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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 7/14
Verkündet am:
11. Juni 2015
Bürk
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
Tauschbörse II
UrhG § 85 Abs. 1 Satz 1, § 97; BGB § 670, § 832 Abs. 1; ZPO § 287, § 383
Abs. 1 Nr. 3, § 448, § 559 Abs. 1
a) Eltern sind verpflichtet, die Internetnutzung ihres minderjährigen Kindes zu
beaufsichtigen, um eine Schädigung Dritter durch eine Urheberrechte verletzende Teilnahme des Kindes an Tauschbörsen zu verhindern. Allerdings genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes Kind, das ihre
grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch,
dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten. Nicht
ausreichend ist es insoweit, dem Kind nur die Einhaltung allgemeiner Regeln
zu einem ordentlichen Verhalten aufzugeben (Fortführung von BGH, Urteil
vom 15. November 2012 - I ZR 74/12, GRUR 2013, 511 Rn. 24 - Morpheus).
b) Sind Eltern gemäß § 832 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Verletzung ihrer Aufsichtspflicht für eine durch die zu beaufsichtigende Person widerrechtlich herbeigeführte Urheberrechtsverletzung verantwortlich, kann der
zu ersetzende Schaden nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie berechnet werden.
BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 - I ZR 7/14 - OLG Köln
LG Köln
-2-
-3-
Der
I. Zivilsenat
des
Bundesgerichtshofs
hat
auf
die
mündliche
Verhandlung vom 11. Juni 2015 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Büscher, die Richter Prof. Dr. Koch, Dr. Löffler, die Richterin Dr. Schwonke
und den Richter Feddersen
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 6. Dezember 2013 wird auf Kosten der Beklagten
zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Klägerinnen sind deutsche Tonträgerhersteller. Sie verfügen über
ausschließliche Verwertungsrechte an zahlreichen Musikaufnahmen. Die Klägerin zu 2 ist im Verlaufe des Revisionsverfahrens auf die Klägerin zu 3 verschmolzen worden. Die Beklagte ist Inhaberin eines Internetzugangs.
2
Im Haushalt der Beklagten befand sich ein Computer, der über einen verkehrsüblich verschlüsselten WLAN-Anschluss mit dem Internet verbunden war.
Der Anschluss wurde von der Beklagten sowie ihrer damals 14-jährigen Tochter
und ihrem damals 16-jährigen Sohn benutzt. Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts des rechtswidrigen Filesharing über den Internet-
-4-
zugang der Beklagten fand eine telefonische Kontaktaufnahme der Polizei mit
der Beklagten statt, bei der die Beklagte äußerte, dass nur ihre Tochter als Verantwortliche für das Herunterladen der Musikdateien in Frage komme. In der
daraufhin durchgeführten polizeilichen Vernehmung der Tochter gab diese nach
Belehrung als Beschuldigte zu, am 17. Dezember 2007 "über eine Tauschbörse
und die Software Bearshare 407 Audio-Dateien heruntergeladen und öffentlich
zugänglich gemacht zu haben". Ferner erklärte sie, ihr sei nicht so recht bewusst gewesen, dass sie die Audio-Dateien auf diese Art und Weise nicht herunterladen dürfe.
3
Die Klägerinnen ließen die Beklagte durch Anwaltsschreiben vom
12. März 2008 abmahnen; sie behaupteten, durch das von den Klägerinnen
beauftragte Unternehmen p.
17. Dezember
2007
um
GmbH sei festgestellt worden, dass am
20.12 Uhr
über
die
IP-Adresse
407 Audiodateien zum Herunterladen verfügbar gemacht worden seien. In einem daraufhin eingeleiteten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren sei
festgestellt worden, dass diese IP-Adresse zum genannten Zeitpunkt dem Internetanschluss der Beklagten zugewiesen gewesen sei. Die angebotenen Dateien enthielten Musikaufnahmen, für die die Klägerinnen originär oder aufgrund
rechtsgeschäftlichen Erwerbs die ausschließlichen Verwertungsrechte der Tonträgerhersteller sowie aufgrund abgeleiteten Erwerbs Rechte der ausübenden
Künstler für das Territorium der Bundesrepublik Deutschland besäßen. Die Beklagte gab daraufhin eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab.
4
Die Klägerinnen haben die Beklagte auf Erstattung von Abmahnkosten in
Höhe von 2.380,80 € in Anspruch genommen. Den Betrag haben sie auf der
Basis eines Gegenstandswerts von 200.000 € berechnet. Außerdem haben die
Klägerinnen Schadensersatz in Höhe von insgesamt 3.000 € wegen des öffentlichen Zugänglichmachens von insgesamt 15 im Einzelnen nach Künstler und
-5-
Titel benannten Musikaufnahmen verlangt. Dabei sind sie für jeden Titel von
einer fiktiven Lizenzgebühr von 200 € ausgegangen.
5
Sie haben beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 1 einen Schadensersatz in Höhe von 400 €, an die Klägerin zu 2 einen Schadensersatz in Höhe von 1.400 €, an die Klägerin zu 3 einen Schadensersatz in Höhe
von 800 € und an die Klägerin zu 4 einen Schadensersatz in Höhe von 400 €
sowie an die Klägerinnen zu gleichen Teilen einen Betrag in Höhe von
2.380,80 € jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
6
Die Beklagte wendet sich gegen die Verwertung des polizeilichen Geständnisses ihrer Tochter und behauptet, sie habe diese über die Rechtswidrigkeit der Teilnahme an Musiktauschbörsen im Internet belehrt. Außerdem macht
sie geltend, der verlangte Schadensersatz und die Abmahnkosten seien überhöht.
7
Das Landgericht hat der Klage nach Vernehmung der Tochter der Beklagten als Zeugin bis auf einen Teil der Abmahnkosten stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht unter Zurückweisung der Berufung
im Übrigen das landgerichtliche Urteil im Hinblick auf die Verurteilung zur Erstattung der Abmahnkosten abgeändert. Es hat die Beklagte unter Abweisung
der weitergehenden Klage und unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen
verurteilt, an die Klägerinnen zu gleichen Teilen einen Betrag von 952,32 €
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
29. November 2011 zu zahlen (OLG Köln, Urteil vom 6. Dezember 2013
- 6 U 96/13, juris). Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision,
deren Zurückweisung die Klägerinnen beantragen, verfolgt die Beklagte ihren
Klageabweisungsantrag weiter.
-6-
Entscheidungsgründe:
8
A. Das Berufungsgericht hat angenommen, den Klägerinnen stünden die
geltend gemachten Schadensersatzansprüche unter dem Gesichtspunkt der
Lizenzanalogie in voller Höhe und der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag in Höhe von
952,32 € zu. Zur Begründung hat es ausgeführt:
9
Die Klägerinnen könnten als Tonträgerhersteller jeweils Schadensersatz
gemäß § 97 UrhG verlangen. Sie seien nach den vorgelegten Ausdrucken der
Katalogdatenbank "www.
.de" der Ph.
GmbH als Lieferantinnen
der fraglichen Musikaufnahmen ausgewiesen. Die Beklagte habe die Indizwirkung dieser Einträge nur pauschal bestritten, indes nichts dazu vorgetragen,
dass anderweitige Rechte Dritter bestünden. Die dem Schadensersatzantrag
zugrunde liegenden 15 Musikaufnahmen seien über den Internetanschluss der
Beklagten von ihrer Tochter öffentlich zugänglich gemacht worden. Das Landgericht habe rechtsfehlerfrei die Begehung der Rechtsverletzungen durch die
Tochter der Beklagten als erwiesen angesehen. Die Beklagte habe dafür als
Aufsichtspflichtige gemäß § 832 Abs. 1 Satz 1 BGB einzustehen. Sie habe den
Nachweis nicht geführt, dass sie ihrer Aufsichtspflicht genügt habe oder der von
den Klägerinnen geltend gemachte Schaden auch bei gehöriger Beaufsichtigung entstanden sein würde (§ 832 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Klägerinnen könnten für jeden der insgesamt 15 von ihnen in die Berechnung einbezogenen Musiktitel im Wege der Lizenzanalogie einen Betrag in Höhe von 200 € verlangen.
Den Klägerinnen stünden unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne
Auftrag zudem Ansprüche auf Erstattung von Abmahnkosten zu. Da der Umfang der schlüssig dargelegten Rechtsverletzungen jedoch deutlich hinter der
Zahl der in der Abmahnung behaupteten Rechtsverletzungen zurückbleibe, sei
der Gegenstandswert des berechtigten Teils der Abmahnung entgegen der An-
-7-
sicht der Klägerinnen nicht mit 200.000 €, sondern mit 80.000 € zu bemessen.
Dies führe unter Ansatz einer 1,3-Geschäftsgebühr zu einem Erstattungsanspruch in Höhe von 952,32 €.
10
B. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten ist unbegründet. Den
Klägerinnen stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Schadensersatz gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG aF sowie auf Erstattung von Abmahnkosten unter
dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 683 Satz 1,
§ 670 BGB) in der vom Berufungsgericht angenommenen Höhe zu.
11
I. Die Revision ist - anders als die Revisionserwiderung meint - uneingeschränkt zulässig. Der Entscheidungssatz des Berufungsurteils enthält keine
Beschränkung der Revisionszulassung. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist zwar anerkannt, dass sich eine Eingrenzung der Zulassung der
Revision auch aus den Entscheidungsgründen ergeben kann (vgl. BGH, Urteil
vom 12. November 2003 - XII ZR 109/01, NJW 2004, 1324). Das muss jedoch
zweifelsfrei geschehen; die bloße Angabe des Grundes für die Zulassung der
Revision reicht nicht, um von einer nur beschränkten Zulassung des Rechtsmittels auszugehen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2011 - I ZR 53/10, GRUR 2012,
58 Rn. 12 - Seilzirkus; Urteil vom 5. Dezember 2012 - I ZR 85/11, GRUR 2013,
833 Rn. 18 = WRP 2013, 1038 - Culinaria/Villa Culinaria; Urteil vom 27. März
2013 - I ZR 9/12, GRUR 2013, 1213 Rn. 14 = WRP 2013, 1620 - SUMO; Urteil
vom 9. Oktober 2014 - I ZR 162/13, GRUR 2015, 498 Rn. 12 = WRP 2015, 569
- Combiotik).
12
Das Berufungsgericht hat in den Urteilsgründen ausgeführt, die Revisionszulassung erfolge im Hinblick darauf, dass die im Streitfall aufgeworfenen
grundsätzlichen Fragen der Schadensberechnung und der Abmahnkostenerstattung nicht ausreichend geklärt erschienen. Das reicht nicht aus, um mit der
-8-
notwendigen Sicherheit von einer nur beschränkten Revisionszulassung auszugehen. Das gebietet der Grundsatz der Rechtsmittelklarheit. Die Parteien müssen zweifelsfrei erkennen können, welches Rechtsmittel für sie in Betracht
kommt und unter welchen Voraussetzungen es zulässig ist (vgl. BVerfGE 108,
341, 349).
13
II. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass den Klägerinnen gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG aF Schadensersatzansprüche in Höhe von 200 € für jede der 15 zum Download bereitgehaltenen Dateien mit Musikaufnahmen zustehen.
14
1. Nach der im Zeitpunkt der behaupteten Verletzung (Dezember 2007)
maßgeblichen Fassung des § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG vom 23. Juni 1995 kann
auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden, wer das Urheberrecht
oder ein anderes nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht widerrechtlich sowie vorsätzlich oder fahrlässig verletzt.
15
Die Klägerinnen haben ihre Klage auf eine Verletzung der ihnen als Hersteller von Tonträgern zustehenden Verwertungsrechte gemäß § 85 Abs. 1
Satz 1 UrhG und damit auf ein nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes
Recht gestützt. Nach dieser Bestimmung hat der Hersteller eines Tonträgers
das ausschließliche Recht, den Tonträger zu vervielfältigen, zu verbreiten und
öffentlich zugänglich zu machen. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon
ausgegangen, dass das Anbieten von Tonaufnahmen mittels eines FilesharingProgramms in sogenannten "Peer-to-Peer"-Netzwerken im Internet das Recht
auf öffentliche Zugänglichmachung des Herstellers des Tonträgers, auf dem die
Tonaufnahme aufgezeichnet ist, verletzt (BGH, Urteil vom 11. Juni 2015
- I ZR 19/14, Rn. 14 - Tauschbörse I; Vogel in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl., § 85 UrhG Rn. 47; Boddien in Fromm/Nordemann, Urheberrecht,
-9-
11. Aufl., § 85 UrhG Rn. 56; Schaefer in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht,
4. Aufl., § 85 UrhG Rn. 40). Dagegen erhebt die Revision keine Rügen.
16
2. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerinnen in Bezug auf die den Schadensersatzbegehren zugrunde gelegten 15
Musiktitel Inhaber der Tonträgerherstellerrechte im Sinne von § 85 Abs. 1
Satz 1 UrhG sind.
17
a) In seinem vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Urteil hat das
Landgericht angenommen, die Klägerinnen seien nach den vorgelegten Ausdrucken der Katalogdatenbank "www.
.de" der Ph.
GmbH als
Lieferantinnen der Musiktitel ausgewiesen, die nach dem Vortrag der Klägerinnen vom Internetanschluss der Beklagten mit dem Tauschbörsenprogramm
"BearShare" am 17. Dezember 2007 öffentlich zugänglich gemacht worden seien. Gegen diese tatrichterliche Feststellung hat die Revision keine Rügen erhoben.
18
b) Das Landgericht ist ferner zu Recht davon ausgegangen, dass diese
Eintragungen in der Datenbank ein erhebliches Indiz für die Inhaberschaft der
Tonträgerherstellerrechte ist (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 - I ZR 19/14,
Rn. 17 ff. - Tauschbörse I).
19
Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht das Bestreiten der Rechtsinhaberschaft der Klägerinnen mit Nichtwissen im Sinne von
§ 138 Abs. 4 ZPO durch die Beklagte nicht für unzulässig gehalten. Es ist vielmehr von einem zulässigen Bestreiten ausgegangen und hat deshalb die Aktivlegitimation der Klägerinnen für beweisbedürftig gehalten. Im Rahmen tatrichterlicher Würdigung ist es jedoch davon ausgegangen, dass den von den Klägerinnen vorgelegten Auszügen aus dem Ph.
Medienkatalog eine maß-
- 10 -
gebliche Indizwirkung für die Inhaberschaft der Tonträgerherstellerrechte im
Sinne von § 85 Abs. 1 UrhG zukommt und ein pauschales Bestreiten der Aktivlegitimation deshalb nicht ausreicht. Diese Beurteilung ist frei von Rechtsfehlern
(vgl. im Einzelnen BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 - I ZR 19/14, Rn. 18 ff.
- Tauschbörse I).
20
3. Die Revision rügt ohne Erfolg, entgegen der vom Berufungsgericht in
Bezug genommenen Auffassung des Landgerichts handele es sich bei den Dateifragmenten, die über die Tauschbörse übermittelt würden, nicht um urheberrechtsschutzfähige Werke. Im Streitfall ist es unerheblich, ob auf dem Computer
der Beklagten Dateien mit vollständigen Musikstücken oder lediglich Dateifragmente vorhanden waren. Das Berufungsgericht hat - bei verständiger Würdigung seiner Entscheidungsgründe - eine Verletzung des Tonträgerherstellerrechts gemäß § 85 Abs. 1 UrhG angenommen. Maßgeblicher Verletzungsgegenstand ist mithin kein urheberrechtlich geschütztes Werk im Sinne von § 2
UrhG. Es kommt vielmehr darauf an, ob der Beklagte die Leistungsschutzrechte
des Herstellers von Tonträgern im Sinne von § 85 UrhG verletzt hat. Schutzgegenstand des § 85 Abs. 1 Satz 1 UrhG ist aber nicht der Tonträger oder die
Tonfolge selbst, sondern die zur Festlegung der Tonfolge auf dem Tonträger
erforderliche wirtschaftliche, organisatorische und technische Leistung des Tonträgerherstellers. Da der Tonträgerhersteller diese unternehmerische Leistung
für den gesamten Tonträger erbringt, gibt es keinen Teil des Tonträgers, auf
den nicht ein Teil dieses Aufwands entfällt und der daher nicht geschützt ist.
Mithin stellt selbst die Entnahme kleinster Tonpartikel einen Eingriff in die durch
§ 85 Abs. 1 Satz 1 UrhG geschützte Leistung des Tonträgerherstellers dar
(BGH, Urteil vom 20. November 2008 - I ZR 112/06, GRUR 2009, 403 Rn. 14
= WRP 2009, 308 - Metall auf Metall I). Soweit die Revision außerdem geltend
macht, es sei nicht festgestellt worden, dass im Streitfall vollständige Dateien
- 11 -
hochgeladen worden seien, hat sie ebenfalls keinen Rechtsfehler des Berufungsgerichts dargelegt. Für ein öffentliches Zugänglichmachen im Sinne von
§ 85 Abs. 1 Satz 1 UrhG ist das Hochladen einer Datei nicht erforderlich. Ausreichend ist bereits, dass Dritten der Zugriff auf das sich in der Zugriffssphäre
des Vorhaltenden befindende geschützte Werk eröffnet wird (BGH, Urteil vom
11. Juni 2015 - I ZR 19/14, Rn. 28 - Tauschbörse I; zu § 19a UrhG BGH, Urteil
vom 29. April 2010 - I ZR 69/08, BGHZ 185, 291 Rn. 19 - Vorschaubilder I,
mwN).
21
4. Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass die
streitbefangenen 15 Musiktitel am 17. Dezember 2007 um 20.12 Uhr vom Internetanschluss der Beklagten durch deren Tochter öffentlich zugänglich gemacht
wurden.
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a) Die dagegen von der Revision erhobene Rüge, aufgrund des Vortrags
der Beklagten zu Fehlern in der Protokollierung und Zeiterfassung der IPAdresse könnten die Klägerinnen die behaupteten Urheberrechtsverletzungen
nicht auf die von ihnen zur Akte gereichten Screenshots stützen, geht ins Leere.
Das Berufungsgericht hat sich nicht auf diese Unterlagen gestützt, sondern
- wie das Landgericht - angenommen, dass die Rechtsverletzung aufgrund des
Geständnisses der Tochter der Beklagten feststeht. Soweit sich die Revision
gegen die Echtheit und Authentizität der von den Klägerinnen eingereichten
Screenshots wendet, hat sie zudem keine zulässige Revisionsrüge erhoben
(§ 559 Abs. 1 ZPO). Die Revision legt nicht dar, dass die Beklagte in den Tatsacheninstanzen einen entsprechenden Vortrag gehalten hat.
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b) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Tochter der
Beklagten die in Rede stehenden Rechtsverletzungen begangen hat. Dies er-
- 12 -
gebe sich aus dem Geständnis der Tochter im Rahmen ihrer polizeilichen Vernehmung. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
24
aa) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, einer Verwertung des polizeilichen Vernehmungsprotokolls stehe der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 355 Abs. 1 ZPO) entgegen.
25
Allerdings ist die grundsätzlich zulässige Verwertung der Niederschrift einer Zeugenaussage in einem anderen Verfahren im Wege des Urkundenbeweises unzulässig, wenn eine Partei zum Zwecke des unmittelbaren Beweises die
Vernehmung dieses Zeugen beantragt (BGH, Urteil vom 12. Juli 2013
- V ZR 85/12, MDR 2013, 1184 Rn. 7 f.). Diese Grundsätze sind im Streitfall
beachtet worden. Das Berufungsgericht hat seine tatrichterliche Überzeugung
nicht allein gemäß § 415 Abs. 1 ZPO auf das polizeiliche Vernehmungsprotokoll
gestützt. Es hat außerdem berücksichtigt, dass das Landgericht die Tochter der
Beklagten als Zeugin vernommen und diese bei ihrer Vernehmung bestätigt hat,
vor der Polizei das Geständnis abgelegt zu haben.
26
bb) Die Revision rügt ferner vergeblich, die Aussage der Zeugin sei nicht
verwertbar, weil sie allenfalls über ihr Zeugnisverweigerungsrecht aus sachlichen Gründen nach § 384 Nr. 1 ZPO, nicht aber über das ihr gemäß § 383
Abs. 1 Nr. 3 ZPO als Tochter der Beklagten aus persönlichen Gründen zustehende Zeugnisverweigerungsrecht belehrt worden sei.
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Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die Zeugin vor dem Landgericht über ihr Zeugnisverweigerungsrecht als Tochter der Beklagten belehrt
worden sei. Nichts anderes ergibt sich aus dem Umstand, dass das Berufungsgericht insoweit nicht die Vorschrift des § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, sondern "§ 183
Abs. 1 Nr. 3 ZPO" angeführt hat. Dem Berufungsgericht ist dabei ein offensicht-
- 13 -
liches Schreibversehen unterlaufen. Eine Belehrung gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 3
ZPO lässt sich auch dem Protokoll der landgerichtlichen Beweisaufnahme entnehmen (§ 165 ZPO). Dort ist festgehalten, dass die Zeugin die Tochter der
Beklagten ist und sie nach besonderer Belehrung aussagebereit war. Wörtlich
heißt es dort nach den Angaben zum Namen, Alter, Beruf und Wohnort: "Ich bin
die Tochter der Beklagten, nach besonderer Belehrung aussagebereit."
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cc) Entgegen der Ansicht der Revision steht der Verwertung des polizeilichen Geständnisses nicht der Umstand entgegen, dass die Zeugin im Rahmen
der Beweisaufnahme vor dem Landgericht zwar bestätigt hat, bei der Polizei die
Verletzungshandlung gestanden zu haben, auf die Frage des Gerichts, ob sie
es denn war, dazu aber nichts sagen wollte. Die Zeugnisverweigerung eines
Zeugen im Zivilprozess schließt - anders als im Strafprozess gemäß § 252
StPO - die Verwertung von Niederschriften früherer in Kenntnis des Zeugnisverweigerungsrechts getätigter Aussagen nicht aus (BGH, Beschluss vom
4. Dezember 2012 - VI ZB 2/12, NJW-RR 2013, 159 Rn. 17; Zöller/Greger,
ZPO, 30. Aufl., § 383 Rn. 6).
29
5. Die Beklagte ist gemäß § 832 Abs. 1 Satz 1 BGB für den durch die Verletzungshandlung ihrer Tochter verursachten Schaden verantwortlich. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sie ihre Aufsichtspflicht
verletzt hat.
30
a) Wer kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über eine Person verpflichtet ist, die wegen Minderjährigkeit der Beaufsichtigung bedarf, ist gemäß
§ 832 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den diese Person einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nach § 832
Abs. 1 Satz 2 Fall 1 BGB nicht ein, wenn er seiner Aufsichtspflicht genügt.
- 14 -
31
b) Die Beklagte war kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über ihre
damals 14-jährige und damit minderjährige Tochter verpflichtet (§ 1626 Abs. 1,
§ 1631 Abs. 1 BGB). Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen,
dass die Beklagte ihrer Aufsichtspflicht nicht genügt hat.
32
aa) Eltern sind verpflichtet, die Internetnutzung ihres minderjährigen Kindes zu beaufsichtigen, um eine Schädigung Dritter durch das Kind zu verhindern. Dazu zählt die Verhinderung der Urheberrechte verletzenden Teilnahme
des Kindes an Tauschbörsen. Allerdings genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht
über ein normal entwickeltes Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote
befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme
daran verbieten. Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internets durch
das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem
Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht grundsätzlich
nicht. Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern erst verpflichtet, wenn sie konkrete
Anhaltspunkte dafür haben, dass das Kind dem Verbot zuwiderhandelt (BGH,
Urteil vom 15. November 2012 - I ZR 74/12, GRUR 2013, 511 Rn. 24 = WRP
2013, 799 - Morpheus).
33
bb) Von diesen Maßstäben ist das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat
angenommen, das Landgericht habe eine Belehrung der Tochter der Beklagten
nicht festzustellen vermocht. Ebenso wenig sei erwiesen, dass eine Belehrung
fruchtlos geblieben wäre. Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen konnte sich die als
Zeugin vernommene Tochter der Beklagten nicht erinnern, vor der Nutzung des
Internets mit ihrer Mutter überhaupt über das Internet und seine Nutzung gesprochen zu haben. Ihr sei deswegen - so die Tochter in ihrer Aussage - gar
nicht so recht bewusst gewesen, was illegale Downloads seien oder dass es
- 15 -
diese überhaupt gebe. Vielmehr habe ihr (älterer) Bruder ihr gezeigt, wie man
Computer und Internet nutze.
34
cc) Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht habe die Voraussetzungen einer Parteivernehmung der Beklagten gemäß § 448 ZPO nicht verneinen dürfen.
35
(1) Gemäß § 448 ZPO kann das Gericht auch ohne Antrag einer Partei
und ohne Rücksicht auf die Beweislast die Vernehmung einer Partei oder beider Parteien anordnen, wenn das Ergebnis der Verhandlungen und einer etwaigen Beweisaufnahme nicht ausreicht, um seine Überzeugung von der Wahrheit
oder Unwahrheit einer zu erweisenden Tatsache zu begründen. Die Entscheidung über die Vernehmung einer Partei nach § 448 ZPO obliegt dem Ermessen
des Tatrichters und ist nur darauf überprüfbar, ob die rechtlichen Voraussetzungen verkannt worden sind oder das Ermessen fehlerhaft ausgeübt worden
ist (BGH, Urteil vom 14. Mai 2013 - VI ZR 325/11, NJW 2013, 2601 Rn. 11). Die
Parteivernehmung von Amts wegen darf nur angeordnet werden, wenn aufgrund einer vorausgegangenen Beweisaufnahme oder des sonstigen Verhandlungsinhalts bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die zu beweisende
Tatsache spricht (BGH, Urteil vom 16. Juli 1998 - I ZR 32/96, GRUR 1999, 367,
368 = WRP 1999, 208 - Vieraugengespräch).
36
(2) Von diesen Grundsätzen ist zutreffend das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat angenommen, eine Vernehmung der Beklagten sei nicht geboten gewesen, weil nach den Bekundungen ihrer Tochter keinerlei Anhaltspunkte
für eine hinreichende Belehrung vorgelegen hätten. Es habe deshalb an einer
erforderlichen gewissen Wahrscheinlichkeit der von der Beklagten nicht weiter
substantiierten gegenteiligen Behauptung gefehlt.
- 16 -
37
(3) Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision vergeblich mit der
Rüge, das Berufungsgericht habe wesentlichen Prozessstoff übersehen.
38
Soweit sie geltend macht, die Zeugin habe ausgesagt, dass ihre Mutter
generell Regeln zu "ordentlichem Verhalten" aufgestellt habe, ergibt sich daraus
keine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine Belehrung über die Rechtswidrigkeit
der Teilnahme an Internettauschbörsen und ein Verbot der Teilnahme daran.
Das Landgericht hat vielmehr festgestellt, die Zeugin habe sich nicht erinnern
können, vor der Nutzung des Internets überhaupt mit ihrer Mutter über das Internet und seine Nutzung gesprochen zu haben. Entgegen der Ansicht der Revision entspricht es nicht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass von einer Belehrung und einem Verbot der Teilnahme an Internettauschbörsen bereits deshalb auszugehen ist, weil die Beklagte dem ordentlichen Verhalten ihrer Kinder
die gebotene Aufmerksamkeit geschenkt haben mag. Ohne Erfolg meint die
Revision außerdem, eine für die Anordnung einer Parteivernehmung ausreichende Wahrscheinlichkeit ergebe sich aus dem Umstand, dass die Rechtsanwälte der Beklagten bereits in der Antwort auf das Abmahnschreiben der Klägerinnen darauf hingewiesen hätten, die Beklagte habe alle Familienmitglieder,
die Zugang zum Internetanschluss gehabt hätten, ausdrücklich instruiert, weder
Musik noch Filme über das Internet zu tauschen. Eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit einer streitigen Tatsache kann nicht durch die Vorlage
von vorprozessualen Schreiben dargelegt werden, in denen die Tatsache lediglich behauptet wird (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 1989 - VIII ZR 334/88, NJW
1989, 3222, 3223; Zöller/Greger aaO § 448 Rn. 4).
39
6. Die Revision wendet sich außerdem ohne Erfolg gegen die Beurteilung
des Berufungsgerichts zur Höhe des Schadensersatzes. Das Berufungsgericht
hat rechtsfehlerfrei angenommen, die Klägerinnen könnten nach der von ihnen
gewählten Berechnungsmethode der Lizenzanalogie gemäß § 97 UrhG einen
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Betrag von 200 € für jeden der insgesamt 15 von ihnen in die Schadensberechnung einbezogenen Musiktitel verlangen.
40
a) Soweit die Revision geltend macht, die Klägerinnen hätten ausreichende Anknüpfungstatsachen für die Ermittlung eines konkreten ihnen entstandenen Schadens darlegen müssen, verkennt sie, dass die Klägerinnen gerade
nicht den Ersatz eines ihnen konkret entstandenen Schadens geltend machen,
sondern die Berechnungsart der Lizenzanalogie gewählt haben. Das Berufungsgericht ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerinnen den
gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG aF zu ersetzenden Schaden nach den
Grundsätzen der Lizenzanalogie berechnen können (BGH, Urteil vom 22. März
1990 - I ZR 59/88, GRUR 1990, 1008, 1009 - Lizenzanalogie).
41
aa) Zu Unrecht rügt die Revision, diese Berechnungsart sei nicht anzuwenden, weil die Klägerinnen erklärtermaßen nicht bereit seien, eine Lizenz zur
Zugänglichmachung von Musiktiteln im Rahmen eines Filesharing-Modells zu
erteilen. Ihrer normativen Zielsetzung entsprechend setzt die - fiktive - Lizenz
nicht voraus, dass es bei korrektem Verhalten des Verletzten tatsächlich zum
Abschluss eines Lizenzvertrages gekommen wäre (BGH, Urteil vom 17. Juni
1992 - I ZR 107/90, GRUR 1993, 55, 58 = WRP 1992, 700 - Tchibo/Rolex II;
BGH, Urteil vom 6. Oktober 2005 - I ZR 266/02, GRUR 2006, 136 Rn. 23 =
WRP 2006, 274 - Pressefotos; Urteil vom 16. August 2012 - I ZR 96/09, ZUM
2013, 406 Rn. 30 - Einzelbild).
42
bb) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, die Schadensberechnung
nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie scheide aus, weil der Gedanke vorliegend keine Rolle spiele, dass der Verletzer, der ein Schutzrecht ohne Genehmigung in Anspruch genommen habe, nicht privilegiert werden dürfe. Im
Streitfall sei die Beklagte nicht Verletzerin, sondern lediglich Störerin, und kön-
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ne deshalb nur im Rahmen der Störerhaftung auf Unterlassung, nicht aber auf
Schadensersatz in Anspruch genommen werden. Dem kann nicht beigetreten
werden. Die Beklagte haftet nicht lediglich als Störerin. Sie ist vielmehr als Täterin für die schuldhafte Verletzung ihrer Aufsichtspflicht (§ 832 Abs. 1 BGB) verantwortlich. Grundlage für den nach dieser Bestimmung zu leistenden Schadensersatz ist die durch die zu beaufsichtigende Person widerrechtlich herbeigeführte Rechtsgutsverletzung. Im Streitfall ist dies die Verletzung des den Klägerinnen als Tonträgerherstellern zustehenden Verwertungsrechts der öffentlichen Zugänglichmachung gemäß § 85 Abs. 1 UrhG. Die für die Schadensberechnung nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie maßgebliche Erwägung,
dass derjenige, der ausschließliche Rechte anderer verletzt, nicht besser dastehen soll, als er im Falle einer ordnungsgemäß erteilten Erlaubnis durch den
Rechtsinhaber gestanden hätte (vgl. BGH, GRUR 1990, 1008, 1009 - Lizenzanalogie), gilt deshalb uneingeschränkt für den im Streitfall eingreifenden Schadensersatzanspruch gemäß § 832 Abs. 1 BGB.
43
b) Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht bei der
Schadensschätzung gemäß § 287 Abs. 1 ZPO sein Ermessen nicht fehlerhaft
ausgeübt.
44
aa) Gibt es - wie im Streitfall - keine branchenüblichen Vergütungssätze
und Tarife, ist die Höhe der als Schadensersatz zu zahlenden Lizenzgebühr
vom Tatrichter gemäß § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nach seiner freien Überzeugung zu bemessen (BGH, ZUM 2013, 406
Rn. 30 - Einzelbild). Dabei sind an Art und Umfang der vom Geschädigten beizubringenden Schätzgrundlagen nur geringe Anforderungen zu stellen; dem
Tatrichter kommt zudem in den Grenzen eines freien Ermessens ein großer
Spielraum zu (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 1992 - I ZR 107/90, GRUR 1993,
55, 59 = WRP 1992, 700 - Tchibo/Rolex II). Die tatrichterliche Schadensschät-
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zung unterliegt nur einer beschränkten Nachprüfung durch das Revisionsgericht. Überprüfbar ist lediglich, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Acht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (BGH,
Urteil vom 18. Februar 1993 - III ZR 23/92, NJW-RR 1993, 795, 796). Diesen
Anforderungen hält die vom Berufungsgericht vorgenommene Schadensschätzung stand. Es ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Klägerinnen
von der Beklagten einen Betrag von jeweils 200 € für die im Streitfall zur Grundlage des Schadensersatzantrags gemachten 15 Musiktitel verlangen kann.
45
bb) Das Berufungsgericht hat angenommen, im Rahmen der Schadensschätzung könnten verkehrsübliche Entgeltsätze für legale Downloadangebote
im Internet und Rahmenvereinbarungen der Tonträger-Branche herangezogen
werden. Hiervon ausgehend erscheine ein Betrag von 0,50 € pro Abruf angemessen. Gegen diese Beurteilung, die keinen Rechtsfehler erkennen lässt, hat
die Revision keine konkret ausgeführten Rügen erhoben.
46
cc) Das Berufungsgericht ist außerdem davon ausgegangen, dass der
Ansatz von mindestens 400 möglichen Abrufen durch unbekannte Tauschbörsenteilnehmer bei Musikaufnahmen der streitbefangenen Art angemessen ist.
Entgegen der Ansicht der Revision ist diese Annahme nicht ins Blaue hinein
erfolgt. Das Berufungsgericht hat vielmehr - mit Blick auf die hier maßgebliche
Verletzungshandlung des öffentlichen Zugänglichmachens - zutreffend angenommen, dass von mindestens 400 möglichen Abrufen durch unbekannte
Tauschbörsenteilnehmer auszugehen ist. Diese Annahme hat das Berufungsgericht auch nachvollziehbar begründet. Es hat auf die Ausführungen in einer
eigenen Entscheidung (OLG Köln, WRP 2012, 1006, 1010 Rn. 38 f.) sowie die
Ausführungen des Oberlandesgerichts Hamburg (MMR 2014, 127, 130 f.) Bezug genommen, in denen die Angemessenheit des Ansatzes von 400 mögli-
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chen Zugriffen plausibel begründet wurde (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2015
- I ZR 19/14, Rn. 61 - Tauschbörse I). Entgegen der Ansicht der Revision ist es
angesichts des im Rahmen des § 287 Abs. 1 ZPO geltenden weiten Schätzungsermessens nicht notwendig, in jedem Einzelfall konkret die Anzahl der
zum Verletzungszeitpunkt online befindlichen Tauschbörsenteilnehmer festzustellen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass erfahrungsgemäß die auf dem
Computer eines Tauschbörsenteilnehmers befindlichen Dateien nicht nur zu
dem vom Rechteinhaber zu Beweiszwecken festgestellten genauen Zeitpunkt
zum Download für andere Teilnehmer zur Verfügung stehen. Soweit die Revision ferner geltend macht, es sei möglich zu ermitteln, welche Nutzer auf das
konkrete Angebot hätten zugreifen können, stützt sie sich erneut in unzulässiger Weise auf erstmals in der Revisionsinstanz gehaltenen Tatsachenvortrag
(§ 559 Abs. 1 ZPO). Die Revision hat nicht dargelegt, dass die Beklagte entsprechenden Sachvortrag gehalten hat.
47
Anders als die Revision meint, steht der Richtigkeit der Annahme von
durchschnittlich 400 möglichen Abrufen nicht der Umstand entgegen, dass im
Streitfall auch deutsche Musikstücke streitbefangen sind. Es ist entgegen der
Ansicht der Revision bereits nicht ersichtlich, dass dies ein Interesse von
Tauschbörsenteilnehmern außerhalb von Deutschland ausschließt.
48
dd) Soweit die Revision geltend macht, der vom Berufungsgericht pro
streitbefangenem Musiktitel angesetzte Betrag von 200 € sei angesichts des
Umstands, dass hier Schadensersatz für 15 Musiktitel verlangt werde, offensichtlich deutlich übersetzt, versucht sie lediglich in unzulässiger Weise, ihre
eigene Beurteilung an die Stelle derjenigen des Berufungsgerichts zu setzen,
ohne einen Rechtsfehler darzutun. Die Bestimmung eines fiktiven Lizenzbetrages in Höhe von 200 € je Musikaufnahme hält sich bei der Geltendmachung
von 15 Verletzungsfällen noch im Rahmen dessen, was bei vertraglicher Ein-
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räumung ein vernünftiger Lizenzgeber gefordert und ein vernünftiger Lizenznehmer gewährt hätte, wenn beide die im Zeitpunkt der Entscheidung gegebene Sachlage gekannt hätten (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 - I ZR 19/14,
Rn. 65 - Tauschbörse I).
49
ee) Das Berufungsgericht hat zudem ergänzend festgestellt, dass hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte, die zu einem niedrigeren Ansatz führen
müssten, weder dargetan noch ersichtlich sind. Diese Beurteilung hält der
rechtlichen Nachprüfung stand (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 - I ZR 19/14,
Rn. 58 ff. - Tauschbörse I).
50
(1) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, das Berufungsgericht habe
das höchstmöglich übertragbare Datenvolumen des im Jahr 2007 standardmäßig eingesetzten Internetzugangs DSL 1000 sowie die durchschnittlichen Dateigrößen von Musikstücken außer Acht gelassen. Mit diesem Vorbringen ist die
Revision in der Revisionsinstanz ausgeschlossen (§ 559 Abs. 1 ZPO). Die Revision legt nicht dar, dass das Berufungsgericht einen entsprechenden Vortrag
der Beklagten zu den technischen Kapazitäten des von ihr 2007 eingesetzten
Internetanschlusses und der Größe der im Streitfall maßgeblichen Dateien verfahrensordnungswidrig übergangen hat.
51
(2) Die Revision macht ferner vergeblich geltend, das Berufungsgericht
habe übersehen, dass angesichts der Anzahl von mindestens 250.000, möglicherweise auf 500.000 zu schätzenden jährlichen Abmahnungen zu Filesharing-Vorwürfen in Betracht gezogen werden müsse, dass sowohl der Anbieter
als auch der Tauschpartner für denselben Fall abgemahnt würden. Abgesehen
davon, dass sich die Revision wiederum auf neuen Tatsachenvortrag stützt, mit
dem sie in der Revisionsinstanz ausgeschlossen ist, kann ihre Rüge auch aus
Rechtsgründen keinen Erfolg haben. Die Revision geht unzutreffend davon aus,
- 22 -
dass bei einem Filesharing-Vorgang Anbieter und Tauschpartner dieselbe
Rechtsverletzung begehen. Sie verkennt dabei, dass die im Streitfall relevante
Verletzungshandlung in der Eröffnung der Zugriffsmöglichkeit an Dritte besteht
und nicht in dem Absenden und Empfangen eines Dateifragments im Zweipersonenverhältnis. Daraus ergibt sich, dass eine eigenständige Verwertungshandlung im Sinne von §§ 85 Abs. 1, 19a UrhG vorliegt, wenn die Zugriffsmöglichkeit
für Dritte eröffnet wird (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 - I ZR 19/14, Rn. 64
- Tauschbörse I).
52
(3) Das Landgericht, auf dessen Urteil das Berufungsgericht Bezug genommen hat, ist davon ausgegangen, dass die von der Beklagten angeführten
(niedrigen) Tarife für Streaming-Angebote keinen adäquaten Maßstab zur Bemessung eines fiktiven Lizenzschadens für Filesharing-Angebote darstellen.
Zum einen handele es sich beim Streaming um eine andere Nutzungsart, zum
anderen lägen dem Geschäftsmodell der Streaming-Dienste wie etwa Spotify
oder Simfy gänzlich andere wirtschaftliche Erwägungen und Kalkulationen zugrunde. Diese Beurteilung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Mit
ihrem Vortrag, es setze sich inzwischen die Auffassung durch, dass wirtschaftlich betrachtet die Nutzung von illegalen Filesharing-Netzwerken am ehesten
mit der legalen Nutzung von Streaming-Diensten vergleichbar sei, nach Einschätzung von Branchenexperten habe das Streaming inzwischen den Filesharing-Sektor gewissermaßen als legale Alternative ersetzt, setzt die Revision
lediglich ihre eigene Sicht der Dinge an die Stelle der in tatrichterlicher Würdigung vorgenommenen und nicht erfahrungswidrigen Sachverhaltsbewertung
durch die Vorinstanzen.
53
III. Das Berufungsgericht hat den Klägerinnen zu Recht einen Anspruch
auf Ersatz von Abmahnkosten in Höhe von 952,32 € zugesprochen.
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54
1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass im Streitfall ein Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Abmahnung einer Urheberrechtsverletzung unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag
(§§ 677, 683 Satz 1, 670 BGB) in Betracht kommt. Auf die Abmahnung vom
12. März 2008 ist die am 1. September 2008 in Kraft getretene und mit Wirkung
vom 9. Oktober 2013 geänderte Regelung des § 97a UrhG nicht anwendbar
(vgl. BGH, Urteil vom 8. Januar 2014 - I ZR 169/12, BGHZ 200, 76 Rn. 11
- BearShare).
55
2. Ein auf die Grundsätze der Geschäftsführung ohne Auftrag gestützter
Erstattungsanspruch setzt voraus, dass die Abmahnung berechtigt war und
dem Abmahnenden gegenüber dem Abgemahnten im Zeitpunkt der Abmahnung ein Unterlassungsanspruch zustand (BGHZ 200, 76 Rn. 12 - BearShare).
Diese Voraussetzungen sind gegeben. Die Beklagte hat gemäß § 832 Abs. 1
BGB dafür einzustehen, dass ihre minderjährige Tochter im Sinne von § 97
Abs. 1 Satz 1 UrhG aF ein nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht,
hier das Verwertungsrecht des Tonträgerherstellers auf öffentliche Zugänglichmachung gemäß § 85 Abs. 1 UrhG, verletzt hat.
56
3. Das Berufungsgericht ist außerdem zutreffend davon ausgegangen,
dass der Inhalt der streitgegenständlichen Abmahnung den an sie zu stellenden
Anforderungen entspricht.
57
a) Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten setzt gemäß § 677
BGB voraus, dass die Abmahnung dem Interesse des Abgemahnten entspricht.
Hieraus ergibt sich, dass Form und Inhalt der Abmahnung den Zweck erfüllen
müssen, eine Befriedigung des Gläubigers ohne Prozess herbeizuführen (vgl.
Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 10. Aufl., Kap. 41
Rn. 9, 14). Mahnt der Gläubiger zunächst ab, statt sofort Klage zu erheben oder
- 24 -
einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu stellen, gibt er damit
dem Schuldner die Möglichkeit, die gerichtliche Auseinandersetzung auf kostengünstige Weise durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung
abzuwenden (BGH, Urteil vom 1. Juni 2006 - I ZR 167/03, GRUR 2007, 164
Rn. 12 = WRP 2007, 67 - Telefax-Werbung II). Daher muss der Gläubiger dem
Schuldner durch die Abmahnung zu erkennen geben, welches Verhalten des
Schuldners er als rechtsverletzend ansieht (vgl. Teplitzky aaO Kap. 41 Rn. 14
mwN). Die Verletzungshandlung muss so konkret angegeben werden, dass der
Schuldner erkennen kann, was ihm in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht
vorgeworfen wird (Fezer/Büscher, UWG, 2. Aufl., § 12 Rn. 16). In einer Abmahnung sind deshalb der Sachverhalt und der daraus abgeleitete Vorwurf eines
rechtswidrigen Verhaltens so genau anzugeben, dass der Abgemahnte den
Vorwurf tatsächlich und rechtlich überprüfen und die gebotenen Folgerungen
daraus ziehen kann. Der Anspruchsgegner ist in die Lage zu versetzen, die
Verletzungshandlung unter den in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu würdigen (BGH, Urteil vom 22. Januar 2009 - I ZR 139/07, GRUR
2009, 502 Rn. 13 = WRP 2009, 441 - pcb). Nicht erforderlich ist allerdings, alle
Einzelheiten mitzuteilen (Fezer/Büscher aaO § 12 Rn. 16). Bleiben für den
Schuldner gewisse Zweifel am Vorliegen einer Rechtsverletzung oder an der
Aktivlegitimation des Abmahnenden, ist er nach Treu und Glauben gehalten,
den Abmahnenden auf diese Zweifel hinzuweisen und gegebenenfalls nach den
Umständen angemessene Belege für die behaupteten Rechtsverletzungen und
die Legitimation zur Rechtsverfolgung zu verlangen (vgl. BGH, Urteil vom
17. August 2011 - I ZR 57/09, BGHZ 191, 19 Rn. 32 - Stiftparfüm; vgl. zu § 97a
Abs. 2 UrhG J.B. Nordemann in Fromm/Nordemann aaO § 97a UrhG Rn. 23).
58
b) Diesen Grundsätzen genügt die Abmahnung der Klägerinnen. In dieser
wurde der Beklagten vorgeworfen, geschützte Tonaufnahmen im Umfang von
- 25 -
407 Musikdateien unter Verstoß gegen §§ 97, 77, 78 Nr. 1, 85, 16, 19a UrhG
am 17. Dezember 2007 um 20:12:46 Uhr über seinen Internetanschluss (IPAdresse "
") zum Herunterladen verfügbar gemacht zu haben.
Das Berufungsgericht hat ferner - von der Revision nicht beanstandet - festgestellt, dass der Abmahnung eine Liste mit den maßgeblichen Audiodateien beigefügt war und dass die Klägerinnen insoweit ausschließliche Verwertungsrechte geltend gemacht haben. Der Umstand, dass in der Abmahnung nicht aufgeführt war, an welchem der aufgelisteten Titel welche Klägerin Rechte geltend
macht, steht entgegen der Ansicht der Revision der Erstattungsfähigkeit der
Abmahnkosten nicht entgegen. Eine solche konkrete Zuordnung in der Abmahnung war nicht geboten, um die Beklagte in den Stand zu setzen, den Vorwurf
tatsächlich und rechtlich zu überprüfen und die gebotenen Folgerungen daraus
zu ziehen. Für den Fall, dass bei einem oder mehreren der aufgelisteten Musikaufnahmen - etwa aufgrund eines Abgleichs mit den einschlägigen öffentlich
zugänglichen Downloadplattformen wie Amazon oder iTunes - konkrete Zweifel
an der Aktivlegitimation der Klägerinnen oder am Vorliegen eines urheberrechtlichen Schutzes entstanden wären, wäre die Beklagte nach Treu und Glauben
gehalten gewesen, die Klägerinnen auf solche Zweifel hinzuweisen und um
Aufklärung im Hinblick auf die behaupteten Rechtsverletzungen und die Legitimation zur Rechtsverfolgung nachzusuchen. Vorliegend hat die Revision nicht
geltend gemacht, dass die Beklagte solche Zweifel gehabt und die Klägerinnen
vergeblich um Aufklärung gebeten hat.
59
c) Der Berechtigung der Abmahnung steht nicht entgegen, dass die Formulierung in der beigefügten Unterlassungserklärung darauf gerichtet ist, die
Beklagte selbst möge es unterlassen, geschütztes Musikrepertoire ohne Einwilligung im Internet Dritten verfügbar zu machen. Formulierungen in der Unterlassungserklärung können die Berechtigung einer Abmahnung im Sinne von § 677
- 26 -
BGB nicht in Frage stellen, weil die Klägerinnen schon nicht verpflichtet waren,
überhaupt eine solche Erklärung vorzuformulieren (vgl. Teplitzky aaO Kap. 41
Rn. 14 bei Fn. 96 mwN).
60
d) Ohne Erfolg rügt die Revision, der Ersatz des von den Klägerinnen geforderten Rechtsanwaltshonorars sei nicht geschuldet, weil die Einschaltung
einer Anwaltskanzlei zur Rechtsverfolgung nicht erforderlich gewesen sei. Bei
den Klägerinnen handele es sich um Großunternehmen, denen es ohne weiteres möglich und zumutbar sei, für die Abmahnungen eigene Abteilungen zu
schaffen.
61
Grundsätzlich dürfen auch Unternehmen mit eigenen Rechtsabteilungen
es den Umständen nach für erforderlich halten, einen Rechtsanwalt mit der
Abmahnung von Wettbewerbs- und Urheberrechtsverstößen zu beauftragen.
Sie sind daher im Fall der Einschaltung eines Rechtsanwalts berechtigt, vom
Abgemahnten den Ersatz der für die Abmahnung entstandenen Anwaltskosten
zu verlangen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2008 - I ZR 219/05, GRUR 2008,
996 Rn. 36 = WRP 2008, 1449 - Clone-CD, mwN). Konkrete Anhaltspunkte, die
im Streitfall eine andere Beurteilung rechtfertigen können, sind nicht ersichtlich.
62
4. Mit Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass den Klägerinnen gemäß § 670 BGB erstattungsfähige Aufwendungen auf der Basis des
Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) entstanden sind.
63
a) Der Anspruch auf Erstattung der Kosten der Rechtsverfolgung einschließlich der Aufwendungen für die Abmahnung ist unter dem Gesichtspunkt
der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 683 Satz 1, § 670 BGB) ebenso
wie als Schadensersatz nur begründet, soweit diese Kosten erforderlich waren
(BGH, Urteil vom 6. Mai 2004 - I ZR 2/03, GRUR 2004, 789 = WRP 2004, 903
- 27 -
- Selbstauftrag; Urteil vom 24. Februar 2011 - I ZR 181/09, GRUR 2011, 754
Rn. 15 = WRP 2011, 1057 - Kosten des Patentanwalts II).
64
b) Das Berufungsgericht hat angenommen, im Streitfall hätten die Klägerinnen ihren Rechtsanwälten für die Abmahnung eine 1,3-Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 RVG VV zu erstatten. Hiergegen wendet sich die Revision ohne
Erfolg.
65
aa) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Klägerinnen
ihren Rechtsanwälten die nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz maßgebliche Gebühr schuldeten. Soweit die Beklagte gemutmaßt habe, die Klägerinnen hätten mit ihren Prozessbevollmächtigten ein unter der gesetzlichen Vergütung liegendes Erfolgshonorar vereinbart, habe sie dafür weder greifbare Anhaltspunkte aufgezeigt noch Beweis angetreten. Diese Beurteilung lässt keinen
Rechtsfehler erkennen.
66
bb) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass bei der Frage
der Erstattungsfähigkeit von Abmahnkosten im Regelfall von den im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz getroffenen Bestimmungen auszugehen ist.
67
(1) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe keine greifbaren Anhaltspunkte aufgezeigt, dass die Klägerinnen mit ihren Prozessbevollmächtigten ein erfolgsabhängiges, im Fall eines Vergleichsabschlusses unter
der gesetzlichen Vergütung liegendes Honorar vereinbart hätten.
68
(2) Dagegen macht die Revision vergeblich geltend, es dürfte inzwischen
gerichtsbekannt sein, dass sich die Abmahnkanzleien bei Aufnahme von Verhandlungen mit den von den angeblichen Urheberrechtsverletzern eingeschalteten Rechtsanwälten regelmäßig auf Vergleiche einließen und dass ihr Vorge-
- 28 -
hen hierauf ausgerichtet sei. Mit diesem Vorbringen stellt die Revision auf vom
Berufungsgericht nicht festgestellte tatsächliche Umstände ab und erhebt daher
eine unzulässige Revisionsrüge (§ 559 Abs. 1 ZPO).
69
(3) Soweit die Revision außerdem geltend macht, die Beklagte habe das
Vorgehen der Klägerinnen und ihrer Prozessbevollmächtigten eingehend und
unter Beweisantritt geschildert und dazu Berichterstattungen aus den Medien
vorgelegt, lässt dies nicht erkennen, dass die Beklagte substantiiert vorgetragen
hat, dass die Rechtsanwälte der Klägerinnen mit diesen im Streitfall keine Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, sondern eine niedrigere
Vergütung für den Fall eines vorgerichtlichen Vergleichs vereinbart hätten. Die
Rüge ist damit bereits unzulässig (§ 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a ZPO). Sie ist im
Übrigen auch unbegründet. Die Klägerinnen haben dargelegt, dass ihre
Rechtsanwälte die Abmahntätigkeit im vorliegenden Verfahren ihnen gegenüber
nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bemessen und abgerechnet haben.
Diesen Vortrag hat die Beklagte nicht hinreichend bestritten. Sie hat vielmehr
- wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - lediglich Mutmaßungen
zur generellen Abrechnungspraxis der Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen angestellt.
70
cc) Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, die Abmahnung der
Klägerinnen sei nicht als rechtsmissbräuchlich einzustufen. Nach Lage der Dinge könne nicht davon ausgegangen werden, dass sie vorrangig den sachfremden Zweck verfolgt habe, eine möglichst hohe Geldforderung der Klägerinnen
zu realisieren. An der Unterbindung von Verletzungen ihrer Tonträgerrechte an
einer dreistelligen Zahl von Musikdateien hätten die Klägerinnen ein berechtigtes Interesse. Der Umstand allein, dass die Klägerinnen im nachfolgenden
Rechtsstreit nicht an allen 407 in Rede stehenden Dateien Rechte dargelegt
hätten und wohl auch nicht hätten darlegen können, begründe nicht den Vor-
- 29 -
wurf des Rechtsmissbrauchs, zumal das mit der Abmahnung unterbreitete Vergleichsangebot auf Zahlung eines Pauschalbetrages von 4.000 € angesichts
der in Rede stehenden Schadensersatzbeträge nicht unangemessen erscheine.
Die Revision setzt mit ihrer dies in Zweifel ziehenden Beurteilung lediglich ihre
eigene Sicht der Dinge an die Stelle der vom Berufungsgericht in tatrichterlicher
Würdigung vorgenommenen Sachverhaltsbewertung, ohne einen Rechtsfehler
darzutun.
71
c) Entgegen der Ansicht der Revision ist die Gebührenforderung der
Rechtsanwälte der Klägerinnen nicht verjährt. Die Revision macht insoweit geltend, die Rechtsanwälte seien bereits im Jahr 2007 mit der Verfolgung der Ansprüche beauftragt und tätig geworden, so dass zu diesem Zeitpunkt ihr angeblicher Vergütungsanspruch entstanden sei und somit im Innenverhältnis zwischen diesen Parteien mit Ablauf des Jahres 2010, also bereits vor Erteilung
des Auftrags zur Einleitung des im November 2011 begonnenen gerichtlichen
Mahnverfahrens verjährt gewesen sei. Damit hat sie keinen Erfolg. Gemäß § 8
Abs. 1 Satz 1 RVG wird die Rechtsanwaltsvergütung fällig, wenn der Auftrag
erledigt oder die Angelegenheit beendet ist. Mithin konnte der Erstattungsanspruch frühestens mit Versand der streitgegenständlichen Abmahnung im Jahr
2008 entstanden sein. Die Verjährungsfrist lief deshalb gemäß §§ 195, 199
Abs. 1 BGB jedenfalls bis zum 31. Dezember 2011 und ist zuvor durch Einleitung des gerichtlichen Mahnverfahrens gehemmt worden. Ob darüber hinausgehend - wie von der Revisionserwiderung geltend gemacht - von der Beendigung des Auftrags erst nach Abschluss der außergerichtlichen Rechtsverfolgung im Jahre 2011 auszugehen ist, kann offenbleiben.
72
5. Ohne Erfolg wendet sich die Revision schließlich gegen den vom Berufungsgericht der Berechnung der zu erstattenden Rechtsanwaltsgebühren zugrunde gelegten Streitwert in Höhe von 80.000 €.
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73
Das Berufungsgericht hat den ursprünglich von den Klägerinnen ihrem Erstattungsantrag zugrunde gelegten Streitwert von 200.000 € auf 80.000 € reduziert, weil die Klägerinnen ihre Aktivlegitimation nicht für 407, sondern nur für
100 Musiktitel dargelegt hätten. Entgegen der Ansicht der Revision ist die
Schätzung des Streitwerts vom Berufungsgericht nicht ins Blaue hinein erfolgt.
Das Berufungsgericht ist vielmehr unter Bezugnahme auf das landgerichtliche
Urteil davon ausgegangen, dass der reduzierte Streitwert dem Gefährdungspotential der Fortsetzung der Teilnahme an der Tauschbörse entspricht. Diese
tatrichterliche Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Soweit die Revision ausführt, dass der Teilnehmer an einer Tauschbörse lediglich "chunks" zur
Verfügung stelle, dass bei gleichzeitigem Angebot einer Vielzahl von Titeln die
Anzahl der Möglichkeiten von Interessenten im Hinblick auf die Dauer des Herunterladens begrenzt sei und bei der Vielzahl von Abmahnungen die doppelte
Inanspruchnahme zweier Beteiligter nahe liege, erhebt sie wiederum gemäß
§ 559 Abs. 1 ZPO unzulässige Rügen.
74
Ohne Erfolg macht die Revision ferner geltend, das Berufungsgericht hätte
bei der Bemessung des Streitwertes die Bestimmung des § 12 Abs. 4 UWG
berücksichtigen müssen. Diese Vorschrift ist auf Abmahnungen, die auf die Verletzung von nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Rechten gestützt sind,
nicht entsprechend anwendbar (vgl. Retzer in Harte/Henning, UWG, 3. Aufl.,
§ 12 Rn. 916 mwN). Im Übrigen hat die Revision schon nicht geltend gemacht,
dass die persönlichen Voraussetzungen des § 12 Abs. 4 UWG nach dem von
der Beklagten gehaltenen Vortrag im Streitfall vorliegen.
75
IV. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die streitgegenständlichen Ansprüche der Klägerinnen nicht verjährt sind. Es sei auszuschließen, dass die Klägerinnen von der erst am 28. Dezember 2007 bei der
Staatsanwaltschaft Heilbronn eingegangenen Providerauskunft und damit von
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der Person der Beklagten ohne grobe Fahrlässigkeit noch im Jahr 2007 hätten
Kenntnis erlangen können. Gegen diese Beurteilung erhebt die Revision keine
zulässige Rüge, sondern wiederholt lediglich die von der rechtsfehlerfreien tatrichterlichen Würdigung abweichende eigene Beurteilung der Beklagten.
76
V. Die Revision ist somit zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht
auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Büscher
Koch
Schwonke
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 02.05.2013 - 14 O 277/12 OLG Köln, Entscheidung vom 06.12.2013 - 6 U 96/13 -
Löffler
Feddersen