VorGesellschaft die Vorstandsmitglieder entsprechend §§ 60 ff., 66 GmbHG, 265
Abs. 1 AktG zuständig sind. Dem tritt der Senat bei, weil die Kompetenzverteilung der §§ 730 ff. BGB zu der - durch Fremdorganschaft geprägten - körperschaftlichen Struktur der Vor-Gesellschaft nicht passt und die Haftungsverhältnisse der Gründer vom Eintritt in das Liquidationsstadium unberührt bleiben.
Die Anwendung des allgemeinen Grundsatzes des § 723 BGB auf den vorlie-
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genden Fall steht dazu nicht in Widerspruch. Dieser Grundsatz betrifft nur die
Voraussetzungen der Auflösung, nicht die Modalitäten der Abwicklung.
Goette
Kraemer
Caliebe
Strohn
Reichart
Vorinstanzen:
LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 19.03.2003 - 3/13 O 5/02 OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 10.05.2005 - 5 U 59/03 -