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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 172/09
Verkündet am:
10. Februar 2011
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
RENNIE
MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5 und 6, § 24 Abs. 1 und 2
Ist der Vertrieb eines parallelimportierten Arzneimittels im Inland in einer bestimmten Packungsgröße ohne weiteres dadurch möglich, dass die Originalverpackung mit weiteren Blisterstreifen aufgefüllt und umetikettiert wird, kann sich
der Markeninhaber dem Vertrieb des Arzneimittels in einer neuen Verpackung
unter Wiederanbringung der Marke widersetzen.
BGH, Urteil vom 10. Februar 2011 - I ZR 172/09 - OLG Köln
LG Köln
-2-
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. Februar 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und Dr. Koch
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Köln vom 2. Oktober 2009 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen im Kostenpunkt und insoweit
aufgehoben, als hinsichtlich des Klageantrags zu I 1 zum Nachteil
der Klägerin erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung und im Kostenpunkt wird das Urteil der
33. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 3. März 2009 auf die
Berufung der Klägerin abgeändert.
Die Beklagte wird unter Androhung eines vom Gericht für jeden
Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu
250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder
Ordnungshaft bis zu sechs Monaten verurteilt, es zu unterlassen,
das Arzneimittel "Rennie, 680/80 mg Kautabletten" in der Packungsgröße à 96 Kautabletten aus Tschechien nach Deutschland
zu importieren, umzupacken und in Deutschland in eigenen Umverpackungen à 120 Kautabletten zu vertreiben.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 1/4 und die
Beklagte zu 3/4 zu tragen.
Von Rechts wegen
-3-
Tatbestand:
1
Die Klägerin ist Inhaberin der für pharmazeutische Erzeugnisse eingetragenen Marke "RENNIE". Unter dieser Marke vertreibt die Muttergesellschaft der
Klägerin ein verschreibungsfreies Arzneimittel. In Deutschland bietet sie es unter anderem in Packungsgrößen mit 120 Tabletten (10 Blisterstreifen mit jeweils
12 Tabletten) an. In der Tschechischen Republik wird das Arzneimittel
"RENNIE" in Packungen mit höchstens 96 Tabletten in Verkehr gebracht. Die
Beklagte importiert das Arzneimittel aus der Tschechischen Republik. Sie vertreibt es seit dem Jahr 2005 in einer auf 120 Tabletten aufgefüllten umetikettierten Packung. Im Mai 2008 kündigte die Beklagte an, das Arzneimittel in neu
erstellten Umverpackungen mit 120 Tabletten in Deutschland zu vertreiben.
2
Die Klägerin macht im vorliegenden Verfahren geltend, der Vertrieb des
Arzneimittels zu 120 Tabletten in neu erstellten Umverpackungen statt in umetikettierten Auffüllpackungen verletze die Rechte an ihrer Marke.
3
Die Klägerin hat beantragt,
I.
die Beklagte zu verurteilen,
1. es unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise
Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, das Arzneimittel "Rennie, 680/80 mg Kautabletten" in der Packungsgröße à 96 Kautabletten aus Tschechien nach Deutschland zu
importieren, umzupacken und in Deutschland in eigenen Umverpackungen à 120 Kautabletten zu vertreiben;
2. an sie außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.333,80 € nebst
Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
dem 10. Oktober 2008 zu zahlen;
3. ihr Auskunft zu erteilen über den Umfang unzulässiger Handlungen
gemäß Ziffer 1, und zwar unter Bekanntgabe der Namen und Anschriften der Lieferanten, der gewerblichen Abnehmer und deren Auftragge-
-4-
ber sowie über die Menge der bezogenen, ausgelieferten oder bestellten Arzneimittel;
II.
4
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr jeglichen Schaden zu
ersetzen, der ihr durch die Handlungen gemäß Ziffer 1 entstanden ist und/
oder noch entstehen wird.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat geltend gemacht,
ein Umpacken der importierten Arzneimittel sei erforderlich, um eine im Inland
vertriebene Packungsgröße von 120 Tabletten herzustellen. Sie könne frei wählen, ob dies durch Fertigung einer neuen Verpackung oder durch Auffüllen und
Umetikettieren der ursprünglichen Verpackungen geschehe.
5
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist
erfolglos geblieben (OLG Köln, Urteil vom 2. Oktober 2009 - 6 U 53/09, juris).
6
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die
Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe:
7
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stünden die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Erstattung
von Anwaltskosten und Feststellung der Schadensersatzpflicht aus Markenrecht nicht zu. Dazu hat es ausgeführt:
8
Das Umpacken des von der Beklagten importierten Arzneimittels der
Marke "RENNIE" in Packungen zu jeweils 120 Tabletten verletze nicht die Markenrechte der Klägerin. Die Markenrechte der Klägerin an den in der Tschechischen Republik in Verkehr gebrachten Arzneimitteln seien erschöpft. Das Um-
-5-
packen der in Rede stehenden Arzneimittel sei erforderlich, um in Deutschland
Zugang zu einem relevanten Teilmarkt zu erhalten. Sei die Beklagte danach
zum Umpacken berechtigt, könne ihr nicht untersagt werden, neue eigene Faltschachteln zu verwenden. Sie müsse nicht eine Aufstockung der Originalpackung vornehmen. Die Frage, ob eine neue Verpackung oder eine Aufstockung
vorgenommen werde, betreffe nicht die Erforderlichkeit des Umpackens, sondern nur die Art und Weise, in der das Umpacken erfolge.
9
II. Die Revision hat teilweise Erfolg. Die Klage ist mit dem Unterlassungsantrag zu I 1 begründet. Dagegen sind der Zahlungsantrag zu I 2, der
Auskunftsantrag zu I 3 und der Schadensersatzfeststellungsantrag zu II unbegründet.
10
1. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Klägerin stehe aufgrund der
Erschöpfung kein Unterlassungsanspruch nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 5
MarkenG gegen die Beklagte zu, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
11
a) Die Arzneimittel, die die Beklagte mit einer neuen Verpackung versieht, auf der sie die Klagemarke anbringt, hat ein zum Konzern der Klägerin
gehöriges Unternehmen in der Tschechischen Republik unter dieser Bezeichnung in Verkehr gebracht. Hinsichtlich der Markenrechte der Klägerin sind in
Bezug auf diese Waren die Voraussetzungen der Erschöpfung nach § 24
Abs. 1 MarkenG gegeben. Die Erschöpfung erstreckt sich - vorbehaltlich der
Anwendung des § 24 Abs. 2 MarkenG - auf alle Handlungen, die nach § 14
Abs. 3 MarkenG eine Markenverletzung darstellen können. Auch das Recht, die
Marke auf einer neuen Verpackung anzubringen und die Ware mit dieser Verpackung zu vertreiben (§ 14 Abs. 3 Nr. 1 und 2 MarkenG), unterliegt der Erschöpfung (vgl. EuGH, Urteil vom 11. Juli 1996 - C-427/93, C-429/93 und
C-436/93, Slg. 1996, I-3457 = GRUR Int. 1996, 1144 Rn. 34 bis 37, 49 f.
- Bristol-Myers Squibb; BGH, Urteil vom 14. Juni 2007 - I ZR 173/04, GRUR
-6-
2007, 1075 Rn. 14 = WRP 2007, 1472 - STILNOX; Urteil vom 12. Juli 2007
- I ZR 147/04, BGHZ 173, 217 Rn. 15 - Aspirin II).
12
b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann sich die Klägerin
jedoch dem weiteren Vertrieb der mit der Klagemarke gekennzeichneten umverpackten Arzneimittel aus berechtigten Gründen im Sinne von § 24 Abs. 2
MarkenG widersetzen.
13
aa) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union
beeinträchtigt das Umpacken mit einer Marke versehener Arzneimittel als solches den spezifischen Gegenstand der Marke, der darin besteht, die Herkunft
der mit ihr gekennzeichneten Ware zu garantieren. Ein Umpacken der Ware
durch einen Dritten ohne Zustimmung des Markeninhabers kann tatsächliche
Gefahren für diese Herkunftsgarantie begründen (vgl. EuGH, Urteil vom
23. April 2002 - C-143/00, Slg. 2002, I-3759 = GRUR 2002, 879 Rn. 29
- Boehringer Ingelheim/Swingward I; Urteil vom 26. April 2007 - C-348/04, Slg.
2007, I-3391 = GRUR 2007, 586 Rn. 15, 30 - Boehringer Ingelheim/Swingward II).
14
Der Widerspruch des Markeninhabers gegen den Vertrieb umgepackter
Arzneimittel nach Art. 7 Abs. 2 MarkenRL (§ 24 Abs. 2 MarkenG), der eine Abweichung vom Grundsatz des freien Warenverkehrs darstellt, ist jedoch nicht
zulässig, wenn die Ausübung dieses Rechts durch den Markeninhaber eine
verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten im Sinne des Art. 36 Satz 2 AEUV (Art. 30 Satz 2 EG) darstellt (vgl. EuGH, GRUR
2007,
586
Rn. 16
- Boehringer
Ingelheim/Swingward II;
Urteil
vom
22. Dezember 2008 - C-276/05, Slg. 2008, I-10499 = GRUR 2009, 154 Rn. 23
- Wellcome/Paranova). Eine solche verschleierte Beschränkung liegt vor, wenn
der Markeninhaber durch die Ausübung seines Rechts, sich dem Umpacken zu
widersetzen, zur künstlichen Abschottung der Märkte zwischen den Mitglied-
-7-
staaten beiträgt und der Parallelimporteur das Umpacken unter Beachtung der
berechtigten Interessen des Markeninhabers vornimmt. Der Markeninhaber
kann danach die Veränderung, die mit jedem Umpacken eines mit seiner Marke
versehenen Arzneimittels verbunden ist und die ihrem Wesen nach die Gefahr
einer Beeinträchtigung des Originalzustands des Arzneimittels schafft, verbieten, es sei denn, das Umpacken ist für die Vermarktung der parallel importierten
Ware erforderlich und die berechtigten Interessen des Markeninhabers sind
gewahrt (EuGH, GRUR 2007, 586 Rn. 19 - Boehringer Ingelheim/Swingward II;
BGHZ 173, 217 Rn. 18 - Aspirin II). Der Markeninhaber kann sich dem weiteren
Vertrieb eines Arzneimittels nach Art. 7 Abs. 2 MarkenRL widersetzen, wenn
der Importeur es umgepackt und die Marke wieder angebracht hat, es sei denn,
es liegen die fünf in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen
Union entwickelten Erschöpfungsvoraussetzungen vor (vgl. EuGH, GRUR Int.
1996, 1144 Rn. 79 - Bristol-Myers Squibb; GRUR 2007, 586 Rn. 21
- Boehringer Ingelheim/Swingward II).
15
bb) Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass im
Streitfall von einer künstlichen Marktabschottung auszugehen ist.
16
(1) Ob eine künstliche Marktabschottung vorliegt, beurteilt sich nach objektiven Kriterien und nicht danach, ob der Parallelimporteur eine darauf gerichtete Absicht des Markeninhabers nachweist. Von einer künstlichen Marktabschottung ist auszugehen, wenn im Zeitpunkt des Vertriebs bestehende Umstände den Parallelimporteur objektiv zu einem Umpacken des Arzneimittels
zwingen, um die betreffende Ware in diesem Mitgliedstaat in Verkehr bringen
zu können. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist von einer künstlichen Marktabschottung auch auszugehen, wenn der Parallelimporteur nur von einem Teilmarkt im Einfuhrmitgliedstaat ausgeschlossen
wird. Das ist auch anzunehmen, wenn im Ausfuhrmitgliedstaat nur eine Packungsgröße eines Arzneimittels in Verkehr gebracht worden ist, während im
-8-
Einfuhrmitgliedstaat neben dieser Packungsgröße eine weitere Packungsgröße
vom Markeninhaber vertrieben wird. Dadurch wird der Parallelimporteur vom
Vertrieb der weiteren Packungsgröße im Einfuhrmitgliedstaat ausgeschlossen.
Dies begründet eine Zwangslage des Parallelimporteurs, die ein Umpacken
rechtfertigt (vgl. EuGH, GRUR Int. 1996, 1144 Rn. 52 bis 54 - Bristol-Myers
Squibb; BGH, Urteil vom 5. Juni 2008 - I ZR 208/05, GRUR 2008, 1089 Rn. 34
= WRP 2008, 1554 - KLACID PRO). Dagegen begründen rein wirtschaftliche
Vorteile, die sich der Parallelimporteur etwa durch eine werbewirksame und
absatzfördernde Verwendung einer anderen Verpackung verspricht, grundsätzlich keine das Umpacken rechtfertigende Zwangslage (vgl. EuGH, GRUR 2002,
879 Rn. 46 bis 48 - Boehringer Ingelheim/Swingward I; BGHZ 173, 217 Rn. 22
- Aspirin II).
17
(2) Von diesen Maßstäben ist auch das Berufungsgericht ausgegangen.
Es hat zutreffend angenommen, dass die Beklagte ohne ein Umpacken von
einem Teilmarkt tatsächlich ausgeschlossen wird, der in dem Vertrieb von im
Inland üblichen Packungsgrößen mit 120 Tabletten besteht.
18
Entgegen der Ansicht der Revision steht der Annahme einer künstlichen
Marktabschottung nicht der Umstand entgegen, dass die Beklagte im Inland die
aus der Tschechischen Republik importierte Packungsgröße mit 96 Tabletten
vertreiben könnte. Diese Möglichkeit ändert - unabhängig von der Frage, welcher Absatz sich mit Packungen von 96 Tabletten erzielen lässt - nichts daran,
dass die Beklagte ohne Umpacken im Inland von dem Teilmarkt der Packungen
mit 120 Tabletten ausgeschlossen ist.
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cc) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte könne das
Umpacken in eigene Verpackungen unter Wiederanbringung der Klagemarke
vornehmen. Sie sei nicht gehalten, das Umpacken durch Verwendung der Originalverpackungen vorzunehmen, indem diese mit zwei weiteren Blisterstreifen
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aufgefüllt und umetikettiert würden. Die Wahl zwischen dem Umpacken durch
Neuverpackung einschließlich dem Wiederanbringen der Marke und dem Auffüllen der Originalverpackung mit Umetikettierung betreffe nur die Art und Weise des Umpackens, für die es nicht auf die Erforderlichkeit der Maßnahme ankomme. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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(1) Das Erfordernis, dass das Umpacken notwendig ist, um die Ware im
Einfuhrmitgliedstaat vermarkten zu können, gilt nach der Rechtsprechung des
Gerichtshofs der Europäischen Union für das Umpacken der Ware als solche
sowie für die Wahl zwischen Neuverpackung und Überkleben im Hinblick darauf, den Vertrieb dieser Ware auf dem Markt des Einfuhrmitgliedstaates zu
ermöglichen (vgl. EuGH, GRUR 2007, 586 Rn. 38 - Boehringer Ingelheim/
Swingward II). Dementsprechend schließt das Kriterium der Erforderlichkeit
auch die Frage ein, ob das Umpacken durch Neuverpackung oder durch Umetikettierung der Originalverpackung zu geschehen hat (vgl. EuGH, GRUR Int.
1996, 1144 Rn. 55 - Bristol-Myers Squibb; EuGH, Urteil vom 23. April 2002
- C-443/99, Slg. 2002, I-3703 = EuZW 2002, 542 Rn. 28 f. - Merck, Sharp
& Dohme/Paranova; EuGH, GRUR 2002, 879 Rn. 49 f. - Boehringer Ingelheim/
Swingward I; hierzu auch Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom
12. Juli 2001 in der Rechtssache C-443/99, Slg. 2002, I-3703 Rn. 111 - Merck,
Sharp & Dohme/Paranova; BGH, Urteil vom 11. Juli 2002 - I ZR 219/99, GRUR
2002, 1059, 1062 = WRP 2002, 1163 - Zantac/Zantic; Urteil vom 11. Juli 2002
- I ZR 35/00, GRUR 2002, 1063, 1066 = WRP 2002, 1273 - Aspirin I), während
die Gestaltung einer neuen Umverpackung eine Frage der Art und Weise des
Umpackens ist (vgl. EuGH, GRUR 2009, 154 Rn. 25 - Wellcome/Paranova; vgl.
hierzu auch EuGH, Urteil vom 11. Juli 1996 - C-71 bis 73/94, Slg. 1996, I-3603
= WRP 1996, 867 Rn. 38 - Eurim-Pharm). Das Umpacken in neu hergestellte
Kartons und die Wiederanbringung der Marke sind objektiv nicht erforderlich,
um einen Zugang des Parallelimporteurs zum Markt zu gewährleisten, wenn
dieser mit neuen Etiketten überklebte Originalkartons verwenden kann, in die
- 10 -
weitere Blisterstreifen gefüllt werden. In einer solchen Fallkonstellation sind
durch eine Verwendung einer neu gestalteten Verpackung mit Wiederanbringung der Marke statt der umetikettierten Originalpackung nur wirtschaftliche
Interessen des Parallelimporteurs in Gestalt werbewirksamerer oder absatzfördernder Maßnahmen betroffen, die den an sich gegebenen Eingriff in die Rechte des Markeninhabers nicht rechtfertigen.
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Hierzu bedarf es keines Vorabentscheidungsersuchens an den Gerichtshof der Europäischen Union. Ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267
Abs. 3 AEUV ist nicht geboten, wenn der Lösung der Rechtsfrage eine gesicherte Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zugrunde
liegt (vgl. EuGH, Urteil vom 30. September 2003 - C-224/01, Slg. 2003, I-10239
= NJW 2003, 3539 Rn. 118 - Köbler). Davon ist im Streitfall aufgrund der zahlreichen Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union zu umgepackten Arzneimitteln auszugehen. Die Umsetzung dieser Entscheidungspraxis
im konkreten Fall ist Aufgabe der Gerichte der Mitgliedstaaten (vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 6. April 2006 in der Rechtssache
C-348/04, Slg. 2007, I-3391 Rn. 3 - Boehringer Ingelheim/Swingward II).
22
(2) Danach ist das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, auf die Erforderlichkeit der Neuverpackung und Wiederanbringung der
Marke komme es im Streitfall nicht an, weil bei der Verwendung der Originalverpackung ein Auffüllen mit zwei Blisterstreifen und damit ein Umpacken erforderlich sei. Nach den vorstehenden Grundsätzen bezieht sich das Kriterium der
Erforderlichkeit auch auf die Frage der Neuverpackung im Verhältnis zur Umetikettierung der Originalverpackung, die im Streitfall ohne weiteres möglich ist.
Zwischen den Parteien ist nicht umstritten, dass die Packung mit 96 Tabletten
ohne weiteres mit zwei zusätzlichen Blisterstreifen auf eine Packungsgröße von
120 Tabletten aufgestockt werden kann. Die Beklagte ist in der Vergangenheit
auch entsprechend verfahren. Dass die Verbraucher eine Abneigung gegen
- 11 -
derart aufgefüllte Packungen haben, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
Die Revisionserwiderung hat auch nicht gerügt, dass entsprechender Vortrag
der Beklagten übergangen worden wäre.
23
Andere Maßstäbe ergeben sich entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung auch nicht aus der jüngeren Senatsrechtsprechung. In dem der Entscheidung "STILNOX" (BGH, GRUR 2007, 1075) zugrunde liegenden Sachverhalt vertrieb die Markeninhaberin im Ausfuhrmitgliedstaat eine Packung mit drei
Blisterstreifen zu je 10 Tabletten, während sie im Einfuhrmitgliedstaat Packungen mit 10 und 20 Tabletten in Verkehr brachte. Bei dieser Konstellation hat der
Senat die Erforderlichkeit des Umpackens durch Neuverpackung für den gesamten Inhalt der importierten Originalpackung bejaht. Damit ist der vorliegende
Fall nicht vergleichbar, weil für keinen der Blisterstreifen eine Neuverpackung
notwendig ist. Entsprechendes gilt für die Entscheidung "CORDARONE" (BGH,
Urteil vom 12. Juli 2007 - I ZR 148/04, BGHZ 173, 230), in der der Vertrieb des
im Ausfuhrmitgliedstaat in der Packungsgröße zu 60 Tabletten in Verkehr gebrachten Produkts in der Originalverpackung im Einfuhrmitgliedstaat nicht in
Rede stand. Auch in dem der Entscheidung "Micardis" (BGH, Urteil vom
13. Dezember 2007 - I ZR 89/05, GRUR 2008, 707 = WRP 2008, 944) zugrunde liegenden Sachverhalt bestand die Alternative zur Neuverpackung mit Wiederanbringung der Marke nicht in der Verwendung der umetikettierten Originalverpackung.
24
2. Die Revision ist dagegen unbegründet, soweit sie sich gegen die Abweisung des Zahlungsantrags zu I 2, des Auskunftsantrags zu I 3 und des Antrags auf Feststellung der Schadensersatzverpflichtung wendet.
25
a) Der mit dem Klageantrag zu II dem Grunde nach geltend gemachte
Schadensersatzanspruch steht der Klägerin nicht zu, weil nicht festgestellt ist,
dass die Beklagte den bislang nur angekündigten Vertrieb von neuen Umver-
- 12 -
packungen mit 120 Tabletten aufgenommen hat. Der Schadensersatzanspruch
nach § 14 Abs. 6 MarkenG setzt eine gegen § 14 Abs. 2 MarkenG verstoßende
Verletzungshandlung voraus, für die von der Revision nichts aufgezeigt und
auch sonst nichts ersichtlich ist.
26
b) Die Zahlung von Rechtsanwaltskosten kann die Klägerin ebenfalls
nicht beanspruchen. Ein Schadensersatzanspruch nach § 14 Abs. 6 MarkenG,
der auch die Erstattung von Rechtsverfolgungskosten umfassen kann (vgl.
BGH, Urteil vom 29. Juli 2009 - I ZR 169/07, GRUR 2010, 239 Rn. 51 = WRP
2010, 384 - BTK), besteht nicht. Ein Aufwendungsersatzanspruch nach den
Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 670, 677, 683 BGB
ist ebenfalls nicht gegeben. Mit der Entgegennahme der Information und der
Inanspruchnahme von anwaltlichen Beratungsleistungen, für die die Klägerin
vorliegend Ersatz beansprucht, hat sie kein Geschäft der Beklagten geführt.
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c) Der Auskunftsanspruch (Klageantrag zu I 3) ist nicht begründet. Ein
unselbständiger Auskunftsanspruch nach § 242 BGB zur Vorbereitung eines
Schadensersatzanspruchs besteht nicht, weil die Beklagte der Klägerin nicht
zum Schadensersatz nach § 14 Abs. 6 MarkenG verpflichtet ist. Der Anspruch
auf Drittauskunft nach § 19 MarkenG setzt ebenfalls eine Verletzungshandlung
voraus (vgl. Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz,
Urheberrecht, Medienrecht, 2. Aufl., § 19 MarkenG Rn. 4; Fezer, Markenrecht,
4. Aufl., § 19 Rn. 21; Hacker in Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 19
Rn. 9), die vorliegend nicht gegeben ist.
28
III. Das Berufungsurteil kann daher nicht aufrechterhalten werden, soweit
das Berufungsgericht hinsichtlich des Unterlassungsantrags zu I 1 zum Nachteil
der Klägerin erkannt hat (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann auch im Umfang
der Aufhebung des Berufungsurteils in der Sache selbst entscheiden, weil wei-
- 13 -
tere Feststellungen nicht zu erwarten sind und die Sache nach den getroffenen
Feststellungen zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).
29
Eine Zurückverweisung ist nicht geboten, um der Beklagten Gelegenheit
zu geben, dazu Stellung zu nehmen, ob bei Verbrauchern eine Abneigung dagegen besteht Tablettenpackungen abzunehmen, die mit zwei Blisterstreifen
aufgefüllt sind. Eine Verletzung der Hinweispflicht nach § 139 ZPO liegt entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht vor. Das Berufungsgericht
war nicht verpflichtet, die Beklagte darauf hinzuweisen, sie habe nichts dazu
vorgetragen, dass das Publikum auf 120 Tabletten aufgefüllte Packungen nicht
akzeptiere. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, einen Beklagten durch Fragen
oder Hinweise zu neuem Verteidigungsvorbringen zu veranlassen, das in seinem bisherigen Vortrag nicht einmal andeutungsweise eine Grundlage hat. Eine
Zurückverweisung ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt des fairen Verfahrens geboten. Das Revisionsgericht ist nicht gehalten, einer Partei durch Zurückverweisung der Sache in die Berufungsinstanz zu ermöglichen, neue Verteidigungsmittel vorzubringen, die sie im Hinblick auf den Sach- und Streitstand
ohne weiteres in den Tatsacheninstanzen hätte geltend machen können (vgl.
BGH, Urteil vom 2. November 1982 - VI ZR 32/81, NJW 1983, 624, 625; Urteil
vom 21. September 2000 - I ZR 216/98, GRUR 2001, 352, 354 = WRP 2001,
394 - Kompressionsstrümpfe; Beschluss vom 2. Oktober 2003 - V ZB 22/03,
BGHZ 156, 269, 270). Danach ist auf die Berufung der Klägerin das Urteil des
Landgerichts teilweise abzuändern und die Beklagte nach dem Unterlassungsantrag zu verurteilen.
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Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach
§ 14 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 5 MarkenG zu. Die Beklagte hat angekündigt, unter
der Marke "RENNIE" im Inland Arzneimittel zu vertreiben. Das in Aussicht genommene Verhalten erfüllt den Tatbestand einer Markenverletzung im Sinne
von § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Der Vertrieb eines Arzneimittels unter dem Zei-
- 14 -
chen "RENNIE" im Inland ist eine Benutzung eines mit der Klagemarke identischen Zeichens für Waren, die mit denjenigen identisch sind, für die die Marke
Schutz genießt.
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Die Erschöpfung der Marke nach § 24 Abs. 1 MarkenG kommt im Streitfall nicht in Betracht, weil die Klägerin sich dem Vertrieb neuer Verpackungen
mit der Klagemarke aus berechtigten Gründen im Sinne von § 24 Abs. 2 MarkenG widersetzen kann (dazu oben Rn. 10 ff.).
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Die für den vorbeugenden Unterlassungsanspruch erforderliche Erstbegehungsgefahr nach § 14 Abs. 5 Satz 2 MarkenG folgt aus der in Rede stehenden Ankündigung der Beklagten, das Arzneimittel im Inland in neuen mit der
Klagemarke gekennzeichneten Verpackungen zu vertreiben.
- 15 -
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IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Bornkamm
Büscher
Kirchhoff
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 03.03.2009 - 33 O 285/08 OLG Köln, Entscheidung vom 02.10.2009 - 6 U 53/09 -
Schaffert
Koch