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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 180/00
Verkündet am:
10. Oktober 2002
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
EROC III
UrhG § 75 Abs. 4, §§ 85, 31 Abs. 4, § 31 Abs. 5
a)
§ 31 Abs. 4 UrhG findet keine Anwendung auf Vereinbarungen, mit denen ausübende Künstler oder Tonträgerhersteller in die Nutzung der geschützten Leistung einwilligen.
b) Hat ein ausübender Künstler die Einwilligung erteilt, daß seine Darbietung „in
jeder beliebigen Weise“ ausgewertet wird, ist die Vermarktung der Aufnahme
als CD auch dann vom Vertragszweck umfaßt, wenn diese Nutzungsmöglichkeit zum Zeitpunkt der Einwilligung noch nicht bekannt war.
BGH, Urt. v. 10. Oktober 2002 – I ZR 180/00 – LG Berlin
-2-
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Oktober 2002 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die
Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Starck, Prof. Dr. Bornkamm und Dr. Büscher
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der Zivilkammer 16 des
Landgerichts Berlin vom 8. Juni 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten der Revision, an das Landgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger (mit dem Künstlernamen „EROC“) ist Musiker. Er betreibt ein eigenes Tonstudio, in dem er Tonträger herstellt. Die Beklagte verwertet Schallaufnahmen des Klägers. Die Parteien streiten, ob die Beklagte berechtigt ist, alte
Schallaufnahmen des Klägers auf CD-Tonträgern zu verwerten.
Mit einer Rechtsvorgängerin der Beklagten, der M.
genden: M.
Musik GmbH (im fol-
), schloß der Kläger am 18. Juni 1979 einen Vertrag, in dem es um
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die Schallplattenauswertung von Produktionen des Klägers ging. In diesem Vertrag heißt es u.a.:
§1
1
(1) Gegenstand dieses Vertrages ist das Recht, Schallaufnahmen des Produzenten
auszuwerten. 2Zu diesem Zweck überläßt der Produzent M.
überspielungsfähige
Tonbänder mit Schallaufnahmen für eine LP des Künstlers EROC.
(2) Der Produzent überträgt M.
bzw. ihren Lizenznehmern ohne Einschränkung
und für die ganze Welt exklusiv und zeitlich unbegrenzt das Recht, die Schallaufnahmen in jeder beliebigen Weise auszuwerten.
(3) Die Rechtsübertragung schließt sämtliche Leistungsschutzrechte und -ansprüche
sowie alle sonstigen Rechte der Mitwirkenden an den Vertragsaufnahmen ein.
...
§6
(1) 1M.
darf die Vertragsaufnahmen unter jedem ihr oder einem ihrer Lizenznehmer gehörenden Label veröffentlichen oder veröffentlichen lassen. 2Über Zeitpunkt, Art und Form der Veröffentlichung entscheidet der Produzent in gemeinsamer
Absprache mit M.
.
Nach § 11 Abs. 4 waren die am selben Tag unterzeichneten „Besonderen
Vereinbarungen“ Bestandteil des Vertrages. In Ziffer 3 dieser Vereinbarungen
heißt es:
Samplerveröffentlichungen von Werken des Künstlers EROC nimmt M.
Genehmigung des Produzenten vor.
Der Kläger überließ der M.
nur mit
auf der Grundlage dieses Vertrags die Auf-
nahmen von elf Einzeltiteln, die als „EROC III“ zusammengefaßt wurden. Der Kläger hatte an diesen Aufnahmen auch künstlerisch als Interpret mitgewirkt. Ende
November 1998 erfuhr der Kläger, daß die MM.
der M.
GmbH, eine Rechtsnachfolgerin
und Rechtsvorgängerin der Beklagten, einem Drittunternehmen ge-
stattet hatte, „EROC III“ auf CD herauszubringen.
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Der Kläger, der Rechte als ausübender Künstler und als Tonträgerhersteller
geltend macht, ist der Auffassung, die Verwertung auf CD-Tonträgern sei als damals noch unbekannte – gegenüber der Schallplatte eigenständige – Nutzungsart
nicht aufgrund des Vertrages von 1979 erlaubt. Nach der Durchführung eines in
zwei Instanzen erfolgreichen Verfügungsverfahrens (vgl. KG NJW-RR 2000, 270)
hat der Kläger die Beklagte im Hauptsacheverfahren auf Unterlassung in Anspruch genommen.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt.
Mit der (Sprung-)Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag
weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Landgericht hat einen auf Unterlassung der Verwertung von
„EROC III“ auf CD-Tonträgern gerichteten Anspruch des Klägers aus § 97 Abs. 1,
§ 85 Abs. 1 Satz 1, § 75 Abs. 2 UrhG bejaht. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Der Beklagten stehe hinsichtlich dieser Nutzung kein Recht zu. Weder habe
der Kläger der Beklagten (oder der Rechtsvorgängerin M.
) ein solches Recht
ausdrücklich übertragen, noch sei eine entsprechende Befugnis in dem Recht enthalten, die Schallaufnahme auf Langspielplatte oder Musikkassette zu verbreiten.
Denn die Verwertung auf CD stelle sich als eine im Verhältnis zur Verbreitung auf
Langspielplatte oder Musikkassette neue Nutzungsart dar, die bei Abschluß des
Vertrags vom 18. Juni 1979 noch unbekannt gewesen sei.
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II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand. Die Nachprüfung führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und
zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
1. Die Beklagte stützt das von ihr in Anspruch genommene Recht, die Titel
der Aufnahme „EROC III“ durch Verbreitung auf CD-Tonträgern zu verwerten, in
erster Linie auf § 1 Abs. 2 und 3 des am 18. Juni 1979 geschlossenen Vertrages.
Dort hat der Kläger (als Produzent sowie für alle künstlerisch Mitwirkenden) der
M.
das Recht übertragen, die Schallaufnahmen in jeder beliebigen Weise
auszuwerten.
2. Das Landgericht hat – unter Verweis auf die Entscheidungsgründe des
Berufungsurteils im vorausgegangenen Verfügungsverfahren (KG NJW-RR 2000,
270) – die Ansicht vertreten, diese Nutzungsrechtseinräumung betreffe keine „CDRechte“ an dem Werk. Bei der Auswertung der Musikaufnahmen mittels CD handele es sich um eine andere Nutzungsart als die Auswertung auf Langspielplatte
oder Musikkassette, so daß die Beklagte durch den Vertrag von 1979 keine entsprechenden Rechte erhalten habe. Die Möglichkeit der digitalen Speicherung von
Musik auf CD sei 1979 noch nicht bekannt gewesen.
Damit hat das Landgericht auf die Regelung in § 31 Abs. 4 UrhG abgestellt,
wonach eine Einräumung von Nutzungsrechten für noch nicht bekannte Nutzungsarten unwirksam ist. Entgegen der stillschweigenden Annahme des Landgerichts
kommt diese Bestimmung vorliegend jedoch nicht zur Anwendung. Der Streitfall
nötigt daher nicht dazu, die für das Landgericht im Mittelpunkt stehende, in der
Rechtsprechung und im Schrifttum umstrittene Frage zu beantworten, ob sich die
Auswertung von Tonaufnahmen auf CD gegenüber den Aufnahmen auf herkömmlichen Langspielplatten oder Musikkassetten als eine neue Nutzungsart darstellt
(bejahend KG NJW-RR 2000, 270, 271; OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 420 f.;
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ZUM 2001, 164, 165 f.; Gaertner, AfP 1999, 143, 144; Reber, GRUR 1998, 792,
796; ders., ZUM 1998, 481, 482; Hertin in Fromm/Nordemann, Urheberrecht,
9. Aufl., § 31/32 UrhG Rdn. 18; Fitzek, Die unbekannte Nutzungsart, 2000, S. 106;
verneinend OLG Köln ZUM 2001, 166, 172; Dünnwald, UFITA 127 [1995], 279;
v. Gamm, ZUM 1994, 591, 593; Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht,
2. Aufl., Rdn. 551; Castendyk, ZUM 2002, 332, 344 f.).
a) Aus der systematischen Einordnung dieser Vorschrift in den mit „Urheberrecht“ betitelten Ersten Teil des „Gesetz(es) über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte“ sowie in dessen Fünften Abschnitt („Rechtsverkehr im Urheberrecht“) wird bereits deutlich, daß diese Bestimmung sich zunächst lediglich
auf urheberrechtliche Werke bezieht. Rechte an solchen Werken – etwa aus
§§ 16, 17 UrhG – macht der Kläger aber nicht geltend. Er hat nicht vorgetragen,
Komponist oder Textdichter von „EROC III“ zu sein. In Rede stehen vielmehr
Rechte des Klägers als Tonträgerhersteller (§ 85 Abs. 1 Satz 1 UrhG) und als
ausübender Künstler (§ 75 Abs. 2 UrhG). Diese Rechte sind als „Verwandte
Schutzrechte“ im Zweiten Teil des Urheberrechtsgesetzes (§§ 70 bis 87e UrhG)
geregelt. Im Vierten Teil des Gesetzes (§§ 96 bis 119 UrhG) – „Gemeinsame Bestimmungen für Urheberrecht und verwandte Schutzrechte“ – finden sich keine
Bestimmungen über die Rechtseinräumung.
Bereits die systematische Stellung des § 31 Abs. 4 im Urheberrechtsgesetz
legt es daher nahe, diese Bestimmung auf andere Rechte nur im Falle einer ausdrücklichen Regelung anzuwenden. Eine derartige Regelung gibt es beispielsweise in § 72 Abs. 1 UrhG. Dort ist bestimmt, daß „Lichtbilder ... in entsprechender
Anwendung der für Lichtbildwerke geltenden Vorschriften des Ersten Teils geschützt“ werden; dies schließt die Anwendung des § 31 Abs. 4 UrhG ein. Demgegenüber lassen die Vorschriften für ausübende Künstler (§§ 73 ff. UrhG) und
Tonträgerhersteller (§§ 85, 86 UrhG) eine solche Regelung vermissen mit der Fol-
-7-
ge, daß deren Leistungen nicht in den Genuß der Schutzvorschrift des § 31 Abs. 4
UrhG gelangen. Dies verdeutlichen insbesondere die Regelungen in §§ 84, 85
Abs. 3 UrhG und in dem vor kurzem eingefügten § 75 Abs. 4 UrhG: Diese Bestimmungen erklären Teile oder einzelne Vorschriften des Ersten Teils des Urheberrechtsgesetzes, § 75 Abs. 4 UrhG sogar einzelne Absätze des § 31 UrhG für
entsprechend anwendbar. Eine entsprechende Anwendung der hier in Rede stehenden Bestimmung des § 31 Abs. 4 UrhG ist dort gerade nicht vorgesehen.
b) Es handelt sich hierbei auch nicht um eine planwidrige Regelungslücke,
die in richterlicher Rechtsfortbildung geschlossen werden könnte. Im Zuge der
Reform des Urhebervertragsrechts ist diskutiert worden, ob neben § 31 Abs. 5
UrhG auch noch andere Absätze dieser Bestimmung auf die Leistungen der ausübenden Künstler und Tonträgerhersteller anwendbar sein sollen. Der Gesetzgeber hat es gleichwohl bei der selektiven, die Regelung des Absatzes 4 ausschließenden Verweisung belassen. So war im Vorfeld des – jüngst in Kraft getretenen – Gesetzes zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern vom 22. März 2002 (BGBl. I S. 1155) zunächst geplant, für
ausübende Künstler in § 75 Abs. 4 UrhG die Vorschrift des § 31 Abs. 4 UrhG für
entsprechend anwendbar zu erklären (vgl. Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen, BT-Drucks. 14/6433, S. 5). Auf diese Änderung wurde letztlich verzichtet,
und zwar mit der Begründung, es sei nicht praktikabel, wenn bei Darbietungen mit
vielen Mitwirkenden die Rechte für neue, bislang unbekannte Nutzungsarten von
den zahlreichen ausübenden Künstlern nachträglich erworben werden müßten
(Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 14/8058,
S. 24 und 52 f.). Auch der Regierungsentwurf, mit dem die Richtlinie 2001/29/EG
des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in
der Informationsgesellschaft umgesetzt werden soll (BR-Drucks. 684/02), sieht in
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§ 79 (für die Rechte der ausübenden Künstler) und in § 85 (für die Rechte der
Tonträgerhersteller) lediglich eine entsprechende Anwendung von § 31 Abs. 1 bis
3 und 5 UrhG vor; die Anwendung von § 31 Abs. 4 UrhG auf die Leistungsschutzrechte der ausübenden Künstler und der Tonträgerhersteller soll damit ausdrücklich ausgeschlossen bleiben. Die Begründung des Gesetzentwurfs verweist hinsichtlich der Tonträgerhersteller darauf, daß bei der Verweisung u.a. die Vorschriften ausgeklammert worden seien, die „lediglich dem Schutz des Urhebers als der
regelmäßig schwächeren Vertragspartei dienen (§ 31 Abs. 4 ...)“ (BR-Drucks.
684/02, S. 57).
c) In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist schließlich die Frage
erörtert worden, ob sich die Nichtanwendbarkeit des § 31 Abs. 4 UrhG auf die Leistungen der ausübenden Künstler erst aus der im Jahre 2002 eingefügten Bestimmung des § 75 Abs. 4 UrhG n.F. ergibt, ob also eine vorher bestehende Anwendbarkeit erst durch die neue Bestimmung abgeschafft worden ist. Dies ist eindeutig zu verneinen (vgl. Schack, GRUR 2002, 853, 854 Fn. 22; Erdmann, GRUR
2002, 923, 930).
Auch schon vor Einfügung der neuen Bestimmung sprachen die Systematik
des Gesetzes und die ausdrückliche Aufzählung der entsprechend anzuwendenden Vorschriften des Ersten Teils des Urheberrechtsgesetzes dagegen, § 31
Abs. 4 UrhG auf die Leistungen der ausübenden Künstler und der Tonträgerhersteller entsprechend anzuwenden. Während heute die Gemeinsamkeiten zwischen dem Urheberrecht und dem Leistungsschutzrecht der ausübenden Künstler
betont werden, lag der gesetzlichen Regelung von 1965 die Vorstellung zugrunde,
daß zwischen dem Urheberrecht und den Leistungsschutzrechten „rechtsdogmatisch eine klare Trennungslinie zu ziehen“ sei, weswegen „Inhalt und Umfang der
Leistungsschutzrechte ... jeweils unter Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse der zu schützenden Personengruppen selbständig zu bestimmen (seien)
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und ... nicht einfach aus einer entsprechenden Anwendung urheberrechtlicher
Grundsätze gewonnen werden“ könnten (Begründung des Regierungsentwurfs eines Urheberrechtsgesetzes, BT-Drucks. IV/270, S. 87). Es entsprach daher allgemeiner Auffassung, daß lediglich die in § 31 Abs. 5 UrhG ausdrücklich normierte, stets aber als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens verstandene
Zweckübertragungsregel auch auf die Einwilligung der Inhaber von Leistungsschutzrechten anzuwenden ist (BGH, Urt. v. 23.2.1979 – I ZR 27/77, GRUR 1979,
637, 638 f. – White Christmas; Urt. v. 22.9.1983 – I ZR 40/81, GRUR 1984, 119,
121 – Synchronisationssprecher; v. Gamm, Urheberrechtsgesetz, Einf. Rdn. 32;
Büscher in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 74 UrhG Rdn. 5; Krüger in Schrikker, Urheberrecht, 2. Aufl., vor §§ 73 ff. UrhG Rdn. 17; anders lediglich Krüger,
GRUR 1979, 639, 640 f. und ders., WRP 1980, 30 f.). Für eine entsprechende
Anwendbarkeit des § 31 Abs. 4 UrhG, die im übrigen auch im Schrifttum – soweit
ersichtlich – nicht befürwortet wurde (vgl. Krüger in Schricker aaO vor §§ 73 ff.
UrhG Rdn. 17 u. 19; Kroitzsch in Möhring/Nicolini, Urheberrechtsgesetz, 2. Aufl.,
§ 73 Rdn. 6; Hertin in Fromm/Nordemann aaO vor § 73 UrhG Rdn. 12), fehlte dagegen auch schon unter dem bisherigen Recht die Grundlage. Etwas anderes läßt
sich auch der Rechtsprechung einiger Oberlandesgerichte nicht entnehmen, die –
ohne die Frage zu problematisieren – davon ausgegangen sind, § 31 Abs. 4 UrhG
sei auf die Einwilligung durch ausübende Künstler anwendbar (vgl. KG NJW-RR
2000, 270; OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 420 und ZUM 2001, 164, 165; OLG
Köln ZUM 2001, 166, 172).
3. Steht § 31 Abs. 4 UrhG einer Auswertung von „EROC III“ auf CD-Tonträgern nicht entgegen, so stellt sich die weitere Frage, ob die beanstandete Nutzung von der vom Kläger im Vertrag vom 18. Juni 1979 erklärten Einwilligung erfaßt ist. § 1 Abs. 2 dieses Vertrages enthält eine umfassende Rechtseinräumung.
Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 entscheidet jedoch über Zeitpunkt, Art und Form der Ver-
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öffentlichung von Vertragsaufnahmen der Produzent (also der Kläger) in gemeinsamer Absprache mit M.
(nunmehr
also
der
Beklagten).
Die
Re-
visionserwiderung macht hierzu geltend, daß der Unterlassungsanspruch des Klägers sich auch aus dieser Regelung ergebe, da es an einer gemeinsamen Absprache mit dem Produzenten bezüglich der Art und Form der Veröffentlichung
fehle. Das Landgericht brauchte diesem – bereits in der Klageschrift vorgetragenen – rechtlichen Gesichtspunkt wegen des von ihm zu § 31 Abs. 4 UrhG
vertretenen Standpunkts nicht nachzugehen. Nunmehr wird es hierauf ankommen.
Auch wenn es nicht naheliegen mag, daß der Kläger nicht nur über das „Wie“,
sondern auch über das „Ob“ mitentscheiden sollte, ist die vertragliche Bestimmung
zunächst vom Tatrichter auszulegen; ferner bedarf es Feststellungen zu der Frage, ob die nach § 6 Abs. 1 Satz 2 erforderlichen Voraussetzungen für eine Auswertung von „EROC III“ auf CD im vorliegenden Fall erfüllt sind. Entsprechendes
gilt hinsichtlich Ziffer 3 der „Besonderen Vereinbarungen“, der zufolge die M.
Sampler-Veröffentlichungen von Werken des Künstlers „EROC“ nur mit Genehmigung des Produzenten vornimmt.
4. Sollte das Landgericht zu dem Schluß kommen, daß der Beklagten die
beanstandete Nutzung aufgrund der vertraglichen Regelung in § 6 Abs. 1 Satz 2
nicht untersagt werden kann, wird sich aus dem Zweckübertragungsgedanken des
§ 31 Abs. 5 UrhG nichts anderes ergeben. Diese Regel, nach der sich der Umfang
des Nutzungsrechts im Zweifel nach dem mit seiner Einräumung verfolgten Zweck
richtet, wird als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens verstanden und
daher – wie oben dargelegt – einhellig auch auf die Einwilligung der Inhaber von
Leistungsschutzrechten angewandt. Im Streitfall war die in § 1 Abs. 2 des Vertrages erteilte Einwilligung auf eine umfassende Nutzung gerichtet („... ohne Einschränkung ... und zeitlich unbegrenzt das Recht, die Schallaufnahmen in jeder
beliebigen Weise auszuwerten“); dieser Zweck beschränkt sich nicht auf ein be-
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stimmtes Trägermedium, sondern umfaßt auch die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht bekannte Nutzung der Schallaufnahmen auf CD, die inzwischen die herkömmlichen Langspielplatten fast vollständig verdrängt hat. Es handelt sich hierbei nicht um eine zusätzliche Nutzung, die neben die von den Parteien ins Auge gefaßte Form der Verwertung tritt und eine wirtschaftlich eigenständige Verwertung erlaubt (vgl. BGHZ 128, 336, 341 – Videozweitauswertung III; 148,
221, 230 – SPIEGEL-CD-ROM). Vielmehr geht es um eine technisch neue Nutzungsvariante, die es der Beklagten ermöglicht, die vertraglich vereinbarte Nutzung auch in einer Zeit fortzusetzen, in der sich die Nachfrage der Verbraucher
nicht mehr auf Langspielplatten, sondern auf CD-Tonträger richtet, und die daher
von dem ursprünglichen Vertragszweck gedeckt ist.
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III. Auf die Revision der Beklagten ist das angefochtene Urteil danach aufzuheben. Die Sache ist zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das
Landgericht zurückzuverweisen, dem auch die Entscheidung über die Kosten der
Revision zu übertragen ist.
Ullmann
v. Ungern-Sternberg
Bornkamm
Starck
Büscher