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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I ZB 30/10
vom
23. Februar 2012
in der Rechtsbeschwerdesache
betreffend die Marke Nr. 1 177 265
-2-
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Februar 2012 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Pokrant,
Dr. Kirchhoff, Dr. Koch und Dr. Löffler
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den am 15. April 2010 an Verkündungs Statt zugestellten Beschluss des 29. Senats (MarkenBeschwerdesenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der
Antragstellerinnen zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 €
festgesetzt.
Gründe:
1
I. Die Antragstellerinnen haben die Löschung der am 2. August 1990 angemeldeten und am 5. Juni 1991 als im Verkehr durchgesetztes Zeichen für die
Deutsche Postreklame GmbH für
Werbung in Branchen-Fernsprechbüchern; Veröffentlichung und Herausgabe
von Branchen-Fernsprechbüchern
eingetragenen Wortmarke Nr. 1 177 265
Gelbe Seiten
-3-
beantragt. Die Marke wurde am 1. September 1994 auf die DeTeMedien Deutsche Telekom Medien GmbH und am 4. Februar 2009 auf die Markeninhaberin
umgeschrieben.
2
Das Deutsche Patent- und Markenamt hat die Löschung der Marke angeordnet. Auf die Beschwerde der Markeninhaberin hat das Bundespatentgericht den Beschluss des Patent- und Markenamts aufgehoben. Dagegen wendet sich die Antragstellerin zu 2 mit ihrer vom Bundespatentgericht nicht zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der sie die Versagung rechtlichen Gehörs
rügt. Die Antragstellerin zu 1 hat ihre Rechtsbeschwerde nach Einreichung der
Begründung zurückgenommen.
3
II. Das Bundespatentgericht hat angenommen, die Löschungsgründe des
§ 50 Abs. 1 in Verbindung mit § 8 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 MarkenG kämen gemäß
§ 50 Abs. 2 Satz 2 MarkenG nicht in Betracht, weil zwischen dem Eintragungstag am 5. Juni 1991 und dem Eingang der Löschungsanträge am 30. November
2007 mehr als zehn Jahre lägen. Die Löschungsgründe des § 50 Abs. 1 in Verbindung mit § 8 Abs. 2 Nr. 4, 5 und 9 MarkenG lägen ebenfalls nicht vor. Auch
der Löschungsgrund der bösgläubigen Markenanmeldung (§ 50 Abs. 1 i.V.m.
§ 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG) sei zu verneinen. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Deutsche Postreklame GmbH in Kenntnis eines schutzwürdigen
Besitzstandes eines Vorbenutzers ohne zureichenden sachlichen Grund für
gleiche oder gleichartige Waren die gleiche oder zum Verwechseln ähnliche
Bezeichnung mit dem Ziel der Störung des Besitzstandes des Vorbenutzers
oder in der Absicht, für diesen den Gebrauch der Bezeichnung zu sperren, als
Kennzeichen angemeldet habe. Auch der Tatbestand der Erschleichung einer
Marke liege nicht vor.
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III. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
-4-
5
1. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist gemäß
§ 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG auch ohne Zulassung durch das Bundespatentgericht statthaft, da die Antragstellerin zu 2 den im Gesetz aufgeführten, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnenden Verfahrensmangel der Versagung rechtlichen Gehörs rügt und diese Rüge im Einzelnen begründet hat.
6
2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet. Das Verfahren vor
dem Bundespatentgericht verletzt die Antragstellerin zu 2 nicht in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs.
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a) Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens, dass sie Gelegenheit haben, sich zu dem der gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern, und dass
das Gericht das Vorbringen zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht (vgl.
BVerfGE 96, 205, 216 f. mwN).
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b) Die Rechtsbeschwerde rügt ohne Erfolg, das Bundespatentgericht habe den Vortrag der Antragstellerin zu 1 im Kern nicht richtig erfasst, dass die
Deutsche Postreklame GmbH den Begriff "Gelbe Seiten" für die beanspruchten
Dienstleistungen vor der Markenanmeldung nicht markenmäßig benutzt und
deswegen unter den Gesichtspunkten der Störung eines fremden Besitzstandes
oder der Markenerschleichung bösgläubig (§ 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG) angemeldet habe.
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aa) Das Bundespatentgericht hat im Einzelnen ausgeführt, dass es im
Anmeldezeitpunkt keinen schutzwürdigen Besitzstand eines Dritten an dem
Zeichen "Gelbe Seiten" in Deutschland gab.
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bb) Auch den Tatbestand der Markenerschleichung hat das Bundespatentgericht verneint, ohne den Anspruch der Antragstellerin zu 2 auf rechtliches
Gehör zu verletzen.
11
Das Bundespatentgericht hat im Einzelnen begründet, dass die Deutsche
Postreklame GmbH weder bei Anmeldung der Wort-/Bildmarke 1 033 815, auf
deren Eintragung als verkehrsdurchgesetztes Zeichen später bei der Anmeldung der Wortmarke "Gelbe Seiten" Bezug genommen worden ist, noch bei der
Anmeldung dieser Wortmarke Aussagen zu ihren Gunsten manipuliert oder falsche Angaben gemacht hat.
12
Das Bundespatentgericht hat auch das Vorbringen der Antragstellerin
zu 1 zur angeblich fehlenden markenmäßigen Benutzung sowohl im tatbestandlichen Teil seines Beschlusses wiedergegeben als auch ausdrücklich in den
Gründen behandelt. Dabei hat es den Vortrag der Antragstellerinnen nicht verkannt, sondern für unzutreffend gehalten. Das Bundespatentgericht hat die
Feststellung einer markenmäßigen Benutzung für die eingetragenen Dienstleistungen nicht nur auf die Gestaltung der Umschlagseiten der Branchen-Fernsprechbücher, sondern etwa auch auf die Verwendung des Zeichens bei Werbemittelaufdrucken, Sponsoringaktivitäten und Hausfassadenwerbung gestützt.
Ein Gehörsverstoß ist in diesem Zusammenhang nicht ersichtlich.
13
c) Ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, das Bundespatentgericht habe den Vortrag der Antragstellerinnen, die Anmeldung der Wortmarke "Gelbe
Seiten" sei zweckfremd vor allem mit dem Ziel der Behinderung potentieller Mitbewerber erfolgt, nicht hinreichend berücksichtigt und deshalb im Kern nicht
zutreffend erfasst.
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14
Das Bundespatentgericht hat ausführlich dargelegt, dass die Anmelderin
ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Eintragung der Marke hatte und
keine Behinderungsabsicht gegenüber Mitbewerbern verfolgte. Die Rechtsbeschwerde greift lediglich diese Würdigung des Sachverhalts durch das Bundespatentgericht an, was ihr im Verfahren der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde
verwehrt ist.
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d) Das Bundespatentgericht hat auch den Antrag der Antragstellerin
zu 2, zur Frage der Bösgläubigkeit im Zeitpunkt der Anmeldung die Zeugen
N.
,
O.
und
H.
B.
anzuhören,
entgegen
der
Rechts-
beschwerde nicht stillschweigend übergangen. Es hat vielmehr ausdrücklich
von einer Vernehmung dieser Zeugen abgesehen, weil die unter Beweis gestellten Behauptungen entweder unstreitig oder unerheblich seien. Dass diese
Bewertung des Bundespatentgerichts auf einem Verstoß gegen den Anspruch
der Antragstellerin zu 2 auf rechtliches Gehör beruht, legt die Rechtsbeschwerde nicht dar.
16
e) Die Rüge der Rechtsbeschwerde, das Bundespatentgericht habe weiteren Vortrag der Antragstellerin zu 2 zur Bösgläubigkeit der Anmeldung des
angegriffenen Zeichens nicht berücksichtigt oder jedenfalls im Kern nicht richtig
erfasst, ist unbegründet.
17
aa) Das Protokoll der Aufsichtsratssitzung der Deutschen Postreklame
GmbH vom 25./26. November 1968 hat das Bundespatentgericht zur Kenntnis
genommen und lediglich anders gewürdigt, als es die Rechtsbeschwerde für
richtig hält. Im Übrigen ist ein Protokoll aus dem Jahr 1968 für eine Behinderungsabsicht bei einer Markenanmeldung im Jahr 1990 wenig aussagekräftig.
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18
bb) Der Ende der 1960er Jahre veröffentlichte Werbeflyer belegt lediglich, dass Begriffe wie "Gelbe Seiten", "Yellow Pages" oder "Page d'Or" schon
zu diesem Zeitpunkt in verschiedenen Staaten verwendet wurden. Für die hier
allein maßgebliche Frage, ob die aufgrund Verkehrsdurchsetzung in Deutschland eingetragene Marke bösgläubig angemeldet wurde, ist das unerheblich.
Das Bundespatentgericht hatte deshalb keinen Anlass, sich ausdrücklich mit
diesem Werbeflyer zu befassen.
19
cc) Von vornherein ungeeignet für den Nachweis einer Behinderungsabsicht im Jahr 1990 ist auch das Schreiben der Geschäftsleitung der Deutschen
Postreklame GmbH an das Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen vom 6. August 1974. Der dort beschriebene Sachverhalt, dass die Deutsche Postreklame GmbH nur mit bestimmten Vertragsverlegern zusammenarbeite, kann den Vorwurf einer bösgläubigen Markenanmeldung in Behinderungsabsicht im Jahr 1990 nicht begründen. Dem stünde auch schon die vom
Bundespatentgericht festgestellte Benutzungsabsicht der Deutschen Postreklame GmbH für die angemeldete Marke entgegen. Das Bundespatentgericht
brauchte daher in den Gründen seiner Entscheidung nicht ausdrücklich auf das
Schreiben vom 6. August 1974 einzugehen.
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f) Schließlich macht die Rechtsbeschwerde vergeblich geltend, der angefochtene Beschluss verletze die Antragstellerin zu 2 deshalb in ihrem Anspruch
auf Gewährung rechtlichen Gehörs, weil das Bundespatentgericht im Rahmen
seiner Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde Vortrag der
Antragstellerin zu 1 nicht hinreichend berücksichtigt und zudem einen falschen
Hinweis gegeben habe.
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aa) Das Bundespatentgericht hat den betreffenden Vortrag im Tatbestand des angefochtenen Beschlusses wiedergegeben und bei seiner Zulassungsentscheidung in der Sache behandelt.
22
bb) Auch eine gehörswidrige Überraschungsentscheidung liegt in diesem
Zusammenhang nicht vor. Das Bundespatentgericht hat mit Hinweis vom 3. Mai
2010 klargestellt, dass die Zulassung der Rechtsbeschwerde entgegen dem
Vorbringen der Antragstellerin zu 1 in ihrer Anhörungsrüge vom 27. April 2010
in der mündlichen Verhandlung am 3. März 2010 nicht als sicher dargestellt
worden sei. Die Antragstellerin zu 2 hatte deshalb Anlass, von sich aus alle für
eine Zulassung der Rechtsbeschwerde sprechenden Gründe vorzutragen.
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cc) Die Ausführungen der Rechtsbeschwerde dazu, was die Antragstellerin zu 2 zur Zulassungsfrage noch ergänzend vorgetragen hätte, wären zudem
ungeeignet gewesen, das Bundespatentgericht zu einer abweichenden Zulassungsentscheidung zu bewegen. Denn die beiden von der Rechtsbeschwerde
angeführten Zulassungsgründe beruhen auf Prämissen, die im Widerspruch zu
den Feststellungen des Bundespatentgerichts stehen. Weder hat das Bundespatentgericht eine Nutzung der Marke ausschließlich in der Werbung für Branchen-Fernsprechbücher angenommen, noch ist es davon ausgegangen, dass
die Marke nur für ein Produkt und nicht für eine Dienstleistung benutzt worden
sei.
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24
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Abs. 2 Satz 1 MarkenG.
Bornkamm
Pokrant
Koch
Kirchhoff
Löffler
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 13.04.2010 - 29 W (pat) 85/10 -