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Nachschlagewerk: ja
BGHSt
: nein
Veröffentlichung : ja
StPO § 105
Die Rüge unzulässiger Verwertung von Durchsuchungsfunden
erfordert einen Widerspruch in der Hauptverhandlung.
BGH, Urteil vom 9. Mai 2018
5 StR 17/18
LG Hamburg
ECLI:DE:BGH:2018:090518U5STR17.18.0
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 17/18
vom
9. Mai 2018
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
ECLI:DE:BGH:2018:090518U5STR17.18.0
-2-
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. Mai 2018,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Sander
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. König,
Dr. Berger,
Prof. Dr. Mosbacher,
Köhler
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin als Gruppenleiterin
als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
-3-
für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 9. Oktober 2017 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
- Von Rechts wegen -
Gründe:
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „unerlaubten bewaffneten
Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet
sich die mit einer Verfahrensrüge und der Verletzung materiellen Rechts begründete Revision des Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft hat ihre auf die
Nichtanordnung einer Einziehung beschränkte Revision im Hinblick auf das Urteil des Senats vom 10. April 2018 (5 StR 611/17) vor der Hauptverhandlung
zurückgenommen. Die Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts bewohnte der Angeklagte
unangemeldet eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus in Hamburg. Diese
diente als Lagerstätte und Umschlagplatz für umfangreichen Drogenhandel.
Nach Bestellung von Betäubungsmitteln wie Marihuana, Haschisch, MDMA,
Amphetamin und Kokain im „Darknet“ portionierte der Angeklagte gemäß einer
ihm von einem unbekannten Mittäter verschlüsselt überlassenen Liste die Drogen aus dem in der Wohnung vorgehaltenen Vorrat, verpackte sie luftdicht und
machte sie versandfertig. Hierfür erhielt er eine Entlohnung in unbekannter Höhe. Bei einer Durchsuchung wurden in der Wohnung ca. 3,7 kg Marihuana
-4-
(365,3 g THC), ca. 266 g Haschisch (35,21 g THC), ca. 1,8 kg MDMA (1,151 kg
MDMA-Base), ca. 8,4 kg Amphetamine (794 g Amphetamin-Base) und ca. 3 g
Kokain gefunden. An der Wohnungstür im Flur stand ein Schuhschrank, auf
dem sich in einer Schale offen sichtbar eine Dose Pfefferspray befand. Dieses
diente – wie der Angeklagte wusste – der Sicherung der illegal gelagerten Betäubungsmittel.
3
2. Die Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg.
4
a) Die auf ein Beweisverwertungsverbot gerichtete Verfahrensrüge ist
unzulässig, weil sie nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO
entspricht. Danach muss der Revisionsführer sämtliche Tatsachen unterbreiten,
die das Revisionsgericht für die Prüfung benötigt, ob – den Vortrag als zutreffend unterstellt – die erhobene Rüge Erfolg haben kann; zudem muss die Angriffsrichtung
der
Rüge
klar
sein
(st.
Rspr.,
vgl.
nur
Cirener/Herb,
NStZ-RR 2018, 97 mwN).
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aa) Vorliegend rügt die Revision die Verwertung von in der Wohnung gefundenen Betäubungsmitteln vor folgendem Hintergrund: Die Wohnungsdurchsuchung erfolgte zunächst aufgrund eines gegen den gemeldeten Wohnungsinhaber F.
wegen Betrugsvorwürfen richterlich angeordneten Durchsu-
chungsbeschlusses. Nachdem die Polizei durch eine offenstehende Tür die
Wohnung betreten, niemanden angetroffen, aber zufällig Rauschgift gefunden
und teilweise sichergestellt hatte, wechselte sie das Schloss aus und wartete.
Als der Angeklagte die Wohnung betreten wollte, wurde er festgenommen. Am
nächsten Tag setzten die Polizeibeamten die Durchsuchung fort und stellten
weitere Betäubungsmittel sicher. Der Verwertung der an diesem Tag sichergestellten Beweismittel hatte der Verteidiger in der Hauptverhandlung widersprochen; nur insoweit rügt die Revision einen Verstoß gegen ein Beweisverwertungsverbot.
-5-
6
bb) Der Vortrag zum Widerspruch ist unvollständig. Hängt die Beachtung
eines Beweisverwertungsverbots in der Revisionsinstanz von der Erhebung
eines Widerspruchs in der Hauptverhandlung ab, muss der Revisionsführer
hierzu vollständig vortragen (vgl. Cirener/Herb, aaO, S. 99 mwN).
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(1) Die Erhebung eines Widerspruchs ist auch bei Beweisverwertungsverboten, die aus Fehlern bei einer Wohnungsdurchsuchung resultieren sollen,
Voraussetzung einer entsprechenden Revisionsrüge. Soweit der 2. Strafsenat
– in diesem Punkt nicht tragend – die gegenteilige Auffassung vertreten hat
(vgl. BGH, Urteil vom 6. Oktober 2016 – 2 StR 46/15, BGHSt 61, 266 =
NStZ 2017, 367 m. Anm. Basdorf; offen gelassen von BGH, Urteil vom 18. April 2007 – 5 StR 546/06, BGHSt 51, 285, 296 f.), vermag der Senat dem nicht zu
folgen.
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Beweisverwertungsverbote, die aus einem Verstoß gegen Verfahrensvorschriften bei der Beweisgewinnung abgeleitet werden, werden durch den
jeweiligen Gesetzesverstoß begründet und sind in jeder Lage des Verfahrens
von Amts wegen zu beachten (BGH, Beschlüsse vom 1. Dezember 2016
– 3 StR 230/16, NJW 2017, 1828, 1829 mwN, und vom 22. Februar 2018
– StB 29/17, Rn. 24). Unterlässt es der verteidigte Angeklagte, in der Hauptverhandlung der Beweisverwertung zu widersprechen, führt dies für die Revision
zur Rügepräklusion (BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2014 – 5 StR 176/14,
BGHSt 60, 38, 43 f. mwN; vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 27. September 2016
– 4 StR 263/16, und vom 9. November 2005 – 1 StR 447/05, BGHSt 50, 272).
Das Recht, sich auf das Verwertungsverbot zu berufen, geht verloren, wenn der
verteidigte (oder entsprechend belehrte) Angeklagte in der tatrichterlichen Verhandlung der Verwertung und der ihr vorangehenden Beweiserhebung nicht
widersprochen hat (BGH, Beschluss vom 27. Februar 1992 – 5 StR 190/91,
BGHSt 38, 214, 226 mwN).
-6-
9
Sinn und Zweck der Widerspruchsobliegenheit ist es, auf den Einwand
des Betroffenen hin dem Tatgericht in der Hauptverhandlung die Möglichkeit
und Veranlassung zu geben, dem gerügten Verfahrensfehler freibeweislich im
Einzelnen nachzugehen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. September 2007
– 1 StR 273/07, BGHSt 52, 38, 42 f.). Dem verteidigten Angeklagten (und den
sonst von einem Beweisverwertungsverbot Betroffenen) wird im Interesse der
Schonung von Justizressourcen – orientiert am Subsidiaritätsgedanken – die
frühestmögliche zumutbare Geltendmachung einer Rechtsverletzung abverlangt, um in der Hauptverhandlung vor dem Tatgericht die Frage des Verwertungsverbots eingehend prüfen und gegebenenfalls Abhilfe schaffen zu können
(vgl. ausführlich dazu Basdorf, StV 2010, 414, 416; Mosbacher, FS Rissing-van
Saan, 2011, S. 357 ff. mwN). Dementsprechend folgt die Begründung des Widerspruchserfordernisses nicht aus der Dispositionsbefugnis des Angeklagten,
sondern aus dem Gedanken subsidiären Rechtsschutzes. Eine Differenzierung
des Widerspruchserfordernisses innerhalb unselbständiger Beweisverwertungsverbote überzeugt deshalb nicht (Basdorf, NStZ 2017, 370, 371).
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(2) Es fehlt am Vortrag, welche Betäubungsmittel konkret am 27. April und welche am 28. April 2017 sichergestellt worden sind. Dies hätte sich
mutmaßlich – wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift bemerkt – aus
den von der Revisionsbegründung lediglich in Bezug genommenen Durchsuchungsberichten vom 28. April und 2. Mai 2017 ergeben, deren Inhalt nicht näher mitgeteilt wird. Damit bleibt letztlich unklar, gegen die Verwertung welcher
Betäubungsmittelfunde sich der Widerspruch des Angeklagten in der Hauptverhandlung gerichtet hat und inwieweit die Beweisverwertung überhaupt gerügt
wird.
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b) Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hin deckt keinen
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Die auf rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen tragen den Schuldspruch (vgl. zur
-7Tenorierung BGH, Urteil vom 19. Januar 2017 – 4 StR 334/16 und Beschluss
vom 3. Februar 2015 – 3 StR 632/14). Die Zumessung der Strafe ist angesichts
der Rauschgiftmenge überaus milde.
Sander
König
Mosbacher
Berger
Köhler