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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
AnwZ (B) 73/05
vom
25. September 2006
in dem Verfahren
wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
-2-
Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Präsidenten
des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Hirsch, den Vorsitzenden Richter Basdorf, die
Richter Dr. Ernemann und Dr. Schmidt-Räntsch, den Rechtsanwalt Dr. Wüllrich
und die Rechtsanwältinnen Dr. Hauger und Kappelhoff
nach mündlicher Verhandlung am 25. September 2006
beschlossen:
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss
des I. Senats des Anwaltsgerichtshofs Berlin vom 11. Juli 2005
wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und
der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf
50.000 € festgesetzt.
Gründe:
I.
1
Der Antragsteller wurde am 25. Juni 1982 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Am 3. August 2004 wurde die Antragsgegnerin von dem zentralen
Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts Sch.
darüber unterrichtet, dass
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gegen den Antragsteller sieben Haftbefehle zur Abgabe der eidesstattlichen
Versicherung erlassen worden waren, denen titulierte Forderungen von mehr
als 1 Mio. € zugrunde lagen. Der dazu angehörte Antragsteller teilte mit, es
handele sich im Wesentlichen um Forderungen aus der Auseinandersetzung
einer früheren Sozietät. Zu seinen Absichten und Möglichkeiten der Rückführung der den Haftbefehlen zugrunde liegenden Verbindlichkeiten äußerte er
sich nicht. Mit Bescheid vom 10. November 2004 widerrief die Antragsgegnerin
die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft. Dieser Bescheid wurde dem Antragsteller am 20. November 2004 zugestellt.
2
Dagegen hat der Antragsteller am 17. Januar 2005 Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen
die Versäumung der Antragsfrist beantragt. Der Anwaltsgerichtshof hat das
Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige
Beschwerde des Antragstellers, in welcher dieser die Aufhebung von fünf der
sieben Haftbefehle und die Möglichkeit darlegt, rechtskräftig titulierte Verbindlichkeiten von über 1,5 Mio. € durch monatliche Zahlungen von zusammen
2.500 € und Abstandszahlungen von zusammen 180.000 € vergleichsweise zu
bereinigen.
II.
3
Das Rechtsmittel ist zulässig (§§ 22 Abs. 2 FGG, 42 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4
Satz 1 BRAO), bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.
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1. Gegen die Versäumung der in § 16 Abs. 5 BRAO bestimmten Frist zur
Stellung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung ist dem Antragsteller nach
§ 22 Abs. 2 FGG, der gemäß § 40 Abs. 4 BRAO entsprechende Anwendung
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findet (Senat, Beschl. v. 19. Januar 1981, AnwZ (B) 24/80, BRAK-Mitt. 1981,
30, 31), auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren,
wenn er den Antrag auf gerichtliche Entscheidung binnen zwei Wochen nach
der Beendigung des Hindernisses stellt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht.
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2. Diese Voraussetzungen hat der Anwaltsgerichtshof im Ergebnis zu
Recht verneint.
6
a) Der Antragsteller hat seinen Wiedereinsetzungsantrag nicht rechtzeitig
gestellt. Zwar will er erst am 12. Januar 2005 davon erfahren haben, dass der
beabsichtigte Antrag auf gerichtliche Entscheidung nicht gestellt worden war.
Auf diesen Zeitpunkt kommt es aber für die Berechnung der Wiedereinsetzungsfrist nicht an. Maßgeblich ist vielmehr der Zeitpunkt, zu dem der Beteiligte
oder sein Verfahrensbevollmächtigter bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt
hätte erkennen können und müssen, dass die Rechtsmittelfrist versäumt war
(BGH Beschl. v. 13. Mai 1992, VIII ZB 3/92, NJW 1992, 2098, 2099; Beschl. v.
12. November 1997, XII ZB 66/97, NJW-RR 1998, 1218, 1219). Das war hier
der 22. Dezember 2004. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung musste spätestens mit Ablauf des 20. Dezember 2004 bei dem Anwaltsgerichtshof eingereicht worden sein. Der Antragsteller konnte angesichts der Bedeutung der Sache für ihn spätestens am 21. Dezember 2004 mit einer entsprechenden Nachricht seines Verfahrensbevollmächtigten hierüber rechnen. Da eine solche
Nachricht nicht erfolgt war, war am 22. Dezember 2004 eine Nachfrage bei seinem Verfahrensbevollmächtigten angezeigt, bei der das Versäumnis offenbar
geworden wäre und die notwendigen Schritte hätten ergriffen werden können.
Diese ist unterblieben. Sie wäre auch möglich gewesen. Der Antragsteller war
zwar schon länger erkrankt. Diese Erkrankung hatte ihn nach seiner eidesstatt-
-5-
lichen Versicherung vor dem Senat vom 7. Januar 2006 nicht an zwei beschwerlichen Reisen nach M.
gehindert und sich auch erst am 24. De-
zember 2004 verschlimmert.
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b) Die Versäumung der Antragsfrist war auch nicht unverschuldet, weil
es der Antragsteller an der gebotenen Sorgfalt hat fehlen lassen.
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aa) Er hat davon abgesehen, seinen Verfahrensbevollmächtigten unmittelbar selbst zu beauftragen. Das hätte aber nahe gelegen, weil die Stellung
des Antrags auf gerichtliche Entscheidung für ihn, wie bereits erwähnt, von
existentieller Bedeutung war und angesichts der bevorstehenden Weihnachtsfeiertage Verzögerungen absehbar waren. Eine solche Beauftragung war dem
Antragsteller auch möglich. Er hätte seinen Verfahrensbevollmächtigten etwa
anrufen oder bei seinen Besuchen in dem unweit entfernt liegenden M.
auch selbst aufsuchen können, wenn er stattdessen einen umständlicheren und
risikoträchtigeren Übermittlungsweg wählte, hätte er sich auf jeden Fall
vergewissern müssen, dass der Antrag fristgerecht gestellt worden ist.
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bb) Auch wäre es geboten gewesen, bei Ausbleiben jeder Reaktion seines Verfahrenbevollmächtigten vor dem Ablauf der Antragsfrist nach dem Stand
dieser für den Antragsteller doch entscheidenden Angelegenheit nachzufragen.
Anlass zu einer solchen Nachfrage bestand schon am 11. Dezember 2004, als
der Antragsteller nach seiner eidesstattlichen Versicherung vom 7. Januar 2006
seinen Steuerberater ein zweites Mal in M.
aufsuchte und noch keine
Nachricht von seinem Verfahrensbevollmächtigten hatte. Sie war aber jedenfalls am 16. Dezember 2004 angezeigt. Die Antragsfrist lief nämlich zu Beginn
der Weihnachtswoche 2004 ab. Der Antragsteller musste deshalb damit rechnen, dass sein Verfahrensbevollmächtigter wegen der bevorstehenden Weih-
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nachtsfeiertage fristwahrende Maßnahmen nur noch am Freitag, dem 17. Dezember 2004, würde veranlassen können.
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cc) Jedenfalls hat der Antragsteller die Versäumung der Frist dadurch
verschuldet, dass er den Antrag auf gerichtliche Entscheidung am 20. Dezember 2004 nicht selbst gestellt hat. Er wollte den Widerrufsbescheid der Antragsgegnerin nicht hinnehmen und gegen ihn Antrag auf gerichtliche Entscheidung
stellen. Damit meinte er zwar, seinen Verfahrensbevollmächtigten beauftragt zu
haben. Von diesem hatte er aber keine Nachricht über die Stellung des Antrags,
was bei einer Angelegenheit wie der vorliegenden ungewöhnlich ist. Dies gebot,
den Antrag fristwahrend selbst zu stellen. Dazu war auch nur die Anfertigung
eines kurzen Schriftsatzes mit dem fristwahrenden Antrag auf gerichtliche Entscheidung und der Ankündigung einer näheren Begründung erforderlich. An
wen dieser Antrag zu richten war, ergab sich aus der dem Bescheid beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung und war für den Antragsteller als Rechtsanwalt
auch von Berufs wegen ohne weiteres zu erkennen und ihm jedenfalls zu diesem Zeitpunkt auch zuzumuten (vgl. Senat, Beschl. v. 30. Oktober 1995, AnwZ
(B) 25/95, BRAK-Mitt. 1996, 79). Weshalb seine Erkrankung den Antragsteller
oder seine in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bekundete Scheu,
diesen Vorgang in seinem Büro behandeln zu lassen, ihn gehindert haben
könnten, einen derart einfachen Schriftsatz aufzusetzen und bei dem Anwaltsgerichtshof einzureichen, ist nicht erkennbar.
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3. Auf ein Verschulden seines Steuerberaters kommt es bei dieser Sach-
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lage nicht an.
Hirsch
Basdorf
Wüllrich
Ernemann
Hauger
Schmidt-Räntsch
Kappelhoff
Vorinstanz:
AGH Berlin, Entscheidung vom 11.07.2005 - I AGH 2/05 -