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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 167/11
Verkündet am:
25. Oktober 2012
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
ZPO § 286 Abs. 1 B; CMR Art. 9 Abs. 1
a) Für die Behandlung von Beweisanträgen im Rahmen einer Indizienbeweisführung gelten im Zivilprozess Besonderheiten. Der Tatrichter darf und muss
vor der Beweiserhebung prüfen, ob die Gesamtheit aller vorgetragenen Indizien - ihre Richtigkeit unterstellt - ihn von der Wahrheit der Haupttatsache
überzeugen würde. Führt diese Prüfung zu einem negativen Ergebnis, darf
der eine Hilfstatsache betreffende Beweisantrag zurückgewiesen werden.
b) Die Frage, ob bei der Unterzeichnung eines CMR-Frachtbriefs ein Vertreterhandeln vorliegt und wem dieses gegebenenfalls zuzurechnen ist, beurteilt
sich nach dem auf der Grundlage des internationalen Privatrechts zu ermittelnden nationalen Recht.
BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 - I ZR 167/11 - OLG Düsseldorf
LG Krefeld
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 25. Oktober 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Pokrant, Dr. Kirchhoff, Dr. Koch und Dr. Löffler
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 18. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 27. Juli 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Klägerin, ein Unternehmen mit Geschäftssitz in Wales, nimmt die
ebenfalls dort ansässige Beklagte wegen Verlustes von Transportgut auf Schadensersatz in Anspruch.
2
Die Beklagte führte für die Klägerin auf der Grundlage eines im März
2003 geschlossenen Vertrags laufend Gütertransporte - vor allem den Transport von Computerbildschirmen - zu verschiedenen Empfängern in Europa
durch. Nach den vertraglichen Vereinbarungen durften beladene Trailer nicht
von der Zugmaschine abgekoppelt und getrennt abgestellt werden. Für Trans-
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porte nach Deutschland stellte die Beklagte der Klägerin jeweils 390 £ in Rechnung.
3
Die Klägerin beauftragte die Beklagte Anfang Februar 2006 mit der Beförderung von Computerbildschirmen von ihrem Geschäftssitz zur L. E.
Deutschland GmbH in W.
/Deutschland. Nach den Handelsrechnungen
und Lieferscheinen handelte es sich um 1.456 Bildschirme im Gesamtwert von
277.309,76 €. Mit der Durchführung des Transports beauftragte die Beklagte
ihre Streithelferin, die ihrerseits ein in Cardiff/Wales ansässiges Transportunternehmen beauftragte. Ein Fahrer dieses Unternehmens übernahm das in einem
Container geladene Gut am 3. Februar 2006, einem Freitag, bei der Klägerin.
Dabei unterschrieb er einen CMR-Frachtbrief. Über das Wochenende stellte der
Fahrer den von der Zugmaschine abgekoppelten Trailer in seinem Wohnort in
England unbewacht auf einer öffentlichen Straße in einer einsamen Gegend ab.
Von dort wurde der mit dem Gut beladene Trailer in der Nacht vom 4. auf den
5. Februar 2006 gestohlen.
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Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen der Entwendung des Transportgutes auf Ersatz des Warenwerts, den sie mit 277.309,76 € beziffert hat, und
Erstattung von Gutachterkosten in Höhe von 1.943,31 € in Anspruch. Nach ihrer
Ansicht ergibt sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit für die Entscheidung über die Klage aus Art. 31 Abs. 1 Buchst. b CMR. Dazu hat sie vorgetragen, die Parteien hätten einen durchgehenden Lkw-Transport zu festen Kosten vereinbart, dessen Durchführung die Beklagte auch tatsächlich beabsichtigt habe.
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Die Beklagte und ihre Streithelferin haben insbesondere die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit in Abrede gestellt. Sie haben
dazu geltend gemacht, die Klägerin habe die Beklagte als Spediteurin beauf-
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tragt. Ein Speditionsvertrag unterliege nicht den Vorschriften der CMR. Dies
gelte nach dem im Streitfall maßgeblichen englischen Recht auch bei Vereinbarung eines Festpreises für die Besorgung des Transports, die allerdings bestritten werde. Selbst wenn die Beklagte als Frachtführerin im Sinne der CMR anzusehen sei, könne sich die Klägerin nicht mit Erfolg auf die Zuständigkeitsbestimmung des Art. 31 Abs. 1 Buchst. b CMR berufen, weil im vorliegenden Fall
kein durchgehender Straßengütertransport im sogenannten Huckepack-Verfahren, sondern ein Multimodaltransport mit Schiff und Lkw als Transportmittel beabsichtigt gewesen sei. Auf die innerenglische Teilstrecke, auf der es zu dem
Diebstahl des Gutes gekommen sei, fänden die Vorschriften der CMR keine
Anwendung.
6
Das Berufungsgericht hat die in erster Instanz erfolgreiche Klage mangels internationaler Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit als unzulässig
abgewiesen.
7
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die
Beklagte und ihre Streithelferin beantragen, erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des der Klage stattgebenden erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
8
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit könne nicht auf Art. 31 Abs. 1 Buchst. b
CMR gestützt werden, weil der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag
nicht dem Anwendungsbereich des Übereinkommens unterliege. Dazu hat es
ausgeführt:
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Aus der im Jahre 2003 geschlossenen Rahmenvereinbarung ergebe sich
nicht, dass für jeden Schadensfall die Geltung der Bestimmungen der CMR unabhängig vom Vorliegen der dafür erforderlichen Voraussetzungen vereinbart
worden sei. Die Vorschriften der CMR fänden auf den vorliegenden Transport
auch nicht unabhängig von einer Rechtswahl Anwendung. Dafür hätten die Parteien einen grenzüberschreitenden Straßengütertransport vereinbaren müssen.
Das sei - auch unter Berücksichtigung von Art. 2 Abs. 1 Satz 1 CMR - nicht geschehen. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein durchgehender Straßengütertransport unter Einschluss des Huckepack-Verfahrens vereinbart worden sei, liege bei der Klägerin, da sie sich auf die Anwendbarkeit der CMRBestimmungen berufe. Die Klägerin habe trotz eines gerichtlichen Hinweises
nicht substantiiert dargelegt, mit der Beklagten eine entsprechende Vereinbarung getroffen zu haben. Es fehle daher an einer ausreichenden Grundlage für
eine Beweisaufnahme über das nur pauschale Vorbringen der Klägerin. Es sei
auch nichts dafür ersichtlich, dass der von der Streithelferin beauftragte Unterfrachtführer der Beklagten im vorliegenden Fall einen Huckepack-Transport
konkret beabsichtigt habe, was ebenfalls zur Anwendbarkeit der CMRVorschriften hätte führen können.
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II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben
Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
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1. Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, auf den streitgegenständlichen Transport fänden die Vorschriften
der CMR mangels einer entsprechenden Vereinbarung zwischen den Parteien
keine Anwendung. Die Revision rügt mit Recht, dass das Berufungsgericht bei
seiner Beurteilung wesentlichen und auch unter Beweis gestellten Vortrag der
Klägerin unberücksichtigt gelassen hat.
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a) Das Berufungsgericht hat angenommen, der Umstand, dass in dem
zwischen den Parteien geschlossenen Rahmenvertrag vom 5. März 2003 unter
den Rubriken "European Road Freight" und "Drop Shipments & Warehousing"
jeweils unter "Measurements" der Passus "Availability of CMR" aufgeführt sei,
besage nicht, dass für jeden von der Beklagten ausgeführten Transportauftrag
- unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 2 CMR - die Geltung
der Vorschriften des Übereinkommens vereinbart worden sei. Die Regelung in
der Rahmenvereinbarung könne auch so zu verstehen sein, dass der jeweilige
Fahrer bei Abholung des Gutes einen CMR-Frachtbrief habe mitbringen und
zeichnen sollen.
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b) Die Revision macht mit Recht geltend, dass das Berufungsgericht bei
seiner allein auf die Regelungen in der Rahmenvereinbarung abstellenden Würdigung entscheidungserheblichen, unter Beweis gestellten Vortrag der Klägerin
außer Acht gelassen hat.
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aa) Die Klägerin hat sowohl in erster Instanz als auch im Berufungsverfahren wiederholt vorgetragen, dass die Parteien für alle Transporte von Großbritannien zum Festland die Geltung der CMR-Vorschriften vereinbart hätten.
Zum Beweis für diese Behauptung hat die Klägerin sich auf insgesamt sieben
Zeugen berufen, die nach der Darstellung der Klägerin an den Verhandlungen
beteiligt waren, die zum Abschluss der Rahmenvereinbarung vom 5. März 2003
geführt haben. Alle von ihr benannten Zeugen - so der Vortrag der Klägerin könnten daher unmittelbare Angaben zu der Frage machen, ob die Parteien
ausdrücklich vereinbart hätten oder jedenfalls als selbstverständlich davon ausgegangen seien, dass für Transporte von Großbritannien zum Kontinent die
Bestimmungen der CMR gelten sollten.
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bb) Dieses Vorbringen der Klägerin hätte das Berufungsgericht berücksichtigen und dementsprechend den Beweisangeboten der Klägerin nachgehen
müssen. Nach dem Vortrag der Klägerin, wie er sich aus dem Zusammenhang
ihrer Ausführungen ergibt, bestand zum Zeitpunkt des Abschlusses der Rahmenvereinbarung am 5. März 2003 zwischen den Parteien Einigkeit darüber,
dass für sämtliche von der Beklagten für die Klägerin auszuführenden Transporte von Großbritannien zum Festland die Bestimmungen der CMR zur Anwendung kommen sollten.
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Den Ausführungen des Berufungsgerichts kann nicht entnommen werden, dass es den hinreichend substantiierten und auch entscheidungserheblichen Vortrag der Klägerin bei der Beurteilung der Frage, ob der streitgegenständliche Verlust des Transportgutes dem Haftungsregime der CMR unterliegt,
berücksichtigt hat. Die Revision weist zutreffend darauf hin, dass die Würdigung
des Berufungsgerichts sich im Wesentlichen in der bloßen Feststellung erschöpft, dass die Geltung der CMR-Vorschriften nicht ausdrücklich schriftlich
festgehalten worden sei. Darauf hätte sich die Prüfung des Berufungsgerichts
jedoch nicht beschränken dürfen. Es hätte vielmehr auch der Frage nachgehen
müssen, ob sich aus den Umständen des Falles sonstige Anhaltspunkte für eine Einigung über die uneingeschränkte Anwendbarkeit der CMR-Bestimmungen ergäben. Die Klägerin hat dazu mehrere Gesichtspunkte vorgetragen, denen zumindest eine Indizwirkung zukommt. Das Berufungsgericht hätte sie daher bei seiner Würdigung ebenfalls berücksichtigen müssen.
17
Die Klägerin hat vorgebracht, dass in der Rahmenvereinbarung vom
5. März 2003 von "European Road Freight" die Rede sei und dass die Beklagte
auch ausdrücklich eine "Road Freight Charge" in Rechnung gestellt habe. Des
Weiteren hat die Klägerin vorgetragen, dass die Beklagte bei einer vereinbarten
Fracht von 390 £ den Transport mit einer Umladung des Containers auf einen
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MAFI-Trailer nicht hätte kostendeckend durchführen können. Die Klägerin hat
weiterhin dargelegt, dass die Beklagte in der Vergangenheit alle Transporte
zum Festland im Wege des Huckepack-Verfahrens durchgeführt habe; sofern
es dabei zu Schäden gekommen sei, seien diese immer auf der Grundlage des
CMR-Haftungsregimes reguliert worden.
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Diese von der Klägerin vorgetragenen Umstände hätten das Berufungsgericht ebenfalls veranlassen müssen, den Beweisangeboten der Klägerin zu
der von ihr behaupteten Geltung der CMR-Bestimmungen nachzugehen.
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c) Die Revision wendet sich auch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht dem von der Klägerin vorgelegten CMR-Frachtbrief keine Vermutung dahingehend beigemessen hat, dass auf den streitgegenständlichen
Transport die CMR-Vorschriften zur Anwendung kommen.
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aa) Hierzu hat das Berufungsgericht angenommen, der von der Klägerin
vorgelegte CMR-Frachtbrief begründe nicht die Vermutung, die Parteien hätten
für den streitgegenständlichen Transport uneingeschränkt die Anwendung der
CMR-Bestimmungen vereinbart. Die frachtbriefmäßige Beweisvermutung gemäß Art. 9 Abs. 1 CMR für Abschluss und Inhalt eines Frachtvertrags führe nur
zwischen den im Frachtbrief als Absender, Empfänger und Frachtführer genannten Personen zu einer Umkehrung der Beweislast. Darauf könne sich die
Klägerin aber nicht mit Erfolg berufen, weil in dem von ihr vorgelegten Frachtbrief nicht die Beklagte, sondern deren Unterfrachtführer als "carrier" ausgewiesen sei.
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bb) Die Revision rügt mit Recht, dass den Ausführungen des Berufungsgerichts schon nicht entnommen werden kann, nach welchen Vorschriften es
beurteilt hat, ob der den Transport ausführende Unterfrachtführer die Beklagte
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bei Unterzeichnung des CMR-Frachtbriefs möglicherweise vertreten hat, auch
wenn dies nicht ausdrücklich durch einen Vertretungszusatz kenntlich gemacht
wurde. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass das Berufungsgericht bei der
Prüfung dieser Frage das richtige Sachrecht angewandt hat.
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Die Frage, ob bei der Unterzeichnung eines CMR-Frachtbriefs ein Vertreterhandeln vorliegt und wem dieses zuzurechnen ist, beurteilt sich nach dem
auf der Grundlage des internationalen Privatrechts zu ermittelnden nationalen
Recht (Koller, Transportrecht, 7. Aufl., Art. 5 CMR Rn. 3). Es ist nichts dafür
ersichtlich, dass auf das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten deutsches Recht zur Anwendung kommen könnte. Naheliegend ist
vielmehr die Annahme, dass der zwischen den Parteien über den streitgegenständlichen Transport geschlossene Vertrag dem englischen Recht unterliegt.
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Zeichnung eines CMR-Frachtbriefs durch einen Unterfrachtführer nach englischem Recht auch dann dem
Hauptfrachtführer zugerechnet wird, wenn kein ausdrücklicher Vertretungszusatz angebracht wird. Die Klägerin hat zudem unter Beweisantritt vorgetragen,
dass der den Transport ausführende Unterfrachtführer als Vertreter der Beklagten aufgetreten und von der Beklagten auch zur Zeichnung des CMR-Frachtbriefs bevollmächtigt war. Auf der Grundlage dieses Vortrags hätte das Berufungsgericht die Beweisvermutung gemäß Art. 9 Abs. 1 CMR nicht zu Lasten
der Klägerin verneinen dürfen.
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2. Mit Erfolg wendet sich die Revision auch gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin sei beweisfällig geblieben für ihre Behauptung, der
von der Streithelferin der Beklagten beauftragte Unterfrachtführer habe eine
Beförderung des Containers zum Festland im Wege eines "Huckepack-Transports" beabsichtigt.
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a) Hierzu hat das Berufungsgericht ausgeführt, die Streithelferin der Beklagten habe bereits in erster Instanz vorgetragen, es sei eine Beförderung des
Containers über den Ärmelkanal per Schiff ohne Transportfahrzeug geplant
gewesen. Das habe die Klägerin zwar unter Berufung auf eine Auskunft des
Terminalbetreibers in Dartford, nach der für den streitgegenständlichen Container keine Vorbuchung auf einer Kanalfähre vorgelegen habe, bestritten. Die
Streithelferin der Beklagten habe dazu jedoch weiter vorgetragen, sie habe ihre
Unterlagen über die geplante Verschiffung des Containers vernichtet, weil der
per Schiff geplante Transport tatsächlich nicht habe durchgeführt werden können. Diese Beweislage gehe zu Lasten der darlegungs- und beweisbelasteten
Klägerin, ohne dass es einer Vernehmung des von ihr benannten Zeugen G.
zu der in sein Wissen gestellten Auskunft des Terminalbetreibers bedürfe.
Selbst wenn der Zeuge den Vortrag der Klägerin zur fehlenden Vorbuchung
bestätigte, sei damit nicht bewiesen, dass ein Transport des Containers über
den Ärmelkanal im "Huckepack-Verfahren" beabsichtigt gewesen sei, weil die
Reservierung eines Stellplatzes auf einer Kanalfähre beispielsweise auch versehentlich unterblieben sein könne. Der Umstand, dass nach dem Vortrag der
Streithelferin der Beklagten Unterlagen über geplante, aber tatsächlich nicht auf
einer Kanalfähre durchgeführte Beförderungen von ihr vernichtet würden, führe
entgegen der Ansicht der Klägerin nicht zu einer Umkehr der Beweislast zum
Nachteil der Beklagten. Durch die behauptete Vernichtung von Reservierungsunterlagen seien allenfalls für die Beklagte günstige Beweisurkunden nicht
mehr vorhanden. Die Beweisführung der Klägerin sei dadurch nicht vereitelt
worden.
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b) Die Revision rügt mit Recht, dass das Berufungsgericht die Klägerin
ohne Erhebung des von ihr angetretenen Zeugenbeweises verfahrensfehlerhaft
als beweisfällig dafür angesehen hat, dass eine Beförderung des Containers
zum Festland im Wege eines "Huckepack-Transports" geplant gewesen sei.
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aa) Die Klägerin kann den Nachweis ihrer Behauptung, der entwendete
Container habe im "Huckepack-Verfahren" zum Festland befördert werden sollen, nicht mit ihr zur Verfügung stehenden Urkunden führen, da sie an Vereinbarungen über die Art und Weise der Beförderung des Containers zum Festland nicht selbst beteiligt war. Der Klägerin steht aber die Möglichkeit offen, die
ursprünglich geplante Beförderungsart - was das Berufungsgericht nicht genügend berücksichtigt hat - im Wege eines Indizienbeweises nachzuweisen. Hierbei darf der Klägerin grundsätzlich nicht verwehrt werden, alle verbleibenden
Beweismöglichkeiten auszuschöpfen, um durch den Nachweis von Hilfstatsachen den notwendigen Beweis doch noch führen zu können. Allerdings bedeutet das nicht, dass in einem solchen Fall stets alle angebotenen Beweise erhoben werden müssen. Für die Behandlung von Beweisanträgen im Rahmen einer Indizienbeweisführung gelten im Zivilprozess Besonderheiten. Der Richter
ist hier freier gestellt als bei sonstigen Beweisanträgen. Er darf und muss vor
der Beweiserhebung prüfen, ob der Indizienbeweis schlüssig ist, ob also die
Gesamtheit aller vorgetragenen Indizien - ihre Richtigkeit unterstellt - ihn von
der Wahrheit der Haupttatsache überzeugen würde. Führt diese Prüfung zu
dem Ergebnis, dass der Nachweis der in Rede stehenden Hilfstatsachen an der
Überzeugungsbildung nichts ändern würde, darf ein Beweisantrag, der eine
Hilfstatsache betrifft, abgelehnt werden. Die wesentlichen Gesichtspunkte für
diese Überzeugungsbildung muss der Tatrichter in den Gründen seiner Entscheidung nachvollziehbar darlegen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Februar 1970
- III ZR 139/67, BGHZ 53, 245, 261; Urteil vom 22. Januar 1991 - VI ZR 97/90,
NJW 1991, 1894, 1895; Urteil vom 25. November 1992 - XII ZR 179/91, NJWRR 1993, 443, 444).
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bb) Das Berufungsgericht hat die Vernehmung des von der Klägerin benannten Zeugen G.
nicht für erforderlich erachtet, weil die in sein Wissen
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gestellte Tatsache als wahr unterstellt werden könne. Die Revision rügt mit
Recht, dass das Berufungsgericht bei seiner Beurteilung den von der Klägerin
vorgetragenen Sachverhalt nur unzureichend ausgeschöpft hat. Der Begründung des Berufungsgerichts kann nicht entnommen werden, dass sämtliche
von der Klägerin vorgetragenen Indiztatsachen, die einen Schluss darauf zulassen, dass auch im Streitfall eine Beförderung des Containers zum Festland im
Wege eines "Huckepack-Transports" erfolgen sollte, berücksichtigt wurden. Die
Klägerin hat insoweit unter Beweisantritt vorgetragen, dass in der Vergangenheit stets eine "Huckepack-Beförderung" durchgeführt worden sei, die Regulierung früherer Schäden jeweils auf der Grundlage der CMR-Vorschriften erfolgt
sei und der Transport bei der von der Beklagten behaupteten Umladung des
Containers auf einen MAFI-Trailer bei einem Frachtentgelt von 390 £ nicht kostendeckend hätte durchgeführt werden können. Die Revision weist zutreffend
darauf hin, dass das Berufungsgericht nur dann von einer Vernehmung des
Zeugen G.
hätte absehen dürfen, wenn es zu der Annahme gelangt wäre,
dass es selbst bei unterstellter Richtigkeit aller vorgetragenen Indiztatsachen
nicht die Überzeugung von der Richtigkeit der Haupttatsache - beabsichtigte
Beförderung im Wege eines "Huckepack-Transports" - hätte gewinnen können.
Dem Berufungsurteil kann nicht entnommen werden, dass das Berufungsgericht eine umfassende Prüfung aller entscheidungsrelevanten Indiztatsachen
vorgenommen hat und erst aufgrund einer solchen Prüfung zu einem für die
Klägerin negativen Ergebnis gelangt ist.
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III. Danach ist das Berufungsurteil auf die Revision der Klägerin aufzuheben. Der Rechtsstreit ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über
die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
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Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird das Berufungsgericht gegebenenfalls auch eine Beweiserleichterung für die Klägerin zu erwägen haben.
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Die Darlegungs- und Beweislast für die Anwendbarkeit der CMR-Vorschriften
liegt zwar grundsätzlich bei demjenigen, der sich auf sie beruft. Das ist hier die
Klägerin. Im Streitfall ist jedoch die Besonderheit zu berücksichtigen, dass für
die Anwendung des CMR-Haftungsregimes die Voraussetzungen des Art. 2
Abs. 1 Satz 1 CMR erfüllt sein müssen. Der Anspruchsteller müsste daher,
wenn ein "Huckepack-Transport" nicht ausdrücklich vereinbart war und der
Schaden bereits auf der ersten Teilstrecke eingetreten ist, darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass der ausführende Frachtführer im weiteren Verlauf
der Beförderung einen "Huckepack-Transport" beabsichtigt hatte. Da es sich
insoweit um einen Vorgang handelt, der der Wahrnehmung des Anspruchstellers im Allgemeinen entzogen ist, weil er allein der betrieblichen Sphäre des
ausführenden Frachtführers zuzurechnen ist und es sich zudem um eine innere
Tatsache handelt, die sich noch nicht in einem bestimmten Handeln nach außen manifestiert haben muss, ist der Frachtführer grundsätzlich gehalten, soweit es ihm möglich und zumutbar ist, zu den näheren Umständen der beabsichtigten Beförderung eingehend vorzutragen. Kommt er dem nicht in der gebotenen Weise nach, so ist der Beurteilung des Sachverhalts grundsätzlich der
Vortrag des Anspruchstellers zugrunde zu legen (ständige Rechtsprechung des
Senats zur sekundären Darlegungslast des Frachtführers; vgl. nur BGH, Urteil
vom 4. März 2004 - I ZR 200/01, TranspR 2004, 460, 462; Urteil vom
30. Januar 2008 - I ZR 146/05, TranspR 2008, 117, 120; Urteil vom 10. Mai
2012 - I ZR 109/11, TranspR 2012, 466 Rn. 29).
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Vor diesem Hintergrund hätte das Berufungsgericht die behauptete Vernichtung der Reservierungsunterlagen nicht nur in Bezug auf eine Beweisvereitelung, sondern vor allem auch unter dem Gesichtspunkt würdigen müssen, ob
die Beklagte einer ihr obliegenden sekundären Darlegungslast in hinreichendem Maße nachgekommen ist. Die Revision weist zutreffend darauf hin, dass
der Beklagten kein Vorteil daraus entstehen kann, wenn zur Ausgleichung eines
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Informationsdefizits der Klägerin erforderliche Unterlagen nicht aufbewahrt,
sondern vernichtet werden. Die von der Beklagten beauftragte Streithelferin traf
hier eine Dokumentationspflicht, weil sie nach Eintritt des Schadensfalls ersichtlich damit rechnen musste, dass die Buchungsunterlagen zum Nachweis der
beabsichtigten Beförderung des Containers zum Festland Bedeutung erlangen
könnten. Auch wenn die behauptete Vernichtung der Reservierungsdokumente
nicht zu einer vollständigen Umkehrung der Beweislast zum Nachteil der Beklagten führt, so ist dieser Umstand doch im Rahmen einer gemäß § 286 ZPO
vorzunehmenden Beweiswürdigung zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen.
Bornkamm
Pokrant
Koch
Kirchhoff
Löffler
Vorinstanzen:
LG Krefeld, Entscheidung vom 22.01.2008 - 12 O 114/06 OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 27.07.2011 - I-18 U 81/08 -