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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 76/98
Verkündet am:
6. April 2000
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
Mißbräuchliche Mehrfachverfolgung
UWG § 13 Abs. 5
a) Die Mißbrauchsregelung des § 13 Abs. 5 UWG findet nicht nur in den Fällen
Anwendung, in denen sich die Anspruchsberechtigung des Gläubigers aus § 13
Abs. 2 UWG ergibt, sondern auch dann, wenn der Gläubiger als betroffener
Wettbewerber unmittelbar aus der verletzten Norm vorgehen kann.
b) Ein Hinweis auf eine mißbräuchliche Geltendmachung des wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs liegt darin, daß zwei konzernmäßig verbundene
und vom selben Rechtsanwalt vertretene Gläubiger die Möglichkeit nicht nutzen,
ihre Ansprüche beim selben Gericht als Streitgenossen geltend zu machen,
vielmehr jeweils getrennte Verfahren gegen den Schuldner einleiten. Auch die
gleichzeitige Einleitung von Verfügungs- und Hauptsacheverfahren kann auf einen Mißbrauch der Klagebefugnis hindeuten.
Gehen mehrere konzernmäßig verbundene Gläubiger, die ihre wettbewerbsrechtlichen Ansprüche gegen bestimmte bundesweit tätige Wettbewerber durch
einen - ihr Vorgehen koordinierenden - Rechtsanwalt geltend machen, wegen
ein und desselben Verstoßes in der Weise vor, daß sie gegen den Wettbewerber jeweils am eigenen Sitz als Begehungsort einstweilige Verfügungen bean-
-2tragen und/oder Klagen erheben (hier: 14 Verfügungs- und 14 Klageverfahren),
deutet dies auf eine mißbräuchliche Geltendmachung der Unterlassungsansprüche hin. Ihnen ist zuzumuten, daß sie entweder am Sitz des Wettbewerbers gemeinsam klagen oder daß sie ihr Vorgehen in der Weise konzentrieren, daß nur
eine Partei - sei es einer der Gläubiger, sei es die hierzu ermächtigte Holdinggesellschaft oder sei es ein ihre Interessen wahrnehmender Verband - den Unterlassungsanspruch gerichtlich durchsetzt.
BGH, Urteil vom 6. April 2000 - I ZR 76/98 - OLG Nürnberg
LG Nürnberg-Fürth
-3-
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. April 2000 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann und die
Richter Starck, Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Büscher und Raebel
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 24. Februar 1998 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Beide Parteien betreiben den Einzelhandel mit Computern und Computerzubehör. Die Klägerin hat ihren Sitz in Nürnberg; sie gehört zur MediaMarkt/Saturn-Gruppe. Die Beklagte ist ein bundesweit tätiges Unternehmen,
das in zahlreichen Städten, darunter auch in Nürnberg, Filialen unterhält.
In einem 1996 bundesweit verbreiteten Werbefaltblatt bewarb die Beklagte ein Computer-Paket (PC, Bildschirm), wobei der PC nach der Abbildung
erkennbar mit einem CD-ROM-Laufwerk ausgerüstet war. Auf die Abbildung
des PC war als Preisangabe gedruckt: "mit Monitor 1.799". Wie sich einer kleiner gedruckten Aufstellung entnehmen ließ, verfügte das für 1.799 DM angebotene Gerät in Wirklichkeit nicht über ein CD-ROM-Laufwerk. Lediglich ein
Gerät zum Preis von 2.349 DM enthielt auch ein CD-ROM-Laufwerk.
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Auf die Abmahnungen der Klägerin und verschiedener ihrer Schwesterfirmen verpflichtete sich die Beklagte am 30. August 1996 gegenüber der zum
selben Konzern wie die Klägerin gehörenden Saturn Elektrohandelsgesellschaft mbH München, es zu unterlassen,
gegenüber dem Letztverbraucher bezüglich Computerartikeln ein
E.-Festival-Paket, P 166 + Power mit einem CD-ROM-Laufwerk
abzubilden, obwohl das CD-ROM-Laufwerk im Preis von
1.799 DM nicht mit enthalten und somit der so abgebildete Artikel
zu dem angegebenen Preis nicht abgegeben wird.
Für jeden Fall einer in Deutschland begangenen Zuwiderhandlung verpflichtete sich die Beklagte zur Zahlung einer Vertragsstrafe von 11.000 DM.
Die Klägerin hat die strafbewehrte Unterlassungserklärung als unzureichend beanstandet, weil sie sich auf die konkrete Verletzungsform beschränke
und ähnliche Verstöße nicht erfasse. Sie hat die Beklagte auf Unterlassung
sowie auf Feststellung der Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz in
Anspruch genommen und ihre Klage ergänzend auf eine Werbung vom Februar 1997 gestützt, in der die Beklagte einen Mustek-Flachbettscanner zum Preis
von 399 DM angeboten, dabei jedoch einen wesentlich teureren HP-Scanner
abgebildet hatte.
Die Beklagte ist dem vor allem mit dem Einwand entgegengetreten, die
Klägerin handele rechtsmißbräuchlich. Hierzu hat sie vorgetragen, die Klägerin
und ihre Schwestergesellschaften, d.h. weitere Tochtergesellschaften des Metro-Konzerns, hätten wegen der hier in Rede stehenden Werbung einstweilige
Verfügungen erwirkt und darüber hinaus entsprechende Hauptsacheverfahren
betrieben. Sämtliche Verfahren würden von derselben Rechtsanwaltskanzlei
betreut. Wie sich geschäftsinternen Anweisungen entnehmen lasse, würden
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Wettbewerbsverstöße von Mitbewerbern im Metro-Konzern generell zentral
erfaßt und koordiniert verfolgt.
Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, es zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Wirtschaftsraum Nürnberg unter Abbildung von Computergeräten zu
werben, die zu dem angegebenen Preis nicht wie abgebildet abgegeben werden, soweit es sich hierbei nicht um die Abbildung
eines "E.-Festival-Paketes" P 166 + Power zu einem Preis von
1.799 DM mit CD-ROM-Laufwerk handelt, das zu dem beworbenen Preis nur ohne diese Ausstattung abgegeben wird.
Die auf Feststellung der Schadensersatzverpflichtung gerichtete weitergehende Klage hat das Landgericht abgewiesen.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage
insgesamt, also auch mit dem Unterlassungsantrag, abgewiesen (OLG Nürnberg OLG-Rep 1998, 154).
Mit der (zugelassenen) Revision verfolgt die Klägerin den Unterlassungsantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat die Klage mit dem Unterlassungsantrag als
unzulässig abgewiesen. Hierzu hat es ausgeführt:
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Der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs stehe der Einwand
des Rechtsmißbrauchs entgegen, und zwar auch insoweit, als die Klägerin den
Anspruch nicht aus § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG, sondern als betroffene Mitbewerberin unmittelbar aus § 3 UWG ableite. Eine mißbräuchliche Rechtsverfolgung
sei zu bejahen, wenn das Vorgehen der Klägerin und ihrer Schwesterfirmen
ausschließlich und überwiegend dazu diene, den in Anspruch genommenen
Mitbewerber ohne erkennbare sachliche Notwendigkeit mit Gebühren zu belasten und dadurch zu schädigen. Diese Voraussetzungen seien vorliegend zu
bejahen.
Die Klägerin habe die Beklagte gemeinsam mit ihren rechtlich selbständigen, aber in einem Konzernverbund zusammengeschlossenen Schwestergesellschaften wegen derselben bundesweit verbreiteten Werbung gleichzeitig
abgemahnt und mit einer Reihe gerichtlicher Verfahren - 14 Verfügungs- und
14 Hauptsacheverfahren - überzogen. Die Klägerin und ihre Schwestergesellschaften, an denen die Media-Saturn Holding GmbH jeweils mit einem Geschäftsanteil von 90 bis 100 % beteiligt sei, seien dabei außergerichtlich stets
durch denselben Rechtsanwalt vertreten worden, der auch während der gerichtlichen Auseinandersetzungen als Verkehrsanwalt fungiert habe. Die durch
dieses einheitliche Vorgehen belegte Konzernstrategie werde durch das Rundschreiben der Media-Saturn Holding an die Media-Markt- und SaturnGeschäftsführer vom 13. März 1997 und die ihm beigefügten "Verhaltensregeln
bei wettbewerbsrechtlichen Verstößen von Konkurrenzunternehmen" vom
21. März 1997 bekräftigt. Dies zeige, daß zwischen der Holdinggesellschaft
und den einzelnen Media- und Saturn-Märkten ein intensiver Informationsaustausch gepflegt werde und die hier vorliegende Mehrfachverfolgung auf einem
von der Konzernspitze koordinierten Verhalten beruhe. Zwar sei eine Mehrfachverfolgung durch mehrere Unterlassungsgläubiger grundsätzlich nicht zu
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beanstanden. Im Streitfall gehe jedoch das massive und koordinierte prozessuale Vorgehen der konzernverbundenen Gesellschaften weit über das Maß
einer berechtigten Interessenwahrnehmung hinaus. Mit dieser Vorgehensweise
werde vielmehr der Zweck verfolgt, die Beklagte in ihrer wirtschaftlichen Betätigung durch Beanspruchung von Zeit und Arbeitskraft zur Vorbereitung und
Durchführung der Verfahren sowie durch Verursachung von Kosten zu behindern.
Um das beanstandete Werbeverhalten der Beklagten bundesweit zu
unterbinden, hätte es - so das Berufungsgericht - eines mehrfachen Vorgehens
der rechtlich selbständigen, aber im Konzernverbund stehenden Einzelgesellschaften nicht bedurft. Der beanstandete Wettbewerbsverstoß sei einheitlich
anhand des Inhalts der Werbung festzustellen, ohne daß es auf Ermittlungen
vor Ort ankomme oder regionale Umstände eine Rolle spielten. Daher hätte es
ausgereicht, wenn nur eine der Konzerngesellschaften gegen die Beklagte
vorgegangen wäre. Wegen des festgestellten Informationsflusses innerhalb
des Konzerns sei gewährleistet, daß der Inhaber eines Titels von Verstößen
auch dann erfahre, wenn diese nur außerhalb seines eigenen regionalen Tätigkeitsbereichs aufträten. Darüber hinaus hätte - so das Berufungsgericht auch die Möglichkeit eines einheitlichen Vorgehens durch die Muttergesellschaft im Wege der gewillkürten Prozeßstandschaft oder dadurch bestanden,
daß die Angelegenheit einem bundesweit klagebefugten Verband anvertraut
werde.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben
keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Klage mit Recht wegen mißbräuchlicher Rechtsverfolgung abgewiesen.
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1. Die Klägerin ist unabhängig davon, ob sie ihren Anspruch auf § 13
Abs. 2 Nr. 1, § 3 UWG oder als betroffene Mitbewerberin unmittelbar auf § 3
UWG stützt, Adressatin der Mißbrauchsregelung in § 13 Abs. 5 UWG. Nach
dieser Bestimmung kann ein Unterlassungsanspruch nicht gerichtlich durchgesetzt werden, wenn die Geltendmachung unter Berücksichtigung der gesamten
Umstände mißbräuchlich wäre. Zwar stand bei der Einführung dieser Norm im
Jahre 1986 die Bekämpfung der Mißbräuche sogenannter Abmahnvereine im
Vordergrund (zur Entstehungsgeschichte Großkomm.UWG/Erdmann, § 13
Rdn. 109 ff.; v. Ungern-Sternberg, Festschrift Klaka, 1987, S. 72, 93 ff.). Die in
das Gesetz aufgenommene Mißbrauchsregelung beschränkt sich aber nicht auf
diese Mißbrauchsfälle, sondern verwehrt nach ihrem Wortlaut jedem Unterlassungsgläubiger im Falle des Mißbrauchs die Geltendmachung seines Anspruchs (so auch KG WRP 1998, 1189, 1190; Köhler in Köhler/Piper, UWG,
§ 13 Rdn. 55). Auch die Regelungen in den Absätzen 1, 4 und 6 des § 13
UWG betreffen wettbewerbsrechtliche Ansprüche im allgemeinen und sind in
ihrem Anwendungsbereich nicht auf die Fälle der erweiterten Sach- und Klagebefugnis nach § 13 Abs. 2 UWG beschränkt; der Schadensersatzanspruch aus
§ 13 Abs. 6 UWG betrifft sogar nur die unmittelbar aus der verletzten Norm
Berechtigten.
Damit kommt der Regelung des § 13 Abs. 5 UWG neben der Aufgabe
der Bekämpfung von Mißbräuchen bei Wettbewerbsverbänden die Funktion
eines Korrektivs gegenüber der weitgefaßten Anspruchsberechtigung der Mitbewerber zu, die ungeachtet ihrer möglichen Klagebefugnis aus § 13 Abs. 2
Nr. 1 UWG auch als konkrete Wettbewerber Unterlassungsansprüche geltend
machen können, ohne dabei dartun zu müssen, daß sie - über ihre Stellung als
konkrete Wettbewerber hinaus - durch die beanstandete Werbung in besonderem Maße beeinträchtigt werden (vgl. BGH, Urt. v. 5.3.1998 - I ZR 229/95,
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GRUR 1998, 1039, 1040 = WRP 1998, 973 - Fotovergrößerungen). Dadurch,
daß ein Wettbewerbsverstoß von einer Vielzahl von Anspruchsberechtigten
verfolgt werden kann, wird zwar die auch im Interesse der Allgemeinheit liegende Rechtsverfolgung erleichtert. Die Fülle der Anspruchsberechtigten birgt
aber für den Anspruchsgegner das Risiko, daß ein und derselbe Verstoß zum
Gegenstand mehrerer gerichtlicher Verfahren gemacht wird. Denn die Erhebung der Unterlassungsklage durch einen Berechtigten schließt es grundsätzlich nicht aus, daß auch die anderen Gläubiger ihren Anspruch gerichtlich
durchzusetzen versuchen (vgl. BGHZ 115, 105, 115 f. - Anwaltswerbung; BGH,
Urt. v. 16.12.1993 - I ZR 277/91, GRUR 1994, 307, 308 = WRP 1994, 256 Mozzarella I; Großkomm.UWG/Erdmann, § 13 Rdn. 25, 138). Damit wird dem
Anspruchsgegner ein Risiko aufgebürdet, dem er sich nur dadurch entziehen
kann, daß er sich gegenüber einem der Gläubiger unterwirft und auf diese
Weise sämtliche Gläubiger klaglos stellt (vgl. BGH, Urt. v. 13.5.1987
- I ZR 79/85, GRUR 1987, 640, 641 = WRP 1987, 557 - Wiederholte Unterwerfung II). Um so wichtiger ist es, daß die Regelung des § 13 Abs. 5 UWG
immer dann eine Handhabe bietet, wenn der wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch mißbräuchlich geltend gemacht wird, insbesondere wenn
sachfremde Ziele - wie das Interesse, den Gegner durch möglichst hohe Prozeßkosten zu belasten - als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende
Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen (vgl. Hefermehl, WRP 1987, 281,
284 f.; Scholz, WRP 1987, 433, 436).
2. Die Annahme eines derartigen Rechtsmißbrauchs, durch die die im
Interesse eines möglichst lückenlosen Rechtsschutzes in Kauf genommene
Möglichkeit einer Mehrfachverfolgung eingeschränkt wird, erfordert eine sorgfältige Prüfung und Abwägung der maßgeblichen Einzelumstände (vgl. Jestaedt in Pastor/Ahrens, Der Wettbewerbsprozeß, 4. Aufl., Kap. 25 Rdn. 14;
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Köhler, WRP 1992, 359, 361). Hierzu zählen zwar auch die Art und Schwere
des Wettbewerbsverstoßes sowie das Verhalten des Schuldners nach dem
Verstoß. Vor allem ist aber auf das Verhalten des Gläubigers bei der Verfolgung dieses und anderer Verstöße abzustellen; auch das Verhalten sonstiger
Anspruchsberechtigter ist in die Betrachtung einzubeziehen (vgl. Köhler in
Köhler/Piper, UWG, § 13 Rdn. 51; Scholz, WRP 1987, 433, 436).
Eine Mehrfachverfolgung desselben Wettbewerbsverstoßes kann sich
danach insbesondere dann als mißbräuchlich erweisen, wenn sie auf einem
abgestimmten Vorgehen der Unterlassungsgläubiger beruht und wenn - ohne
daß hierfür ein vernünftiger Grund ersichtlich wäre - die Vervielfachung des mit
der Rechtsverteidigung verbundenen Kostenrisikos sowie die Bindung personeller und finanzieller Kräfte eine unangemessene Belastung des Anspruchsgegners zur Folge hat (vgl. OLG Hamburg WRP 1981, 401 und 589; OLG Düsseldorf WRP 1983, 159; WRP 1984, 153; Großkomm.UWG/Erdmann, § 13
Rdn. 137; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 21. Aufl., § 13 UWG
Rdn. 53; Jestaedt in Pastor/Ahrens aaO Kap. 25 Rdn. 15; Melullis, Handbuch
des Wettbewerbsprozesses, 2. Aufl., Rdn. 438).
Anhaltspunkte für ein solches mißbräuchliches Verhalten können grundsätzlich verschiedene prozessuale Situationen bieten: So kann es sich als
mißbräuchlich erweisen, daß der Unterlassungsgläubiger, ohne hierzu - etwa
mit Blick auf den drohenden, auf andere Weise nicht zu verhindernden Eintritt
der Verjährung - genötigt zu sein, neben dem Verfahren der einstweiligen Verfügung gleichzeitig ein Hauptsacheverfahren anstrengt, ohne abzuwarten, ob
die beantragte Verfügung erlassen wird und der Schuldner dies in einer Abschlußerklärung als endgültige Regelung akzeptiert. Ferner kann ein Mißbrauch naheliegen, wenn konzernmäßig verbundene Unternehmen, die von
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demselben Rechtsanwalt - sei es als Prozeßbevollmächtigtem oder als Verkehrsanwalt - vertreten werden, nicht gemeinsam als Streitgenossen klagen,
sondern getrennte Verfügungs- oder Klageverfahren anstrengen oder wenn
mehrere Unterlassungsschuldner nicht in einem Verfahren, sondern jeweils
gesondert in Anspruch genommen werden, obwohl eine subjektive Klagehäufung auf der Aktiv- oder Passivseite für den Kläger oder Antragsteller mit keinerlei Nachteilen - etwa bei der Wahl des Gerichtsstandes - verbunden wäre.
Schließlich ist in Fällen, in denen das prozessuale Vorgehen verschiedener
Konzernunternehmen gegen Wettbewerbsverstöße zentral gesteuert wird, zu
fragen, ob es nicht ausgereicht hätte, daß eines der Konzernunternehmen einen Titel erstritten hätte, aus dem bei Zuwiderhandlungen bundesweit auch im
Interesse anderer zum Konzern gehörender Unterlassungsgläubiger vollstreckt
werden könnte, oder ob - wenn schon für jedes Konzernunternehmen ein eigener Titel für notwendig gehalten wurde - nicht ein streitgenössisches Vorgehen
zumutbar gewesen wäre.
In den beschriebenen Fällen kann das prozessuale Vorgehen - je nach
den Umständen des Einzelfalls - den Schluß rechtfertigen, daß der klagende
Gläubiger neben dem Interesse an einer Untersagung des Wettbewerbsverstoßes die Absicht verfolgt, den Schuldner durch eine - der Sache nach unnötige - Belastung mit Kosten und Gebühren zu schädigen und ihn dadurch im
Wettbewerb zu behindern.
3. Das Berufungsgericht hat im Streitfall das Vorliegen eines Rechtsmißbrauchs unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen Mehrfachverfolgung
desselben Wettbewerbsverstoßes durch eine Vielzahl von Klageparteien bejaht. Es hat angenommen, das prozessuale Vorgehen der Klägerin und ihrer
Schwestergesellschaften diene vor allem dazu, die Beklagte ohne sachliche
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Notwendigkeit mit Gebühren zu belasten und dadurch zu schädigen. Dies zeige sich darin, daß die Klägerin und ihre Schwestergesellschaften, koordiniert
durch ihre gemeinsame Hauptgesellschafterin, die Media-Saturn Holding, unter
Mitwirkung immer desselben Rechtsanwalts in einer Vielzahl von Fällen wegen
derselben Werbemaßnahme gegen die Beklagte vorgegangen seien, obwohl
ein Titel ausgereicht hätte, um das fragliche Werbeverhalten der Beklagten
bundesweit zu unterbinden. Diese von den getroffenen Feststellungen getragene Beurteilung ist rechtlich nicht zu beanstanden.
a) Die vom Berufungsgericht als rechtsmißbräuchlich beurteilte Mehrfachverfolgung ist dadurch gekennzeichnet, daß mehrere konzernverbundene
Unternehmen (Schwestergesellschaften) die Beklagte wegen deren bundesweit
identischen Werbung - Abbildung eines Computers mit einem im angegebenen
Preis nicht enthaltenen CD-ROM-Laufwerk - nahezu zeitgleich abgemahnt und
sie unter Mitwirkung jeweils desselben Verkehrsanwalts in insgesamt 14 Verfügungs- und 14 Hauptsacheverfahren wegen irreführender Werbung gerichtlich
in Anspruch genommen haben.
Dieses Vorgehen beruht nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen auf einer entsprechenden Koordinierung des Verhaltens der jeweils als
Kläger auftretenden Gesellschaften. Sie sind untereinander durch ihre Konzernmutter Media-Saturn Holding eng verbunden. Das Berufungsgericht hat im
Hinblick auf diese konzernmäßige Verbindung sowie auf die jeweils zeitgleich
über denselben Rechtsanwalt erfolgte Abmahnung und Verfahrenseinleitung
angenommen, daß der beschriebenen Vorgehensweise eine Konzernstrategie
zugrunde liegt. In dieser Annahme hat sich das Berufungsgericht durch das im
Rechtsstreit vorgelegte Rundschreiben vom 13. März 1997 einschließlich der
darin in Bezug genommenen "Verhaltensregeln bei wettbewerbsrechtlichen
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Verstößen von Konkurrenzunternehmen" vom 21. März 1997 bestätigt gesehen. Danach beruht die Mehrfachverfolgung im Streitfall auf einem intensiven
Informationsaustausch und einer Koordinierung des Prozeßverhaltens der verschiedenen Konzerngesellschaften.
Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision ohne Erfolg.
b) Ohne Rechtsverstoß hat das Berufungsgericht dem Schreiben vom
13. März 1997 und der ihm beigefügten Anlage die Weisung der Konzernleitung entnommen, daß die einzelnen Media- und Saturn-Märkte das Verhalten
ihrer konzernfremden Mitbewerber nach einem schon bislang praktizierten
Verfahren genau zu beobachten und die für die Verfolgung eines Verstoßes
erforderlichen Informationen an einen bestimmten Rechtsanwalt weiterzuleiten
haben, dem entsprechend der Unternehmenspolitik des Konzerns die Betreuung dieser Vorgänge obliegt.
Die Revision macht nicht geltend, daß das Schreiben vom 13. März
1997 und die ihm beigefügten "Verhaltensregeln" vom 21. März 1997 nicht authentisch seien. Sie verweist lediglich darauf, daß die Klägerin im Berufungsverfahren bestritten habe, daß es "grundsätzliche Verhaltensregeln" überhaupt
gebe. Angesichts der vorgelegten - authentischen - Unterlagen läßt sich jedoch
die Existenz solcher Verhaltensregeln nicht mit Erfolg in Abrede stellen. Gibt es
aber die in Kopie vorgelegten schriftlichen Weisungen, so läßt die weitergehende Folgerung des Berufungsgerichts, der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen durch Unternehmen der Media-Markt/Saturn-Gruppe liege ein koordiniertes Vorgehen zugrunde, keinen Rechtsfehler erkennen.
c) Allerdings läßt sich aus der Bündelung von Informationen an einer
Stelle sowie der Koordinierung der daraus gewonnenen Erkenntnisse bei der
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Verfolgung von Wettbewerbsverstößen nicht ohne weiteres der Schluß ziehen,
die rechtlich selbständigen Konzernunternehmen seien von der Holdinggesellschaft zur Einleitung bestimmter Gerichtsverfahren angewiesen worden. Eine
derartige Verlagerung der dem einzelnen Konzernunternehmen zustehenden
Entscheidungskompetenz hat das Berufungsgericht - worauf die Revision zutreffend hinweist - nicht festgestellt. Es hat ausdrücklich offengelassen, ob die
einzelnen Konzernunternehmen über eine Zusammenführung von Informationen und über eine Koordinierung der gewonnenen Erkenntnisse hinaus durch
die Holdinggesellschaft fremdbestimmt gewesen seien.
Dies steht jedoch der Annahme eines Rechtsmißbrauchs nicht entgegen. Hierfür genügt die vom Berufungsgericht beanstandungsfrei getroffene
Feststellung, daß die Kenntnisse von bundesweit begangenen Wettbewerbsverstößen auf Weisung der Konzernspitze an einer Stelle - nicht notwendig der
Konzernleitung selbst - zusammengetragen werden, so daß das Berufungsgericht im Streitfall mit Recht davon ausgehen durfte, daß die Klägerin das anhängige Verfahren nicht ohne Kenntnis der anderen Verfahren eingeleitet hat
und betreibt. Mag auch die Klägerin selbständig ohne Beeinflussung durch die
Konzernleitung darüber entschieden haben, ob und wie sie das beanstandete
Wettbewerbsverhalten der Beklagten verfolgt, ändert dies nichts an dem Umstand einer bewußten und gewollten Mehrfachverfolgung und damit auch
Mehrbelastung des Mitbewerbers. Dabei kommt es nicht so sehr darauf an,
daß ein bestimmter Rechtsanwalt bei sämtlichen Parallelprozessen als Verkehrsanwalt mitwirkt. Für die vom Berufungsgericht angenommene Koordinierung der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen ist vielmehr charakteristisch,
daß das bundesweit in Erscheinung tretende Wettbewerbsverhalten von konzernfremden Mitbewerbern nach dem Willen und der Weisung der Konzernlei-
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tung zentral gesammelt wird und im Falle der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen durch die konzernangehörigen Unternehmen präsent und verfügbar ist.
Dabei ist die bloße Sammlung von Informationen an einer zentralen
Stelle - hier bei einem Rechtsanwalt - für sich genommen noch nicht zu beanstanden; entscheidend ist, wozu die gesammelten Informationen benutzt werden (vgl. OLG Stuttgart OLG-Rep 1998, 69, 71). Wird aber ein Mitbewerber wie
im Streitfall wegen eines Wettbewerbsverstoßes von 14 Schwestergesellschaften abgemahnt, die teilweise (wie etwa die beiden Klägerinnen im vorliegenden und im Parallelverfahren I ZR 75/98) ihren Sitz in derselben Stadt haben, und werden daraufhin 14 Verfügungsverfahren sowie 14 Hauptsacheverfahren eingeleitet, so ist aufgrund der festgestellten Konzernstruktur davon
auszugehen, daß das eine Konzernunternehmen von der gleichzeitigen
Rechtsverfolgung durch die anderen Konzernunternehmen weiß und daß alle
beteiligten Konzerngesellschaften die gezielte Mehrfachverfolgung billigen und
durch den eigenen Beitrag fördern wollen.
d) Ohne Rechtsverstoß hat das Berufungsgericht auch in der hohen
Zahl von insgesamt 28 gegen die Beklagte angestrengten Verfahren (14 Verfügungs- und 14 Hauptsacheverfahren) einen Hinweis dafür gesehen, daß es der
Klägerin und ihren Schwesterunternehmen auch darum ging, die Beklagte
durch besonders hohe Prozeßkosten zu belasten.
Die Anzahl der wegen ein und desselben (identischen) Verstoßes versandten Abmahnungen und eingeleiteten Gerichtsverfahren besagt zwar für
sich genommen noch nichts über die Redlichkeit oder Mißbräuchlichkeit der
Rechtsverfolgung. Sie trägt aber im Zusammenhang mit zusätzlichen Anhaltspunkten ein weiteres Indiz dafür bei, daß die Klägerin mit ihren rechtlichen
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Schritten zu einer übermäßigen zeitlichen, finanziellen und administrativen
Belastung der Beklagten beitragen und diese damit schädigen wollte.
Ein derart gehäuftes Vorgehen mehrerer erscheint mit Blick auf den gerügten, leicht festzustellenden und letztlich nicht besonders schwerwiegenden
Wettbewerbsverstoß ungewöhnlich rücksichtslos. Hinzu kommt, daß sich die
Beklagte in bezug auf die konkret beanstandete Verletzungsform bereits gegenüber einem Münchener Schwesterunternehmen unterworfen hatte. Unabhängig davon, ob die Unterwerfungserklärung geeignet war, die Wiederholungsgefahr auch für kerngleiche Handlungen entfallen zu lassen (vgl. hierzu
BGH, Urt. v. 9.11.1995 - I ZR 212/93, GRUR 1996, 290, 291 = WRP 1996, 199
- Wegfall der Wiederholungsgefahr I; Beschl. v. 16.11.1995 - I ZR 229/93,
GRUR 1997, 379, 380 = WRP 1996, 284 - Wegfall der Wiederholungsgefahr II;
Urt. v. 10.7.1997 - I ZR 62/95, GRUR 1998, 483, 485 = WRP 1998, 296 - Der
M.-Markt packt aus), zeigt sie jedenfalls, daß die Beklagte das ihr vorgeworfene Werbeverhalten nicht in Abrede gestellt hat und generell bereit war, ihr
künftiges Werbeverhalten entsprechend zu ändern.
e) Die festgestellte Mehrfachverfolgung war nicht erforderlich, um das
legitime Ziel eines bundesweiten Verbots der als irreführend beanstandeten
Werbung zu erreichen. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß - objektiv betrachtet - ein einziger Titel genügt hätte, um das angegriffene Werbeverhalten der Beklagten bundesweit zu verhindern. Hierzu hätte
es verschiedene Möglichkeiten gegeben, bei denen eine übermäßige und unverhältnismäßíge Belastung der Beklagten vermieden worden wäre.
aa) Die Annahme des Berufungsgerichts, wonach das Rechtsschutzziel
sämtlicher Schwestergesellschaften mit der Einleitung und Verfolgung eines
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einzigen Verfahrens durch ein einziges Unternehmen aus ihrer Mitte hätte erreicht werden können, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Mit Recht hat das Berufungsgericht dem Umstand, daß die von der Beklagten mit dem Einwand des Rechtsmißbrauchs bekämpfte Mehrfachverfolgung von Wettbewerbsverstößen in allen Fällen dieselbe (identische) Werbemaßnahme betrifft, Gewicht beigemessen. Ein gleichzeitiges oder sukzessives
Vorgehen mehrerer Kläger gegen denselben Beklagten mag - dies bedarf vorliegend keiner Entscheidung - anders zu beurteilen sein, wenn es nicht um die
identische Werbemaßnahme, sondern lediglich um einen gleichartigen oder
ähnlich gelagerten Verstoß geht, der von verschiedenen Konzernunternehmen
verfolgt wird.
bb) Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht habe dem Umstand zu wenig Beachtung geschenkt, daß mit der bundesweiten Vollstreckung
eines erwirkten Unterlassungstitels durch eine selbst nur regional tätige Konzerngesellschaft erhebliche zeitliche, finanzielle, personelle und administrative
Mehrbelastungen verbunden seien, von deren Übernahmebereitschaft im Interesse der anderen Konzernunternehmen nicht ohne weiteres ausgegangen
werden könne (vgl. OLG Karlsruhe GRUR 1995, 504, 505 = WRP 1995, 649).
Zutreffend ist allerdings, daß es grundsätzlich der unternehmerischen
Entscheidungsfreiheit des von der Werbung betroffenen Unternehmens überlassen ist, ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen es gegen die für unlauter erachtete Wettbewerbshandlung eines Dritten ergreift. Dies bedeutet, daß
die Klägerin eine auswärtige Schwestergesellschaft, die Inhaberin eines Unterlassungstitels ist, nicht dazu anhalten könnte, von diesem Titel Gebrauch zu
machen und gegen einen Wettbewerber wegen einer in Nürnberg begangenen
Verletzungshandlung ein Ordnungsmittel zu beantragen. Ebensowenig kann
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die Klägerin erzwingen, daß die Media-Saturn Holding GmbH ihren Einfluß
geltend macht und die jeweilige zum Konzern gehörende Schwestergesellschaft dazu bestimmt, in ihrem, der Klägerin, Interesse tätig zu werden.
Ob die Besorgnis, ein anderes Konzernunternehmen werde sich weigern, seinen Titel zur Vollstreckung im Interesse der Schwestergesellschaften
einzusetzen, auch im Streitfall begründet ist oder ob die getroffenen Feststellungen zur Koordinierung der Mehrfachverfolgung auch die Annahme rechtfertigen könnten, die Holding werde in einem derartigen Fall von ihrem Einfluß
Gebrauch machen, bedarf keiner Entscheidung. Denn den Interessen der einzelnen Konzerngesellschaften an einem eigenen Titel hätte im Hinblick auf die
erfolgte Koordinierung der Rechtsverfolgung durch ein einziges Rechtsanwaltsbüro auch dadurch Rechnung getragen werden können, daß die Konzerngesellschaften gemeinsam als Streitgenossen gegen die Beklagte vorgehen. Abgesehen von der vorliegend bestehenden Möglichkeit, eine gemeinsame Klage zusammen mit dem ebenfalls in Nürnberg ansässigen Konzernunternehmen anzustrengen, hätte jedenfalls am allgemeinen Gerichtsstand der Beklagten eine Zuständigkeit für eine solche gemeinsame Klage der Konzerngesellschaften bestanden.
Daneben hätten - wie das Berufungsgericht zutreffend hervorhebt - auch
noch andere Möglichkeiten bestanden, um dasselbe Rechtsschutzziel einer
bundesweiten Unterbindung des beanstandeten Werbeverhaltens zu erreichen
und dabei die Beklagte weit weniger zu belasten. Zum einen hätte die Angelegenheit einem bundesweit klagebefugten Verband i.S. von § 13 Abs. 2 Nr. 2
UWG anvertraut werden können, der - nicht in Prozeßstandschaft (vgl. BGH,
Urt. v. 9.10.1997 - I ZR 122/95, GRUR 1998, 417, 418 = WRP 1998, 175 - Verbandsklage in Prozeßstandschaft), sondern aus eigenem Recht - gegen die
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Beklagte hätte vorgehen können. Zum anderen wäre es der Klägerin möglich
gewesen, zusammen mit den anderen Konzernunternehmen die Media-Saturn
Holding zu ermächtigen, den Unterlassungsanspruch im eigenen Namen geltend zu machen. Das erforderliche eigene schutzwürdige Interesse der Holding
(vgl. BGH, Urt. v. 19.1.1989 - I ZR 217/86, GRUR 1990, 361, 362 - Kronenthaler; Urt. v. 13.10.1994 - I ZR 99/92, GRUR 1995, 54, 57 - Nicoline; Ullmann,
Festschrift v. Gamm, 1990, S. 315 ff.; Ulrich, WRP 1995, 441 ff., jeweils
m.w.N.) hätte im Streitfall nicht verneint werden können. Es ist bei dem Gesellschafter einer GmbH grundsätzlich dann zu bejahen, wenn er an der Gesellschaft in einem Maße beteiligt ist, daß sich seine wirtschaftlichen Interessen im
wesentlichen mit denen der Gesellschaft decken (vgl. BGH GRUR 1995, 54, 57
- Nicoline; Ulrich, WRP 1998, 826, 828). Auch wenn die Möglichkeit des Vorgehens der Holding in gewillkürter Prozeßstandschaft das Rechtsschutzbedürfnis der einzelnen Konzernunternehmen für ein eigenes Vorgehen nicht
entfallen läßt, kann sie doch als ein Indiz dafür herangezogen werden, daß die
Klägerin und ihre Schwestergesellschaften ihre Unterlassungsansprüche durch
die jeweils gesonderte Geltendmachung mißbräuchlich einsetzen.
cc) Im Streitfall steht diesen Erwägungen nicht entgegen, daß zum Zeitpunkt der Erhebung der Klage einige Oberlandesgerichte noch davon ausgingen, die Verurteilung aufgrund eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs dürfe nur für den räumlichen Markt ausgesprochen werden, auf dem
der Kläger tätig sei; ein nur regional tätiger Mitbewerber könne aus einem uneingeschränkt ausgesprochenen Verbot nur gegen Verstöße vorgehen, die
seinen räumlich beschränkten Tätigkeitsbereich beträfen.
Der Bundesgerichtshof hat in der Zwischenzeit ausdrücklich klargestellt
(vgl. BGH, Urt. v. 10.12.1998 - I ZR 141/96, GRUR 1999, 509, 510 = WRP
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1999, 421 - Vorratslücken), daß ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch, der aufgrund einer einzelnen wettbewerbswidrigen Handlung einer
Vielzahl von Wettbewerbern zustehen kann, grundsätzlich nicht regional begrenzt, sondern für das gesamte Bundesgebiet gegeben ist; ebenso ist auch
ein unbegrenzt ausgesprochenes Verbot im gesamten Bundesgebiet durchsetzbar, ohne daß es auf den regionalen Geschäftsbereich des Unterlassungsgläubigers ankommt. Unmittelbar betroffenen Mitbewerbern wie der Klägerin
und ihren Schwestergesellschaften steht daher ein Unterlassungsanspruch zu,
der auf ein bundesweites Verbot gerichtet ist. Dies hat seinen entscheidenden
Grund darin, daß der Anspruch dem Wettbewerber nicht nur zum Schutz seiner
Individualinteressen, sondern auch im Interesse der anderen Marktbeteiligten
und der Allgemeinheit zuerkannt wird. Daran hat sich durch die UWG-Novelle
1994 nichts geändert (vgl. BGH GRUR 1998, 1039, 1040 - Fotovergrößerungen).
Mit einer gewissen Berechtigung beruft sich die Revision allerdings darauf, daß die Klägerin zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Jahre 1997 mit der
Möglichkeit rechnen mußte, daß ein um bundesweiten Rechtsschutz nachgesuchtes Gericht lediglich einen räumlich beschränkten Unterlassungstitel ausspricht oder daß es im Vollstreckungsverfahren nur solche Zuwiderhandlungen
berücksichtigt, die im räumlichen Tätigkeitsbereich des Unterlassungsgläubigers begangen worden sind. Das Maß der gerichtlichen Inanspruchnahme der
Beklagten läßt sich jedoch im Streitfall auf diese Weise nicht erklären. Denn
auch wenn die Klägerin und ihre Schwestergesellschaften mit der Möglichkeit
räumlich beschränkt wirkender Unterlassungstitel rechnen mußten, wäre es in
keinem Fall erforderlich gewesen, daß die Beklagte von zwei in derselben
Stadt ansässigen Konzernunternehmen - neben der Klägerin ist dies die
ebenfalls in Nürnberg ansässige und tätige Klägerin im Parallelverfahren
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I ZR 75/98 - verklagt wird. Jedenfalls für die beiden in Nürnberg ansässigen
Konzernunternehmen hätte es sich vielmehr angeboten, sich in der Weise abzusprechen, daß nur eines der beiden Konzernunternehmen seinen Unterlassungsanspruch gerichtlich durchsetzt oder daß beide Unternehmen - wenn auf
einen eigenen Unterlassungstitel nicht verzichtet werden sollte - gemeinsam
gegen die Beklagte vorgehen und auf diese Weise die Kosten der Rechtsverfolgung möglichst niedrig halten. Für die Einleitung jeweils getrennter Verfügungs- und Hauptsacheverfahren lassen sich demgegenüber vernünftige
Gründe nicht erkennen.
Daneben kann sich ein Hinweis auf ein mißbräuchliches Vorgehen auch
daraus ergeben, daß ein Kläger neben dem Verfügungsverfahren ein Hauptsacheverfahren eingeleitet hat, ohne abzuwarten, ob sich der Antragsgegner
nach Erlaß einer einstweiligen Verfügung noch streitig stellt. Im Streitfall läßt
sich jedoch den Feststellungen nicht entnehmen, daß die Hauptsacheklagen in
diesem Sinne verfrüht erhoben worden wären, so daß hier die Parallelität von
Verfügungs- und Hauptsacheverfahren für ein mißbräuchliches Vorgehen
nichts aussagt.
4. Die Anwendung von § 13 Abs. 5 UWG begegnet vorliegend auch unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit keinen durchgreifenden Bedenken
(vgl. insofern OLG Hamm GRUR 1991, 694). Vom Einwand des Rechtsmißbrauchs sind grundsätzlich alle Verfahren betroffen, bei denen angenommen
werden muß, daß dem Kläger nicht nur an einer Untersagung des beanstandeten Verhaltens, sondern auch an einer übermäßigen (weil unnötigen) wirtschaftlichen Belastung gelegen ist. Erhebt ein Kläger - wovon im Streitfall nicht
ausgegangen werden kann - neben dem laufenden Verfügungsverfahren ohne
Not die Hauptsacheklage, bezieht sich dieser Einwand allein auf die Klage;
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denn es kann nicht ohne weiteres angenommen werden, daß auch das Verfügungsverfahren auf einer mißbräuchlichen Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs beruht. In Fällen, in denen die sich aufdrängenden Möglichkeiten der subjektiven Klagehäufung - sei es auf Aktiv- oder Passivseite - nicht
genutzt werden, wird bei mehr oder weniger gleichzeitig erhobenen Klagen
darauf geschlossen werden können, daß sämtliche Klagen mißbräuchlich erhoben sind. Ein solcher Schluß verbietet sich dagegen, wenn zwischen der
Erhebung der Klagen eine gewisse Zeitspanne liegt, weil dann aus der gesonderten Erhebung der zweiten Klage nicht ohne weiteres auf ein mißbräuchliches Vorgehen schon bei Erhebung der ersten Klage geschlossen werden
kann. Bei einer solchen - hier nicht vorliegenden - Konstellation kommt ein
Mißbrauch nur hinsichtlich der zweiten Klage in Betracht.
Im Streitfall reicht bereits der Hinweis auf die parallel beim Landgericht
Nürnberg-Fürth erhobene Klage der Schwestergesellschaft der Klägerin aus,
um mit dem Berufungsgericht die Unzulässigkeit der Klage zu bejahen. In welchem Umfang auch die Erhebung weiterer Klagen und die Stellung weiterer
Verfügungsanträge mißbräuchlich war, kann nur im Rahmen des jeweiligen
Verfahrens beurteilt werden.
III. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß ein die
Art und Weise der prozessualen Geltendmachung betreffender Mißbrauch die
Prozeßführungsbefugnis entfallen läßt. Die Unterlassungsklage ist daher durch
Prozeßurteil als unzulässig abzuweisen (vgl. BGH GRUR 1999, 509, 510 - Vorratslücken, m.w.N.).
Die Revision ist danach mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
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Erdmann
Starck
Büscher
Bornkamm
Raebel