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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 105/07
Verkündet am:
5. Mai 2008
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
HGB §§ 171, 172 Abs. 4
Die persönliche Haftung des Kommanditisten lebt nach § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB
auch dann wieder auf, wenn an ihn ein Agio zurückgezahlt wird, sofern dadurch der
Stand seines Kapitalkontos unter den Betrag seiner Haftsumme sinkt oder schon zuvor diesen Wert nicht mehr erreicht hat (Bestätigung von Sen.Beschl. v. 9. Juli 2007
- II ZR 95/06, ZIP 2007, 2074; BGHZ 84, 383).
BGH, Urteil vom 5. Mai 2008 - II ZR 105/07 - LG Berlin
AG Charlottenburg
-2-
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 5. Mai 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und
die Richter Kraemer, Dr. Strohn, Caliebe und Dr. Reichart
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der Zivilkammer 52
des Landgerichts Berlin vom 26. Februar 2007 im Kostenpunkt
und insoweit abgeändert, als zum Nachteil der Klägerin erkannt
worden ist.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Zivilprozessabteilung 232 des Amtsgerichts Charlottenburg vom 16. Juni 2006
wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren werden der Beklagten auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Beklagte trat der Klägerin, einem 1997 gegründeten geschlossenen
Immobilienfonds
mit
281 Kommanditisten,
mit
Beitrittserklärung
vom
26./29. Oktober 1999 bei. Sie zahlte die vereinbarte Hafteinlage in Höhe von
100.000,00 DM zuzüglich eines Agios in Höhe von 5.000,00 DM (= 2.556,46 €).
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2
Die Klägerin erzielte von Beginn an ausschließlich negative Jahresergebnisse mit der Folge, dass die Kapitalkonten der Kommanditisten durchweg
negativ waren. Im Jahr 2000 nahm sie gleichwohl gegenüber den Kommanditisten eine Liquiditätsausschüttung in Höhe von 6 % der jeweiligen Kommanditeinlage vor.
3
Als die Klägerin Anfang des Jahres 2004 nicht mehr in der Lage war, den
Zins- und Tilgungsdienst für die bei der B.
H.
bank
aufgenommenen Kredite zu zahlen, vereinbarte sie im Rahmen eines Sanierungskonzepts mit der Bank - auf deren Verlangen - u.a. die sofortige Fälligstellung eines Darlehensteilbetrages in Höhe des an die Kommanditisten insgesamt gezahlten Ausschüttungsbetrages. Die Gesellschafterversammlung hatte
die Geschäftsführer zuvor mit einer Stimmenmehrheit von 99,15 % mit dem Abschluss dieser Vereinbarung beauftragt.
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Die Bank hat die Klägerin - unter hierzu erteilter Zustimmung der Gesellschafterversammlung - dazu ermächtigt, ihre Forderungen gegen die Kommanditisten aus §§ 171, 172 Abs. 4 HGB im eigenen Namen und auf fremde Rechnung geltend zu machen. Nachdem die Klägerin die Beklagte außergerichtlich
vergeblich zur Rückzahlung des auf sie entfallenden Ausschüttungsbetrages in
Höhe von 3.067,65 € aufgefordert hatte, erhob sie Klage auf Zahlung dieses
Betrages nebst Zinsen sowie auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren.
5
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat
sie auf die Berufung der Beklagten in Höhe von 2.556,46 € (= Betrag des Agios)
abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin.
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Entscheidungsgründe:
6
Die Revision hat in der Sache Erfolg und führt unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils zur Wiederherstellung des amtsgerichtlichen
Urteils.
7
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung
- soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt:
Die Ausschüttung an die Beklagte sei insoweit als haftungsunschädlich
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anzusehen, als die Beklagte über die im Handelsregister eingetragene Hafteinlage hinaus noch 2.556,46 € Agio an die Gesellschaft gezahlt habe, weil ihr
durch eine Rückzahlung in Höhe des Agios etwas erstattet worden sei, das sie
über den eingetragenen Betrag hinaus gezahlt habe, so dass ihre Haftungseinlage dadurch nicht gemindert worden sei.
II. Das angefochtene Urteil hält im Umfang seiner Anfechtung revisions-
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rechtlicher Überprüfung nicht stand.
1. Die Beklagte ist gemäß §§ 171, 172 Abs. 4 HGB zur Rückzahlung des
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gesamten an sie ausgeschütteten Betrages in Höhe von 3.067,75 € verpflichtet.
Wie der Senat bereits in BGHZ 84, 383, 387 f. und erneut - zeitlich nach dem
Berufungsurteil - mit Hinweisbeschluss vom 9. Juli 2007 (II ZR 95/06, ZIP 2007,
2074 Tz. 8; a.A. Bayer/Lieder, ZIP 2008, 809 ff.) entschieden hat, ist nach § 172
Abs. 4 HGB jede Rückzahlung an den Kommanditisten haftungsbegründend,
wenn und soweit dadurch der Kapitalanteil des Kommanditisten unter den Betrag seiner Haftsumme sinkt oder schon zuvor diesen Wert nicht mehr erreicht
hat.
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2. So liegt der Fall hier. Das Berufungsgericht hat - entgegen der unzutreffenden Ansicht der Revisionserwiderung - unter Bezugnahme auf das amtsgerichtliche Urteil festgestellt, dass unstreitig (a) die Klägerin von Beginn an
ausschließlich negative Jahresergebnisse erzielte, (b) die Kapitalkonten der
Kommanditisten dementsprechend durchweg negativ waren und (c) die Ausschüttungen den ohnehin schon negativen Kapitalanteil der Beklagten - weiter gemindert haben. Angesichts dessen ist durch die Ausschüttung die persönliche, zunächst durch die Zahlung der Pflichteinlage ausgeschlossene Haftung
der Beklagten im Umfang der an sie geleisteten Zahlung wieder aufgelebt, ohne
dass es, wie das Berufungsgericht fälschlicherweise meint, darauf ankommt, ob
das Agio nach den gesellschaftsvertraglichen Regelungen dem Eigenkapital
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zuzurechnen ist, ob seine Rückzahlung im Gesellschaftsvertrag vorgesehen ist,
oder ob die Rückzahlung ausdrücklich als "Rückzahlung des Agios" bezeichnet
oder ohne Angabe eines Zahlungsgrundes geleistet worden ist.
Goette
Kraemer
Caliebe
Strohn
Reichart
Vorinstanzen:
AG Berlin-Charlottenburg, Entscheidung vom 16.06.2006 - 232 C 73/06 LG Berlin, Entscheidung vom 26.02.2007 - 52 S 262/06 -