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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
AnwZ (Brfg) 16/11
Verkündet am:
2. Juli 2012
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache
wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
- 2 -
Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat auf die mündliche Verhandlung vom 2. Juli
2012 durch den Vorsitzenden Richter am Bundes-
gerichtshof Prof. Dr. Kayser, den Richter Seiters und die Richterin Dr. Fetzer
sowie die Rechtsanwälte Dr. Frey und Dr. Martini
für Recht erkannt:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. Januar 2011 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf
50.000 € festgesetzt.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Rechtsanwaltszulassung wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Berufung des Klägers.
- 3 -
Entscheidungsgründe:
2
Die Berufung ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Der Senat hat in seinem Zulassungsbeschluss vom 9. Januar 2012 darauf hingewiesen, dass es fraglich sei, ob allein die im angefochtenen Urteil angeführten Umstände den Widerruf rechtfertigten, und dass er deshalb im weiteren Verfahren
prüfen werde, ob sich aus dem Inhalt des Schreibens der Gerichtsvollzieherin
R.
vom 13. Dezember 2010 und den von der Beklagten mitgeteilten weite-
ren Vollstreckungsverfahren ableiten lasse, dass sich der Kläger bereits zum
maßgeblichen Zeitpunkt des ihm am 15. Juli 2010 zugestellten Widerrufsbescheids vom 9. Juli 2010 in Vermögensverfall befunden habe. Diese Prüfung
führt zur Bestätigung der angefochtenen Entscheidung; der Widerruf ist mit
Recht erfolgt.
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1. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist,
es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet
sind. Ein Vermögensverfall ist gegeben, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete
schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht
ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und
Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse
vom 31. Mai 2010 - AnwZ (B) 27/09, ZInsO 2010, 1380 Rn. 4 und 18. Juli 2011
- AnwZ (B) 52/10, juris Rn. 3, jeweils m.w.N.). Liegen Anzeichen dafür vor, dass
der Rechtsanwalt nur wirtschaften kann, indem er neue Schulden auflaufen
lässt, und zahlt er seine Schulden über einen gewissen Zeitraum lediglich unter
dem Druck des Widerrufs einer Zulassung oder von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, kann der Nachweis eines Vermögensverfalls regelmäßig als ge-
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führt angesehen werden. Geordnete Vermögensverhältnisse setzen demgegenüber voraus, dass der Rechtsanwalt über die Tilgung oder zumindest geordnete Rückführung seiner Schulden hinaus erreicht, dass dauerhaft keine
neuen Verbindlichkeiten auflaufen, deren ordnungsgemäße Begleichung nicht
durch entsprechende Geldmittel oder eingehaltene Vereinbarungen mit Gläubigern sichergestellt ist (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 21. März 2011
- AnwZ (B) 97/09, juris Rn. 9 a.E. und 18. Juli 2011, aaO Rn. 9).
4
2. Bei der insoweit gebotenen Gesamtwürdigung ist davon auszugehen,
dass sich der Kläger bereits bei dem hier maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses
des Widerrufsbescheids vom 9. Juli 2010 in Vermögensverfall befand.
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a) Gegen den Kläger ist am 18. September 2008 ein rechtskräftiges Versäumnisurteil des Amtsgerichts S.
verurteilt wurde, an die G.
(
C
) ergangen, durch das er
Versicherung AG 1.785 € nebst
7 % Zinsen seit dem 30. November 2007 zu zahlen. Streitgegenständlich war
ein Anspruch auf Zahlung einer Geschäftsgebühr gemäß § 40 Abs. 2 VVG wegen Nichtzahlung der Prämie gemäß § 38 Abs. 1 VVG. Die Gläubigerin hat aus
dem Urteil und den Kostenfestsetzungsbeschlüssen des Amtsgerichts S.
vom 5. Dezember 2008 sowie 27. April 2009 die Zwangsvollstreckung über eine
Gesamtforderung von 2.322,43 € betrieben (DR
R.
6
, Gerichtsvollzieherin
).
Die Auffassung des Klägers, diese Vollstreckungsmaßnahme sei im
Rahmen des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO unbeachtlich, weil für Ansprüche der Berufshaftpflichtversicherung der Widerrufsgrund nach § 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO lex
specialis sei, ist unzutreffend. Zum einen ging es nach dem persönlichen
Schreiben des Klägers vom 23. Mai 2011 bei der Forderung nicht um die allge-
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meine Berufshaftpflichtversicherung (§ 51 BRAO), sondern um eine für ein Beratungsmandat abgeschlossene zusätzliche Einzelversicherung. Zum anderen
stände der Umstand, dass es ein Rechtsanwalt zu Vollstreckungen seines Berufshaftpflichtversicherers kommen lässt, einer Berücksichtigung im Rahmen
von § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO nicht entgegenstehen, auch wenn der Versicherer
den Zahlungsrückstand noch nicht zum Anlass für eine Kündigung genommen
hat und deshalb der Widerruf nicht auf § 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO gestützt werden
könnte.
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Die Richtigkeit der Behauptung des Klägers, im Innenverhältnis habe die
Mandantin die Prämie bezahlen sollen, hier habe es aber Streit gegeben, kann
dahinstehen. Denn dies entlastet den Kläger nicht. Zu einem Gerichtsverfahren
mit anschließender Zwangsvollstreckung durfte er es keinesfalls kommen lassen, dies auch dann nicht, wenn er - wie ohne Nachweise geltend gemacht zeitweilig an einem "Burn-Out-Syndrom" gelitten haben sollte.
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Soweit der Kläger behauptet, ohne dies allerdings trotz mehrfacher Aufforderung der Beklagten bis heute zu belegen, dass die Zwangsvollstreckung
bereits vor dem Widerruf "erledigt" worden sei, ist aufgrund der folgenden Ausführungen gleichwohl davon auszugehen, dass er bereits zum Zeitpunkt des
Widerrufs in ungeordneten Vermögensverhältnissen lebte und nicht in der Lage
war, seinen Verpflichtungen ordnungsgemäß nachzukommen.
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b) Mit Schriftsatz vom 24. März 2010 haben die Rechtsanwälte D.
und Partner nach vorangegangenem Mahnverfahren gegen den Kläger Ansprüche auf Teilung anwaltlicher Gebühren aus einer Untervollmacht gemäß Kostenrechnung vom 10. August 2009 über 602,74 € nebst Zinsen in Höhe von
8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. September 2009 gel-
- 6 -
tend gemacht. Wie sich aus der Aufstellung der Gerichtsvollzieherin R.
(siehe nachfolgend zu c) ergibt, ist es zu einer Titulierung mit anschließender
Zwangsvollstreckung gekommen.
10
Mit Schriftsatz vom 9. Juni 2010 haben die Rechtsanwälte Me.
nach
vorangegangenem Mahnverfahren gegen den Kläger Ansprüche im Zusammenhang mit einer Terminswahrnehmung gemäß Kostenrechnung vom 24. Januar 2007 über 221,25 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem
1. März 2007 geltend gemacht. Wie aus der Aufstellung der Gerichtsvollzieherin
R.
folgt, ist es zu einer Titulierung mit anschließender Zwangsvollstreckung
gekommen.
11
Soweit der Kläger in seinem persönlichen Schreiben vom 23. Mai 2011
zu diesen beiden Verfahren angemerkt hat, die Anwaltskosten hätten seine
Mandanten tragen müssen, entlastet dies ihn nicht. Zu einem Gerichtsverfahren
mit anschließender Zwangsvollstreckung durfte er es nicht kommen lassen.
12
Mit Klage vom 12. Juli 2010 hat der Steuerberater L.
den Kläger
aus einer Bürgschaft auf Zahlung von 5.794,19 € nebst Zinsen in Höhe von
8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 5.702,80 € seit dem 18. Mai
2010 und aus 91,39 € seit dem 3. Juli 2010 in Anspruch genommen. Schuldnerin der Hauptverbindlichkeit ist die M.
GmbH & Co. KG; der Kläger ist Ge-
schäftsführer (inzwischen Liquidator) der Komplementärin und Alleingesellschafter. Soweit der Kläger in seinem persönlichen Schreiben vom 23. Mai
2011 vorgetragen hat, nach Titulierung sei eine Ratenzahlungsvereinbarung
zwischen dem Gläubiger und der KG vereinbart worden, ist diese offenbar
überholt; denn der Gläubiger hat gegen den Kläger und die KG im Herbst 2011
die Zwangsvollstreckung eingeleitet (siehe d).
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c) Unter dem 13. Dezember 2010 hat die Gerichtsvollzieherin R.
fol-
gende den Kläger betreffende Zwangsvollstreckungsverfahren mitgeteilt:
"DR
Telefonbuchverlag, Forderung ca. 600 €;
DR
Gläubiger RAe E.
bez. an GV für Privatanschrift;
und Partner, Forderung ca. 4.000 €,
DR
zahlt;
, Forderung wurde vom Schuldner be-
Gläubiger RAe D.
DR
Gläubiger Su.
rückgenommen;
Telefonbuchverlag, Auftrag wurde zu-
DR
, Forderung ca. 300 €;
DR
bezahlt;
DR
14
Gläubiger Su.
Gläubiger RA Me.
Gläubiger RA Me.
Gläubigerin OJK H.
, Forderung wurde vom Schuldner
, Forderung ca. 30 €."
Dieses Schreiben ist dem Kläger vom Anwaltsgerichtshof zur Kenntnis
und eventuellen Gegenerklärung übermittelt worden. Der Kläger hat sich jedoch
nicht geäußert und ist im Termin vor dem Anwaltsgerichtshof am 21. Januar
2011, zu dem sein persönliches Erscheinen angeordnet worden war, auch nicht
erschienen. Er hat im Übrigen - trotz mehrfacher Aufforderungen - weder gegenüber der Beklagten noch gegenüber dem Anwaltsgerichtshof zu seinen
Vermögensverhältnissen substantiiert und umfassend Stellung genommen.
Auch nachdem der Senat in seinem Zulassungsbeschluss vom 9. Januar 2012
auf das Schreiben der Gerichtsvollzieherin ausdrücklich Bezug genommen hat,
hat sich der Kläger in seiner Berufungsbegründung, die inhaltlich lediglich die
Begründung des Zulassungsantrags wiederholt, hierzu nicht geäußert.
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d) Am 28. Februar 2011 (DR
) hat der Obergerichtsvollzieher K.
mitgeteilt, dass die Oberjustizkasse H.
gegen den Kläger einen weiteren
Vollstreckungsauftrag über 238 € erteilt hat, darunter 18 € fällig bereits seit 28.
Juli 2008. Am 25. Mai 2011 (DR
) hat die Gerichtsvollzieherin Sch.
angezeigt, dass in der Zwangsvollstreckungssache Su.
GmbH und De.
Telefonbuchverlag
GmbH ein Antrag auf Pfän-
dung und Abnahme der eidesstattlichen Versicherung vorliegt; die Vollstreckung wird gegen den Kläger wegen 553,59 € zzgl. Kosten betrieben. Ferner
liegt nach dieser Mitteilung ein Antrag auf Verhaftung des Klägers in seiner Eigenschaft
M.
als
Vertreter
der
von
ihm
als
vermögend
beschriebenen
GmbH & Co. KG vor; insoweit betreibt das Bundesamt für Justiz (Justizbei-
treibungsstelle) die Zwangsvollstreckung wegen 2.521,50 € zzgl. Kosten (DR
). Am 19. Juli 2011 (DR
) hat dieselbe Gerichtsvollzieherin an-
gezeigt, dass in der Zwangsvollstreckungssache Sche.
ein Antrag auf Pfän-
dung und Abnahme der eidesstattlichen Versicherung vorliegt; die Vollstreckung wird gegen den Kläger wegen 7.240,22 € zzgl. Kosten betrieben. Am
3. August 2011 (DR
) hat der Obergerichtsvollzieher K.
teilt, dass in der Zwangsvollstreckungssache A.
mitge-
GmbH gegen den Klä-
ger ein neuer Vollstreckungsauftrag über 262,46 € erteilt wurde. Am 16. September 2011 (Amtsgericht S.
M
o.a. Sache des Gläubigers Sche.
2011 hat das Amtsgericht (
) ist gegen den Kläger in der
Haftbefehl ergangen. Am 20. September
M
) in derselben Angelegenheit einen
Pfändungs- und Überweisungsbeschluss über 12.124,21 € zzgl. Zinsen und
Kosten übermittelt; die Hauptforderung von 10.692,75 € stammt aus einem Versäumnisurteil des Landgerichts Ha.
dem 5. Oktober 2011 (DR
(
O
) vom 19. März 2010. Unter
) hat die Gerichtsvollzieherin Sch.
geteilt, dass in der Zwangsvollstreckungssache L.
und die M.
mit-
gegen den Kläger
GmbH & Co. KG Antrag auf Pfändung und Abnahme der eides-
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stattlichen Versicherung gestellt worden ist; die Zwangsvollstreckung wird wegen 1.389,69 € zzgl. Kosten betrieben. Ferner hat das Bundesamt für Justiz
(Vollstreckungsstelle) gegen den Kläger als Vertreter der M.
GmbH & Co. KG
einen Antrag auf Pfändung und Abgabe der eidesstattlichen Versicherung wegen 53,50 € und Kosten gestellt (DR
, Gerichtsvollzieherin Sch.
Am 17. November 2011 hat die Staatsanwaltschaft Ha.
Amtsgericht Ha.
gegen den Kläger bezüglich der M.
(
Js
).
) beim
GmbH & Co. KG und
ihrer Komplementärin einen Strafbefehl wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung beantragt; nach dem Inhalt des Antrags sind gegen die Komplementärin fünf, gegen die KG drei Haftbefehle wegen fälliger Forderungen seit
Anfang 2010 ergangen. Ferner ermittelt die Staatsanwaltschaft (
Js
) vor dem Hintergrund, dass für die Komplementärin seit 2003, für die
KG in 2009 keine Bilanzen mehr erstellt wurden, gegen den Kläger wegen
Bankrotts. Am 22. November 2011 hat das Amtsgericht S.
in der Zwangsvollstreckungssache der Stadt Mü.
(
M
)
(Stadtkasse) gegen den
Kläger eine Durchsuchung der Wohnung und Geschäftsräume des Klägers angeordnet. Am 29. November 2011 hat das Amtsgericht S.
in der o.a. Sache L.
(DR
M
)
Haftbefehl gegen den Kläger erlassen. Am 12. De-
zember 2011 hat der Obergerichtsvollzieher K.
chen Sche.
(
) und L.
bezüglich der o.a. Sa-
(DR
) den Eingang er-
neuter Verhaftungsaufträge und im Übrigen mitgeteilt, dass ihm ein Vollstreckungsauftrag (DR
) der Rechtsanwälte Kö.
& Partner vorliege,
der eine Forderung über zur Zeit 43.578,65 € betreffe, die aus einem Vergleich
des Landgerichts Ha.
vom 1. Februar 2008 (
O
) resultiere. Zur Zeit ist
der Kläger weiter im Schuldnerverzeichnis eingetragen. Ergänzend ist auf die
von der Beklagten überreichten "Übersichten" zu verweisen, die weitere
Zwangsvollstreckungsverfahren gegen den Kläger ausweisen.
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e) Dieser Ablauf, den die Beklagte zum Anlass genommen hat, unter
dem 29. Februar 2012 vorsorglich erneut die Zulassung des Klägers wegen
Vermögensverfalls zu widerrufen, zeigt, dass die klägerseits behaupteten "bestens geordneten" Vermögensverhältnisse schon im Juli 2010 nicht vorlagen.
Diverse der titulierten und in die Zwangsvollstreckung gegangenen Forderungen reichen bis in die Zeit vor Erlass des Widerrufsbescheids zurück. Obwohl
der Senat in seinem Zulassungsbeschluss vom 9. Januar 2012 auf die weiteren
Vollstreckungsmaßnahmen ausdrücklich Bezug genommen hat, hat sich der
Kläger in seiner Berufungsbegründung hierzu nicht geäußert. Bei der gebotenen Gesamtwürdigung ist nach alledem der Schluss gerechtfertigt, dass der
Kläger schon zum Zeitpunkt des Widerrufs - und nicht erst jetzt - nur wirtschaften konnte, indem er immer wieder neue Schulden auflaufen ließ, und dass seine Vermögensverhältnisse nicht geordnet waren. Soweit sich der Kläger in seinem persönlichen Schreiben vom 23. Mai 2011 - allerdings ohne Beifügung irgendwelcher Belege - als "vermögend" darstellt, steht dies der Annahme eines
Vermögensverfalls nicht entgegen. Die in diesem Zusammenhang erfolgten
Hinweise auch auf seine Beteiligung an der M.
GmbH & Co. KG sind ange-
sichts der Vermögenslage dieser Gesellschaft und ihrer Komplementärin ohnehin nicht nachvollziehbar. Denn ungeachtet dessen ist es in der Vergangenheit
zu zahlreichen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gekommen. Selbst unter
dem massiven Druck des ihm drohenden Berufsverlusts ist der Kläger ersichtlich nicht willens oder in der Lage, seinen Verbindlichkeiten korrekt nachzukommen und seine Vermögensverhältnisse dauerhaft zu konsolidieren. Von
geordneten Vermögensverhältnissen kann deshalb trotz etwa vorhandenen
Vermögens nicht ausgegangen werden. Vielmehr lag bereits im Juli 2010 Vermögensverfall vor.
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3. Die - im Übrigen ohne nähere Erläuterung - erhobene Rüge, es fehle
an einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden, ist unbegründet.
Nach der gesetzlichen Regelung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wird die Gefährdung bei Vermögensverfall indiziert. Zwar ist dies nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen, nach dem die Gefährdung zwangsläufig und ausnahmslos
schon aus dem Vermögensverfall folgt. Die Gefährdung wird aber im nach der
gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse des Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden können, wobei den Rechtsanwalt die
Feststellungslast trifft (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 25. Juni 2007 - AnwZ (B)
101/05, NJW 2007, 2924 Rn. 8, vom 8. Februar 2010 - AnwZ (B) 67/08, AnwBl.
2010, 442 Rn. 11 und vom 18. Oktober 2010 - AnwZ (B) 21/10, juris Rn. 10).
Denn ein Rechtsanwalt, der seine Vermögensverhältnisse nicht in den Griff bekommt und es selbst bezüglich kleinerer Forderungen zu Vollstreckungsmaßnahmen kommen lässt, ist nicht selten in besonders starker Versuchung, sich
selbst an Geldern seiner Mandanten zu vergreifen, oder außerstande, gezahlte
Vorschüsse zurückzuzahlen. Jedenfalls aber besteht die Gefahr, dass seine
Gläubiger im Wege der Pfändung auf Gelder zugreifen, die für die Mandanten
bestimmt sind (vgl. auch Schmidt-Räntsch in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches
Berufsrecht, § 14 BRAO Rn. 39 m.w.N.). Für das Bestehen eines Ausnahmefalls fehlt hier jeglicher Anhaltspunkt. Lediglich ergänzend verweist der Senat
darauf, dass der Kläger mit Strafbefehl des Amtsgerichts S.
2006 (
Js
vom 2. Mai
) wegen gemeinschaftlichen Betrugs in drei Fällen zu einer
Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt wurde und das Anwaltsgericht für
den Bezirk der Rechtsanwaltskammer H.
(EV
) am 21. November
2007 gegen ihn insoweit einen Verweis und eine Geldbuße von 12.500 € verhängt hat.
- 12 -
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4. Entgegen der Auffassung des Klägers verstößt der Widerruf nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Die Regelung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist verfassungsgemäß (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 12. Februar 2001 - AnwZ (B)
7/00, juris Rn. 13, vom 17. Oktober 2005 - AnwZ (B) 73/04, NJW-RR 2006, 859,
vom 24. März 2011 - AnwZ (Brfg) 4/11, juris Rn. 9 und vom 22. Juni 2011
- AnwZ (Brfg) 12/11, juris Rn. 6; BVerfG, NJW 2005, 3057 zur Parallelvorschrift
des § 50 Abs. 1 Nr. 6 BNotO); die Tatbestandsvoraussetzungen für den Widerruf liegen wie ausgeführt vor.
II.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m.
§ 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
Kayser
Seiters
Frey
Fetzer
Martini
Vorinstanz:
AGH Hamm, Entscheidung vom 21.01.2011 - 1 AGH 75/10 -