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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 26/10
Verkündet am:
3. Februar 2011
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
Kuchenbesteck-Set
MarkenG § 24 Abs. 1; Richtlinie 89/104/EWG Art. 7 Abs. 1
a) Ein Inverkehrbringen im Sinne von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 89/104/EWG,
§ 24 Abs. 1 MarkenG kann auch dann vorliegen, wenn nicht der Markeninhaber selbst, sondern eine wirtschaftlich mit ihm verbundene Person einem
Dritten die Verfügungsgewalt an dem mit der Marke versehenen Produkt innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums willentlich überträgt.
b) Ein zur Erschöpfung des Markenrechts führendes Inverkehrbringen liegt nicht
vor, wenn der Markeninhaber seine Zustimmung zum Vertrieb der Ware nur
unter der Bedingung erteilt hat, dass zuvor die mit der Marke gekennzeichnete Verpackung entfernt wird.
BGH, Urteil vom 3. Februar 2011 - I ZR 26/10 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
-2-
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 3. Februar 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert, Dr. Koch und Dr. Löffler
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 20. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 12. Januar 2010 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 12. Zivilkammer
des Landgerichts Düsseldorf vom 18. Februar 2009 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittel hat die Beklagte zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Klägerin vertreibt neben einem traditionellen Kaffeesortiment ein regelmäßig wechselndes Angebot von Gebrauchsartikeln in den Bereichen Haushalt, Sport, Freizeit, Garten und Textilien.
2
Die Klägerin ist von der Markeninhaberin, der Tchibo Markenverwaltungsgesellschaft mbH & Co. KG, ermächtigt, die Rechte aus der deutschen
Wortmarke 988 536 „Tchibo“, der Gemeinschaftswortmarke 2 941 441 „Tchibo“
sowie der deutschen Wort-/Bildmarke 305 17 604
-3-
geltend zu machen. Die Marken (Klagemarken) sind jeweils für „Messerschmiedewaren, Gabeln und Löffel“ eingetragen. Die Klägerin bietet ihre Gebrauchsartikel seit 1998 in einer einheitlich gestalteten Verpackung an, welche die Klagemarken wiedergibt. Sie vertreibt die Ware in Deutschland innerhalb eines geschlossenen Vertriebssystems. Die Benutzung der Klagemarken ist der Klägerin nach ihrem Vortrag von der Markeninhaberin, deren Kommanditistin sie ist,
im Rahmen eines Lizenzvertrages gestattet worden.
3
Die Beklagte verkaufte in Deutschland Kuchenbesteck-Sets, bestehend
aus einem Tortenheber und einem Tortenmesser, deren Verpackung mit den
Klagemarken gekennzeichnet war.
4
Die Klägerin hat vorgetragen, diese Sets stammten aus einer Produktion
von insgesamt 210.619 Verkaufseinheiten, die sie bei der A.
Stahlwaren
GmbH bestellt habe. Dieses Unternehmen habe die Sets exklusiv für die Klägerin in China herstellen und deren Verpackung mit den Klagemarken kennzeichnen lassen. Sodann sei die Produktion von der L.
GmbH einer Qualitätsprü-
fung unterzogen worden; 68.208 Verkaufseinheiten seien wegen Qualitätsmängeln abgelehnt worden. Diese beanstandeten Verkaufseinheiten seien nicht in
das Eigentum und die Verfügungsgewalt der Klägerin gelangt. Der A.
Stahl-
waren GmbH sei gestattet worden, diejenigen Bestecke, die nicht den Qualitätsanforderungen der Klägerin entsprochen hätten, ohne die mit den Klagemarken
versehenen Originalverpackungen weiterzuverkaufen. Weiter sei es zur Bedin-
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gung gemacht worden, dass die Ware nicht in Ländern vertrieben werden oder
dorthin zurückgelangen dürfe, in denen die Klägerin - wie unter anderem in
Deutschland - Filialen betreibe. Die A.
Stahlwaren GmbH habe dann vor-
sätzlich unter Verstoß gegen diese ausdrückliche Weisung 67.000 Verkaufseinheiten an die I.
an die U.
Z.
GmbH in N.
W.
verkauft. Diese habe die Waren
Einzel- und Großhandel Import und Export GmbH
weiterveräußert, von der die Beklagte sie erworben und schließlich ihrerseits in
der mit den Klagemarken gekennzeichneten Originalverpackung an die Silag
Handel AG in Langenfeld verkauft habe.
5
Die Klägerin hat die Beklagte aus den Klagemarken sowie gestützt auf
Urheberrechte an der Verpackungsaufmachung auf Unterlassung, Auskunft und
Rechnungslegung in Anspruch genommen.
6
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat die Prozessführungsbefugnis der Klägerin in Abrede gestellt und weiterhin bestritten, dass die
Klägerin im Hinblick auf die von ihr - der Beklagten - vertriebene Ware Vertriebsbeschränkungen vereinbart habe. Im Übrigen hat sich die Beklagte auf
Erschöpfung der Markenrechte berufen.
7
Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung des weitergehenden
Antrags auf Rechnungslegung verurteilt,
1. es zu unterlassen, Kuchensets, bestehend aus je einem Tortenheber und
Tortenmesser in mit den Marken „Tchibo“ und „TCM“ gekennzeichneten Original-Verpackungen der Klägerin wie nachfolgend dargestellt anzubieten
und/oder in den Verkehr zu bringen, anbieten zu lassen und/oder in Verkehr
bringen zu lassen, zu bewerben und/oder bewerben zu lassen
-5-
2. Auskunft zu erteilen über die Menge der bestellten, erhaltenen und weiterverkauften Kuchensets gemäß 1.
8
Die Berufung der Beklagten hat zur Abweisung der Klage geführt. Mit der
vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
-6-
Entscheidungsgründe:
9
I. Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage des eigenen Vorbringens
der Klägerin deren Markenrechte als erschöpft angesehen. Hierzu hat es ausgeführt:
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Zwar habe die Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag die Ware nicht in
Verkehr gebracht. Denn sie habe die mit ihrer Marke oder ihrem Unternehmenskennzeichen versehenen Kuchenbesteck-Sets weder selbst zum Weiterverkauf ausgeliefert noch habe sie ihren Lieferanten hierzu ermächtigt. Dem
Lieferanten sei nach dem Vortrag der Klägerin nur gestattet worden, die Ware
ohne Verpackung, also ohne die Marke und ohne das Unternehmenskennzeichen der Klägerin in Verkehr zu bringen; zudem seien bestimmte Länder, darunter auch Deutschland, ausgenommen gewesen. Gleichwohl sei die Klägerin
nach den Grundsätzen der Senatsentscheidung „Schamotte-Einsätze“ (BGH,
Urteil vom 19. Januar 1984 - I ZR 194/81, GRUR 1984, 545 = WRP 1984, 380)
rechtlich so zu behandeln, also ob sie die Ware selbst in Verkehr gebracht habe. Da sich die Klägerin zur Konfektionierung der Sets eines anderen Unternehmens bedient habe, müsse sie sich so behandeln lassen, als ob die Klägerin
die Kennzeichnung innerhalb des eigenen Unternehmens vorgenommen hätte
und die Ware dann infolge eines innerbetrieblichen Organisationsfehlers weisungswidrig ausgeliefert worden wäre. Dabei spiele es keine Rolle, ob die Herstellung und Markierung der Ware in China erfolgt sei, es sich um eine Exklusivherstellung für die Klägerin gehandelt habe, die Markierung mit den Klagemarken für jedermann sofort ersichtlich und entsprechend gekennzeichnete
Ware in Deutschland nur im Rahmen eines geschlossenen Vertriebssystems
der Klägerin erhältlich gewesen sei, die Ware von der A.
Stahlwaren GmbH
nicht versehentlich, sondern vorsätzlich und unter Verstoß gegen eine ausdrückliche Weisung ausgeliefert worden und die Ware zudem mangelhaft ge-
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wesen sei. Maßgeblich sei vielmehr, dass die Ware auf Veranlassung der Klägerin gekennzeichnet worden sei und diese den Vertrieb durch ihren Lieferanten ausdrücklich gestattet habe. Die Klägerin müsse deshalb das Risiko dafür
tragen, dass die Ware entgegen der Weisung, die Kennzeichnungen zu entfernen und nicht in bestimmte Länder auszuliefern, vertrieben worden sei. Dementsprechend könne die Klägerin ihren Abnehmern oder deren späteren Abkäufern den Weitervertrieb grundsätzlich nicht unter Berufung auf eigenes Fehlverhalten untersagen und ihnen etwaige Prüfungs- und Rückgabepflichten anlasten.
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II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben
Erfolg. Sie führen zur Wiederherstellung des der Klage stattgebenden landgerichtlichen Urteils.
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1. Das Berufungsgericht hat die auf Unterlassung und Auskunftserteilung
gerichtete Klage zu Unrecht abgewiesen. Auf der Grundlage des Klagevortrags,
den das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, kann eine
Erschöpfung des Rechts aus den Klagemarken nicht angenommen werden.
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a) Nach § 24 Abs. 1 MarkenG hat der Inhaber einer Marke nicht das
Recht, einem Dritten zu untersagen, die Marke für Waren zu benutzen, die unter dieser Marke von ihm oder mit seiner Zustimmung im Inland, in einem der
übrigen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr
gebracht worden sind. Für die Gemeinschaftsmarke trifft Art. 13 Abs. 1 GMV eine entsprechende Regelung. Diese Voraussetzungen der Erschöpfung des
Rechts aus den Klagemarken können mit der vom Berufungsgericht gegebenen
Begründung im Streitfall nicht bejaht werden.
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aa) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die
Klägerin selbst die von der Beklagten in Deutschland vertriebenen Kuchenbesteck-Sets nicht innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums in Verkehr gebracht hat. Von einem Inverkehrbringen im Sinne des § 24 Abs. 1 MarkenG ist
auszugehen, wenn der Markeninhaber die Verfügungsgewalt über die Markenware willentlich auf den Erwerber übertragen hat (BGH, Urteil vom 27. April
2006 - I ZR 162/03, GRUR 2006, 863 Rn. 15 = WRP 2006, 1233 - ex works,
mwN). Nach dem Klagevorbringen ist die Verfügungsgewalt jedenfalls nicht von
der Klägerin übertragen worden. Etwas anderes lässt sich auch dem Vorbringen der Beklagten nicht entnehmen.
15
bb) Indem das Berufungsgericht der Klägerin ein Inverkehrbringen ihrer
Lieferantin, der A.
Stahlwaren GmbH, nach den Grundsätzen der Senats-
entscheidung „Schamotte-Einsätze“ (GRUR 1984, 545) zugerechnet hat, hat es
die Klägerin so behandelt, als ob sie die Waren selbst in Verkehr gebracht hätte. Dies ist nicht frei von Rechtsfehlern. Dabei kann dahinstehen, ob sich den
Feststellungen des Berufungsgerichts überhaupt entnehmen lässt, dass die Lieferantin der Klägerin die in Rede stehenden, mit der Marke und dem Unternehmenskennzeichen versehenen Waren selbst innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums in Verkehr gebracht hat. Denn auch wenn das Inverkehrbringen
durch die Lieferantin erfolgt ist, kann die Klägerin aus Rechtsgründen nicht so
behandelt werden, als ob sie selbst die Ware in Verkehr gebracht hätte.
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(1) § 24 Abs. 1 MarkenG setzt Art. 7 Abs. 1 MarkenRL um und ist deshalb richtlinienkonform auszulegen (BGH, Urteil vom 11. Juli 2002 - I ZR 35/00,
GRUR 2002, 1063, 1065 = WRP 2002, 1273 - Aspirin I). Durch Art. 7 MarkenRL
erfolgt eine vollständige Harmonisierung der Vorschriften über die Rechte aus
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der Marke, der Begriff des „Inverkehrbringens“ ist daher autonom anhand des
Wortlauts, des Aufbaus und der Ziele der Richtlinie auszulegen (EuGH, Urteil
vom 30. November 2004 - C-16/03, Slg. 2004, I-11313 = GRUR 2005, 507
Rn. 30 ff. - Peak Holding). Durch Art. 7 MarkenRL hat der Unionsgesetzgeber
es dem Markeninhaber ermöglicht, das erste Inverkehrbringen der mit der Marke versehenen Ware im Europäischen Wirtschaftsraum zu kontrollieren; dagegen kann er dem Wiederverkauf eines Exemplars einer mit seiner Marke versehenen Ware grundsätzlich nicht widersprechen. Dadurch soll zum einen sichergestellt werden, dass die Marke ihrer Aufgabe entsprechend die Gewähr bieten
kann, dass alle Waren, die sie kennzeichnet, unter der Kontrolle eines einzigen
Unternehmens hergestellt worden sind, das für ihre Qualität verantwortlich gemacht werden kann. Weiter wird dem Markeninhaber durch das Recht zum ersten Inverkehrbringen im Europäischen Wirtschaftsraum die Möglichkeit gegeben, den wirtschaftlichen Wert der Marke zu realisieren (EuGH, GRUR 2005,
507 Rn. 36 ff. - Peak Holding; BGH, GRUR 2006, 863 Rn. 15 - ex works, mwN).
Beide für die Annahme eines Inverkehrbringens maßgebenden Gesichtspunkte
sind im Streitfall nicht gegeben.
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Ein Inverkehrbringen setzt nach den dargelegten Grundsätzen zunächst
voraus, dass der Markeninhaber die Möglichkeit verliert, den weiteren Vertrieb
der Markenware innerhalb dieses Wirtschaftsgebiets zu kontrollieren. Allerdings
ist insoweit nicht allein auf die Person des Markeninhabers abzustellen. So liegt
in Warenbewegungen zwischen verschiedenen Betrieben innerhalb eines Unternehmens oder eines Konzernverbundes noch kein Inverkehrbringen (EuGH,
GRUR 2005, 507 Rn. 44 - Peak Holding; BGH, GRUR 2006, 863 Rn. 15 - ex
works, mwN), während auf der anderen Seite ein Inverkehrbringen im Sinne
des Erschöpfungsgrundsatzes auch dann gegeben ist, wenn zwar nicht der
Markeninhaber selbst, aber eine wirtschaftlich mit ihm verbundene Person die
Verfügungsgewalt willentlich überträgt (EuGH, Urteil vom 23. April 2009
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- C-59/08, Slg. 2009, I-3421 = GRUR 2009, 593 Rn. 43 - Copad; Urteil vom
15. Oktober 2009 - C-324/08, Slg. 2009, I-10019 = GRUR 2009, 1159 Rn. 24
- Makro). Das nach dem Erschöpfungsgrundsatz der Markenrichtlinie maßgebende Zurechnungskriterium für ein Inverkehrbringen ist damit die wirtschaftliche Verbundenheit zwischen dem Markeninhaber und derjenigen Person, die
innerhalb des Europäischen Wirtschaftraums die tatsächliche Verfügungsgewalt
über die mit der Marke versehenen Waren dergestalt an Dritte überträgt, dass
der Markeninhaber den weiteren Vertrieb der Ware nicht mehr kontrollieren
kann. Mit dem Markeninhaber in diesem Sinne wirtschaftlich verbunden sind
etwa ein Lizenznehmer, die Mutter- oder die Tochtergesellschaft desselben
Konzerns oder aber ein Alleinvertriebshändler (EuGH, Urteil vom 22. Juni 1994
- C-9/93, Slg. 1994, I-2789 = GRUR Int. 1994, 615 Rn. 34 - IHT Internationale
Heiztechnik und Danzinger; EuGH, GRUR 2009, 593 Rn. 43 - Copad; GRUR
2009, 1159 Rn. 24 - Makro).
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An einer solchen wirtschaftlichen Verbundenheit zwischen der Klägerin
und ihrem Lieferanten fehlt es im Streitfall. Weder den Feststellungen des Berufungsgerichts noch dem Parteivorbringen lässt sich entnehmen, dass die A.
Stahlwaren GmbH dem Konzernverbund der Klägerin angehört. Es fehlen auch
Anhaltspunkte, die die Annahme einer Vertriebslizenz, eines Alleinvertriebsrechts oder einer sonstigen wirtschaftlichen Verbundenheit nahelegen könnten.
Nach Sinn und Zweck des Erschöpfungsgrundsatzes kämen insofern allein solche Verträge in Betracht, die den Vertrieb von mit der Marke der Klägerin gekennzeichneten Waren gestatteten. Denn nur in diesem Fall wäre die Garantiefunktion der Marke überhaupt betroffen. Daran fehlt es nach dem vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Sachverhalt; denn danach war die A.
Stahlwaren GmbH nur befugt, Waren zu vertreiben, die nicht mit den Klagemarken gekennzeichnet waren.
- 11 -
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(2) Aus diesem Grund liegt auch der zweite für ein Inverkehrbringen erforderliche Gesichtspunkt nicht vor. Mit dem hier allein gestatteten Vertrieb von
nicht mit den Klagemarken gekennzeichneten Waren wird der Markeninhaberin
gerade nicht die Möglichkeit eröffnet, den wirtschaftlichen Wert der Marke zu
realisieren.
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b) Eine Erschöpfung kann auch nicht nach der zweiten Alternative des
§ 24 Abs. 1 MarkenG angenommen werden, wonach es ausreicht, dass die mit
der Marke versehene Ware mit Zustimmung des Markeninhabers in Verkehr
gebracht worden ist.
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aa) Auch der Begriff der Zustimmung ist einheitlich im Sinne der Unionsrechtsordnung auszulegen (EuGH, Urteil vom 20. November 2001 - C-414/99,
Slg. 2001, I-8691 = GRUR Int. 2002, 147 Rn. 37, 43 - Zino Davidoff). Die Zustimmung, die einem Verzicht des Inhabers auf sein ausschließliches Recht aus
Art. 5 MarkenRL gleichkommt, Dritten zu verbieten, mit seiner Marke versehene
Waren erstmalig im Europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr zu bringen, stellt
das entscheidende Element für das Erlöschen dieses Rechts durch die
Grundsätze der Erschöpfung dar. Angesichts der Bedeutung ihrer Wirkung
muss die Zustimmung auf eine Weise geäußert werden, die einen Willen zum
Verzicht auf dieses Recht mit Bestimmtheit erkennen lässt (EuGH, GRUR Int.
2002, 147 Rn. 41, 45 - Zino Davidoff; GRUR 2009, 593 Rn. 42 - Copad; GRUR
2009, 1159 Rn. 22 - Makro).
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Nach dem Vorbringen der Klägerin, den das Berufungsgericht seiner
Prüfung der Erschöpfung der Klagekennzeichen zugrunde gelegt hat, war der
A.
Stahlwaren GmbH der Vertrieb der Waren unter Kennzeichnung mit den
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Klagemarken nicht nur nicht erlaubt, sondern ausdrücklich verboten worden.
Fehlt danach bereits die Zustimmung zum Vertrieb der gekennzeichneten Waren, kommt es nicht darauf an, was zu gelten hat, wenn mit der Zustimmung
zum Inverkehrbringen Einschränkungen hinsichtlich des Weitervertriebs verbunden sind und diese Einschränkungen nicht eingehalten worden sind (dazu
EuGH, GRUR 2005, 507 Rn. 54 - Peak Holding; GRUR 2009, 593 Rn. 46 ff.
- Copad; BGH, GRUR 2006, 863 Rn. 16 - ex works; Ingerl/Rohnke, MarkenG,
3. Aufl., § 24 Rn. 35 f.).
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bb) Nichts anderes folgt aus dem vom Berufungsgericht hervorgehobenen Umstand, dass die Klägerin die A.
Stahlwaren GmbH ursprünglich mit
der Kennzeichnung der Kuchenbesteck-Sets beauftragt hatte und die von der
Beklagten vertriebenen Sets im Rahmen dieses Auftrags mit den Klagemarken
gekennzeichnet worden waren. Es lag in der alleinigen Entscheidungsmacht
der Markeninhaberin, vor dem erstmaligen Inverkehrbringen der gekennzeichneten Waren im europäischen Wirtschaftsraum die Entscheidung zu treffen, die
Kennzeichnung der Waren mit den Klagemarken zu genehmigen oder aber
- wie hier geschehen - das Inverkehrbringen unter Verwendung der Marken zu
untersagen. Dies gilt erst recht, wenn - wie die Klägerin vorgetragen und das
Berufungsgericht seiner Prüfung zugrunde gelegt hat - eine ablehnende Entscheidung ausdrücklich deshalb getroffen wurde, weil die betroffenen Waren
nicht den Qualitätsanforderungen der Markeninhaberin entsprachen. Denn damit ist nicht eine lediglich inter partes wirkende schuldrechtliche Verpflichtung
betroffen. Es geht vielmehr um die für die Auslegung der Erschöpfungsvoraussetzungen maßgebende Funktion der Marke, Gewähr dafür zu bieten, dass die
mit ihr gekennzeichneten Waren unter der Kontrolle eines einzigen Unternehmens hergestellt worden sind, das für ihre Qualität verantwortlich gemacht werden kann (EuGH, GRUR 2005, 507 Rn. 38 - Peak Holding). Untersagt der Markeninhaber den Vertrieb von Markenware wegen Qualitätsmängeln, geht es
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mithin um gegenüber jedermann wirkende Ansprüche aus dem Markenrecht.
Dem entspricht es, dass der Unionsgesetzgeber dem Markeninhaber gegen einen Lizenznehmer das Recht vorbehalten hat, aus der Marke vorzugehen,
wenn der Lizenznehmer hinsichtlich der Qualität der von ihm hergestellten Waren gegen die Bestimmungen des Lizenzvertrages verstößt (Art. 8 Abs. 2
Buchst. e MarkenRL/§ 30 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG; vgl. dazu EuGH, GRUR 2009,
593 Rn. 51 - Copad; Schalk in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht, Medienrecht, 2. Aufl., § 24 MarkenG Rn. 19). Weiter ist
der Gesichtspunkt der Gewährleistung der Qualität der Ware ein Grund, der es
dem Markeninhaber gestattet, sogar nach dem Inverkehrbringen der gekennzeichneten Ware im Europäischen Wirtschaftsraum die weitere Benutzung zu
untersagen (Art. 7 Abs. 2 MarkenRL/§ 24 Abs. 2 MarkenG).
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c) Eine Erschöpfung lässt sich schließlich auch nicht mit den Erwägungen begründen, die der Senat seiner Entscheidung „Schamotte-Einsätze“
(GRUR 1984, 545) zugrunde gelegt hat.
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Zunächst war der dort entschiedene Einzelfall durch die im Streitfall nicht
vorliegende Besonderheit geprägt, dass ein Lieferant innerhalb Deutschlands
versehentlich Rohre, die zwar außen mit seinem eigenen Zeichen versehen waren, die aber zusätzlich und an unauffälliger, im Rahmen von Liefer- und Lagervorgängen nicht ersichtlicher Stelle in der Rohrinnenseite mit dem Zeichen des
Auftraggebers gekennzeichnet waren, nicht an den Auftraggeber, sondern an
einen anderen Kunden auslieferte. Weiter hat sich der Senat maßgeblich auf
§ 24 WZG gestützt, der den Unterlassungsanspruch des Inhabers eines Warenzeichens abweichend von der heute geltenden Rechtslage daran knüpfte,
dass bereits die Kennzeichnung selbst widerrechtlich war, woran es nach den
maßgebenden Feststellungen im damaligen Fall fehlte (BGH, GRUR 1984, 545,
547 - Schamotte-Einsätze).
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Im Übrigen betraf die Entscheidung „Schamotte-Einsätze“ den Erschöpfungsgrundsatz vor Inkrafttreten der Markenrechtsrichtlinie und des Markengesetzes. Jedenfalls nach Inkrafttreten des aktuellen, autonom unionsrechtlich
auszulegenden Rechts gelten dagegen die oben dargelegten Grundsätze (vgl.
auch Sack, WRP 1999, 1088, 1094). Soweit sich aus der Entscheidung „Schamotte-Einsätze“ für den Streitfall abweichende Gesichtspunkte ergeben sollten,
hält der Senat daran nicht fest.
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2. Der Senat kann abschließend entscheiden, weil die Sache zur Endentscheidung reif ist.
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a) Der Unterlassungsanspruch ergibt sich aus § 14 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5
MarkenG, Art. 9 Abs. 1 Buchst. a GMV. Das Berufungsgericht hat die Prozessführungsbefugnis der Klägerin zutreffend und von der Revision unbeanstandet
bejaht. Die Beklagte hat die Klagemarken in identischer Form für identische
Waren benutzt. Wie dargelegt, kann sich die Beklagte auf der Grundlage des
Vortrags der Klägerin nicht auf eine Erschöpfung der Markenrechte berufen. Für
die Voraussetzungen der Erschöpfung ist im Streitfall - bei dem es nicht um die
Abschottung von nationalen Märkten mit dem Zweck der Begünstigung von
Preisunterschieden zwischen den Mitgliedsstaaten geht - die Beklagte darlegungs- und beweisbelastet (vgl. EuGH, GRUR Int. 2002, 147 Rn. 54 - Zino Davidoff; EuGH, Urteil vom 8. April 2003 - C-244/00, Slg. 2003, I-3051 = GRUR
2003, 512 Rn. 41 - Van Doren + Q; BGH, Urteil vom 23. Oktober 2003
- I ZR 193/97, GRUR 2004, 156, 157 = WRP 2004, 243 - stüssy II; Hacker in
Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 24 Rn. 37 f.; Ingerl/Rohnke aaO § 24
Rn. 88, 90). Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass die Beklagte ihrer Darlegungslast nicht hinreichend nachgekommen ist. Die Beklagte hat keinen Geschehensablauf dargelegt, aus dem sich eine Erschöpfung ergibt. Sie
hat sich vielmehr auf ein Bestreiten der Darstellung der Klägerin sowie auf eine
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Verteidigung mit rechtlichen Argumenten beschränkt. Weitere tatsächliche Feststellungen sind für den Fall einer Zurückverweisung an das Berufungsgericht
nicht zu erwarten. Gegenteiliges hat auch die Revisionserwiderung nicht geltend gemacht.
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b) Zu Recht hat das Landgericht die Beklagte weiter zur Auskunft verurteilt. Der geltend gemachte Auskunftsanspruch rechtfertigt sich aus § 19 Abs. 1
und 3 MarkenG. Die Klägerin ist im Wege der Prozessstandschaft auch zur
Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen ermächtigt worden und war daher befugt, Auskunft an sich zu verlangen (BGH, Urteil vom 15. Dezember 1994
- I ZR 121/92, GRUR 1995, 216, 219 f. = WRP 1995, 320 - Oxygenol II; Ingerl/
Rohnke aaO § 19 Rn. 7).
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III. Danach ist das Berufungsurteil aufzuheben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts ist zurückzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Bornkamm
Büscher
Koch
Schaffert
Löffler
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 18.02.2009 - 12 O 379/08 OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 12.01.2010 - I-20 U 54/09 -