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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 201/02
Verkündet am:
21. April 2005
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
Quersubventionierung von Laborgemeinschaften
UWG §§ 3, 4 Nr. 1; MBO-Ä 1997 Kap. B § 31
Ein Laborarzt handelt unlauter i.S. von §§ 3, 4 Nr. 1 UWG, wenn er niedergelassenen Ärzten die Durchführung von Laboruntersuchungen, die diese selbst gegenüber der Kasse abrechnen können, unter Selbstkosten in der Erwartung anbietet, dass die niedergelassenen Ärzte ihm im Gegenzug Patienten für Untersuchungen überweisen, die nur von einem Laborarzt vorgenommen werden können.
Einem solchem Angebot unter Selbstkosten steht es gleich, wenn die günstigen
Preise für die von den niedergelassenen Ärzten abzurechnenden Laboruntersuchungen dadurch ermöglicht werden, dass der Laborarzt einer von ihm betreuten
Laborgemeinschaft der niedergelassenen Ärzte freie Kapazitäten seines Labors
unentgeltlich oder verbilligt zur Verfügung stellt (im Anschluss an BGH GRUR
1989, 758 = WRP 1990, 319 – Gruppenprofil).
BGH, Urt. v. 21. April 2005 – I ZR 201/02 – OLG Celle
LG Lüneburg
-2-
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. April 2005 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die
Richter Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant, Dr. Büscher und Dr. Bergmann
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 13. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Celle vom 18. Juli 2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über
die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien sind Ärzte für Laboratoriumsmedizin (im Folgenden: Laborärzte). Die Kläger betreiben in Hamburg, die Beklagten in Bremerhaven jeweils eine
entsprechende Gemeinschaftspraxis. Die Kläger wenden sich dagegen, dass sich
die Beklagten mit einem Schreiben vom 13. April 2000 an niedergelassene Ärzte
in Uelzen gewandt und Leistungen einer Arbeitsgemeinschaft Labor und Diagnostik zu Preisen angeboten haben, die unter den Sätzen des von den gesetzlichen
Krankenkassen zugrunde gelegten einheitlichen Bewertungsmaßstabs und nach
Darstellung der Kläger auch unter den Selbstkosten der Beklagten lagen.
Ärztliche Laborleistungen werden in der gesetzlichen Krankenversicherung
– wie andere ärztliche Leistungen auch – nach einem einheitlichen Bewertungs-
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maßstab (EBM) honoriert, den die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen mit den
Spitzenverbänden der Krankenkassen durch Bewertungsausschüsse vereinbaren
(§ 87 SGB V). Abschnitt O dieses einheitlichen Bewertungsmaßstabs regelt die
Laboratoriumsuntersuchungen, und zwar unter I. und II. die allgemeinen und unter
III. die speziellen Untersuchungen. Entsprechend wird allgemein nach O-I-, O-IIund O-III-Leistungen unterschieden: O-I- und O-II-Leistungen können auch niedergelassene Ärzte, die nicht Laborärzte sind (im Folgenden: niedergelassene
Ärzte), selbst erbringen und gegenüber der Krankenkasse abrechnen; O-III-Leistungen sind Laborärzten vorbehalten und können nur von diesen abgerechnet
werden. Soweit niedergelassene Ärzte eigene Laborleistungen erbringen, tun sie
dies in der Regel nicht in der eigenen Praxis. Vielmehr schließen sie sich zu Laborgemeinschaften zusammen. Diese Laborgemeinschaften sind häufig bei einer
Laborarztpraxis angesiedelt, die für die ihr angeschlossenen niedergelassenen
Ärzte die O-I- und O-II-Leistungen zu Selbstkosten erbringt. Soweit Untersuchungen der Kategorie O III erforderlich sind, müssen die niedergelassenen Ärzte die
Patienten an einen Laborarzt überweisen. Ist bei dieser Laborarztpraxis eine Laborgemeinschaft angesiedelt, wird der Laborarzt in zwei Funktionen tätig: Zum
einen erbringt er O-III-Leistungen aufgrund von Überweisungen von niedergelassenen Ärzten; zum zweiten betreibt er für die Laborgemeinschaft niedergelassener
Ärzte das Labor, in dem die O-I- und O-II-Leistungen erbracht werden. Auch bei
der Gemeinschaftspraxis der Beklagten ist eine solche Laborgemeinschaft, die
oben genannte Arbeitsgemeinschaft Labor und Diagnostik, angesiedelt. Die Beklagten sind – wie die ihr angehörenden niedergelassenen Ärzte – Gesellschafter
dieser Gesellschaft bürgerlichen Rechts; in der Zeit, als das beanstandete Schreiben versandt wurde, waren sie auch deren Geschäftsführer.
Zwischen Laborärzten herrscht hinsichtlich der O-III-Leistungen ein reger
Wettbewerb, der nicht zuletzt dadurch gefördert wird, dass viele Laborärzte ihre
Leistungen nicht nur lokal, sondern regional oder gar überregional anbieten. Üblich ist, dass die Laborärzte die zu untersuchenden Proben bei den niedergelassenen Ärzten abholen lassen, ohne hierfür Kosten in Rechnung zu stellen.
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Die Kläger haben in der Versendung des Schreibens vom 13. April 2000
durch die Beklagten einen Wettbewerbsverstoß gesehen, und zwar unter dem
Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens, der allgemeinen Marktstörung und
des Rechtsbruchs. Bei dem Vorwurf des Rechtsbruchs geht es um das in allen
ärztlichen Berufsordnungen enthaltene Provisionsverbot; danach dürfen Ärzte für
die Zuweisung von Patienten oder Untersuchungsmaterial weder eine Gegenleistung gewähren noch sich selbst eine solche Gegenleistung gewähren lassen (vgl.
die gleich lautenden Bestimmungen in § 31 der Berufsordnung der Ärztekammer
Niedersachsen, in § 31 der Berufsordnung für Ärztinnen und Ärzte im Lande Bremen und in § 31 der Musterberufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte
in der Fassung der Beschlüsse des 100. Deutschen Ärztetages 1997 in Eisenach
– MBO-Ä 1997 –).
Die Kläger haben behauptet, die von den Beklagten angebotenen, die Sätze
des einheitlichen Bewertungsmaßstabs unterschreitenden Preise für O-I- und O-IIUntersuchungen lägen unter den Selbstkosten. Der den niedergelassenen Ärzten
hierdurch entstehende Gewinn – die der Laborgemeinschaft angeschlossenen
niedergelassenen Ärzte werden für diese Leistungen von den Krankenkassen
nach dem einheitlichen Bewertungsmaßstab honoriert – werde den niedergelassenen Ärzten als verdeckter Vorteil zugewendet, um sie dazu zu bewegen, ihnen
Patienten für O-III-Untersuchungen zu überweisen.
Soweit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung, haben die Kläger beantragt, es der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verbieten,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs niedergelassenen Ärzten
entweder selbst oder unter der Bezeichnung „Arbeitsgemeinschaft Labor und Diagnostik“ Laboruntersuchungen der Bereiche O I und O II zu Preisen anzubieten, die
unterhalb der Honorarsätze für technische Laborleistungen der EBM liegen, und/oder
für derartige Laboruntersuchungen Preise zu berechnen, die unterhalb der vorbezeichneten Honorarsätze liegen.
Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die
Beklagten dagegen antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt (OLG Celle
GRUR-RR 2002, 336). Hiergegen richtet sich die (vom Senat zugelassene) Revision der Beklagten, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgen. Die
Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat in dem Verhalten der beklagten Laborärzte ein
übertriebenes Anlocken nach § 1 UWG (a.F.) gesehen. Zur Begründung hat es
ausgeführt:
Das Angebot einzelner Waren oder Leistungen unter Einstandspreis sei zwar
grundsätzlich nicht zu beanstanden. Sittenwidrig sei ein solches Verhalten erst,
wenn besondere Umstände hinzuträten. Mit den Regeln des lauteren Wettbewerbs unvereinbar sei es, Nachfrager mit leistungsfremden Mitteln unzulässig zu
beeinflussen. Wer Kunden durch übermäßige Kaufanreize anlocke und sie auf
diese Weise davon abhalte, das gesamte Angebot sachgerecht und kritisch zu
prüfen, handele wettbewerbswidrig. Dieser Tatbestand sei im Streitfall erfüllt. Der
Kern des beanstandeten Verhaltens sei nicht die Preisunterbietung an sich, sondern das Unterbieten mit Hilfe von Quersubventionen, durch die die Nachfrage
nach O-III-Leistungen angeregt werden solle. In den die Sätze des einheitlichen
Bewertungsmaßstabes erheblich unterschreitenden Preisen der Beklagten liege
ein starker Anreiz für die niedergelassenen Ärzte, Laborleistungen der Kategorien
O I und O II von der bei den Beklagten angesiedelten Arbeitsgemeinschaft ausführen zu lassen. Es liege nahe, dass viele Ärzte dann auch gleich Untersuchungen
der Kategorie O III durch die in denselben Räumen beheimatete Gemeinschaftspraxis der Beklagten ausführen ließen, ohne weitere Angebote für solche Leistungen zu prüfen. Das gelte umso mehr, als Arbeitsgemeinschaft und Gemein-
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schaftspraxis das Untersuchungsmaterial durch denselben für die Ärzte kostenlosen Fahrdienst abholen ließen.
Dass die von den Beklagten für O-I- und O-II-Leistungen verlangten Preise
nicht leistungsgerecht seien, ergebe sich aus dem Vortrag der Kläger. Danach sei
die Arbeitsgemeinschaft nur deswegen in der Lage, die – auf Selbstkostenbasis
kalkulierten – Sätze des einheitlichen Bemessungsmaßstabs zu unterschreiten,
weil sie von den Beklagten subventioniert werde. Dieses Vorbringen sei von den
Beklagten nicht hinreichend substantiiert bestritten worden. Das von ihnen vorgelegte, ein ausgeglichenes Ergebnis bescheinigende Wirtschaftsprüfertestat sei
unzureichend, weil das zugrunde liegende Zahlenwerk nicht im Einzelnen offen
gelegt sei. Der Aufforderung, das Zahlenwerk darzustellen, seien die Beklagten in
der hierfür gesetzten Frist nicht nachgekommen. In der anschließenden mündlichen Verhandlung hätten sie sich darauf berufen, es sei ihnen nicht zuzumuten,
ihre Kalkulationsgrundlagen gegenüber den mit ihnen im Wettbewerb stehenden
Klägern zu offenbaren; deshalb komme nur die Offenlegung gegenüber einem zur
Verschwiegenheit verpflichteten Sachverständigen in Betracht. Das Zahlenwerk
hätten sie aber im Termin nicht bereitgehalten. Unter diesen Umständen sei eine
Vertagung nicht in Betracht gekommen. Auch wenn die Beklagten schon in erster
Instanz darauf hingewiesen hätten, dass sie das entsprechende Zahlenwerk nur
gegenüber einem vom Gericht bestimmten Sachverständigen offenbaren könnten,
sei es nicht Sache des Gerichts gewesen, entsprechende Maßnahmen anzuordnen; vielmehr hätten die Beklagten rechtzeitig entsprechende Maßnahmen zur
Geheimhaltung des Zahlenwerks beantragen müssen.
Die Beklagten seien auch passivlegitimiert, weil sie als geschäftsführende
Gesellschafter der Arbeitsgemeinschaft Labor und Diagnostik deren Preisgestaltung maßgeblich beeinflusst hätten. Durch ihre Abberufung als Geschäftsführer
sei die Wiederholungsgefahr nicht entfallen.
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II. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision nicht stand. Sie führen
zur Aufhebung und Zurückverweisung.
1. Die Beurteilung des mit der Klage geltend gemachten Unterlassungsanspruchs richtet sich nach dem im Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Recht
(vgl. BGHZ 158, 236, 245 – Internet-Versteigerung; BGH, Urt. v. 11.11.2004
– I ZR 213/01, GRUR 2005, 353, 354 – Testamentsvollstreckung durch Banken).
Es sind daher die Bestimmungen des am 8. Juli 2004 in Kraft getretenen Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vom 3. Juli 2004 (BGBl. I S. 1414)
anzuwenden. Allerdings kann ein auf Wiederholungsgefahr gestützter Unterlassungsanspruch nur bestehen, wenn das beanstandete Verhalten auch zur Zeit der
Begehung wettbewerbswidrig war.
2. Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Beklagten
auf Unterlassung in Anspruch genommen werden können, wenn sich das beanstandete Verhalten als wettbewerbswidrig erweist. Für die Bejahung der Passivlegitimation bedarf es freilich nicht des Rückgriffs auf die Störerhaftung. Denn das
beanstandete Schreiben ist von den Beklagten als den Geschäftsführern der Arbeitsgemeinschaft veranlasst worden. Daher steht ihre täterschaftliche Haftung in
Rede.
3. Der Vorwurf, den die Kläger gegen die Beklagten erheben, richtet sich im
Kern dagegen, dass die Beklagten den niedergelassenen Ärzten für die Überweisung von Patienten für O-III-Untersuchungen eine Zuwendung gewähren, die
darin liegt, dass den niedergelassenen Ärzten durch die von den Beklagten betreute Laborgemeinschaft (Arbeitsgemeinschaft Labor und Diagnostik) O-I- und OII-Untersuchungen zu Preisen angeboten werden, die unter den Selbstkosten
liegen. Allerdings kommt dieser Vorwurf, insbesondere der Bezug zu der Überweisung von Patienten für O-III-Untersuchungen, in dem Unterlassungsantrag nur
unvollkommen zum Ausdruck. Dem ergänzend zur Auslegung des Klageantrags
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heranzuziehenden Klagevorbringen lässt sich indessen das mit der Klage verfolgte Begehren unzweifelhaft entnehmen.
4. Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass das beanstandete Verhalten wettbewerbswidrig ist, wenn die Beklagten die O-I- und O-IILeistungen der Arbeitsgemeinschaft unter Selbstkosten – etwa durch Quersubventionierung der Laborgemeinschaft – angeboten und dadurch die niedergelassenen
Ärzte veranlasst haben, ihnen Patienten für O-III-Untersuchungen zu überweisen
(dazu a). Die Feststellung, dass die angebotenen Preise unter den Selbstkosten
liegen, hat das Berufungsgericht jedoch – wie die Revision mit Erfolg rügt – verfahrensfehlerhaft getroffen (dazu b). Im Übrigen enthält das Berufungsurteil keine
hinreichenden Feststellungen dazu, dass sich niedergelassene Ärzte durch die
günstigen Preise für O-I- und O-II-Leistungen dazu verleiten lassen, den Beklagten in ihrer Eigenschaft als Laborfachärzten Patienten für O-III-Untersuchungen zu
überweisen (dazu c).
a) Unter der Voraussetzung eines Angebots von Preisen, die unter den
Selbstkosten liegen, und unter der weiteren Voraussetzung eines dadurch bewirkten Einflusses auf das Überweisungsverhalten der niedergelassenen Ärzte hinsichtlich von O-III-Untersuchungen verstößt das beanstandete Verhalten gegen
das Verbot der Ausübung eines unangemessenen unsachlichen Einflusses auf
das Nachfrageverhalten anderer Marktteilnehmer (§ 4 Nr. 1 UWG).
aa) Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass eine unsachliche Beeinflussung der niedergelassenen Ärzte durch besonders günstige
Sätze für O-I- und O-II-Untersuchungen nur insoweit in Betracht zu ziehen ist, als
es um die Überweisung von Patienten für O-III-Untersuchungen geht. Dagegen
scheidet eine unsachliche Beeinflussung der Nachfrageentscheidung der niedergelassenen Ärzten nach O-I- und O-II-Leistungen schon deshalb aus, weil die
Anlockwirkung, die von einem besonders günstigen Angebot ausgeht, niemals
wettbewerbswidrig, sondern gewollte Folge des Leistungswettbewerbs ist (vgl.
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BGHZ 151, 84, 87 – Kopplungsangebot I). Das besonders günstige Angebot einer
Ware oder Leistung kann lediglich ausnahmsweise eine unsachliche Beeinflussung begründen, wenn die Abgabe der besonders günstigen Ware oder Leistung
rechtlich oder faktisch an die Abnahme eines anderen Produkts gekoppelt ist.
bb) Ebenfalls mit Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass
ein Angebot von Waren oder Leistungen unter den Selbstkosten für sich genommen nicht wettbewerbswidrig ist. Auch der Einsatz von Preisen unter den Selbstkosten zur Förderung des Absatzes anderer, auskömmlich kalkulierter Produkte ist
wettbewerbsrechtlich nicht generell untersagt. Insbesondere kann nicht davon
ausgegangen werden, dass der durchschnittlich informierte und verständige
Verbraucher durch das Angebot einzelner Waren oder Leistungen zu einem besonders günstigen Preis dazu verleitet wird, auf andere Angebote desselben Anbieters ungeprüft einzugehen (dazu Köhler in Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., § 4 Rdn. 1.36 m.w.N.).
cc) Im Streitfall werden von der beanstandeten Werbung niedergelassene
Ärzte angesprochen, bei denen die Gefahr einer irrationalen, nicht von sachlichen
Kriterien getragenen Nachfrageentscheidung noch weniger wahrscheinlich ist.
Allerdings sind Ärzte gehalten, die Entscheidung darüber, an wen sie einen Patienten verweisen oder wem sie Untersuchungsmaterial zur Laboruntersuchung
überlassen, allein nach ärztlichen Gesichtspunkten zu treffen. Ihre Nachfrageentscheidung darf nicht nach den eigenen Interessen des Arztes als Nachfrager oder
Nachfragedisponent des Patienten getroffen werden, insbesondere darf der Arzt
die Entscheidung, an welchen Facharzt er einen Patienten überweist, nicht davon
abhängig machen, ob ihm für die Überweisung eine Gegenleistung zufließt oder
nicht. Dieser Gesichtspunkt kommt in dem für Ärzte geltenden berufsrechtlichen
Verbot zum Ausdruck, sich für die Zuweisung von Patienten oder für die Zuweisung von Untersuchungsmaterial eine Gegenleistung gewähren zu lassen oder
selbst eine solche Gegenleistung zu gewähren (vgl. § 31 der Berufsordnung der
Ärztekammer Niedersachsen, § 31 der Berufsordnung für Ärztinnen und Ärzte im
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Lande Bremen und § 31 der Musterberufsordnung für die deutschen Ärztinnen
und Ärzte; ferner BGH, Urt. v. 22.6.1989 – I ZR 120/87, GRUR 1989, 758, 760 =
WRP 1990, 319 – Gruppenprofil). Ein ähnlicher Zweck liegt dem heilmittelwerberechtlichen Zugabeverbot zugrunde, das auch nach dem Wegfall der Zugabeverordnung das Gewähren oder Annehmen von Zugaben untersagt, weil Ärzte und
Apotheker die Entscheidung darüber, welches Medikament sie verschreiben oder
empfehlen, allein im Interesse des Patienten treffen sollen und sich dabei nicht
davon leiten lassen sollen, ob ihnen bei der Empfehlung oder Verschreibung eines
bestimmten Präparats ein persönlicher Vorteil zufließt (vgl. BGH, Urt. v. 30.1.2003
– I ZR 142/00, GRUR 2003, 624, 626 = WRP 2003, 886 – Kleidersack; Köhler in
Baumbach/Hefermehl aaO § 4 Rdn. 1.84).
Ob der Verbotstatbestand des § 31 der ärztlichen Berufsordnung im Streitfall
eingreift, ist allerdings nicht nur wegen der Frage, ob wirklich unter Selbstkosten
angeboten worden ist, sondern auch deswegen zweifelhaft, weil die Beklagten die
Gewährung der günstigen Preise für O-I- und O-II-Leistungen nicht von der Zuwendung von Patienten oder von Untersuchungsmaterial abhängig gemacht haben. Jedenfalls im Rahmen des § 4 Nr. 1 UWG kommt es auf eine rechtliche
Kopplung nicht an. Ein unangemessener unsachlicher Einfluss kann
vielmehr
schon dann zu bejahen sein, wenn die niedergelassenen Ärzte, die sich im Hinblick auf die günstigen, unter dem einheitlichen Bewertungsmaßstab liegenden
Preise für O-I- und O-II-Leistungen der bei der Laborarztpraxis der Beklagten
angesiedelten Laborgemeinschaft anschließen, sich auch ohne rechtliche Kopplung veranlasst sehen, dieser Laborarztpraxis die Patienten zu überweisen, für die
O-III-Leistungen zu erbringen sind.
b) Die Feststellung, dass die von den Beklagten angebotenen Preise unter
den Selbstkosten liegen, hat das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft getroffen.
Für das Merkmal eines Angebots unter den Selbstkosten sind im Streitfall grundsätzlich die Kläger darlegungs- und beweispflichtig. Sie sind ihrer Darlegungslast
– wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat – dadurch nachgekom-
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men, dass sie sich auf Untersuchungen einer Unternehmensberatung berufen
haben, wonach die Sätze des einheitlichen Bemessungsmaßstabs auf Selbstkostenbasis berechnet worden seien. Dieses Vorbringen ist ausreichend, weil die
Kläger nähere Angaben zur Kalkulation der bei der Praxis der Beklagten angesiedelten Arbeitsgemeinschaft naturgemäß nicht machen können. Zu Unrecht hat das
Berufungsgericht jedoch angenommen, die Beklagten könnten die Behauptung
der Kläger nur durch Vorlage ihrer Kalkulationsgrundlagen substantiiert bestreiten.
An diesen Unterlagen besteht – was keiner näheren Ausführung bedarf – ein erhebliches Geheimhaltungsinteresse der Beklagten. Dieses schützenswerte Interesse führt dazu, dass die Beklagten den Klägervortrag auch ohne detaillierte
Angaben zu den Kalkulationsgrundlagen bestreiten konnten. Ohne Beweisaufnahme hätte das Berufungsgericht daher nicht von einem Angebot unter Selbstkosten ausgehen dürfen.
Im Rahmen einer Beweisaufnahme hätte das Berufungsgericht den Beklagten aufgeben können, einem zu bestimmenden Sachverständigen die Kalkulationsgrundlagen vorzulegen (§ 144 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Den berechtigten Geheimhaltungsinteressen der Beklagten hätte dabei in der Weise Rechnung getragen
werden können, dass der Sachverständige sich auf die Beantwortung der Frage
beschränkt, ob eine Quersubventionierung der Laborgemeinschaft durch die Beklagten – sei es in der Form direkter Zahlungen oder sei es in der Form der Überlassung vorhandener freier Kapazitäten (Personal, Laborräume, Laboreinrichtung)
– stattgefunden hat.
c) Wie bereits dargelegt, stellt es ein unlauteres Wettbewerbsverhalten
nach §§ 3, 4 Nr. 1 UWG dar, wenn die Beklagten niedergelassene Ärzte dadurch
zu einer Überweisung von Patienten für O-III-Untersuchungen veranlassen, dass
sie ihnen – über die Arbeitsgemeinschaft Labor und Diagnostik – O-I- und O-IILeistungen unter Selbstkosten anbieten. Im Streitfall kann eine Verbindung der
beiden Vorgänge nicht geleugnet werden, wenn die niedergelassenen Ärzte üblicherweise die Patienten für O-III-Untersuchungen stets an diejenigen Laborärzte
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überweisen, bei denen sie für O-I- und O-II-Leistungen eine Laborgemeinschaft
unterhalten. Dies mag – wie das Berufungsgericht angenommen hat – nahe liegen. Hierin liegt jedoch zunächst nicht mehr als eine Vermutung. Ebenfalls denkbar, wenn auch weniger wahrscheinlich erscheint es, dass die niedergelassenen
Ärzte die Entscheidung über die Überweisung von Patienten für O-III-Untersuchungen unabhängig davon treffen, mit welchem Laborarzt sie in einer Laborgemeinschaft zusammenarbeiten. Auch in diesem Punkt bedarf es daher noch
zusätzlicher Feststellungen.
III. Das angefochtene Urteil ist danach aufzuheben. Die Sache ist an das
Berufungsgericht zurückzuverweisen. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren
kann der streitige Sachverhalt gegebenenfalls durch das Gutachten eines Sachverständigen geklärt werden, dem die Kalkulationsunterlagen der Beklagten zur
Verfügung gestellt werden, wobei berechtigte Geheimhaltungsinteressen der Beklagten gewahrt bleiben müssen. Zur Frage der Verbindung der beiden Vorgänge
– O-I- und O-II-Leistungen einerseits und O-III-Leistungen andererseits – können
die Parteien ergänzend vortragen.
Ullmann
Bornkamm
Herr RiBGH Pokrant ist in
Kur und verhindert zu unterschreiben.
Ullmann
Büscher
Bergmann