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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 128/06
Verkündet am:
18. Dezember 2008
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. Dezember 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Bornkamm und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Bergmann und
Dr. Koch
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 15 für Handelssachen, vom 3. Juli 2006 wird auf Kosten der
Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Klägerin ist Assekuradeurin der Transportversicherer der G.
GmbH in Hamburg (im Weiteren: Versicherungsnehmerin). Sie nimmt die Beklagte, die einen Paketbeförderungsdienst betreibt, aus übergegangenem
Recht der Versicherungsnehmerin wegen Verlusts von Transportgut auf Schadensersatz in Anspruch.
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Die Versicherungsnehmerin beauftragte die Beklagte im Juni 2005 zu fi-
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xen Kosten mit der Beförderung einer aus vier Paketen bestehenden Warensendung von Hamburg nach Luftenberg/Österreich. Die Sendung kam bei der
Empfängerin nicht an. Mit Schreiben vom 18. Juni 2005 teilte die Beklagte der
Versicherungsnehmerin mit, dass die Sendung beschädigt und der gesamte
Inhalt vernichtet worden sei. Die Beklagte hat für den Verlust der Ware an die
Versicherungsnehmerin 510,81 € gezahlt.
Die Klägerin hat behauptet, in den vier bei der Empfängerin nicht abge-
3
lieferten Paketen hätten sich Waren im Gesamtwert von 1.705,26 € befunden.
Die Transportversicherer der Versicherungsnehmerin hätten für den Verlust der
Pakete an die Versicherungsnehmerin unter Berücksichtigung der Ersatzleistung der Beklagten 1.194,45 € gezahlt. Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte hafte für den Verlust der Sendung unbeschränkt, da sie sich zur Ursache des
Abhandenkommens unzureichend und widersprüchlich eingelassen habe. Sie
hat die Beklagte auf Zahlung von 1.194,45 € nebst Zinsen in Anspruch genommen.
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Die Beklagte hat demgegenüber die Auffassung vertreten, sie hafte nicht
wegen qualifizierten Verschuldens. Die vorprozessuale Mitteilung an die Versicherungsnehmerin sei eine Standarderklärung gewesen, die aufgrund der maschinellen Massenbearbeitung in ungeklärten Fällen an den Geschädigten herausgeschickt werde. Tatsächlich sei die Sendung dadurch in Verlust geraten,
dass der Frachtcontainer, in dem sich die Sendung befunden habe, in der
Nacht vom 13. auf den 14. Juni 2005 von einem U. -Gelände am Flughafen
Linz von Dritten entwendet worden sei. Dieses Gelände sei gegen Diebstahlsgefahren gesichert.
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Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete
Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben.
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Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter. Die Klägerin beantragt, das
Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
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I. Die Vorinstanzen haben den geltend gemachten Schadensersatzanspruch aus Art. 17 Abs. 1, Art. 29 CMR i.V. mit § 67 Abs. 1 VVG a.F. für begründet erachtet. Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt:
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Die von der Klägerin vertretenen Transportversicherer der Versicherungsnehmerin seien aktivlegitimiert. Die Beklagte hafte für den der Versicherungsnehmerin entstandenen Schaden gemäß Art. 17 Abs. 1, Art. 29 CMR unbeschränkt, weil sie oder der österreichische Lagerhalter, für den die Beklagte
einzustehen habe, den Schaden leichtfertig und im Bewusstsein des wahrscheinlichen Schadenseintritts verursacht hätten. Die Beklagte treffe in Bezug
auf die näheren Umstände des Schadensfalls eine sekundäre Einlassungsobliegenheit, der sie nicht nachgekommen sei. Ihr Vortrag zu den gegen einen
Diebstahl ergriffenen Sicherheitsmaßnahmen sei lückenhaft. Das rechtfertige
den Vorwurf eines qualifizierten Verschuldens.
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II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben
keinen Erfolg.
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1. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei die Voraussetzungen einer
vertraglichen Haftung der Beklagten für den hier in Rede stehenden Verlust von
Transportgut nach Art. 17 Abs. 1 CMR bejaht. Es ist dabei zutreffend und von
der Revision auch unbeanstandet davon ausgegangen, dass die Beklagte von
der Versicherungsnehmerin als Fixkostenspediteurin i.S. von § 459 HGB beauftragt worden ist und sich ihre Haftung demgemäß grundsätzlich nach den Bestimmungen über die Haftung des Frachtführers (Art. 17 ff. CMR) und - aufgrund vertraglicher Einbeziehung - nach ihren Allgemeinen Beförderungsbedingungen richtet.
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2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte schulde für den Verlust des Transportgutes gemäß
Art. 17 Abs. 1, Art. 29 CMR Schadensersatz, ohne sich auf die im Gesetz und
in ihren Allgemeinen Beförderungsbedingungen vorgesehenen Haftungsbeschränkungen berufen zu können, da sie den streitgegenständlichen Warenverlust leichtfertig und im Bewusstsein verursacht habe, dass ein Schaden mit
Wahrscheinlichkeit eintreten werde.
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a) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass es der Beklagten
oblegen habe, zu den näheren Umständen des Warenverlustes konkret vorzutragen, weil sie vorprozessual eine auch nicht ansatzweise zutreffende Begründung für den eingetretenen Schaden gegeben habe. Dagegen hat die Revision
nichts erinnert. Den Vorwurf des qualifizierten Verschuldens hat das Berufungsgericht darauf gestützt, dass die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast betreffend den Ablauf des hier in Rede stehenden Schadensfalls einschließlich der zur Schadensverhinderung getroffenen organisatorischen Kontrollmaßnahmen nicht genügt habe.
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b) Diese Beurteilung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Sie
entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHZ
127, 275, 284; 129, 345, 350 f.; 145, 170, 183 f.; BGH, Urt. v. 14.6.2006
- I ZR 136/03, VersR 2007, 273 Tz. 13).
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aa) Grundsätzlich ist der Anspruchsteller gehalten, die Voraussetzungen
für den Wegfall der zugunsten des Frachtführers bestehenden gesetzlichen
oder vertraglichen Haftungsbegrenzungen darzulegen und gegebenenfalls zu
beweisen. Danach trägt er die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der
Frachtführer oder seine Leute vorsätzlich oder leichtfertig und im Bewusstsein
gehandelt haben, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde
(vgl. BGH VersR 2007, 273 Tz. 13; BGH, Urt. v. 20.9.2007 - I ZR 43/05,
TranspR 2008, 113 Tz. 30 m.w.N.). Die dem Anspruchsteller obliegende Darlegungs- und Beweislast kann - wovon auch das Berufungsgericht zutreffend
ausgegangen ist - jedoch dadurch gemildert werden, dass der Frachtführer angesichts des unterschiedlichen Informationsstands der Vertragsparteien nach
Treu und Glauben gehalten ist, soweit möglich und zumutbar, zu den näheren
Umständen des Schadensfalls eingehend vorzutragen. Eine solche sekundäre
Darlegungslast der Beklagten ist zu bejahen, wenn der Klagevortrag nach den
Umständen des Falles ein qualifiziertes Verschulden mit gewisser Wahrscheinlichkeit nahelegt oder sich Anhaltspunkte für ein solches Verschulden aus dem
unstreitigen Sachverhalt ergeben (vgl. BGH, Urt. v. 5.6.2003 - I ZR 234/00,
TranspR 2003, 467, 469). Insbesondere hat der Frachtführer dann substantiiert
darzulegen, welche Sorgfalt er konkret aufgewendet hat. Kommt er dem nicht
nach, kann nach den Umständen des Einzelfalls der Schluss auf ein qualifiziertes Verschulden gerechtfertigt sein (BGH VersR 2007, 273 Tz. 13; TranspR
2008, 113 Tz. 30 m.w.N.).
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Hat der Spediteur/Frachtführer seiner Einlassungsobliegenheit genügt,
muss der Anspruchsteller die Voraussetzungen für eine unbeschränkte Haftung
des Frachtführers darlegen und gegebenenfalls beweisen (BGH TranspR 2008,
113 Tz. 33).
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bb) Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass der Vortrag
der Klägerin mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf ein qualifiziertes Verschulden der Beklagten i.S. von § 435 HGB schließen lässt, das Voraussetzung
für eine unbeschränkte Haftung des Frachtführers nach Art. 29 Abs. 1 CMR ist.
Die der Beklagten zum Transport nach Österreich übergebenen vier Pakete
sind in Verlust geraten, während sie in ihrer Obhut waren. Mit Schreiben vom
18. Juni 2005 hat die Beklagte der Versicherungsnehmerin lediglich mitgeteilt,
dass "die Sendung beschädigt und der gesamte Inhalt vernichtet" worden sei.
Nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin hat die Beklagte der Versicherungsnehmerin vorprozessual trotz mehrfacher Nachfrage keinerlei Einzelheiten
zur Schadensursache mitgeteilt. Aufgrund der Weigerung der Beklagten, zu den
näheren Umständen des Schadensfalls Angaben zu machen, ist der Schadenshergang bis zur Klageerhebung völlig ungeklärt geblieben. Das rechtfertigt
grundsätzlich den Schluss auf ein grobes Organisationsverschulden im Betriebsbereich der Beklagten mit der Folge, dass sie im Prozess detailliert zu den
Organisationsabläufen in ihrem Betrieb und zu den von ihr gegen einen Verlust
von Transportgut eingerichteten Sicherheitsmaßnahmen vortragen muss (vgl.
BGH TranspR 2003, 467, 469).
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cc) Die Beklagte ist ihrer sekundären Darlegungslast insoweit nachgekommen, als sie einen Diebstahl des Frachtcontainers, in dem sich die vier verlorengegangenen Pakete nach ihrem unbestrittenen Vortrag befunden haben,
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als Schadensursache dargelegt hat. Ferner hat die Beklagte vorgetragen, dass
das Gelände, von dem der Container entwendet worden sei, mit einem hohen
Stacheldrahtzaun umgeben, durch ein Gittertor gesichert und videoüberwacht
gewesen sei. Das Gelände sei während der Nacht von Wachpersonal kontrolliert worden; der Fahrer habe seine Schlüssel für den entwendeten LKW im Büro abgelegt. Damit hat die Beklagte die ihr obliegende Darlegungslast nur unvollkommen erfüllt.
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Bei Zugrundelegung des von der Beklagten gehaltenen Vortrags sind
entgegen der Auffassung der Revision Organisationsmängel in ihrem Betriebsbereich denkbar und Geschehensabläufe naheliegend, die auf ein qualifiziertes
Verschulden schließen lassen. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass es auf der Grundlage des Vorbringens der Beklagten gut vorstellbar
erscheint, dass weder das Gelände, von dem nach dem Vortrag der Beklagten
das komplette Transportfahrzeug entwendet wurde, noch das Fahrzeug selbst
in ausreichendem Maße gesichert waren. Es ist insbesondere offengeblieben,
ob und auf welche Weise (etwa durch eine Wegfahrsperre) das entwendete
Transportfahrzeug gegen Diebstahl gesichert war, ob das Gittertor zum Gelände, auf dem der beladene LKW abgestellt war, aufgeschlossen oder aufgebrochen wurde, weshalb gerade die Aufzeichnung der eigentlichen Entwendung
durch die Videoanlage unterblieben ist, wie oft und in welchen Zeitabständen
das Gelände von Wachpersonal kontrolliert wurde, worauf sich die Bewachung
erstreckt und ob der Wachdienst seinerseits in Bezug auf die Einhaltung der
Überwachungspflichten kontrolliert wird. Ebenso fehlen Angaben dazu, ob es
vor dem streitgegenständlichen Schadensfall bereits zu Diebstählen von beladenen Transportfahrzeugen gekommen war und was die Beklagte gegebenenfalls zur Erhöhung der Sicherheit unternommen hat. Die Beklagte hat auch nicht
dargelegt, ob die Täter sich die angeblich im Bürogebäude verwahrten Fahr-
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zeugschlüssel verschafft haben. Mit Recht hat das Berufungsgericht von der
Beklagten des Weiteren die Angabe der Namen der beteiligten Personen (Fahrer, Wachmannschaft, zentrale Kontrolle) verlangt. Obwohl das Berufungsgericht die Beklagte rechtzeitig vor der mündlichen Berufungsverhandlung darauf
hingewiesen hat, in welchen konkreten Punkten ihr Vortrag ergänzt werden
müsse, ist die Beklagte dem nicht einmal ansatzweise nachgekommen.
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Unter diesen Umständen ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht zu der Annahme gelangt ist, dass die Beklagte
den Verlust der vier Pakete leichtfertig und im Bewusstsein des wahrscheinlichen Schadenseintritts verursacht hat.
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III. Danach ist die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97
Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Bornkamm
Pokrant
Bergmann
Büscher
Koch
Vorinstanzen:
AG Hamburg, Entscheidung vom 03.03.2006 - 31C C 215/05 LG Hamburg, Entscheidung vom 03.07.2006 - 415 S 2/06 -