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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 94/06
Verkündet am:
4. Dezember 2008
Bott
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
-2-
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 4. Dezember 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und Dr. Koch
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 5. Zivilsenat, vom 26. April 2006 wird auf Kosten
der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Klägerin stellt Spirituosen her, darunter den bekannten "Underberg"Kräuterbitter. Sie vertreibt dieses Produkt, das seit etwa 160 Jahren auf dem
Markt ist, seit Jahrzehnten ausschließlich in 20ml-Flaschen, die in strohfarbenes Papier eingewickelt sind.
2
Die Klägerin ist Inhaberin der auf ihre Anmeldung vom 6. April 2001 für
verschiedene Waren der Klassen 29, 30, 32 und 33 und insbesondere für Biere
und andere alkoholische Getränke eingetragenen, nachstehend wiedergegebe-
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nen dreidimensionalen nationalen Marke Nr. 301 22 729, die Schutz für die
Farbe "Ocker" beansprucht (im Weiteren: Klagemarke)
3
Die Beklagte vertreibt in einer papierumwickelten 700ml-Flasche den
"Dr. Demuth Pepsin-Wein", ein freiverkäufliches Arzneimittel mit einem Alkoholgehalt von 12,5%, das auch zur Unterstützung der Magenfunktion angewendet
werden kann. Sie hatte beim Deutschen Patent- und Markenamt am 4. Juni
2002 zu der Registernummer DE 302 27 289.5 die nachstehend wiedergegebene dreidimensionale Marke für die Waren Pharmazeutische Produkte und
Arzneimittel, insbesondere frei verkäufliche Arzneimittel, angemeldet, die
Schutz für die Farben "Grün, Weiß" beanspruchte und am 3. April 2003 eingetragen wurde (im Weiteren: Streitmarke)
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4
Die Klägerin hat dieses Verhalten der Beklagten als Markenrechtsverletzung beanstandet.
5
Die Beklagte hat im Verlauf des Rechtsstreits die Löschung der Streitmarke veranlasst. Die Parteien haben den Rechtsstreit daraufhin in der Hauptsache hinsichtlich der von der Klägerin gestellten Anträge auf Einwilligung der
Beklagten in die Löschung der Streitmarke, auf Auskunftserteilung und auf
Schadensersatzfeststellung für erledigt erklärt.
6
Die Parteien streiten nunmehr noch über das Unterlassungsbegehren
der Klägerin. Dieses ist nach Auffassung der Klägerin deshalb nicht erledigt,
weil aus der Anmeldung der Streitmarke, dem Antrag der Beklagten auf Abweisung der Unterlassungsklage und der Berühmung der Beklagten im Rechtsstreit
die markenrechtliche Erstbegehungsgefahr folge.
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Die Klägerin hat vor dem Landgericht zuletzt beantragt,
die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel
zu verurteilen, es zu unterlassen,
ein dreidimensionales Zeichen, wie es Gegenstand der Veröffentlichung
im
Markenregister
zum
Aktenzeichen
-5-
Nr. 302 27 289 ist, zur Kennzeichnung der Waren "pharmazeutische Produkte und Arzneimittel, insbesondere frei verkäufliche
Arzneimittel" zu benutzen und/oder benutzen zu lassen, insbesondere vorgenannte Waren in dieser aus dem Markenregister
zur Nr. 302 27 289 ersichtlichen Form anzubieten, feilzuhalten,
zu vertreiben und/oder zu bewerben,
hilfsweise,
ihrem Antrag mit folgenden weiteren Einschränkungen stattzugeben:
a) [anzubieten, feilzuhalten, zu vertreiben und/oder zu bewerben …], soweit die Größe der so umwickelten Flasche 350 ml unterschreitet,
weiter hilfsweise
b) [anzubieten, feilzuhalten, zu vertreiben und/oder zu bewerben …], soweit die Größe der so umwickelten Flasche 20 ml nicht übersteigt,
weiter hilfsweise
c) [anzubieten, feilzuhalten, zu vertreiben und/oder zu bewerben …], soweit die Größe der so umwickelten Flasche 20 ml beträgt.
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Das Landgericht hat der Klage mit dem Hilfsantrag zu c) stattgegeben.
Die Berufung der Klägerin, mit der diese ihr Unterlassungsbegehren im Umfang
des Hilfsantrags zu a) weiterverfolgt hat, hatte nur insoweit Erfolg, als das Berufungsgericht dem Unterlassungsbegehren stattgegeben hat, soweit die Größe
der umwickelten Flasche bis zu 50 ml beträgt (OLG Hamburg GRUR-RR 2007,
35).
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Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihr Unterlassungsbegehren in dem Umfang weiter, in dem es im zweiten Rechtszug ohne Erfolg geblieben ist.
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Entscheidungsgründe:
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I. Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch der Klägerin
nur hinsichtlich papierumwickelter Portionsflaschen bejaht, diesen allerdings
- damit angemessene Ausdehnungstendenzen der Klägerin berücksichtigt werden könnten - auf Flaschen bis zu einer Größe von 50 ml erstreckt. Die durch
die vorgenommene Markenanmeldung begründete markenrechtliche Erstbegehungsgefahr habe die Beklagte nicht durch eine eindeutige Abstandnahme von
ihrer Berühmung ausräumen können.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin ist jeden-
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falls im Ergebnis nicht begründet. Die teilweise Abweisung der Klage mit dem
nach der übereinstimmenden Teilerledigungserklärung allein noch streitgegenständlichen Unterlassungsanspruch erweist sich schon deshalb als zutreffend,
weil die für diesen Anspruch ebenfalls erforderliche Begehungsgefahr spätestens mit der von der Beklagten veranlassten Löschung der Streitmarke entfallen
ist.
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1. Aufgrund der Anmeldung eines Zeichens als Marke ist im Regelfall zu
vermuten, dass eine Benutzung des Zeichens für die eingetragenen Waren
oder Dienstleistungen in naher Zukunft bevorsteht, wenn keine konkreten Umstände vorliegen, die gegen eine solche Benutzungsabsicht sprechen (BGH,
Urt. v. 13.3.2008 - I ZR 151/05, GRUR 2008, 912 Tz. 30 = WRP 2008, 1353
- Metrosex, m.w.N.). Für den Fortbestand der Erstbegehungsgefahr spricht allerdings anders als für die durch eine Verletzungshandlung begründete Wiederholungsgefahr keine Vermutung. Für die Beseitigung der Erstbegehungsgefahr
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genügt daher ein der Verhaltensweise, die sie begründet hat, entgegengesetztes Verhalten. Dementsprechend führt bei einer durch eine Markenanmeldung
oder -eintragung begründeten Erstbegehungsgefahr die Rücknahme der Markenanmeldung oder der Verzicht auf die Eintragung der Marke im Regelfall zum
Fortfall der Erstbegehungsgefahr (BGH GRUR 2008, 912 Tz. 30 - Metrosex,
m.w.N.). Unerheblich ist dabei, ob die Rücknahme der Anmeldung bzw. der
Verzicht auf die Eintragung aus prozessökonomischen Gründen oder aufgrund
besserer Einsicht erfolgt ist (vgl. BGH GRUR 2008, 912 Tz. 31 - Metrosex).
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2. Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass im Streitfall besondere
Umstände ausnahmsweise gegen den Wegfall der Erstbegehungsgefahr sprechen. Die Klägerin hat zwar in der Revisionsverhandlung geltend gemacht,
dass die Parteien seit langem und auch weiterhin über die Frage stritten, ob die
Ausstattung des Produkts der Beklagten Rechte der Klägerin verletzte. Im vorliegenden Rechtsstreit geht es aber nach der von der Beklagten veranlassten
Löschung der Streitmarke nur noch darum, ob die durch deren Anmeldung begründete Erstbegehungsgefahr gleichwohl teilweise - im Umfang des von der
Klägerin mit der Revision noch weiterverfolgten Unterlassungsanspruchs - fortbesteht.
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3. Eine Erstbegehungsgefahr, die für den von der Klägerin mit der Revision weiterverfolgten Unterlassungsanspruch erforderlich ist, ist entgegen der
von der Klägerin in der Revisionsverhandlung ferner vertretenen Auffassung
auch nicht dadurch begründet worden, dass die Beklagte im vorliegenden
Rechtsstreit insoweit weiterhin die Abweisung der Klage begehrt und dazu vorgetragen hat, dass die Streitmarke mit der Klagemarke nicht verwechselbar sei.
Eine Rechtsverteidigung begründet eine Erstbegehungsgefahr nicht schon
dann, wenn allein der eigene Rechtsstandpunkt vertreten wird, um sich die
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Möglichkeit eines entsprechenden Verhaltens für die Zukunft offenzuhalten,
sondern erst dann, wenn den Erklärungen bei Würdigung der Einzelumstände
des Falles auch die Bereitschaft zu entnehmen ist, sich unmittelbar oder in naher Zukunft in dieser Weise zu verhalten (vgl. BGH, Urt. v. 31.5.2001
- I ZR 106/99, GRUR 2001, 1174, 1175 = WRP 2001, 1076 - Berühmungsaufgabe). Davon kann im Streitfall nach den getroffenen Feststellungen nicht ausgegangen werden. Das Berufungsgericht hat in dieser Hinsicht lediglich ausgeführt, die Beklagte habe die durch ihre Markenanmeldung begründete Erstbegehungsgefahr nicht durch eine eindeutige Abstandnahme von ihrer Berühmung ausräumen können. Der Umstand, dass die Beklagte von ihrer Berühmung nicht Abstand genommen hat, hindert aber - wie ausgeführt - nicht den
Wegfall der Erstbegehungsgefahr.
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15
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Bornkamm
Büscher
Kirchhoff
Schaffert
Koch
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 10.06.2005 - 312 O 736/04 OLG Hamburg, Entscheidung vom 26.04.2006 - 5 U 105/05 -