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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 182/04
Verkündet am:
26. Oktober 2006
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Rücktritt des Finanzministers
KunstUrhG §§ 22, 23; BGB § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, § 823 Abs. 1 Ah
a) Die unbefugte kommerzielle Nutzung eines Bildnisses begründet im Allgemeinen – sei es unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes oder der ungerechtfertigten Bereicherung – einen Anspruch auf Zahlung der angemessenen
Lizenzgebühr, ohne dass es darauf ankommt, ob der Abgebildete bereit oder
in der Lage gewesen wäre, gegen Entgelt Lizenzen für die Verbreitung und öffentliche Wiedergabe seines Bildnisses einzuräumen.
b) Eine prominente Persönlichkeit aus dem Bereich der Zeitgeschichte muss es
zwar regelmäßig nicht dulden, dass das eigene Bildnis von Dritten für deren
Werbezwecke eingesetzt wird. Doch findet auch hier eine Güterabwägung
statt, die dazu führen kann, dass die Verwendung des fremden Bildnisses in
einer Werbeanzeige, die sich satirisch mit einem aktuellen Tagesereignis auseinandersetzt, vom Betroffenen hingenommen werden muss.
BGH, Urt. v. 26. Oktober 2006 – I ZR 182/04 – OLG Hamburg
LG Hamburg
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Oktober 2006 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Prof. Dr. Bornkamm,
Pokrant, Dr. Schaffert und Dr. Bergmann
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hanseatischen
Oberlandesgerichts Hamburg, 7. Zivilsenat, vom 9. November 2004
aufgehoben.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 24, vom 9. Januar 2004 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Der Kläger ist Oskar Lafontaine. Er trat am 11. März 1999 von seinen Ämtern
als Bundesminister der Finanzen und als Vorsitzender der SPD zurück. Die Beklagte betreibt als Konzerntochter des Autovermieters S.
AG das Fahrzeug-
Leasing-Geschäft. Sie warb – jeweils ohne Einwilligung des Klägers – am
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21. März 1999 in der „Welt am Sonntag“ mit einer halbseitigen und am 22. März
1999 in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ mit einer doppelseitigen Anzeige,
die nachstehend verkleinert wiedergegeben ist:
2
Die Porträtaufnahmen zeigen sechzehn Mitglieder der damaligen Bundesregierung einschließlich des Klägers, dessen Bild durchgestrichen aber weiterhin erkennbar ist.
3
Der Kläger hat die Beklagte auf Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr in Höhe
von 250.000 DM (127.822,27 €) in Anspruch genommen. Er hat die Auffassung
vertreten, die Beklagte habe auf seinen Bekanntheitsgrad abgestellt und sein Bild
zu Werbezwecken zwangskommerzialisiert. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
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Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung in Höhe von 100.000 € verur-
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teilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung
der Beklagten zurückgewiesen (OLG Hamburg ZUM 2005, 164 = AfP 2004, 566).
Mit ihrer (vom Senat zugelassenen) Revision verfolgt die Beklagte ihren An-
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trag auf Klageabweisung weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
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I.
Das Berufungsgericht hat den Anspruch auf Zahlung einer fiktiven Li-
zenzgebühr in Höhe von 100.000 € für begründet erachtet. Dazu hat es ausgeführt:
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Es könne dahinstehen, ob dem Kläger ein Anspruch aus § 823 BGB, §§ 22,
23 KUG zustehe. Der Anspruch folge jedenfalls aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2
BGB. Indem die Beklagte das Bildnis des Klägers in ihrer Werbeanzeige genutzt
habe, habe sie in rechtswidriger Weise in das dem Kläger zustehende Recht am
eigenen Bild eingegriffen und damit zugleich auf seine Kosten einen vermögenswerten Vorteil erlangt.
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Die Beklagte habe mit der Veröffentlichung des Fotos das Recht des Klägers
am eigenen Bild verletzt. Auch wenn der Kläger eine Person der Zeitgeschichte
sei und die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG vorlägen, sei die Veröffentlichung des Bildnisses nicht zulässig. Die gemäß § 23 Abs. 2 KUG gebotene
Interessenabwägung ergebe, dass das berechtigte, gegen die Veröffentlichung
sprechende Interesse des Klägers überwiege. Zwar sei das Interesse der Beklag-
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ten durch die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) geschützt; die in Rede stehende
Anzeige habe nicht nur Werbezwecken gedient, sondern enthalte auch eine in die
Form der Satire gegossene politische Meinungsäußerung. Die Frage, ob ihr zusätzlich der Schutz der Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) zukomme, könne offenbleiben. Jedenfalls müsse das Veröffentlichungsinteresse der Beklagten hinter
dem Persönlichkeitsrecht des Klägers zurückstehen. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers schütze auch sein Interesse, nicht ohne seine Einwilligung
von einem Dritten zu Werbezwecken eingesetzt zu werden. Gerade Personen des
öffentlichen Lebens, die ohnehin in besonderem Maße der Beachtung und der Kritik durch die Öffentlichkeit ausgesetzt seien, müssten es in der Regel nicht hinnehmen, dass ihre Bildnisse in der Werbung als Blickfang verwendet würden. Der
deutlich im Vordergrund stehende Zweck der Produktwerbung müsse letztlich dazu führen, dass das durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützte Interesse des Klägers gegenüber der Meinungs- und Kunstfreiheit der Beklagten überwiege.
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Mit dem Eingriff in das dem Kläger zustehende Recht am eigenen Bild habe
die Beklagte zugleich auf dessen Kosten einen vermögenswerten Vorteil erlangt.
Die Beklagte habe eine fiktive Lizenzgebühr zu entrichten, die das Landgericht zutreffend auf 100.000 € geschätzt habe.
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II. Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage. Dem Kläger steht der geltend
gemachte Anspruch auf Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr weder aus § 812
Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB noch aus § 823 Abs. 1 BGB, §§ 22, 23 KUG zu. Sämtliche Ansprüche setzen voraus, dass die Beklagte den Kläger in rechtswidriger
Weise in seinem Persönlichkeitsrecht einschließlich seines Rechts am eigenen
Bild verletzt hat. Daran fehlt es, weil die Verbreitung der Porträtaufnahme des Klägers in der fraglichen Werbeanzeige als Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschich-
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te auch ohne seine Einwilligung grundsätzlich zulässig war (§ 23 Abs. 1 Nr. 1
KUG) und durch die Verbreitung im Einzelfall auch kein berechtigtes Interesse des
Klägers verletzt worden ist (§ 23 Abs. 2 KUG).
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1. Ohne Erfolg beruft sich die Revision allerdings darauf, dass die beanstandete Veröffentlichung nicht den Schutzzweck des § 22 KUG betreffe. Das
Bildnis habe – so meint die Revision – in der beanstandeten Anzeige allein der Individualisierung des Klägers gedient und hätte auch durch ein Namensschild ersetzt werden können. Dies vermag indessen nichts daran zu ändern, dass die
Veröffentlichung der Fotografie des Klägers den Schutzbereich des Rechts am eigenen Bild berührt. Zwar unterscheidet sich die beanstandete Veröffentlichung
von anderen Fällen, in denen die Fotografie einer bekannten Persönlichkeit ohne
deren Zustimmung in der Werbung eingesetzt wird, dadurch, dass es hier nicht um
den Sympathie- und Imagewert des Abgebildeten geht, der auf das beworbene
Produkt übertragen werden soll. Die Werbewirkung erzielt die beanstandete Anzeige vielmehr dadurch, dass sie den Kläger als gescheiterten „Mitarbeiter in der
Probezeit“ darstellt; ihre Wirkung beruht somit auf einem Scherz auf Kosten des
Klägers. Dies bedeutet jedoch nicht, dass das Recht am eigenen Bild, das die
Verbreitung und öffentliche Wiedergabe einer Abbildung grundsätzlich von der
Einwilligung des Abgebildeten abhängig macht, nicht berührt wäre.
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2. Unbegründet ist auch die Rüge der Revision, ein Bereicherungsanspruch
scheide von vornherein aus, weil der Kläger wegen des für Bundesminister geltenden Verbots anderer besoldeter Tätigkeiten (Art. 66 GG) oder aus Gründen der
politischen Glaubwürdigkeit an der eigenen kommerziellen Verwertung seines
Bildnisses gehindert gewesen sei. Mit Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass ein Bereicherungsanspruch unabhängig davon besteht, ob der
Abgebildete bereit oder in der Lage ist, gegen Entgelt Lizenzen für die Verbreitung
und öffentliche Wiedergabe seiner Abbildung zu gewähren. Die unbefugte kom-
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merzielle Nutzung eines Bildnisses stellt einen Eingriff in den vermögensrechtlichen Zuweisungsgehalt des Rechts am eigenen Bild wie auch des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts dar und begründet grundsätzlich – neben dem Verschulden
voraussetzenden Schadensersatzanspruch – einen Anspruch aus Eingriffskondiktion auf Zahlung der üblichen Lizenzgebühr (vgl. BGH, Urt. v. 1.12.1999
– I ZR 226/97, GRUR 2000, 715, 716 = WRP 2000, 754 – Der blaue Engel; ferner
BVerfG, Beschl. v. 22.8.2006 – 1 BvR 1168/04, WRP 2006, 1361 Tz 28 u. 31). Bereicherungsgegenstand ist die Nutzung des Bildnisses. Da diese nicht herausgegeben werden kann, ist nach § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz zu leisten. Wer das
Bildnis eines Dritten unberechtigt für kommerzielle Zwecke ausnutzt, zeigt damit,
dass er ihm einen wirtschaftlichen Wert beimisst. An der damit geschaffenen vermögensrechtlichen Zuordnung muss sich der Verletzer festhalten lassen und einen der Nutzung entsprechenden Wertersatz leisten. Dies gilt unabhängig davon,
ob der Abgebildete bereit und in der Lage gewesen wäre, die Abbildung gegen
Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr zu gestatten; denn der Zahlungsanspruch fingiert nicht eine Zustimmung des Betroffenen, er stellt vielmehr den Ausgleich für einen rechtswidrigen Eingriff in eine dem Betroffenen ausschließlich zugewiesene Dispositionsbefugnis dar (vgl. MünchKomm.BGB/Rixecker, 4. Aufl.,
§ 12 Anh. Rdn. 226; Schricker/Götting, Urheberrecht, 3. Aufl., § 60 UrhG/§§ 33-50
KUG, Rdn. 10 u. 14; Wenzel/v. Strobl-Albeg, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 9 Rdn. 10 m.w.N.; Ullmann, AfP 1999, 209, 212 f.). Soweit sich der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entnehmen lässt, dass ein
Schadens- oder Bereicherungsausgleich auf der Grundlage einer angemessenen
Lizenzgebühr ein grundsätzliches Einverständnis des Abgebildeten mit der Vermarktung seines Rechts am eigenen Bild voraussetze (vgl. BGHZ 26, 349, 353
– Herrenreiter; 30, 7, 16 f. – Caterina Valente; BGH, Urt. v. 26.6.1979
– VI ZR 108/78, GRUR 1979, 732, 734 = NJW 1979, 2205 – Fußballtor), wird daran nicht festgehalten.
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3. Die Verbreitung der Fotografie des Klägers in der streitgegenständlichen
Werbeanzeige war gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG – vorbehaltlich der Prüfung der
Voraussetzungen des § 23 Abs. 2 KUG (dazu sogleich unter 4.) – erlaubt. Danach
darf ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte ohne Einwilligung des Abgebildeten verbreitet werden.
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a) Bei der Porträtaufnahme des Klägers handelt es sich – dies steht jedenfalls für den unmittelbaren zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang mit seinem
Rücktritt als Finanzminister und SPD-Vorsitzender außer Zweifel – um ein Bildnis
aus dem Bereich der Zeitgeschichte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG). Hieran vermag auch
der Umstand nichts zu ändern, dass das Bildnis im Rahmen einer Werbeanzeige
verbreitet worden ist.
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b) Allerdings kann sich derjenige nicht auf § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG berufen,
der keinem schutzwürdigen Informationsinteresse der Allgemeinheit nachkommt.
Das schutzwürdige Informationsinteresse fehlt bei Werbeanzeigen, wenn sie ausschließlich den Geschäftsinteressen des mit der Abbildung werbenden Unternehmens dienen (BGHZ 20, 345, 350 f. – Paul Dahlke; BGH, Urt. v. 14.4.1992
– VI ZR 285/91, GRUR 1992, 557 = NJW 1992, 2084 – Talkmaster-Foto; Urt. v.
14.3.1995 – VI ZR 52/94, WRP 1995, 613, 614 = NJW-RR 1995, 789 – Chris Revue; Urt. v. 1.10.1996 – VI ZR 206/95, GRUR 1997, 125, 126 = NJW 1997, 1152
– Bob-Dylan-CD; BGHZ 143, 214, 229 – Marlene Dietrich; BGH GRUR 2000, 715,
717 – Der blaue Engel; BGHZ 151, 26, 30). Dies ist insbesondere dann der Fall,
wenn das Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte nur verwendet wird, um den
Werbewert der prominenten Persönlichkeit auszunutzen und auf das beworbene
Produkt überzuleiten. Dagegen ist der Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 Nr. 1
KUG eröffnet, wenn die Werbeanzeige neben dem Werbezweck auch einen Informationsgehalt für die Allgemeinheit aufweist (BGH GRUR 1997, 125, 126
– Bob-Dylan-CD; BGHZ 151, 26, 30; vgl. BVerfG, Beschl. v. 25.8.2000
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– 1 BvR 2707/95, NJW 2001, 594). Denn der kommerzielle Zusammenhang
schließt es nicht aus, dass die Veröffentlichung auch der Information der Allgemeinheit dient (vgl. BGH, Urt. v. 5.10.2006 – I ZR 277/03 – kinski-klaus.de, unter
II.4.c) a.E.). Der Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG erstreckt sich auch auf kommerzielle
Meinungsäußerungen und auf reine Wirtschaftswerbung, die einen wertenden,
meinungsbildenden Inhalt hat, und zwar auch auf die Veröffentlichung eines Bildnisses, das die Meinungsäußerung transportiert oder ergänzt (vgl. BVerfGE 71,
162, 175; 102, 347, 359 – Benetton-Werbung; BGH, Urt. v. 14.11.1995
– VI ZR 410/94, GRUR 1996, 195, 197 = NJW 1996, 593 – Abschiedsmedaille;
BGH GRUR 1997, 125, 126 – Bob-Dylan-CD; BGHZ 151, 26, 30).
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Die vom Kläger beanstandete Werbeanzeige dient nicht ausschließlich einem Werbezweck, sondern enthält im Zusammenhang mit der Abbildung des Klägers auch eine auf ein aktuelles Ereignis bezogene politische Meinungsäußerung
in Form der Satire. Indem die Beklagte den Kläger mit einem Mitarbeiter vergleicht, der bereits in der Probezeit scheitert, setzt sie sich in ironischer Weise mit
dem Umstand auseinander, dass der Kläger nach kurzer Amtszeit als Finanzminister zurückgetreten ist. Dieser meinungsbildende Inhalt wird durch den offensichtlichen Werbezweck der Anzeige nicht verdrängt.
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4. Die nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG im Grundsatz zulässige Verbreitung des
Bildnisses des Klägers verletzt auch in der konkret beanstandeten Werbeanzeige
nicht dessen berechtigte Interessen (§ 23 Abs. 2 KUG).
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a) Nach § 23 Abs. 2 KUG erstreckt sich die Befugnis zur einwilligungsfreien
Veröffentlichung von Bildnissen aus dem Bereich der Zeitgeschichte nicht auf eine
Verbreitung, die im Einzelfall ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt.
Ob dies der Fall ist, ist aufgrund einer umfassenden, am Einzelfall orientierten Güter- und Interessenabwägung zu beantworten. Denn wegen der Eigenart des Per-
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sönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts fehlt es an einem absoluten Schutzbereich des Rechts; der Schutzumfang muss vielmehr jeweils durch eine Abwägung
mit den schutzwürdigen Interessen der anderen Seite bestimmt werden (BVerfGE
101, 361, 393; BGH, Urt. v. 12.10.1993 – VI ZR 23/93, GRUR 1994, 391, 392 =
NJW 1994, 124 – Alle reden vom Klima; BGHZ 156, 206, 210). Dabei ist unter Berücksichtigung der Intensität des in Rede stehenden Eingriffs zu ermitteln, ob dem
hier nur vermögenswerten Bestandteil des Persönlichkeitsrechts des Klägers ein
größeres Gewicht beizumessen ist als der Rechtsposition, auf die sich die Beklagte bei der Verbreitung der Werbeanzeige unter Berufung auf Art. 5 Abs. 1 Satz 1
GG stützt.
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b) Im Falle der Verwendung eines Bildnisses in einer Werbeanzeige wird
– wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat – im Regelfall das allgemeine Persönlichkeitsrecht des ohne seine Einwilligung Abgebildeten gegenüber
dem Veröffentlichungsinteresse des Werbenden überwiegen (vgl. Schricker/
Götting aaO § 60 UrhG/§ 23 KUG Rdn. 16). Denn es stellt einen wesentlichen Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar, selbst darüber zu entscheiden, ob und in welcher Weise das eigene Bildnis für Werbezwecke zur Verfügung
gestellt werden soll. Dabei steht allerdings der Umstand im Vordergrund, dass
durch die Verwendung eines Bildnisses der Image- oder Werbewert des Abgebildeten ausgenutzt und der Eindruck erweckt wird, der Abgebildete identifiziere sich
mit dem beworbenen Produkt, empfehle es oder preise es an (vgl. BGHZ 20, 345,
352 – Paul Dahlke; BGH WRP 1995, 613, 614 – Chris Revue; BGHZ 151, 26, 33).
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c) Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der erkennbare Werbezweck führe dazu, dass die Meinungsfreiheit der
Beklagten gegenüber dem Persönlichkeitsrecht des Klägers zurücktreten müsse.
Im Streitfall geht es ersichtlich nicht darum, einen Image- oder Werbewert des
Klägers auf die beworbene unternehmerische Leistung zu übertragen. Die Anzei-
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ge erweckt auch nicht den Eindruck, als empfehle der Kläger das beworbene Produkt. Zwar lässt sich allein damit noch nicht begründen, dass der Kläger die Verwendung seines Bildnisses in einer Werbeanzeige hinnehmen muss. Doch führen
diese Umstände sowie das gegenläufige Interesse des Werbenden, sich auch im
Rahmen einer Werbeanzeige in satirisch-spöttischer Form mit einem aktuellen politischen Tagesereignis auseinandersetzen zu können, dazu, dass das Interesse
des Klägers, die Verwendung seines Bildnisses in der Werbung zu verhindern, zurücktreten muss.
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Die Beklagte nimmt den Rücktritt des Klägers als Finanzminister zum Anlass
für ihren als Satire verfassten Werbespruch, ohne über eine bloße Aufmerksamkeitswerbung hinaus die Person des Klägers als Vorspann zur Anpreisung ihrer
Dienstleistung zu vermarkten. Die Abbildung des Klägers behält im Rahmen der
Werbeanzeige ihre Zuordnung zu dem kommentierten politischen Zeitgeschehen.
Die Anzeige verwendet eine kontextneutrale Porträtaufnahme, die sich in Größe
und Anordnung in die ebenfalls in der Werbeanzeige enthaltenen Porträtaufnahmen der weiteren fünfzehn Mitglieder des Kabinetts einreiht. Diese Abbildungen
sind Teil der satirischen Auseinandersetzung der Beklagten mit dem Zeitgeschehen, in dessen Mittelpunkt der Kläger steht. Auch wenn die politische Auseinandersetzung im Rahmen einer Werbeanzeige erfolgt und von der Beklagten eingesetzt wird, um die Aufmerksamkeit auf ihr Leasinggeschäft zu lenken, steht sie unter dem besonderen Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1
GG). Im Streitfall muss das Interesse des Klägers, nicht ohne seine Erlaubnis in
einer Werbeanzeige abgebildet zu werden, gegenüber der Ausübung dieses Freiheitsrechts zurücktreten. Die Werbung berührt lediglich den zivilrechtlich, nicht
verfassungsrechtlich begründeten Schutz der vermögenswerten Bestandteile des
Persönlichkeitsrechts (vgl. BVerfG WRP 2006, 1361 Tz 27 ff.). Die ideellen Teile
des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, deren Schutz durch die Menschenwürde-
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garantie von Verfassungs wegen geboten ist, sind im Streitfall nicht betroffen. Eine
Beschädigung des Ansehens des Klägers durch die beanstandete Anzeige steht
nicht zur Debatte.
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5. Danach ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Da die Sache zur Entscheidung reif ist, ist die Klage abzuweisen (§ 563 Abs. 3 ZPO).
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Ullmann
Bornkamm
Schaffert
Pokrant
Bergmann
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 09.01.2004 - 324 O 554/03 OLG Hamburg, Entscheidung vom 09.11.2004 - 7 U 18/04 -