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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 175/00
Verkündet am:
7. November 2002
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
Sender Felsberg
UrhG §§ 20, 76, 86
a) Erdgebundene Rundfunksendungen, die über einen inländischen Sender
an die Öffentlichkeit ausgestrahlt werden, unterliegen auch dann dem Tatbestand des Senderechts (§ 20 UrhG), auf den die §§ 76 und 86 UrhG Bezug nehmen, wenn sie von einem grenznahen Senderstandort aus gezielt
für die Öffentlichkeit im benachbarten Ausland abgestrahlt werden und im
Inland nur in sehr geringem Umfang empfangen werden können.
b) Es ist bei solchen Rundfunksendungen Sache des Bestimmungslandes als
Schutzland zu entscheiden, ob es die Sendungen den nach seiner Rechtsordnung gewährten Schutzrechten unterwirft. Geschieht dies, ist bei der
Bemessung der Höhe von Vergütungsansprüchen, die eine Gesellschaft
zur Verwertung von Leistungsschutzrechten nach inländischem Recht wegen solcher für das Ausland bestimmter Rundfunksendungen geltend machen kann, zu berücksichtigen, daß die Rundfunksendungen auch im Bestimmungsland mit entsprechenden Vergütungsansprüchen belastet sind.
BGH, Urt. v. 7. November 2002 - I ZR 175/00 - OLG Saarbrücken
LG Saarbrücken
-2-
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 7. November 2002 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Ullmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Starck, Prof.
Dr. Bornkamm und Pokrant
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des
Saarländischen Oberlandesgerichts vom 28. Juni 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte besitzt als rechtlich selbständiges Unternehmen eine von
dem Ministerpräsidenten des Landes Saarland im Jahr 1965 erteilte Erlaubnis
für die Ausstrahlung von Rundfunksendungen. Sie strahlt vom Inland aus über
den Sender Felsberg, der nur 300 m von der französischen Grenze entfernt
steht, ein werbefinanziertes Hörfunkprogramm auf Langwelle in Richtung Frankreich aus. Die Sendungen werden von der Muttergesellschaft der Beklagten
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unter Verwendung von Musiktonträgern in Paris produziert und von dort mittels
Richtfunk- und Kabelverbindungen, seit einiger Zeit auch über Satellit, zum
Sender Felsberg übertragen. Die von der Beklagten ausgestrahlten Sendungen
können im Inland nur in äußerst geringem Umfang empfangen werden. Die Beklagte überläßt Teile ihres Programms unentgeltlich dem DAB-MultimediaPilotprojekt Saarland, dessen digitale Sendungen nur mit Hilfe besonderer Geräte - derzeit sind 57 solcher Geräte im Einsatz - gehört werden können.
Die Hörfunksendungen sind in französischer Sprache gestaltet und ausschließlich für den französischen Raum bestimmt. Die Werbezeiten des Programms werden in Frankreich an dort ansässige Unternehmen vermarktet. Für
den Betrieb des Senders Felsberg erhält die Beklagte, die keine eigenen Werbeeinnahmen erzielt, von ihrer französischen Muttergesellschaft eine Vergütung.
Bei Aufnahme der Sendetätigkeit der Beklagten ist der Senderstandort
Felsberg gewählt worden, weil damals in Frankreich private werbefinanzierte
Hörfunksendungen nicht erlaubt waren. Seit dem Jahre 1983 verbreitet die Muttergesellschaft der Beklagten das über den Sender Felsberg ausgestrahlte
Hörfunkprogramm in Frankreich auch über UKW-Sender.
Die Klägerin ist die GVL, die als einzige Verwertungsgesellschaft in
Deutschland Ansprüche ausübender Künstler und Tonträgerhersteller aus § 76
Abs. 2, § 86 UrhG wahrnimmt. Durch den "Vertrag über die Verwendung von
Tonträgern in Hörfunkprogrammen" vom 19. August/23. September 1986 verpflichtete sich die Beklagte gegenüber der Klägerin, als Gegenleistung für die
Verwendung von Musiktonträgern in dem von ihr ausgestrahlten Hörfunkprogramm jährlich 500.000,-- DM (zuzüglich Mehrwertsteuer in der jeweils anfallenden Höhe) zu bezahlen. Diesen Vertrag kündigte sie zum 31. Dezember
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1996. Grund dafür war, daß auch die Verwertungsgesellschaft SPRE, die in
Frankreich Rechte von ausübenden Künstlern und Tonträgerherstellern an
Rundfunksendungen wahrnimmt, gegen die französische Muttergesellschaft der
Beklagten Vergütungsforderungen wegen der Ausstrahlung des Hörfunkprogramms über den Sender Felsberg geltend machte. Ein von der Verwertungsgesellschaft SPRE in Paris gegen die Muttergesellschaft der Beklagten angestrengtes gerichtliches Verfahren ist derzeit in der dritten Instanz anhängig.
Auf Antrag der Klägerin erließ die Schiedsstelle nach dem Gesetz über
die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten beim
Deutschen
Patentamt
am
20. Juli
1998
einen
Einigungsvorschlag
(Sch-Urh 21/97), nach dem die Beklagte verpflichtet sein sollte, für die Inanspruchnahme des Senderechts am Senderstandort Felsberg eine jährliche Vergütung von 500.000,-- DM (zuzüglich Mehrwertsteuer) zu zahlen. Gegen diesen
Einigungsvorschlag hat die Beklagte Widerspruch eingelegt.
Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten wegen der Programmausstrahlung über den Sender Felsberg für die Jahre 1997 und 1998
eine Vergütung von 1 Mio. DM (zuzüglich Mehrwertsteuer).
Die Klägerin hat vorgetragen, durch die Ausstrahlungen des Senders
Felsberg werde in die nach deutschem Recht bestehenden Leistungsschutzrechte ausübender Künstler und Tonträgerhersteller, die von ihr wahrgenommen würden, eingegriffen. Die Vergütungsforderung sei der Höhe nach angemessen.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verpflichten, an die Klägerin
für die Inanspruchnahme des Senderechts am Senderstandort Saarbrücken für
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die Jahre 1997 und 1998 jeweils 500.000,-- DM zuzüglich Mehrwertsteuer nebst
5 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte hat vorgebracht, für das vom Sender Felsberg ausgestrahlte Programm würden nahezu ausschließlich Darbietungen französischer
Künstler sowie in Frankreich erschienene Tonträger verwendet. Zur Wahrnehmung der entsprechenden Rechte sei die Klägerin nicht befugt. Die für Frankreich bestimmte Programmausstrahlung durch den Sender Felsberg sei allein
nach französischem Recht zu beurteilen.
Das Landgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen (OLG Saarbrücken
GRUR Int. 2000, 933).
Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, begehrt
die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat die Ansicht vertreten, daß die Sendetätigkeit
der Beklagten gemäß dem Schutzlandgrundsatz an sich nach deutschem Urheberrecht zu beurteilen wäre, weil die Ausstrahlung von deutschem Hoheitsgebiet aus stattfinde. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß die Programmsignale durch die Muttergesellschaft der Beklagten von Frankreich her
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- im Wege einer ununterbrochenen Übertragungskette - dem Sender Felsberg
zugeleitet würden, da nach § 20 UrhG auf die Ausstrahlung der einzelnen Sendestelle an die Öffentlichkeit abzustellen sei. Statt des deutschen Urheberrechts
sei hier jedoch ausnahmsweise allein französisches Urheberrecht anzuwenden,
weil ein Umgehungstatbestand gegeben sei. Die Rechtsordnung des Bestimmungslandes sei anzuwenden, wenn - wie hier - gezielte Ausstrahlungen für
das Inland allein deshalb in das Ausland verlegt würden, um die Anwendung
der inländischen Rechtsordnung zu vermeiden. Das Hörfunkprogramm sei ursprünglich von dem Gebiet des Saarlandes aus - noch vor dessen Eingliederung in die Bundesrepublik Deutschland - ausgestrahlt worden, weil die französische Rechtsordnung Privatrundfunk nicht gestattet habe. Das ausgestrahlte
und durch Werbeeinnahmen aus Frankreich finanzierte Programm sei ausschließlich für Hörer in Frankreich bestimmt. Nur technisch bedingt sei das Programm auch in kleinen Teilen des saarländischen Grenzgebiets empfangbar.
Für das DAB-Multimedia-Pilotprojekt Saarland stelle die Beklagte lediglich Programmteile zur Verfügung, strahle aber insoweit nicht selbst aus.
II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht
stand.
1. Die Rundfunksendungen der Beklagten unterliegen schon deshalb den
Vorschriften des deutschen Urheberrechtsgesetzes, weil sie an die Öffentlichkeit über Sendeanlagen ausgestrahlt werden, die auf dem Gebiet des Saarlandes stehen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts können somit den
ausübenden Künstlern und Tonträgerherstellern, deren Leistungen bei der Gestaltung des ausgestrahlten Programms benutzt werden, Ansprüche aus § 76
Abs. 2, § 86 UrhG zustehen, die von der Klägerin als Verwertungsgesellschaft
wahrgenommen werden.
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a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Frage, ob bei grenzüberschreitenden Rundfunksendungen Ansprüche aus Urheberrechten oder Leistungsschutzrechten bestehen, gemäß dem deutschen internationalen Privatrecht grundsätzlich nach dem Recht des Schutzlandes zu
beurteilen ist, d.h. nach dem Recht desjenigen Staates, für dessen Gebiet der
Immaterialgüterschutz in Anspruch genommen wird (vgl. BGHZ 118, 394, 397 f.
- ALF; 126, 252, 255 - Folgerecht bei Auslandsbezug; 136, 380, 385 f. - Spielbankaffaire; Staudinger/v. Hoffmann, BGB, 2001, Art. 40 EGBGB Rdn. 370 ff.;
MünchKomm.BGB/Kreuzer, 3. Aufl., Nach Art. 38 EGBGB Anh. II Rdn. 7 ff.,
jeweils m.w.N.). Das Recht des Schutzlandes bestimmt, welche Handlungen als
Verwertungshandlungen unter ein von ihm anerkanntes Schutzrecht fallen. Urhebern, ausübenden Künstlern und Tonträgerherstellern stehen - auch aus der
Sicht der zu ihrem Schutz geschlossenen internationalen Abkommen - keine
einheitlichen Schutzrechte zu, die einem einzigen Statut unterliegen, sondern
jeweils ein Bündel nationaler Schutzrechte. Die für das allgemeine Deliktsrecht
geltenden Anknüpfungsregeln sind bei der immaterialgüterrechtlichen Beurteilung grenzüberschreitender Rundfunksendungen nicht anzuwenden (vgl. BGHZ
136, 380, 386 - Spielbankaffaire). Daran hat sich durch die Neufassung der für
unerlaubte Handlungen geltenden Kollisionsnorm des Art. 40 EGBGB durch
das Gesetz zum Internationalen Privatrecht für außervertragliche Schuldverhältnisse und für Sachen vom 21. Mai 1999 (BGBl. I S. 1026) nichts geändert
(vgl. Staudinger/v. Hoffmann aaO Art. 40 EGBGB Rdn. 370; Möhring/Nicolini/
Hartmann, Urheberrechtsgesetz, 2. Aufl., Vor §§ 120 ff. Rdn. 17; Thum, GRUR
Int. 2001, 9, 20 Fn. 115 m.w.N.). Nach der Begründung zu Art. 1 Abs. 2 des
Regierungsentwurfs zu diesem Gesetz (BT-Drucks. 14/343 S. 10) erschien eine
ausdrückliche Regelung des für Verletzungen von Immaterialgüterrechten geltenden Kollisionsrechts entbehrlich.
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b) Nach dem Schutzlandgrundsatz sind auf die Rundfunksendungen, die
durch den Sender Felsberg ausgestrahlt werden, die Vorschriften des deutschen Urheberrechtsgesetzes anzuwenden. Im Inland, für dessen Gebiet die
Klägerin Schutz begehrt, findet als urheberrechtlich relevante Handlung die
Ausstrahlung der Rundfunksendung an die Öffentlichkeit statt.
(1) Von der Anwendbarkeit des Rechts des Ausstrahlungslandes auf
drahtlose Rundfunksendungen geht die Rechtspraxis im In- und Ausland seit
jeher fast ausnahmslos aus (vgl. österr. OGH GRUR Int. 1991, 920, 922 f.
- TELE-UNO II; Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, 3. Aufl., S. 547; Möhring/
Nicolini/Hartmann aaO Vor §§ 120 ff. Rdn. 26; Schricker/v. Ungern-Sternberg,
Urheberrecht, 2. Aufl., Vor §§ 20 ff. Rdn. 52 ff.; Schricker/Katzenberger ebd.
Vor §§ 120 ff. Rdn. 141). Diese Rechtsanknüpfung anhand eines einfach zu
bestimmenden Kriteriums entspricht im allgemeinen gerade auch den Erfordernissen der Massennutzung geschützter Werke und Leistungen durch Rundfunkunternehmen, weil dabei von der Betrachtung der möglicherweise von Sendung
zu Sendung unterschiedlichen Einzelfallumstände (technische Reichweite der
Ausstrahlungen, bestimmungsgemäßer Empfangsbereich der jeweiligen Sendung, Zwischenspeicherungen usw.) abgesehen werden kann.
(2) Für die urheberrechtliche Beurteilung erdgebundener drahtloser
Rundfunksendungen, die - wie im vorliegenden Fall - gezielt in bestimmte Länder ausgestrahlt werden, wird allerdings teilweise die Ansicht vertreten, daß
neben dem Recht des Ausstrahlungslandes auch das Recht der Bestimmungsländer anzuwenden ist. Dies wird nach einer Meinung damit begründet, daß der
Sendevorgang in solchen Fällen gerade auch als Werknutzung im Bestimmungsland bedeutsam sei (vgl. österr. OGH GRUR Int. 1991, 920, 922 f.
- TELE-UNO II; Schricker/Katzenberger aaO Vor §§ 120 ff. Rdn. 141; Schack,
Urheber- und Urhebervertragsrecht, 2. Aufl., Rdn. 929 ff., jeweils m.w.N.; vgl.
-9-
aber auch BGHZ 136, 380 - Spielbankaffaire). Nach anderer Ansicht wird eine
solche Anwendbarkeit des Rechts des Bestimmungslandes (wenn auch beschränkt auf besondere Fallgestaltungen wie vor allem Fälle, in denen der Ausstrahlungsort nur oder fast ausschließlich deshalb aus dem Bestimmungsland
herausverlagert worden ist, um dessen Rechtsordnung zu entgehen) auf den
Gedanken der Gesetzesumgehung gestützt (vgl. Möhring/Nicolini/Hartmann
aaO Vor § 120 ff. Rdn. 26 f.; Schricker/v. Ungern-Sternberg aaO Vor §§ 20 ff.
Rdn. 55; v. Ungern-Sternberg in Schwarze [Hrsg.], Rechtsschutz gegen Urheberrechtsverletzungen und Wettbewerbsverstöße in grenzüberschreitenden
Medien, 2000, S. 109, 116 ff.). Die Vertreter der Rechtsmeinungen, nach denen
bei drahtlosen Rundfunksendungen, die gezielt in bestimmte Länder hinein
ausgestrahlt werden, das Recht des Bestimmungslandes anwendbar sein kann,
vertreten jedoch im Einklang mit dem Schutzlandgrundsatz durchweg die Ansicht, daß das Recht des Ausstrahlungslandes daneben anwendbar bleibt.
Nach Maßgabe des Rechts des Bestimmungslandes als Schutzland ist danach
zwar gegebenenfalls dessen Recht auf die Rundfunksendung anzuwenden, der
Umstand, daß nach dem Recht des Ausstrahlungslandes als Schutzland dort
eine urheberrechtlich relevante Handlung vorgenommen worden ist, kann dadurch aber - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - nicht unbeachtlich
werden. Da hier nach dem Urheberrechtsgesetz eine Rundfunksendung im Inland anzunehmen ist, kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht
auf die Frage an, ob den dargelegten Rechtsmeinungen nach deutschem Recht
zuzustimmen ist.
c) Die Beklagte vertritt demgegenüber - im Anschluß an ein von ihr vorgelegtes Rechtsgutachten - die Ansicht, daß bei den Ausstrahlungen über den
Sender Felsberg keine urheberrechtlich relevante Sendung im Inland vorliege,
und deshalb ausschließlich französisches Urheberrecht anzuwenden sei. Bei
grenzüberschreitenden Sendevorgängen könne nicht darauf abgestellt werden,
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in welchem Land die Ausstrahlung an die Öffentlichkeit stattfinde. Vielmehr sei
eine ganzheitliche Betrachtung des gesamten Sendevorgangs anzustellen. Dies
bedeute in einem Fall wie hier, in dem die Programmsignale in einer ununterbrochenen Übertragungskette von den Studios der französischen Muttergesellschaft in Paris zum Sender Felsberg geleitet würden, daß allein auf das französische Recht abzustellen sei. Bei wertender Betrachtung sei allein die Eingabe
der Programmsignale als der ausschlaggebende Sendevorgang anzusehen, da
sich bereits in ihm die Entscheidung des Sendeunternehmens über Inhalt und
Zeitpunkt der Sendung ausdrücke. Die Anknüpfung an diesen Vorgang als
Sendevorgang gewährleiste auch, daß nur eine einzige Urheberrechtsordnung
eingreife. Eine solche Beurteilung entspreche der Regelung der direkten Satellitensendungen in Art. 2 i.V. mit Art. 1 Abs. 1 und 2 der Satelliten- und Kabelrichtlinie (Richtlinie 93/83/EWG des Rates vom 27. September 1993 zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung, ABl. Nr. L 248/15 =
GRUR Int. 1993, 936) sowie § 20a UrhG, der in Umsetzung der Richtlinie in das
Urheberrechtsgesetz eingefügt worden sei. Danach werde urheberrechtlich
ausschließlich auf den Vorgang abgestellt, bei dem die für den öffentlichen
Empfang bestimmten programmtragenden Signale unter der Kontrolle und Verantwortung des Sendeunternehmens in eine ununterbrochene Übertragungskette, die zum Satelliten und zurück zur Erde führe, eingegeben würden.
Diesem Beurteilungsansatz der Beklagten kann nicht zugestimmt werden. Dies gilt sowohl für die Rechtsanknüpfung im Bereich des Urheberrechts
als auch für diejenige im Bereich der Leistungsschutzrechte, für die nichts anderes gelten kann. Dem für die Bestimmung des anwendbaren Rechts maßgeblichen Schutzlandgrundsatz liegt u.a. der Gedanke zugrunde, daß es in erster Linie Sache des jeweiligen Landes ist, für dessen Gebiet hinsichtlich einer
urheberrechtlich relevanten Handlung Schutz gewährt wird, zu bestimmen, wel-
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chen Umfang dieser Schutz dort haben soll. Dementsprechend haben die Verwertungsrechte des Urhebers - ebenso wie Verbotsrechte der Inhaber von Leistungsschutzrechten - nach dem deutschen Urheberrechtsgesetz maßgeblich
auch die Aufgabe, dem Berechtigten die Kontrolle über die Nutzung seines
Werkes zu sichern, und dies unabhängig davon, ob mit der Handlung eine wirtschaftlich bedeutsame Auswertung im Inland verbunden ist (vgl. BGH, Urt. v.
17.2.2000 - I ZR 194/97, GRUR 2000, 699, 700 - Kabelweitersendung). Bei
ausschließlicher Anknüpfung an das Recht des Staates, auf dessen Gebiet die
Programmsignale in eine ununterbrochene Übertragungskette eingegeben werden, wäre dagegen der Schutz des Urhebers in vollem Umfang von der
Rechtslage in dem Staat abhängig, von dem die Sendung ihren Ausgang genommen hat. Ein solches Ergebnis wäre bei erdgebundenen Rundfunksendungen schon deshalb untragbar, weil dies die Bestimmung des anwendbaren
Rechts - vor allem bei Live-Übertragungen - von wechselnden Einzelfallumständen abhängig machen würde wie dem Ort, von dem aus die Sendung eingeleitet wurde, oder von der Vornahme von Zwischenspeicherungen. Zudem
wäre zu befürchten, daß der dann urheberrechtlich allein maßgebliche Vorgang
der Eingabe der Programmsignale in eine ununterbrochene Übertragungskette
in Staaten verlagert wird, in denen kein oder nur ein geringer Schutz besteht.
Die Sonderregelungen der Satelliten- und Kabelrichtlinie und des § 20a
UrhG, der in Umsetzung der Richtlinie in das Urheberrechtsgesetz eingefügt
worden ist, sprechen nicht für die Rechtsansicht der Beklagten. Die Satellitenund Kabelrichtlinie hat hinsichtlich drahtloser Rundfunksendungen nur die
Rechtslage bei direkten Satellitensendungen vereinheitlicht (vgl. Erwägungsgrund 33 f. der Satelliten- und Kabelrichtlinie; vgl. weiter Schricker/v. UngernSternberg aaO Vor §§ 20 ff. Rdn. 60 m.w.N.). Diese Regelungen haben zudem
zur Grundlage, daß zugleich mit der Vereinheitlichung der Rechtsanknüpfung,
die durch das einheitliche Abstellen auf den Ort der Eingabehandlung erreicht
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wird, auch das Schutzniveau in den Staaten, in denen die Richtlinie Geltung
hat, harmonisiert worden ist (vgl. Erwägungsgrund 24 der Satelliten- und Kabelrichtlinie; Dreier in Walter [Hrsg.], Europäisches Urheberrecht, 2001, S. 420 f.)
und bei einer Verlagerung der maßgeblichen Verwertungshandlung in
Drittstaaten mit unzureichendem Schutzniveau das Recht anderer Staaten für
anwendbar erklärt wird, indem unter bestimmten Voraussetzungen die Vornahme der Verwertungshandlung in deren Gebiet fingiert wird. Solche Rahmenbedingungen sind bei erdgebundenen Rundfunksendungen nicht gegeben. Die
Hinnahme von Schutzlücken, die bei einer ganzheitlichen Betrachtung des gesamten zur Ausstrahlung an die Öffentlichkeit führenden Sendevorgangs unvermeidbar wären, stünde zudem in Widerspruch zu den Verpflichtungen der
Verbandsländer aus Art. 11bis RBÜ, bei Rundfunksendungen an eine Öffentlichkeit Urheberrechtsschutz zu gewährleisten (vgl. dazu auch Schricker/v. UngernSternberg aaO § 20a Rdn. 5).
2. Die Ausstrahlung von Rundfunksendungen über den Sender Felsberg
erfüllt den Tatbestand des Senderechts (§ 20 UrhG), auf den § 76 UrhG inhaltlich Bezug nimmt. Eine Rundfunksendung ist schon deshalb anzunehmen, weil
die drahtlose Rundfunkausstrahlung unmittelbar an die Allgemeinheit gerichtet
ist. Bei dieser Beurteilung ist nicht lediglich darauf abzustellen, ob die Ausstrahlungen des Senders Felsberg im Inland eine Öffentlichkeit erreichen. Der
Geltungsbereich des Senderechts aus § 20 UrhG (und der darauf bezogenen
Rechte der ausübenden Künstler und der Tonträgerhersteller) ist zwar räumlich
durch den sachlich-rechtlichen Territorialitätsgrundsatz auf das Inland beschränkt (vgl. dazu BGHZ 126, 252, 255 - Folgerecht bei Auslandsbezug;
MünchKomm.BGB/Kreuzer aaO Nach Art. 38 EGBGB Anh. II Rdn. 13 f.;
Schricker/Katzenberger aaO Vor §§ 120 ff. Rdn. 120), der Territorialitätsgrundsatz gebietet jedoch nicht, bei der Anwendung der Vorschriften des Urheberrechtsgesetzes nur inländische Sachverhalte zu berücksichtigen (vgl. BGHZ
- 13 -
126, 252, 255 f. - Folgerecht bei Auslandsbezug; Schricker/Katzenberger aaO
Vor §§ 120 ff. Rdn. 123; MünchKomm.BGB/Kreuzer aaO Nach Art. 38 EGBGB
Anh. II Rdn. 17). Für das Eingreifen des Senderechts des § 20 UrhG genügt es,
daß durch die im Inland durchgeführte drahtlose Ausstrahlung eine Öffentlichkeit erreicht werden kann. Ob sich diese Öffentlichkeit im Inland oder im Ausland befindet, ist dabei unerheblich. Das Senderecht des § 20 UrhG hat jedenfalls den Zweck, dem Urheber die Kontrolle über alle Rundfunksendungen zu
geben, bei denen die für die Nutzung maßgebliche Handlung im Inland stattfindet. Auf die Frage, ob die Ausstrahlungen des Senders Felsberg das gesendete
Programm auch im Inland einer Öffentlichkeit zugänglich machen, kommt es
danach nicht an (vgl. dazu auch v. Ungern-Sternberg, Die Rechte der Urheber
an Rundfunk- und Drahtfunksendungen, 1973, S. 113 ff.). Eine Sendung an
eine Öffentlichkeit im Inland ist im übrigen auch schon dann gegeben, wenn
dort Sendungen - wie im vorliegenden Fall unstreitig - durch einen unbestimmten Personenkreis empfangen werden können, auch wenn dies nur in äußerst
geringem Umfang der Fall ist. Schon dies genügt für die Erfüllung des Tatbestands des Senderechts; eine breitere Öffentlichkeit muß durch die Ausstrahlung nicht angesprochen werden (vgl. BGHZ 123, 149, 151 - Verteileranlagen,
m.w.N.).
3. Die Beklagte verwirklicht durch die Rundfunkausstrahlungen des Senders Felsberg den Tatbestand der Rundfunksendung im Sinne des § 20 UrhG.
Sie kann sich nicht darauf berufen, daß sie nicht selbst Inhalt und Zeitpunkt der
Programmausstrahlung bestimmt, weil sie das gesamte Programm von ihrer
französischen Muttergesellschaft zur Ausstrahlung zugeleitet erhält. Als Inhaberin der inländischen Sendeerlaubnis stellt die Beklagte nicht lediglich die technischen Hilfsmittel für die Ausstrahlung zur Verfügung, sondern ist auch urheberrechtlich für die Rundfunksendungen selbst verantwortlich.
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4. Für die Zeit nach der Umsetzung der Satelliten- und Kabelrichtlinie
durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes vom 8. Mai
1998 (BGBl. I S. 902) mit Wirkung vom 1. Juni 1998 (Art. 3 des 4. UrhGÄndG)
gilt für die Beurteilung der Ausstrahlungen über den Sender Felsberg, die allein
Gegenstand des Rechtsstreits sind, nichts anderes, auch soweit die Programmsignale an den Sender Felsberg über einen Satelliten zugeleitet worden
sein sollten. Der von der Beklagten - erstmals in der mündlichen Revisionsverhandlung - vertretenen Rechtsansicht, die Ausstrahlungen des Senders Felsberg seien in diesen Fällen gemäß den Vorschriften der Satelliten- und Kabelrichtlinie allein nach französischem Recht zu beurteilen, kann nicht zugestimmt
werden. Die Satelliten- und Kabelrichtlinie erfaßt als Satellitensendungen nur
öffentliche Wiedergaben über einen Satelliten. Nutzungshandlungen, die einer
Satellitenübertragung nachgeschaltet sind, wie erdgebunden durchgeführte
drahtlose und kabelgebundene Sendungen an eine Öffentlichkeit, sind auch
dann nicht mehr Teil einer Satellitensendung im Sinne der Richtlinie, wenn sie
auf der Grundlage einer Satellitenübertragung stattfinden.
Dafür spricht bereits, daß Art. 1 Abs. 2 lit. a der Satelliten- und Kabelrichtlinie die "öffentliche Wiedergabe über Satellit" definiert als "die Handlung,
mit der unter der Kontrolle des Sendeunternehmens und auf dessen Verantwortung die programmtragenden Signale, die für den öffentlichen Empfang bestimmt sind, in eine ununterbrochene Kommunikationskette, die zum Satelliten
und zurück zur Erde führt, eingegeben werden". Durch diese Definition wird die
Satellitensendung von Handlungen, die sich an die Satellitenabstrahlung anschließen, abgegrenzt (vgl. dazu auch Satz 3 des Erwägungsgrundes 14 der
Richtlinie, aus dem sich ergibt, daß der als Satellitensendung im Sinne der
Richtlinie erfaßte Vorgang mit der "Rückkehr der Signale zur Erde" endet). Von
dieser Bestimmung der maßgeblichen Nutzungshandlung geht auch die Definition des Begriffs des Satelliten in Art. 1 Abs. 1 der Satelliten- und Kabelrichtlinie
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aus. Diese hat den Zweck sicherzustellen, daß die Programmverbreitung über
Fernmeldesatelliten im Anwendungsbereich der Richtlinie mit Sendungen über
Direktsatelliten gleichbehandelt wird, sofern ein Individualempfang der Sendungen über den Fernmeldesatelliten vergleichbar wie bei Sendungen über einen
Direktsatelliten möglich ist (vgl. dazu auch die Erwägungsgründe 6, 7 und 13
der Richtlinie; vgl. weiter Dreier in Walter [Hrsg.] aaO S. 417). Eine solche Beschränkung der von der Richtlinie als Satellitensendung erfaßten Satellitenübertragungen wäre sinnlos, wenn erdgebundene Sendungen an eine Öffentlichkeit, die sich unmittelbar an eine Satellitenübertragung anschließen, als Teil
der Satellitensendung behandelt werden sollten. Daß dies nicht der Fall ist, ergibt sich im übrigen auch aus der Regelung des Kabelweiterverbreitungsrechts
in der Satelliten- und Kabelrichtlinie. Dieses Recht greift auch dann ein, wenn
eine über Satelliten übermittelte Erstsendung zeitgleich, unverändert und vollständig durch Kabelsysteme weiterübertragen wird (vgl. Art. 1 Abs. 3, Art. 8 der
Richtlinie).
Der nicht näher begründeten Ansicht der Cour d'Appel de Paris in ihrem
Urteil vom 3. Oktober 2001 (Nr. 392), erdgebundene Langwellensendungen des
Senders Felsberg im Anschluß an eine Satellitenübertragung unterfielen den
Vorschriften der Satelliten- und Kabelrichtlinie, kann danach - entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung - nicht zugestimmt werden. Zu der von der Revisionserwiderung angeregten Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen
Gemeinschaften besteht daher zumindest im gegenwärtigen Stand des Verfahrens sowie im Hinblick darauf, daß das Urteil der Cour d'Appel de Paris nicht
rechtskräftig ist, kein Anlaß.
III. Der Senat kann über die Klage nicht abschließend entscheiden, weil
noch Feststellungen zur Frage der Aktivlegitimation der Klägerin zu treffen sind.
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Diese macht nur Ansprüche nach dem Urheberrechtsgesetz geltend, nicht auch
solche aus ausländischem Recht.
IV. Im erneuten Berufungsverfahren wird gegebenenfalls zu beachten
sein, daß die Bemessung der Vergütungsansprüche der Klägerin die Rechtslage in Frankreich berücksichtigen muß. Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 UrhWG sollen
Berechnungsgrundlage für die Tarife von Verwertungsgesellschaften in der Regel die geldwerten Vorteile sein, die durch die Verwertung erzielt werden. Diese
geldwerten Vorteile sind hier jedoch dann gemindert, wenn Rundfunksendungen, die das Repertoire der Klägerin nutzen, nicht nur mit den von ihr wahrgenommenen inländischen Vergütungsansprüchen belastet sind, sondern auch
mit Ansprüchen, die den ausübenden Künstlern und Tonträgerherstellern möglicherweise deshalb durch die französische Rechtsordnung zugestanden werden, weil die Rundfunksendungen auf den Empfang durch die Öffentlichkeit in
Frankreich abzielen. Da in einem solchen Fall eine hinreichende Beziehung zu
dem Empfangsland besteht, ist es dessen Sache zu bestimmen, ob es unter
solchen Umständen als Schutzland sein Recht für anwendbar erklärt (vgl. dazu
Schricker/Katzenberger aaO Vor §§ 120 ff. Rdn. 135; Hohloch, IPRax 1994,
387, 388). Ist dies hier der Fall, ist bei der Vergütungsbemessung anspruchsmindernd mit anzusetzen, daß die Rundfunksendungen nur möglich sind, wenn
auch in Frankreich bestehende Vergütungsansprüche befriedigt werden. Die
Befürchtung der Beklagten, ihre Rundfunksendungen könnten infolge von Vergütungsansprüchen ausübender Künstler und Tonträgerhersteller in Deutschland und in Frankreich doppelt belastet werden, ist daher unbegründet. Die von
ihr aufgeworfene Frage, ob die Zuerkennung von Vergütungsansprüchen nach
deutschem Recht den durch Art. 49 EG gewährleisteten freien Dienstleistungsverkehr mit Rundfunksendungen unzulässig beschränken würde, wenn auch in
Frankreich solche Ansprüche bestehen sollten, stellt sich dementsprechend
nicht.
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Bei der Vergütungsbemessung wird gegebenenfalls auch zu berücksichtigen sein, daß das Empfangsgebiet der Langwellensendungen der Beklagten
wegen der Reichweite dieser Sendewellen nicht auf Deutschland und Frankreich beschränkt ist (vgl. dazu auch den Rechtsgedanken des Erwägungsgrunds 17 der Satelliten- und Kabelrichtlinie; vgl. dazu weiter Dreier in Walter
[Hrsg.] aaO S. 442 f.).
V. Auf die Revision der Klägerin war danach das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Ullmann
v. Ungern-Sternberg
Bornkamm
Starck
Pokrant