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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 104/12
Verkündet am:
6. November 2013
Bürk
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
Vermittlung von Netto-Policen
UWG § 4 Nr. 11, § 5 Abs. 1; GewO § 34d Abs. 1; VVG § 59 Abs. 2 und 3
Lässt sich ein Versicherungsvertreter, der seine Agenturbindung gegenüber
dem Versicherungsnehmer offenlegt, für die Beratung und die Vermittlung einer
Netto-Police vom Versicherungsnehmer eine eigenständige Vergütung versprechen, verstößt dies nicht gegen § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 34d Abs. 1
GewO. Mit einer solchen Vereinbarung ist auch nicht notwendig eine Irreführung des Versicherungsnehmers über den Status des Vermittlers als Versicherungsvertreter verbunden.
BGH, Urteil vom 6. November 2013 - I ZR 104/12 - OLG Naumburg
LG Dessau-Roßlau
-2-
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. September 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Dr. h.c. Bornkamm und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und Dr. Koch
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 24. Mai 2012 wird auf Kosten der Klägerin
zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Parteien sind als Versicherungsvertreter im Versicherungsvermittlungsregister eingetragen und verfügen über eine Erlaubnis nach § 34d Abs. 1
GewO. Sie streiten über die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit der Vermittlung
von Lebensversicherungen zu Nettotarifen bei gleichzeitiger Vereinbarung einer
von dem Versicherungsnehmer an den Versicherungsvertreter zu zahlenden
selbständigen Vergütung.
2
Ein Mitarbeiter der Beklagten händigte der Kundin R. am 26. August
2010 eine „Erstkontaktinformation“ aus, die unter anderem folgenden Inhalt hatte:
Meldung und Eintrag ins Vermittlerregister: Die V.-GmbH ist im Vermittlerregister als erlaubnispflichtiger Versicherungsvertreter nach § 34d Abs. 1 GewO bei
der zuständigen IHK gemeldet und nach § 34d Abs. 7 GewO … eingetragen.
-3-
3
Anschließend vermittelte er der Kundin eine fondsgebundene Rentenversicherung der A.-Lebensversicherung S.A. Dabei handelte es sich um eine
sogenannte Nettopolice, bei der die vom Versicherungsnehmer zu zahlende
Versicherungsprämie keinen Provisionsanteil für die Vertragsvermittlung enthielt. Gleichzeitig schloss die Beklagte im eigenen Namen mit der Versicherungsnehmerin eine separate Vergütungsvereinbarung, die unter anderem folgende Regelungen enthielt (Hervorhebungen im Original):
1. Der Versicherungsvermittler ist gewerberechtlich als Versicherungsvertreter
von Lebensversicherungen für die A.-Lebensversicherung S.A. tätig. In dieser Eigenschaft vermittelt er den Kunden die fondsgebundene Rentenversicherung mit wählbaren Zusatzversicherungen.
2. Der Versicherungsvermittler erhält vom Kunden für die Vermittlung und
für seine Beratungs- und sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit
dem Abschluss des nebenstehenden Versicherungsvertrags eine einmalige Vergütung. Der Versicherungstarif enthält keine Abschlusskosten; der Versicherungsvermittler erhält deshalb von der Versicherungsgesellschaft für seine Tätigkeit keine Provisionen oder sonstige Vergütungen.
4. Der Anspruch des Versicherungsvermittlers auf Zahlung der Vergütung
entsteht mit dem nachfolgend beschriebenen Zustandekommen des
vom Kunden beantragten Versicherungsvertrags. Der Versicherungsvertrag kommt zustande, wenn die Versicherungsgesellschaft die Annahme des
Versicherungsvertrags durch Zusendung des Versicherungsscheins erklärt
und der Kunde sein gesetzliches Widerrufsrecht vom Versicherungsvertrag
nicht wirksam ausgeübt hat.
5. Wegen der rechtlichen Unabhängigkeit dieser Vergütungsvereinbarung
vom Versicherungsvertrag ist der Kunde zur Zahlung der Vergütung
auch im Falle der Änderung oder vorzeitigen Beendigung des Versicherungsvertrags verpflichtet. Die Vergütung ist jedoch bei wirksamer Anfechtung oder bei einer wirksamen Ausübung des Widerrufs nicht geschuldet.
4
Die Klägerin hat das Vertriebsmodell der Beklagten als wettbewerbswidrig beanstandet. Sie ist der Ansicht, die Beklagte geriere sich als Versicherungsmaklerin, wenn sie mit einem Kunden eine selbständige Vergütungsvereinbarung abschließe. Dadurch verstoße sie gegen ihre typenspezifische Erlaubnis als Versicherungsvertreterin. Durch die Inanspruchnahme eines allein
-4-
einem Versicherungsmakler zugewiesenen Vergütungsmodells weiche die formularmäßige Vergütungsvereinbarung zudem von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ab und führe die Kunden überdies in die Irre.
5
Die Klägerin hat beantragt,
es der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verbieten, als registrierter Versicherungsvertreter gesonderte Vereinbarungen mit Versicherungsnehmern oder potentiellen Versicherungsnehmern zu schließen, wonach
diese sich verpflichten, eine Provision für die Vermittlung eines Versicherungsvertrags an die Beklagte zu zahlen.
6
Die Beklagte hat demgegenüber die Auffassung vertreten, die dispositiven gesetzlichen Regelungen erlaubten es ihr, anstelle einer überwiegend üblichen Bruttopolice auch Nettopolicen zu vermitteln. In einem solchen Fall sei der
Abschluss einer separaten Vergütungsvereinbarung zulässig. Daraus könne ein
verständiger und aufmerksamer Kunde nicht den Schluss herleiten, sie werde
als Versicherungsmaklerin tätig.
7
Das Berufungsgericht hat die in erster Instanz erfolgreiche Klage abgewiesen (OLG Naumburg, VersR 2012, 1034 = NJW-RR 2012, 1174). Mit der
vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
8
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte verstoße durch
den Abschluss einer gesonderten Vergütungsvereinbarung im Zusammenhang
mit der Vermittlung einer Nettopolice weder gegen Marktverhaltensregelungen
im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG noch führe sie dadurch ihre Kunden im Sinne von
§ 5 Abs. 1 UWG irre. Dazu hat es ausgeführt:
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9
Bei der Vorschrift des § 34d Abs. 1 GewO handele es sich zwar um eine
Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG. Gegen diese Vorschrift
habe aber die Beklagte mit der Vermittlung von Nettopolicen und der gleichzeitigen Begründung eines eigenständigen Vergütungsanspruchs gegen den Versicherungsnehmer nicht verstoßen, weil sie den Umfang ihrer Erlaubnis als
Versicherungsvertreterin nicht überschritten und ihre Agenturbindung gegenüber dem Kunden stets offengelegt habe.
10
Die von der Beklagten abgeschlossenen Vergütungsvereinbarungen seien auch nicht nach §§ 307 ff. BGB zu beanstanden. Die Versicherungsnehmer
würden durch den Abschluss separater Vergütungsvereinbarungen im Zusammenhang mit der Vermittlung von Nettopolicen nicht entgegen den Geboten von
Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.
11
Das Vertriebsmodell der Beklagten stelle auch keine nach §§ 3, 5 UWG
wettbewerbsrechtlich relevante Irreführung dar. Es sei schon zweifelhaft, ob ein
durchschnittlicher Verbraucher den Abschluss eines gesonderten Vergütungsvertrags als Hinweis auf die Maklereigenschaft des Vermittlers verstehe. Die
Begründung eines selbständigen Honoraranspruchs sei aus der Sicht eines
solchen Verbrauchers im Übrigen allenfalls ein Indiz dafür, dass der Vermittler
sich allein an den Kundeninteressen orientieren werde. Eine derartige Indizwirkung sei im Streitfall aber dadurch widerlegt, dass die Beklagte ihre Eigenschaft
als Versicherungsvertreterin in der „Erstkontaktinformation“ offenlege. Darüber
hinaus ergebe sich die Agenturbindung der Beklagten deutlich aus Nummer 1
der Vergütungsvereinbarung. Unter diesen Umständen bleibe auch kein Raum
für eine Einstufung der Beklagten als Pseudomaklerin im Sinne von § 59 Abs. 3
Satz 2 VVG.
-6-
12
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben
keinen Erfolg. Mit Recht hat das Berufungsgericht einen Anspruch der Klägerin
gegenüber der Beklagten verneint, es zu unterlassen, mit (potentiellen) Versicherungsnehmern gesonderte Vergütungsregelungen zu vereinbaren.
13
1. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei einen Verstoß der Beklagten gegen § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit
§ 34d Abs. 1 GewO verneint.
14
a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass es sich
bei § 34d Abs. 1 GewO um eine Norm handelt, die im Sinne von § 4 Nr. 11
UWG dazu bestimmt ist, das Marktverhalten im Interesse der Marktteilnehmer
zu regeln. Die Erlaubnispflicht zur Ausübung bestimmter Gewerbe stellt zwar
grundsätzlich (auch) eine Marktzutrittsregelung dar. Sie dient aber darüber hinaus dem Schutz der Verbraucher vor einer Gefährdung ihrer Rechtsgüter durch
unzuverlässige Gewerbetreibende und ist daher zugleich eine Marktverhaltensregelung (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des Versicherungsvermittlerrechts, BT-Drucks. 16/1935, S. 1, 17; vgl. auch BGH, Urteil
vom 14. Mai 2009 - I ZR 179/07, GRUR 2009, 886 Rn. 17 = WRP 2009, 1513
- Die clevere Alternative, zu § 34 Abs. 4 GewO; Köhler in Köhler/Bornkamm,
UWG, 31. Aufl., § 4 Rn. 11.82; Harte/Henning/v. Jagow, UWG, 3. Aufl., § 4
Nr. 11 Rn. 79; MünchKomm.UWG/Schaffert, § 4 Nr. 11 Rn. 135; Ebert-Weidenfeller in Götting/Nordemann, UWG, 2. Aufl., § 4 Nr. 11 Rn. 11.59). Der Umstand, dass die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken keinen den § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 11 UWG vergleichbaren Verbotstatbestand kennt,
steht der Anwendung dieser Vorschriften im Streitfall im Hinblick darauf nicht
entgegen, dass es sich bei der Bestimmung des § 34d GewO um eine unionsrechtskonforme Reglementierung der Berufsausübung handelt (vgl. Art. 3
-7-
Abs. 4 und 8 der Richtlinie 2005/29/EG; BGH, Urteil vom 18. September 2013
- I ZR 183/12 Rn. 9 - Krankenzusatzversicherungen; Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 4 Rn. 11.6i und 11.6k).
15
b) Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, das angegriffene Vertriebsmodell der Beklagten verstoße nicht
gegen die Marktverhaltensregelung des § 34d Abs. 1 GewO.
16
aa) Zwischen den Parteien besteht kein Streit darüber, dass die Beklagte
eine Versicherungsvermittlung im Sinne von § 34d Abs. 1 Satz 1 GewO, der der
Umsetzung von Art. 2 Nr. 3 der Richtlinie 2002/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Dezember 2002 über Versicherungsvermittlung
(ABl. 2003 Nr. L 9/3) dient, erbringt. Die Vorschrift des § 34d Abs. 1 Satz 1 GewO unterscheidet anders als die Richtlinie zur Klarstellung zwischen Versicherungsmaklern und Versicherungsvertretern. Sie enthält zwei unterschiedliche
Erlaubnistatbestände. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll ein Versicherungsvermittler nicht zugleich als Versicherungsmakler und Versicherungsvertreter tätig sein. Die Einordnung als Makler oder Vertreter soll für den Kunden
zudem transparent sein und einer „Typenvermischung“ entgegenwirken (vgl.
Erwägungsgrund 18 der Richtlinie 2002/92/EG; Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des Versicherungsvermittlerrechts aaO, S. 14; vgl.
auch BGH, Urteil vom 23. November 1973 - IV ZR 34/73, VersR 1974, 192,
193). Über die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben hinausgehend muss ein
Versicherungsvermittler deshalb von vornherein entscheiden, ob er als Versicherungsmakler oder als Versicherungsvertreter tätig sein will und dies im Antrag auf Erteilung der Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 GewO angeben. Dementsprechend wird die Erlaubnis gemäß § 34d Abs. 1 Satz 3 GewO typenspezifisch entweder für eine Tätigkeit als Versicherungsmakler oder als Versicherungsvertreter erteilt (vgl. Dörner in Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., § 34d GewO
-8-
Rn. 30; VVG § 59 Rn. 9; Ennuschat in Tettinger/Wank/Ennuschat, Gewerbeordnung, 8. Aufl., § 34d Rn. 27, 34). Dies bedeutet indessen nicht nur, dass der
Wechsel in einen anderen Vermittlertyp einer geänderten Erlaubnis und Registrierung bedarf; vielmehr ergibt sich hieraus auch, dass eine Vermittlungstätigkeit, die die Grenzen der Erlaubnis überschreitet, ohne Gewerbeerlaubnis und
damit in wettbewerbswidriger Weise erfolgt (vgl. Dörner in Prölss/Martin aaO
§ 34d GewO Rn. 30, 32, 46; Böckmann/Ostendorf, VersR 2009, 154, 156 f.).
17
bb) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die
Beklagte mit der Begründung eines eigenständigen Vergütungsanspruchs gegen den Versicherungsnehmer den Umfang ihrer Erlaubnis als Versicherungsvertreterin nicht überschreitet.
18
(1) Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die Beklagte eine gewerberechtliche Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 GewO besitzt, in das Versicherungsvermittlungsregister gemäß § 34d Abs. 7, § 11a GewO eingetragen ist und ihre
Agenturbindung gemäß § 60 Abs. 2 Satz 2 VVG durch die von ihr verwendete
„Erstkontaktinformation“ und die Angaben in der Vergütungsvereinbarung offenlegt. Damit hat sie ihre Pflicht gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 3 VersVermV, der Art. 12
Abs. 1 der Richtlinie 2002/92/EG umsetzt, erfüllt. Diese statusbezogene Information, für die ausschließlich auf die Eintragung und nicht auf das konkrete Tätigwerden abzustellen ist, soll sicherstellen, dass die typenspezifisch erteilte
Gewerbeerlaubnis vom Kunden im Sinne der beabsichtigten Transparenz zur
Kenntnis genommen werden kann (vgl. Erwägungsgrund 18 der Richtlinie
2002/92/EG; OLG Schleswig, VersR 2011, 114, 115; Böckmann/Ostendorf,
VersR 2009, 154, 155; Dörner in Prölss/Martin aaO § 11 VersVermV Rn. 1).
Dass die Beklagte durch die Offenlegung ihres Status die erforderlichen Angaben mitgeteilt hat, wird von der Revision auch nicht in Zweifel gezogen.
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19
(2) Die Revision legt nicht dar, dass die Beklagte - abgesehen von der
streitgegenständlichen Vergütungsvereinbarung - Tätigkeiten entfaltet, die über
den Umfang der ihr erteilten Erlaubnis hinausgehen, mithin solche, die ausschließlich einem Versicherungsmakler vorbehalten sind.
20
Entgegen der Ansicht der Revision macht der Umstand, dass die Beklagte mit Kunden eigenständige Vergütungsvereinbarungen schließt, sie noch nicht
zur Versicherungsmaklerin im Sinne von § 59 Abs. 3 VVG. Nach Satz 1 dieser
Bestimmung ist Versicherungsmakler, wer gewerbsmäßig für den Auftraggeber
die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen übernimmt,
ohne von einem Versicherer oder von einem Versicherungsvertreter damit betraut zu sein. Als Versicherungsmakler gilt nach § 59 Abs. 3 Satz 2 VVG auch,
wer gegenüber dem Versicherungsnehmer den Anschein erweckt, er erbringe
seine Leistung als Versicherungsmakler. Versicherungsvertreter im Sinne des
§ 59 Abs. 2 VVG ist demgegenüber derjenige, der von einem Versicherer (oder
von einem anderen Versicherungsvertreter) damit betraut ist, gewerbsmäßig
Versicherungsverträge zu vermitteln oder abzuschließen. Ein Versicherungsvertreter ist demnach auf der Seite des Versicherers tätig, während der Versicherungsmakler seine Vermittlungstätigkeit im Allgemeinen im Auftrag des Kunden
erbringt (vgl. BGH, Urteil vom 22. Mai 1985 - IV ZR 190/83, BGHZ 94, 356, 359;
Urteil vom 14. Juni 2007 - III ZR 269/06, VersR 2007, 1127, 1128; Dörner in
Prölss/Martin aaO § 59 VVG Rn. 2; Ennuschat in Tettinger/Wank/Ennuschat
aaO § 34d GewO Rn. 32). Die Abgrenzung richtet sich mithin - abgesehen vom
Ausnahmefall des § 59 Abs. 3 Satz 2 VVG (dazu sogleich unter Rn. 21) - objektiv danach, ob der Versicherungsvermittler von einem Versicherer mit der Vermittlung betraut wurde (vgl. Böckmann/Ostendorf, VersR 2009, 154, 155). Darauf, von wem der Versicherungsvermittler seine Vergütung erhält, kommt es
für die Abgrenzung grundsätzlich nicht an.
- 10 -
21
Aus dem Umstand, dass der Versicherungsvertreter anders als der Versicherungsmakler im Lager des Versicherers steht, dessen Interessen er bei
seiner Vermittlungstätigkeit im Auge zu behalten hat (vgl. § 86 Abs. 1 Halbsatz 2 i.V.m. § 92 Abs. 2 HGB), kann nicht geschlossen werden, dass ein Versicherungsvertreter aufgrund der gegenüber dem Versicherer bestehenden Loyalitätspflichten von vorneherein nicht in der Lage wäre, den Versicherungsnehmer in einer dessen Bedürfnissen und Interessen angemessenen Weise zu
beraten. Einer derartigen Sichtweise steht schon entgegen, dass durch das
- vorliegend bereits einschlägige - Gesetz zur Neuregelung des Versicherungsvermittlerrechts vom 19. Dezember 2006 (BGBl. I, S. 3232) dem Versicherungsvermittler allgemein (also sowohl dem Versicherungsmakler als auch dem
Versicherungsvertreter, vgl. § 59 Abs. 1 VVG) umfassende Beratungs- und Dokumentationspflichten gegenüber dem Versicherungsnehmer auferlegt worden
sind (§§ 61, 62 VVG). Diese Pflichten (auch) des Versicherungsvertreters sind
derart zentral (vgl. Dörner in Prölss/Martin aaO § 61 VVG Rn. 1), dass er im
Falle ihrer Verletzung dem Versicherungsnehmer gegenüber persönlich zum
Schadensersatz verpflichtet ist (§ 63 VVG). Im Hinblick auf diese gesetzliche
Regelung wäre es wenig verständlich, wenn es dem Versicherungsvertreter
verwehrt sein sollte, Beratungstätigkeiten - die in erheblichem Umfang schon
gesetzlich vorgegeben sind - zum Gegenstand vertraglicher (entgeltlicher) Vereinbarungen mit dem Versicherungsnehmer zu machen. Denn die durch eine
Vereinbarung nochmals bekräftigten Beratungspflichten des Versicherungsvertreters unterscheiden sich - soweit sie die Frage betreffen, ob die (wahrheitsgemäß dargestellten) Eigenschaften des angebotenen Produkts den Bedürfnissen und Interessen des Versicherungsnehmers entsprechen - in ihrem Umfang
und in ihrer Intensität nicht von Pflichten, die den Versicherungsmakler treffen.
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(3) Der Status der Beklagten wird - entgegen dem Inhalt der ihr erteilten
Erlaubnis und ihrer Registrierung als Versicherungsvertreterin - auch nicht
- 11 -
durch § 59 Abs. 3 Satz 2 VVG als Versicherungsmakler fingiert. Die Beklagte
erweckt, indem sie sich eine eigenständige Vergütung versprechen lässt, nicht
den (unzutreffenden) Anschein, sie sei Versicherungsmaklerin. Die Vorschrift
des § 59 Abs. 3 Satz 2 VVG kommt zur Anwendung, wenn ein Versicherungsvertreter durch Vorlage einer unzutreffenden Statusinformation oder durch Abschluss eines Maklervertrags oder unter Verschweigen seiner Agenturbindung
gegenüber dem Kunden den Eindruck hervorruft, er wolle seine Vermittlung im
Interesse des Kunden durchführen und seine Empfehlung für eine bestimmte
Versicherung auf eine entsprechende Beratungsgrundlage gemäß § 60 Abs. 1
VVG stützen (vgl. Dörner in Prölss/Martin aaO § 59 VVG Rn. 2 mwN; Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des Versicherungsvermittlerrechts aaO S. 23).
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Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kann nicht angenommen werden, dass die Beklagte sich in diesem Sinne als „Pseudomaklerin“ geriert hat. Sie hat vielmehr ihren Status und ihre Agenturbindung in hinreichender
Weise sowohl mit der „Erstkontaktinformation“ als auch in Nummer 1 der beanstandeten Vergütungsvereinbarung offengelegt. Gegenüber einem derart informierten Kunden erweckt die Beklagte nicht den Anschein, Versicherungsmaklerin zu sein (vgl. Reiff, VersR 2012, 645, 652; Icha, VuR 2013, 74 f.). Einer weitergehenden, über die Erläuterungen im Vertragstext hinausgehenden Aufklärung über die Besonderheiten des von der bisherigen Praxis abweichenden
Vergütungsmodells bedarf es dabei im Verhältnis der sich mit wechselseitigen
Interessen gegenüberstehenden Vertragsparteien grundsätzlich nicht (vgl.
BGH, VersR 2007, 1127, 1128 f.; Urteil vom 18. Oktober 2012 - III ZR 106/11,
NJW 2012, 3718 Rn. 17, jeweils zur Vergütungsvereinbarung eines Versicherungsmaklers; OLG Karlsruhe, VersR 2012, 856, 859; Reiff in Prölss/Martin
aaO § 168 VVG Rn. 21; Rixecker in Römer/Langheid, VVG, 3. Aufl., § 59 VVG
Rn. 9; vgl. auch Dörner in Prölss/Martin aaO § 59 VVG Rn. 53; abweichend LG
- 12 -
Saarbrücken, VersR 2013, 759, 760 f. mit kritischer Anmerkung von Reiff,
VersR 2013, 762, 763; LG Wuppertal, Urteil vom 3. April 2012 - 16 S 46/11,
juris Rn. 24, 26).
24
Es ist auch nicht festgestellt, dass der Mitarbeiter der Beklagten in sonstiger Weise den Eindruck erweckt hätte, er stünde als unabhängiger Berater auf
der Seite der Kundin. Derartige Umstände sind dem in Rede stehenden Geschäftsmodell auch nicht immanent. Der Abschluss einer selbständigen Vergütungsvereinbarung durch den Versicherungsvertreter des Versicherers mag
zwar im Blick auf die tatsächlich zu erbringende Vermittlungsleistung gewisse
Gefahren für eine Irreführung des Kunden in sich bergen. Allein deshalb kann
die Begründung eines Vergütungsanspruchs zugunsten eines Versicherungsvertreters aber noch nicht als per se unzulässig und damit unlauter angesehen
werden. Hierzu bedarf es weiterer, im Streitfall nicht festgestellter oder behaupteter Umstände.
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2. Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge der Revision, das Berufungsgericht
habe rechtsfehlerhaft einen Wettbewerbsverstoß unter dem Gesichtspunkt der
Verwendung unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen verneint.
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a) Nach der Rechtsprechung des Senats können die Vorschriften der
§§ 307 bis 309 BGB als Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 4 Nr. 11
UWG angesehen werden, da die Verwendung unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen regelmäßig den Erfordernissen fachlicher Sorgfalt widerspricht (BGH, Urteil vom 31. Mai 2012 - I ZR 45/11, GRUR 2012, 949 Rn. 45 ff.
= WRP 2012, 1086 - Missbräuchliche Vertragsstrafe; Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 4 Rn. 11.156e mwN; vgl. auch BGH, Urteil vom 31. März 2010
- I ZR 34/08, GRUR 2010, 1117 Rn. 26 ff. = WRP 2010, 1475 - Gewährleistungsausschluss im Internet; Urteil vom 19. Mai 2010 - I ZR 140/08, GRUR
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2010, 1120 Rn. 20 = WRP 2010, 1495 - Vollmachtsnachweis, jeweils zu § 475
Abs. 1 Satz 1 BGB). Dies hat das Berufungsgericht seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt.
27
b) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die „formularmäßigen Vergütungsverträge, welche die Beklagte ihren Kunden vorlegt“, Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB sind und
einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB standhalten. Ob diese Beurteilung
zutrifft, kann im Streitfall offenbleiben, weil die Klage sich nicht gegen die Verwendung bestimmter Vertragsklauseln, sondern generell dagegen richtet, dass
die Beklagte mit (potentiellen) Versicherungsnehmern gesonderte Provisionsvereinbarungen schließt.
28
3. Revisionsrechtlich ist es ferner nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht - in anderem Zusammenhang - einen wettbewerbsrechtlich relevanten Verstoß der Beklagten gegen die aus § 86 Abs. 1 Halbsatz 2 HGB folgende Pflicht des Versicherungsvertreters verneint hat, die Interessen des Versicherers wahrzunehmen. Die Vorschrift betrifft - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - (allein) das Innenverhältnis zwischen Versicherungsvertreter und Versicherer. Dementsprechend beschränken sich die
Rechtsfolgen im Fall einer Pflichtverletzung auf die allgemeinen zivilrechtlichen
Ansprüche des Unternehmers (vgl. dazu Löwisch in Ebenroth/Boujong/Joost/
Strohn, HGB, 2. Aufl., § 86 Rn. 50 f.; MünchKomm.HGB/v. Hoyningen-Huene,
3. Aufl., § 86 Rn. 67 ff.). Einen Bezug im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG auf den
hier in Rede stehenden Markt, auf dem sich Versicherungsvertreter und Versicherungsnehmerin gegenüberstehen, enthalt die Vorschrift nicht.
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4. Die Revision wendet sich schließlich ohne Erfolg dagegen, dass das
Berufungsgericht auch eine Irreführung nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG verneint hat.
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a) Eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ist
gemäß § 5 Abs. 1 UWG irreführend, wenn das Verständnis, das sie bei den
angesprochenen Verkehrskreisen erweckt, mit den tatsächlichen Verhältnissen
nicht übereinstimmt (vgl. BGH, Urteil vom 17. Februar 2000 - I ZR 254/97,
GRUR 2000, 911, 913 = WRP 2000, 1248 - Computerwerbung; Urteil vom
20. Januar 2005 - I ZR 96/02, GRUR 2005, 442 = WRP 2005, 474 - Direkt ab
Werk, mwN). Für die Beurteilung, ob eine geschäftliche Handlung irreführend
ist, kommt es darauf an, welchen Gesamteindruck sie bei den maßgeblichen
Verkehrskreisen hervorruft (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2004 - I ZR 222/02,
GRUR 2005, 438, 440 = WRP 2005, 480 - Epson-Tinte; Urteil vom 7. April 2005
- I ZR 314/02, GRUR 2005, 690, 692 = WRP 2005, 886 - Internet-Versandhandel).
31
b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erweckt die Beklagte
bei dem angesprochenen Verbraucher nicht den Eindruck, sie vertrete - wie ein
Versicherungsmakler - bei der Auswahl der in Betracht kommenden Versicherungsprodukte allein seine Interessen. Der Verbraucher werde durch den Inhalt
der überlassenen Beratungs- und Vertragsunterlagen hinreichend darüber informiert, dass die Beklagte das fragliche Versicherungsprodukt in ihrer Eigenschaft als Versicherungsvertreter vermittle. Diese tatrichterliche Würdigung, die
das Revisionsgericht nur darauf überprüfen kann, ob das Berufungsgericht den
Tatsachenstoff verfahrensfehlerfrei ausgeschöpft hat und die Beurteilung mit den
Denkgesetzen und den allgemeinen Erfahrungssätzen in Einklang steht (vgl. BGH,
Urteil vom 18. Oktober 2001 - I ZR 193/99, GRUR 2002, 550, 552 = WRP 2002,
527 Elternbriefe; Urteil vom 11. Dezember 2003 - I ZR 50/01, GRUR 2004, 605,
- 15 -
606 = WRP 2004, 735 - Dauertiefpreise), lässt keinen Rechtsfehler zum Nachteil
der Klägerin erkennen.
32
Der Umstand, dass die Beklagte sowohl in ihrer „Erstkontaktinformation“
als auch in Nr. 1 der Vergütungsvereinbarung auf ihren gewerberechtlichen Status zutreffend hinweist, schließt eine Irreführung allerdings nicht von vornherein
aus. Nach der Rechtsprechung des Senats kann eine geschäftliche Angabe
vielmehr auch dann irreführend und damit unlauter im Sinne des § 5 Abs. 1
UWG sein, wenn sie objektiv richtig ist, ein beachtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise mit ihr aber (gleichwohl) eine unrichtige Vorstellung verbindet (vgl. BGH, Urteil vom 23. Oktober 1997 - I ZR 98/95, GRUR 1998, 1043,
1044 = WRP 1998, 294 - GS-Zeichen; Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5
Rn. 2.70, jeweils mwN). Wie sich jedoch bereits aus den vorangegangenen
Darlegungen (vgl. oben Rn. 22 bis 24) ergibt, erweckt die Beklagte dadurch,
dass sie mit Kunden Vergütungsvereinbarungen schließt, bei diesen nicht den
Eindruck, sie werde als Versicherungsmaklerin tätig. Da dieses Vertriebsmodell
bisher bei der Vermittlung von Versicherungsprodukten durch Versicherungsvertreter ebenso unüblich ist wie bei der Vermittlung durch Versicherungsmakler, die ihre Vergütung regelmäßig ebenfalls vom Versicherer und nicht vom
Versicherungsnehmer erhalten (vgl. dazu BGHZ 94, 356, 359; BGH, Urteil vom
20. Januar 2005 - III ZR 251/04, BGHZ 162, 67, 72; Urteil vom 20. Januar 2005
- III ZR 207/04, VersR 2005, 404), kann nicht angenommen werden, der angesprochene Verbraucher sehe in dem Abschluss einer gesonderten Vergütungsvereinbarung einen Hinweis auf die Maklereigenschaft und den damit verbundenen Pflichtenkreis, insbesondere im Blick auf weitergehende Beratungspflichten bei der Auswahl der abzuschließenden Versicherung (vgl. Reiff, VersR
2012, 645, 652). Sonstige, über den bloßen Abschluss einer selbständigen
Vergütungsvereinbarung hinausgehende Umstände, die eine Irreführung über
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den Status oder die tatsächliche Vermittlungstätigkeit der Beklagten begründen
könnten, hat die Klägerin nicht vorgetragen.
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III. Danach ist die Revision der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97
Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Bornkamm
Pokrant
Kirchhoff
Schaffert
Koch
Vorinstanzen:
LG Dessau-Roßlau, Entscheidung vom 14.10.2011 - 3 O 38/11 OLG Naumburg, Entscheidung vom 24.05.2012 - 9 U 218/11 (Hs) -