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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 132/07
Verkündet am:
14. Juli 2008
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB §§ 371, 398, 812 Abs. 1
a) Eine Klage auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung eines unter § 794
ZPO fallenden Titels analog § 371 BGB ist - jedenfalls dann - zulässig, wenn über
eine Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO rechtskräftig zugunsten des
Klägers entschieden worden ist.
b) Tritt die Rechtskraft des Urteils über die Klage nach § 767 ZPO erst in der Revisionsinstanz ein und wird daraufhin der Titel herausgegeben, sind diese Umstände,
wenn sie unstreitig sind, auch in der Revisionsinstanz zu berücksichtigen und führen auf Antrag des Klägers zur Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits,
wenn die Klage analog § 371 BGB im Zeitpunkt der Titelherausgabe wegen Erlöschens der titulierten Forderung begründet war und der Herausgabeschuldner der
Erledigung widerspricht.
c) Anders als bei § 368 BGB kann im Rahmen des § 371 Satz 2 BGB auch durch
Aufrechnung zum Erlöschen gebracht werden.
BGH, Urteil vom 14. Juli 2008 - II ZR 132/07 - OLG Karlsruhe
LG Heidelberg
-2-
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juli 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette
und die Richter Kraemer, Dr. Strohn, Caliebe und Dr. Reichart
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des 1. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 21. Februar 2007 und das
Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Heidelberg vom 19. Juli
2006 aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Streitwert: bis zum 7. November 2007: 10.000,00 €
danach: 11.285,56 €
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger hat mit seiner Klage die Herausgabe der vollstreckbaren Aus-
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fertigung eines zwischen den Parteien geschlossenen Prozessvergleichs begehrt.
-3-
Am 25. Januar 2006 schlossen die Parteien in einem Rechtsstreit vor
2
dem Oberlandesgericht Karlsruhe (7 U 128/05) einen Vergleich, in dem sich der
Kläger, der in dem dortigen Verfahren der Beklagte war, verpflichtete, an die
Beklagte einen Betrag in Höhe von 10.000,00 € zu zahlen. Mit Schreiben vom
10. Februar 2006 forderte die Prozessbevollmächtigte der Beklagten den Kläger
unter Beifügung einer Vollmacht dazu auf, den Vergleichsbetrag auf ihr Konto
bei der Sparkasse F.
zu zahlen. Am 20. Februar 2006 zahlte der Kläger
10.000,00 € auf das Konto der Beklagten bei der Sparkasse R.
(Nr. 3
). Die Beklagte verweigerte die Herausgabe der vollstreckbaren
Ausfertigung des Vergleichs an den Kläger mit der Begründung, durch die
- nunmehr zwischen den Parteien unstreitige - Einzahlung der 10.000,00 € auf
das Konto bei der Sparkasse R.
sei eine Erfüllung der Ver-
gleichsforderung ebenso wenig eingetreten wie durch die vom Kläger erklärte
Aufrechnung.
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Das Landgericht hat die Klage analog § 371 BGB als unzulässig abgewiesen, das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des Klägers
zurückgewiesen und die Revision zugelassen.
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Nach Einlegung der Revision hat das Landgericht Heidelberg mit rechtskräftigem Urteil vom 12. September 2007 (12 O 22/07 KfH) zugunsten des Klägers auf dessen Vollstreckungsgegenklage die Zwangsvollstreckung aus dem
vollstreckbaren Vergleich vom 25. Januar 2006 für unzulässig erklärt. Im Hinblick hierauf hat die Beklagte die vollstreckbare Ausfertigung am 15. Oktober
2007 an den Kläger herausgegeben. Daraufhin hat der Kläger den Rechtsstreit
in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Beklagte hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen, sondern begehrt weiterhin die Zurückweisung der
Revision.
-4-
Entscheidungsgründe:
5
Die Revision des Klägers ist begründet und führt unter (klarstellender)
Aufhebung des erst- und zweitinstanzlichen Urteils zu der Feststellung, dass
der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.
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I. Das
Berufungsgericht
hat
zur
Begründung
ausgeführt,
die
- grundsätzlich - analog § 371 BGB zulässige Klage auf Herausgabe des vollstreckbaren Titels sei hier unzulässig, da der Kläger es versäumt habe, neben
der Herausgabeklage eine Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 BGB zu erheben, und weil die Erfüllung des Vergleichs zwischen den Parteien nicht unstreitig sei.
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II. Auch in der Revisionsinstanz ist die Herausgabe des Titels als unstreitig erledigendes Ereignis zu berücksichtigen mit der Folge, dass auf die einseitige Erledigungserklärung des Klägers nur noch zu prüfen war, ob die Klageforderung im Zeitpunkt des die Erledigung begründenden unstreitigen Ereignisses
zulässig und begründet war (st.Rspr. BGHZ 106, 359, 366 ff.; BGH, Urt. v.
18. Dezember 2003 - I ZR 84/01, WM 2004, 1048 m.w.Nachw.).
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1. Die Klage war im Zeitpunkt der Herausgabe des Titels zulässig.
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a) Die Klage auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung eines unter § 794 ZPO fallenden Titels ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der die Literatur ganz überwiegend folgt, in analoger Anwendung von
§ 371 BGB jedenfalls zulässig, wenn entweder über eine Vollstreckungsabwehrklage bereits rechtskräftig zugunsten des Herausgabeklägers entschieden
worden ist oder die Erfüllung der dem Titel zugrunde liegenden Forderung zwischen den Parteien unstreitig ist (BGHZ 127, 146, 148 f. allerdings mit der Einschränkung "jedenfalls"; BGH, Urt. v. 21. Januar 1994 - V ZR 238/92,
-5-
WM 1994,
650,
652;
Staudinger/Olzem,
BGB
[2006]
§ 371
Rdn. 7;
Palandt/Grüneberg, BGB 67. Aufl. § 371 Rdn. 4; Musielak/Lackmann, ZPO
6. Aufl. § 767 Rdn. 14 m.w.Nachw.). Es kann dahingestellt bleiben, ob dieser
Ansicht zu folgen ist (s. insoweit die beachtlichen Argumente gegen die h.A. bei
MünchKommBGB/Wenzel, 5. Aufl. § 371 Rdn. 8). Denn auch auf der Grundlage
der h.A. ist die Klage im Zeitpunkt der Herausgabe des Titels zulässig gewesen.
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b) Zwar war im Zeitpunkt der Herausgabe des Titels weder das Urteil im
Prozess über die Vollstreckungsabwehrklage rechtskräftig, da die Berufungsfrist
erst am 17. Oktober 2007 ablief, noch war die Erfüllung des Vergleichs unstreitig. Das steht angesichts der besonderen Umstände des hier zu entscheidenden Falles der Zulässigkeit der Herausgabeklage jedoch nicht entgegen. Die
Beklagte hatte nämlich schon vor Eintritt der Rechtskraft gegenüber dem Kläger
erklärt, kein Rechtsmittel einlegen zu wollen, und deshalb die vollstreckbare
Ausfertigung des Vergleichs an diesen zurückgegeben. Zwar traten mit dieser
Mitteilung mangels Äußerung gegenüber dem Gericht nicht die Wirkungen des
§ 515 ZPO ein. Der Beklagten ist aber aufgrund dieser Erklärung gemäß § 242
BGB der Einwand abgeschnitten, die - formelle - Rechtskraft sei erst später eingetreten. Ihre Erklärung, kein Rechtsmittel einlegen und den Titel herausgeben
zu wollen, steht in diesem Fall der ansonsten von der h.A. verlangten Rechtskraft des der Vollstreckungsabwehrklage stattgebenden Urteils gleich, mit der
Folge der Zulässigkeit der Herausgabeklage analog § 371 BGB.
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2. Die Herausgabeklage war begründet.
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a) Allerdings reicht es für die Begründetheit der Herausgabeklage, anders als die Revision meint, noch nicht aus, dass die Vollstreckung gemäß
§ 767 ZPO durch das Urteil vom 12. September 2007 endgültig für unzulässig
erklärt worden ist. Die Vollstreckungsabwehrklage ist eine rein prozessrechtli-
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che Klage auf ein rechtsgestaltendes - auf die Beseitigung der Vollstreckbarkeit
gerichtetes -
Urteil,
das
keine
rechtskräftige
Feststellung
des
Nicht(mehr)Bestehens des materiell-rechtlichen Anspruchs zum Inhalt hat.
Deshalb ist die Analogie zu § 371 BGB nur gerechtfertigt, wenn die Schuld mit
Sicherheit erloschen ist oder von Anfang an nicht bestanden hat (BGH, Urt. v.
24. November 1982 - VIII ZR 263/81, NJW 1983, 390, 391; v. 19. Juni 1984
- IX ZR 89/83, FamRZ 1984, 878, 880; v. 23. Mai 1989 - IX ZR 57/88,
WM 1989, 1514, 1516; BGHZ 127, 146, 149 f.). Der Schuldner muss im Rahmen der isolierten Klage analog § 371 BGB beweisen, dass die Schuld mit Sicherheit erloschen ist. Kann er diesen Beweis nicht führen, ist er mit der Herausgabeklage abzuweisen. Die dadurch entstehende Diskrepanz zwischen den
Urteilen in dem Verfahren nach § 767 ZPO und über die Herausgabe nach
§ 371 BGB analog ist hinzunehmen (BGHZ 127 aaO S. 150 m.w.Nachw.).
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b) Der Kläger hat nachgewiesen, dass die titulierte Vergleichsforderung
erfüllt ist.
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aa) Dass Erfüllung nicht bereits durch die - nunmehr unstreitige - Überweisung auf das Konto der Beklagten bei der Sparkasse R.
eingetreten ist, nimmt die Revision - zu Recht - hin. Es entspricht der ständigen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass eine Überweisung auf ein anderes als das von dem Gläubiger angegebene Konto grundsätzlich keine Tilgungswirkung hat (BGHZ 98, 24, 30; 128, 135, 137; BGH, Urt. v. 17. März 2004
- VIII ZR 161/03, ZIP 2004, 1354, 1355).
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bb) Erfüllung ist aber durch die vom Kläger erklärte Aufrechnung mit seinem Anspruch gegen die Beklagte aus § 812 Abs. 1 BGB eingetreten.
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(a) Bewirkt die Zahlung auf ein Girokonto - wie hier - keine Erfüllung der
Schuld, steht dem Leistenden gegen den Inhaber des Kontos ein Bereiche-
-7-
rungsanspruch zu (st.Rspr. siehe nur BGHZ 128, aaO m.w.Nachw.). Das stellt
auch die Revisionserwiderung nicht in Frage. Sie meint jedoch, dem Kläger sei
es verwehrt, mit diesem Kondiktionsanspruch aus fehlgeschlagener Überweisung gegen die Forderung der Beklagten aus dem Vergleich aufzurechnen.
Dies trifft hier nicht zu.
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(b) Anders als von dem Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung behauptet, entspricht es völlig herrschender Ansicht, dass bei der Herausgabeklage analog § 371 BGB, anders als bei § 368 BGB, eine Forderung
- auch - durch Aufrechnung zum Erlöschen gebracht werden kann (s. nur
Staudinger/Olzem
aaO
Erman/H.P.Westermann,
Rdn. 9;
BGB
MünchKommBGB/Wenzel
12. Aufl.
§ 371
Rdn. 3;
aaO
Rdn. 5;
Bamberger/Roth/
Dennhardt, BGB § 371 Rdn. 2; Palandt/Grüneberg aaO).
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(c) Entgegen der Ansicht der Beklagten war der Kläger zur Aufrechnung
berechtigt. Der Bundesgerichtshof hat die Frage, ob im Fall der fehlgeschlagenen Überweisung ein "Aufrechnungsverbot" des Überweisenden mit dem Anspruch aus § 812 Abs. 1 BGB im Hinblick auf die dadurch beeinträchtigte Dispositionsbefugnis des Gläubigers besteht, zu der in der Literatur unterschiedliche Ansichten vertreten werden (s. u.a. Canaris, Bankvertragsrecht 3. Aufl.
Rdn. 473; Schimansky in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch
2. Aufl. Bd. 1 § 50 Rdn. 10), bislang offen gelassen (BGHZ 98 aaO; 128 aaO).
Auch der Senat braucht sie nicht zu entscheiden. Denn im vorliegenden Fall ist
es der Beklagten verwehrt, sich auf ein möglicherweise bestehendes Aufrechnungsverbot zu berufen.
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Die Sparkasse hatte vor Eingang der Zahlung auf dem Konto der Beklagten angeboten, unter im Einzelnen genannten Voraussetzungen gegen Zahlung
von 80.000,00 € zzgl. Zinsen auf die "dann noch bestehende Restforderung"
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gegen die Beklagte verzichten zu wollen. Diese Formulierung impliziert, dass
die letztlich zu erlassende Restforderung aus dem Girovertrag bis zum Eintritt
der Vergleichsvoraussetzungen noch Änderungen unterworfen sein konnte. Der
Eintritt der zur Bedingung gemachten Voraussetzungen lag aber ebenso wie
der Vergleichsabschluss als solcher unstreitig zeitlich nach der Zahlung des
Klägers. Hat sich die Beklagte daher auf der Grundlage ihrer durch diese Zahlung geminderten Restforderung mit der Sparkasse verglichen, handelt sie treuwidrig, wenn sie die Aufrechnung des Klägers - nur - deshalb nicht als Erfüllung
gelten lassen will, weil durch die genannte Zahlung ihre Dispositionsbefugnis
"ausgehöhlt" worden sei.
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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Goette
Kraemer
Caliebe
Strohn
Reichart
Vorinstanzen:
LG Heidelberg, Entscheidung vom 19.07.2006 - 3 O 59/06 OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 21.02.2007 - 1 U 169/06 -