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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 205/11
Verkündet am:
31. Oktober 2012
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
Preisrätselgewinnauslobung V
UWG § 4 Nr. 3
Ein in einer Zeitschrift abgedruckter Beitrag, der mit „Preisrätsel“ überschrieben
ist und sowohl redaktionelle als auch werbliche Elemente enthält, verstößt gegen das Verschleierungsverbot des § 4 Nr. 3 UWG, wenn der werbliche Charakter der Veröffentlichung für einen durchschnittlich informierten und situationsadäquat aufmerksamen Leser nicht bereits auf den ersten Blick, sondern
erst nach einer analysierenden Lektüre des Beitrags erkennbar wird.
BGH, Urteil vom 31. Oktober 2012 - I ZR 205/11 - OLG Karlsruhe
LG Freiburg
-2-
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 31. Oktober 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Koch und Dr. Löffler
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 4. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 20. Oktober 2011 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 2. Kammer für
Handelssachen des Landgerichts Freiburg vom 18. August 2010
wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 5/6 und die Beklagte 1/6. Die
Kosten der Revision trägt die Beklagte.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Beklagte ist Verlegerin der monatlich erscheinenden Zeitschrift „G.
M.
“. In der Ausgabe 12/2009 befand sich auf Seite 19 unter der
Rubrik „Preisrätsel“ ein Gewinnspiel, bei dem die Teilnehmer nach richtiger Beantwortung der Preisfrage eines von drei ausgelobten Epiliergeräten der Marke
Braun im Wert von 150 € gewinnen konnten.
2
Unterhalb der Überschrift „Gewinnen Sie ein Epiliergerät von Braun“ war
folgender Text abgedruckt:
Der Winter setzt unserer Haut mächtig zu: Trockene Heizungsluft drinnen, klirrende Kälte draußen und der Wechsel zwischen beiden lässt die Haut leiden.
Bei frostigen Temperaturen ist das körpereigene Kreatin weniger flexibel, mit
der Folge, dass die Haut schnell spannt. Darüber hinaus trocknet Kälte sie zusätzlich aus, was zu Irritationen und Juckreiz führen kann. So kommt der Wasserhaushalt aus der Balance und verlangsamt den natürlichen Erneuerungspro-
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zess der Haut. Ein Grund, warum Experten im Winter eine äußerst sanfte Haarentfernungsmethode empfehlen. Der Silk-épil Xpressive Wet&Dry von Braun ist
dafür ideal, denn er bietet die sanfteste und hautschonendste Epilation, die es
je von Braun gab. Sein Geheimnis ist die Anwendung unter Wasser, denn warmes Wasser wirkt entspannend und beruhigend, das Gefühl auf der Haut wird
besser und das Zupfempfinden nimmt merklich ab.
3
Die darunter abgedruckte Preisfrage lautete:
Was ist das Geheimnis des Silk-épil Xpressive Wet&Dry?
4
In den in einem separaten Kasten abgedruckten Teilnahmebedingungen
war in den untersten beiden Zeilen der Hinweis enthalten, dass die Gewinne
vom Hersteller kostenlos zur Verfügung gestellt würden.
5
Optisch war der Beitrag wie nachfolgend abgebildet gestaltet:
-4-
6
Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, ist
der Ansicht, das Preisrätsel sei - neben fünf anderen in derselben Ausgabe abgedruckten Beiträgen, die nicht mehr in Streit stehen - wegen Verstoßes gegen
§ 4 Nr. 3 UWG wettbewerbsrechtlich unzulässig, weil der Werbecharakter des
Beitrags verschleiert werde. Es handele sich zudem um eine als Information
getarnte Werbung nach Nr. 11 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG, die auch im
Widerspruch zum presserechtlichen Trennungsgebot nach § 10 Landespressegesetz Baden-Württemberg (LPresseG BW) stehe und daher gegen § 4 Nr. 11
UWG verstoße. Die Klägerin hat ursprünglich die Veröffentlichung von sechs
Beiträgen in der Zeitschrift „G.
M.
“ (Ausgabe 12/2009) beanstandet
und deren Unterlassung begehrt. Darüber hinaus hat sie die Erstattung von Abmahnkosten verlangt. Die Beklagte ist dem entgegengetreten.
7
Das Landgericht hat die Unterlassungsklage lediglich in Bezug auf drei
Veröffentlichungen für begründet erachtet und sie im Übrigen abgewiesen (dazu
-5-
Kloth, LG Freiburg, GRUR-Prax 2011, 480). In der Berufungsinstanz hat die
Klägerin ihr Unterlassungsbegehren hinsichtlich der auf den Seiten 38 und 39
veröffentlichten Beiträge („Komplex TriProtect“ und „Dr. Hauschka Med“) zurückgenommen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die
Klage mit dem von der Klägerin allein noch weiterverfolgten Unterlassungsantrag hinsichtlich des auf Seite 19 veröffentlichten Beitrags „Preisrätsel“ sowie
mit dem Begehren auf Erstattung von Abmahnkosten abgewiesen (OLG Karlsruhe, WRP 2012, 991).
8
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des
erstinstanzlichen Urteils in dem noch rechtshängigen Umfang.
Entscheidungsgründe:
9
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die von der Klägerin allein
noch beanstandete Veröffentlichung verschleiere nicht den Werbecharakter des
Beitrags im Sinne des § 4 Nr. 3 UWG, weil der Verkehr dessen werbliche Zielsetzung erkenne. Ein Verstoß gegen Nr. 11 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG
scheide aus gleichen Gründen aus. Die Vorschrift des § 4 Nr. 11 UWG sei ebenfalls nicht verletzt, weil die Beklagte kein Entgelt für die Veröffentlichung erhalten
habe und der Beitrag daher nicht gegen das Trennungsgebot des § 10
LPresseG BW verstoße.
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II. Die dagegen gerichtete Revision der Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur
Aufhebung des Berufungsurteils und in dem noch rechtshängigen Umfang zur
Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
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1. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht einen Verstoß der Beklagten gegen § 4 Nr. 3 UWG verneint.
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a) Die Veröffentlichung des streitgegenständlichen Preisrätsels stellt, wie
das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, eine geschäftliche Handlung
im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar. Mit Recht ist das Berufungsgericht ferner davon ausgegangen, dass der beanstandete Beitrag einen werblichen Charakter hat, der über eine bloße Eigenwerbung hinausgeht. Beides wird von der
Revisionserwiderung auch nicht in Zweifel gezogen.
13
b) Das Berufungsgericht hat des Weiteren angenommen, der Werbecharakter des Preisrätsels werde bei der konkreten Art der Aufmachung nicht verschleiert. Zwar gehöre der Beitrag formal zum redaktionellen Teil der Zeitschrift.
Die Gefahr einer Irreführung über den Werbecharakter von Preisrätseln sei jedoch nur dann gegeben, wenn der durchschnittliche, situationsadäquat aufmerksame und verständige Leser der Fehlvorstellung unterliege, dass die Redaktion
das Produkt nach eigenem Belieben und aufgrund ihrer objektiv fundierten
Wertschätzung ausgesucht habe. Die Gefahr einer solchen Fehlvorstellung sei
vorliegend nicht gegeben, weil der Leser darauf hingewiesen werde, dass die
ausgelobten Geräte vom Hersteller kostenlos zur Verfügung gestellt worden seien, und der spielerisch-unterhaltende Charakter aufgrund der banalen Preisfrage nahezu vollständig in den Hintergrund trete. Der Leser, der Inhalt und Gestaltung des Beitrags zur Kenntnis nehme, erkenne, dass er auf das als attraktiv
dargestellte Produkt aufmerksam gemacht werden solle. Da es sich um ein Gesundheitsmagazin handele, das teilweise durch Anzeigen finanziert werde und
sich unter anderem der Vorstellung von Gesundheits-, Wellness- und Schönheitsprodukten widme, werde der Leser auch eine allgemeine Abhängigkeit des
Herausgebers der Zeitschrift erwarten. Der Leser rechne unter diesen Umstän-
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den nicht damit, dass das ausgelobte Produkt nach objektiven Gesichtspunkten
als Gewinn ausgewählt worden sei.
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c) Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision mit Erfolg.
15
aa) Nach § 4 Nr. 3 UWG handelt unlauter, wer den werblichen Charakter
einer geschäftlichen Handlung verschleiert. Mit der genannten Vorschrift soll das
medienrechtliche Verbot der Schleichwerbung auf alle Formen der Werbung
ausgedehnt werden (Begründung zum Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drucks. 15/1487, S. 17). Die Bestimmung des § 4
Nr. 3 UWG bezweckt damit den Schutz der Verbraucher vor einer Täuschung
über den kommerziellen Hintergrund geschäftlicher Maßnahmen. Insofern dient
sie auch der Umsetzung des Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken (BGH, Urteil vom 1. Juli 2010 - I ZR 161/09, GRUR
2011, 163 Rn. 21 = WRP 2011, 747 - Flappe). Eine Verschleierung liegt danach
vor, wenn die Handlung so vorgenommen wird, dass der Werbecharakter nicht
klar und eindeutig zu erkennen ist (Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl.,
§ 4 Rn. 3.11).
16
Grundlage des in § 4 Nr. 3 UWG - ebenso wie in Nr. 11 des Anhangs zu
§ 3 Abs. 3 UWG - enthaltenen Verbots redaktioneller Werbung ist die damit regelmäßig einhergehende Irreführung des Lesers, der dem Beitrag aufgrund seines redaktionellen Charakters unkritischer gegenübertritt und ihm auch größere
Bedeutung und Beachtung bemisst (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 1981
- I ZR 96/79, BGHZ 81, 247, 250 f. = GRUR 1981, 835 - Getarnte Werbung I;
Urteil vom 7. Juli 1994 - I ZR 104/93, GRUR 1994, 821, 822 = WRP 1994, 814
- Preisrätselgewinnauslobung I, jeweils zu § 1 UWG aF). Wird in einer Zeitschrift der redaktionelle Teil mit Werbung vermischt, ist im Allgemeinen eine
Irreführung anzunehmen (BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 - I ZR 12/95,
-8-
GRUR 1997, 907, 909 = WRP 1997, 843 - Emil-Grünbär-Klub; Urteil vom
30. April 1997 - I ZR 154/95, GRUR 1997, 914, 916 = WRP 1997, 1051 - Die
Besten II). Dies gilt unabhängig davon, ob der Beitrag gegen Entgelt oder im
Zusammenhang mit einer Anzeigenwerbung geschaltet wurde (BGH, GRUR
1994, 821, 822 - Preisrätselgewinnauslobung I). Voraussetzung dafür ist jedoch,
dass der redaktionelle Beitrag das Produkt über das durch eine sachliche Information bedingte Maß hinaus werbend darstellt. Dabei sind alle Umstände des
Einzelfalls, insbesondere der Inhalt des Berichts, dessen Anlass und Aufmachung sowie die Gestaltung und Zielsetzung des Presseorgans, zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 18. Februar 1993 - I ZR 219/91, GRUR 1993, 565, 566 =
WRP 1993, 478 - Faltenglätter).
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bb) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass Preisrätsel zwar grundsätzlich dem redaktionell gestalteten und zu verantwortenden
Bereich einer Zeitschrift im weiteren Sinne zuzuordnen sind, dass jedoch für die
wettbewerbsrechtliche Beurteilung solcher Beiträge und der darin enthaltenen
Präsentation der ausgelobten Produkte andere Maßstäbe gelten als für den engeren redaktionellen Bereich, der der Unterrichtung und der Meinungsbildung
der Leser dient (BGH, Urteil vom 11. Juli 1996 - I ZR 79/94, GRUR 1996, 804,
806 = WRP 1996, 1034 - Preisrätselgewinnauslobung III). Dies folgt daraus,
dass der durchschnittliche, situationsadäquat aufmerksame Leser in dem Gewinnspiel regelmäßig auch eine Form der Eigenwerbung des Verlages für die
Zeitschrift erkennt und sie daher anders beurteilt als solche Beiträge, die zum
engeren redaktionellen Bereich zählen. Der Leser wird regelmäßig erwarten,
dass ihm attraktive Gewinne präsentiert und diese auch positiv dargestellt werden. Aus diesem Grund ist eine Präsentation der ausgelobten Produkte in der
Regel wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn sie die Grenzen des
Normalen und seriöserweise Üblichen nicht überschreitet (BGH, GRUR 1994,
821, 822 - Preisrätselgewinnauslobung I). Umgekehrt kann eine Darstellung der
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Preise wettbewerbsrechtlich unzulässig sein, wenn die werbliche Herausstellung
der ausgelobten Produkte deutlich im Vordergrund steht und dabei dem Verkehr
der Eindruck vermittelt wird, die Redaktion habe in einem objektiven Auswahlverfahren ein nicht nur als Preis attraktives, sondern wegen seiner Eigenschaften auch sonst besonders empfehlenswertes Produkt ausgesucht (BGH, GRUR
1996, 804, 806 - Preisrätselgewinnauslobung III, mwN; kritisch dazu Köhler in
Köhler/Bornkamm aaO § 4 Rn. 3.26; Frank in Harte/Henning, UWG, 2. Aufl., § 4
Rn. 44; Hoeren in Fezer, UWG, 2. Aufl., § 4-3 Rn. 40).
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cc) Das Berufungsgericht hat die Besonderheit des vorliegenden Falls bei
der Ermittlung der maßgeblichen Verkehrserwartung nicht hinreichend beachtet.
Der dargestellte großzügigere Maßstab bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung redaktioneller Gewinnspiele kommt dann nicht zum Tragen, wenn - wie
vorliegend - die Werbung für das ausgelobte Produkt selbst Teil des redaktionell verantworteten Gewinnspiels ist und dieses zudem mit Elementen redaktioneller Berichterstattung angereichert ist, so dass werbliche und redaktionelle
Ebenen ineinander übergehen und der Leser zwischen diesen Ebenen nicht
mehr unterscheiden kann.
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In solchen Fällen mag der Verkehr zwar ohne weiteres erkennen, dass
ein Gewinnspiel im redaktionellen Teil einer Zeitschrift (auch) der Eigenwerbung
dient, weil die Unterhaltung ebenso wie die Gewinnchance einen Anreiz für den
Kauf der Zeitschrift bietet (BGH, Urteil vom 7. Juli 1994 - I ZR 162/92, GRUR
1994, 823, 824 = WRP 1994, 816 - Preisrätselgewinnauslobung II). Doch der
Verkehr stellt dabei nicht von vornherein in Rechnung, dass die in redaktioneller
Form dargebotene und mit sachlichen Informationen angereicherte Unterhaltung der Förderung des Wettbewerbs eines Dritten dient. Vielmehr wird er davon ausgehen, dass dieser Beitrag - auch wenn er unter der Rubrik Preisrätsel
geführt wird - von der Redaktion objektiv und unabhängig von wirtschaftlichen
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Interessen Dritter gestaltet worden ist. Jedenfalls insoweit wird er auch den in
diesem Teil des Beitrags enthaltenen Informationen größere Bedeutung und
Beachtung beimessen und ihm auch unkritischer gegenüberstehen als entsprechenden, ohne weiteres als Werbung erkennbaren Angaben des Werbenden
selbst.
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dd) Zudem kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht
davon ausgegangen werden, dass die Leser einer Zeitschrift, die sich nur zum
Teil aus Anzeigen finanziert, generell davon ausgehen, der Herausgeber sei
auch im Rahmen der redaktionellen Gestaltung von Werbenden abhängig. Eine
solche Verkehrserwartung erweist sich als erfahrungswidrig und kann daher keinen Bestand haben. Solange eine Zeitschrift selbst zwischen redaktionellem
Inhalt und Werbung differenziert, wird der durchschnittlich informierte Leser dem
redaktionellen Teil jedenfalls ein Mindestmaß an Vertrauen im Hinblick auf Objektivität und Neutralität der Beiträge entgegenbringen. Das gilt auch dann, wenn
sich - wie im vorliegenden Fall - im redaktionellen Teil der Zeitschrift allgemeine
Informationen über Gesundheitsthemen neben der Vorstellung von Gesundheits-, Wellness- oder Schönheitsprodukten befinden.
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ee) Das Berufungsgericht hat auch zu geringe Anforderungen an die Erkennbarkeit des werblichen Charakters der streitgegenständlichen Veröffentlichung gestellt. Es hat insoweit nicht genügend beachtet, dass es bei der Beurteilung von redaktioneller Werbung am Maßstab des § 4 Nr. 3 UWG nicht allein
darauf ankommt, ob der durchschnittliche Leser erst nach einer - analysierenden
- Lektüre des Beitrags die werbliche Wirkung des Beitrags erkennt. Dies schließt
es nämlich nicht aus, dass der Leser aufgrund der Zuordnung des Beitrags zum
redaktionellen Teil einer Zeitschrift diesem überhaupt erst eine eingehendere
Beachtung schenkt, weil er der irrigen Annahme unterliegt, es handele sich um
eine unabhängige Äußerung der Redaktion. Aus diesem Grund muss für den
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Leser bereits auf den ersten Blick und ohne jeden Zweifel erkennbar sein, dass
es sich der Sache nach um Werbung für den Hersteller des ausgelobten Produkts handelt. In diesem Zusammenhang genügt es nicht, dass der Verkehr die
äußerst positive Beschreibung des Produkts erkennt. Er muss vielmehr sofort
und zweifelsfrei erkennen, dass diese Beschreibung der Bewerbung des Produkts dient und nicht von der Redaktion verantwortet wird. Insofern hat das Berufungsgericht, wie die Revision zutreffend rügt, im Streitfall auch nicht berücksichtigt, dass die Beklagte selbst vorgetragen hat, sie habe den Beitrag nicht
redaktionell recherchiert oder aufbereitet.
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Vor diesem Hintergrund genügt auch der Hinweis darauf, dass der Hersteller des Produkts die ausgelobten Gewinne kostenlos zur Verfügung gestellt
hat, nicht, um hinreichend deutlich zu machen, dass das gesamte Gewinnspiel
einschließlich der redaktionellen Inhalte der Werbung für das ausgelobte Produkt dient. Es kommt hinzu, dass sich der Hinweis in vergleichsweise kleiner
Schrift erst ganz am Ende des Beitrags innerhalb der Teilnahmebedingungen
befindet. Ein ausreichender Hinweis auf den werblichen Charakter kann auch
nicht daraus entnommen werden, dass es - worauf deutlich hingewiesen wird um ein Preisrätsel geht, bei dem ein Produkt der Marke Braun zu gewinnen ist.
Denn dieser Hinweis lässt zunächst nur erkennen, dass es sich um einen unterhaltenden Beitrag handelt, bei dem Preise zum Zweck der Eigenwerbung ausgelobt werden. Dass es sich um eine Werbung zugunsten des Herstellers des
ausgelobten Produkts handelt, ergibt sich daraus nicht ohne weiteres, zumal
wenn das Preisrätsel unter einer eigenen redaktionellen Rubrik erscheint und
darüber hinaus mit redaktionellen Inhalten angereichert ist, so dass zunächst
der Eindruck entsteht, die Redaktion und nicht der Unternehmer verantworte
den Inhalt des in Rede stehenden Beitrags.
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d) Die Beklagte verschleiert mit der angegriffenen Veröffentlichung den
werblichen Charakter des Beitrags. Da sie sich an das allgemeine Publikum
richtet und das Berufungsgericht seine Würdigung auf die allgemeine Lebenserfahrung gestützt hat, kann der Senat selbst abschließend beurteilen, welche
Erwartungen der Verkehr bei der Lektüre des streitgegenständlichen Beitrags
hat und ob der Verkehr den werblichen Charakter des Beitrags hinreichend deutlich erkennen kann (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 2012 - I ZR 104/10, GRUR
2012, 942 Rn. 18 = WRP 2012, 1094 - Neurologisch/Vaskuläres Zentrum).
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Nach den vorstehend dargestellten Grundsätzen geht der durchschnittlich
informierte, situationsadäquat aufmerksame Leser davon aus, die Redaktion
habe in einem objektiven Auswahlverfahren ein als Preis attraktives und wegen
seiner Eigenschaften auch sonst besonders empfehlenswertes Produkt ausgesucht. Aufgrund der Verbindung von redaktioneller Berichterstattung und unterhaltendem Inhalt wird er auch annehmen, dass dieser Beitrag - soweit er sachlich informiert und unterhält - von der Redaktion objektiv und unabhängig von
wirtschaftlichen Interessen Dritter gestaltet worden ist. Insoweit wird der Leser
angesichts des Abdrucks im redaktionellen Teil der Zeitschrift den in diesem Teil
des Beitrags enthaltenen Informationen, einschließlich der besonders lobenden
Produktbeschreibung, größere Bedeutung und Beachtung beimessen und ihm
auch unkritischer gegenüberstehen als entsprechenden, ohne weiteres als Werbung erkennbaren Angaben des Herstellers selbst.
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Dieser Verkehrserwartung trägt die Beklagte nicht hinreichend Rechnung,
weil aufgrund des Inhalts und der Gestaltung des Beitrags für den durchschnittlich informierten, verständigen und situationsadäquat aufmerksamen Leser der
werbliche Charakter des Beitrags nicht eindeutig, unmissverständlich und auf
den ersten Blick als solcher hervortritt. Der Umstand, dass der Beitrag eindeutig
als Preisrätsel gekennzeichnet ist und einen Hinweis darauf enthält, dass der
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Hersteller der ausgelobten Produkte diese unentgeltlich zur Verfügung gestellt
hat, steht dem nach den vorstehenden Erwägungen nicht entgegen.
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e) Die Werbung hat auch wettbewerbliche Relevanz, weil sie geeignet ist,
das Marktverhalten der angesprochenen Verkehrskreise zu beeinflussen. Aufgrund der mangelnden Kennzeichnung als Werbung werden die Leser zunächst
veranlasst, dem Beitrag überhaupt Beachtung zu schenken und sodann den
darin enthaltenen Informationen angesichts des Abdrucks im redaktionellen Teil
eine größere Bedeutung beimessen als einem hinreichend als Werbung gekennzeichneten Beitrag. Aufgrund dieses Beitrags können sich die angesprochenen Leser sodann veranlasst sehen, das Produkt zu erwerben.
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2. Unter diesen Umständen kann offenbleiben, ob die angegriffene Veröffentlichung darüber hinaus gegen Nr. 11 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG oder
gegen § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 10 LPresseG BW verstößt, insbesondere, ob der Beitrag aufgrund der zur Verfügung gestellten Preise als finanziert gilt.
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3. Der Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten folgt in der geltend
gemachten Höhe aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG.
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III. Das angegriffene Urteil kann danach keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil keine weiteren tatsächlichen
Feststellungen zu erwarten sind und der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif
ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Das Berufungsurteil ist auf die Revision der Klägerin auf-
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zuheben. Die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil ist zurückzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 92 Abs. 1 Satz 1, § 97
Abs. 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
Bornkamm
Pokrant
Koch
Büscher
Löffler
Vorinstanzen:
LG Freiburg, Entscheidung vom 18.08.2010 - 12 O 38/10 OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 20.10.2011 - 4 U 160/10 -