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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
5 StR 418/18
vom
28. November 2018
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:281118B5STR418.18.0
-2-
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 28. November 2018 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO sowie analog § 354 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 26. April 2018
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der
gefährlichen Körperverletzung und der versuchten Nötigung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit
vorsätzlicher Körperverletzung, schuldig ist,
b) im Strafausspruch in den Fällen 3 bis 6 und im Gesamtstrafenausspruch mit den dazugehörigen Feststellungen
aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
-3-
Gründe:
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter gefährlicher
Körperverletzung in drei Fällen (Fälle 3, 4 und 6), wegen Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung (Fall 5) und wegen versuchter Nötigung in zwei Fällen,
davon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung (Fälle 1 und
2), zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus dem
Tenor ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349
Abs. 2 StPO.
2
1. Das Landgericht hat in den Fällen 3 bis 6 im Wesentlichen folgende
Feststellungen getroffen:
3
Nachdem der Angeklagte mit dem Versuch, den Nebenkläger T.
Unterstützung des nichtrevidierenden Mitangeklagten K.
sondert Verfolgten G.
mit
und des ge-
unter Anwendung von Gewalt zum Verlassen eines
Busses zu zwingen, am Widerstand des ein Klappmesser mit sich führenden
T. gescheitert war, wollte er sich an diesem unter Mitwirkung seines Mitstreiters K.
für die dabei erlittene Stichverletzung rächen. Während K.
den Nebenkläger festhielt, versuchte der Angeklagte, diesen in Verletzungsabsicht einen Stich mit einem Taschenmesser zu versetzen. T. gelang
es jedoch, den Messerangriff abzuwehren und den Angeklagten vorübergehend
aus dem Bus zu vertreiben (Fall 3).
4
Aus Wut und Rache warf der Angeklagte nun sein Taschenmesser aus
einer Entfernung von etwa zwei Metern mit voller Wucht auf den in der geöffneten Bustür stehenden Nebenkläger. Der Wurf verfehlte jedoch sein Ziel (Fall 4).
-4-
5
Der weiterhin auf das Äußerste verärgerte Angeklagte ließ daraufhin von
dem gesondert Verfolgten G.
ein schlagstockartiges Hartgummiteil, das von
Sportbootfahrern zur Dämpfung von harten Stößen beim Vertäuen an der Anlegestelle verwendet wird (sogenannter Ruckdämpfer), holen, an das er sich
unmittelbar nach dem Messerwurf („nun“) erinnert hatte. Anschließend gab er
den Ruckdämpfer dem Mitangeklagten K.
, der damit weisungsgemäß
mehrfach auf den Nebenkläger einschlug. Dieser erlitt hierdurch Prellungen am
linken Oberarm, am Hinterkopf sowie im Schulter- und Nackenbereich. Zu weitergehenden Verletzungen kam es nicht, weil T.
den Angriff unter Verwen-
dung seines Klappmessers abwehren konnte. K.
floh aus dem Bus,
wobei er den Ruckdämpfer fallen ließ (Fall 5).
6
Der Angeklagte, der mittlerweile den Bus betreten hatte, hob den Ruckdämpfer auf und warf ihn aus einer Entfernung von zwei bis drei Metern in Verletzungsabsicht in Richtung des Kopfes des Nebenklägers, der dem Wurf jedoch ausweichen konnte. Der Angeklagte verließ daraufhin ebenfalls den Bus.
Dem Fahrer gelang es nun, die Bustüren zu schließen, so dass der Angeklagte
keine weiteren Angriffe mehr auf T. unternehmen konnte (Fall 6).
7
2. Das Landgericht hat das Vorgehen des Angeklagten gegen den Nebenkläger in den Fällen 3 bis 6 materiell-rechtlich als vier eigenständige Straftaten im Sinne von § 53 Abs. 1 StGB bewertet, weil zwischen den einzelnen Angriffshandlungen jeweils eine Zäsur gegeben sei. Für die Fälle 3, 4 und 5 ergebe sich dies daraus, dass der den Angriffen jeweils vorhergehende Versuch der
Nötigung (Fall 2) und der gefährlichen Körperverletzung (Fall 3 und 4) fehlgeschlagen sei. Sein Entschluss, den Mitangeklagten K.
zu Schlägen
mit dem Ruckdämpfer zu veranlassen (Fall 5), stelle eine „weitere Zäsur“ dar.
-5-
8
Die Aufforderung zu dem Angriff mit dem Ruckdämpfer hat das Landgericht als Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung gewertet (§ 224 Abs. 1
Nr. 2, § 26 StGB). Zu einer mittäterschaftlichen Tatbeteiligung des Angeklagten
an den Schlägen verhält sich das Urteil nicht. Ebenso wenig enthält es Ausführungen zu einer Zäsur zwischen den als Fall 5 und 6 bezeichneten Angriffshandlungen.
9
3. Weder die konkurrenzrechtliche Einordnung noch der Schuldspruch
wegen Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung halten revisionsrechtlicher
Überprüfung stand.
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a) Nach den Urteilsfeststellungen sind die in den Fällen 3 bis 6 beschriebenen Angriffe auf die körperliche Integrität des Nebenklägers als eine natürliche Handlungseinheit und damit als eine Tat im materiell-rechtlichen Sinn zu
bewerten. Denn die einzelnen Betätigungsakte des Angeklagten waren durch
ein gemeinsames subjektives Element – nämlich sein auf Wut und Ärger über
die Gegenwehr des Nebenklägers fußendes Rachebedürfnis – verbunden und
standen in einem derart engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang,
dass sich sein gesamtes Handeln objektiv auch für einen Dritten als ein einheitliches, zusammengehörendes Tun darstellte, das erst durch das Verschließen
der Bustüren nach dem Wurf des Angeklagten mit dem Ruckdämpfer (Fall 6)
eine
Zäsur
erfuhr
(vgl.
BGH,
Beschluss
vom
19.
November
1997
– 3 StR 574/97, BGHSt 43, 312, 315).
11
aa) Dem steht nicht entgegen, dass die als Fall 3 und 4 geschilderten
Angriffshandlungen nicht zu Verletzungen des Nebenklägers führten. Zwar begründet – wovon das Landgericht zutreffend ausgegangen ist – der Fehlschlag
des Versuchs einer der strafrechtlich erheblichen Betätigungsakte eines mehraktigen Geschehens eine die Annahme einer Handlungseinheit ausschließende
-6-
Zäsur (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2004 – 4 StR 326/04, NStZ 2005,
263, 264). Ein solcher liegt aber nicht vor.
12
Ein Versuch ist fehlgeschlagen, wenn der Täter nach der letzten von ihm
vorgenommenen Tathandlung erkennt, dass mit den bereits eingesetzten oder
den ihm sonst zur Hand liegenden Mitteln der erstrebte Taterfolg nicht mehr
herbeigeführt werden kann, ohne dass eine neue Handlungs- und Kausalkette
in Gang gesetzt wird. Dabei kommt es auf die Tätersicht nach Abschluss der
letzten Ausführungshandlung an. Ein Fehlschlag liegt daher erst dann vor,
wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt erkennt oder eine entsprechende dahingehende subjektive Vorstellung hat, dass es zur Herbeiführung des Erfolges
eines erneuten Ansetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur
und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs (st. Rspr.; vgl.
BGH, Beschluss vom 27. November 2014 – 3 StR 458/14, NStZ-RR 2015, 105,
106; vom 7. Mai 2014 – 4 StR 105/14, NStZ-RR 2014, 240).
13
Danach waren die Körperverletzungsversuche in den Fällen 3 und 4
nicht fehlgeschlagen, weil der Angeklagte seine Angriffe auf die körperliche Integrität des Nebenklägers unmittelbar nach dessen zunächst erfolgreicher Gegenwehr mit ihm zur Hand liegenden Mitteln fortsetzte. Im Fall 4 versuchte er,
den Nebenkläger durch einen Wurf mit dem Taschenmesser zu verletzen, das
er schon für den Angriff im Fall 3 verwendet hatte. Im Fall 5 wurde – ebenso
wie im Fall 6 – der in dem am Tatort abgestellten PKW des Angeklagten liegende Ruckdämpfer verwendet. Dass der Angeklagte sich erst nach dem fehlgegangenen Messerwurf an dessen Verfügbarkeit „erinnerte“, führt nicht zu
einer Zäsur des Geschehensverlaufes. Denn aufgrund der ihm unmittelbar danach („nun“) in Erinnerung kommenden Verfügbarkeit des Ruckdämpfers
-7-
konnte der Angriff auf den Nebenkläger ohne Unterbrechung des unmittelbaren
Handlungsfortgangs fortgesetzt werden.
14
bb) Im Fall 5 liegt kein Versuch vor, weil der Nebenkläger durch die von
dem Mitangeklagten K.
geführten Schläge mit dem Ruckdämpfer
Verletzungen in Form von Prellungen erlitten hat. Es fehlt daher schon an der
Grundlage für die Annahme einer Zäsur durch einen Fehlschlag.
15
b) Die Schläge des Mitangeklagten K.
mit dem Ruckdämpfer
sind dem Angeklagten gemäß § 25 Abs. 2 StGB zuzurechnen. Nach den Urteilsfeststellungen griffen der Angeklagte und K.
den Nebenkläger
teils wechselseitig, teils zusammen an, wobei beide eigenhändig gefährliche
Werkzeuge in Gestalt des Ruckdämpfers und des Taschenmessers des hochgradig am Taterfolg interessierten Angeklagten verwendeten. Die zu den Prellungen führenden Schläge mit dem von diesem zur Verfügung gestellten Ruckdämpfer stellen sich danach lediglich als ein (unselbständiger) Teil der auf einem gemeinsamen Tatentschluss beruhenden, mittäterschaftlich begangenen
gefährlichen Körperverletzung der Angeklagten nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4,
§ 25 Abs. 2 StGB dar (vgl. zur Abgrenzung von Mittäterschaft und Anstiftung
BGH, Urteil vom 17. Oktober 2002 – 3 StR 153/02, BGHR StGB § 26 Bestimmen 6).
16
c) Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend. § 265 StPO steht
dem nicht entgegen, weil auszuschließen ist, dass der Angeklagte sich anders
als geschehen hätte verteidigen können.
-8-
17
3. Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung der für die
Fälle 3 bis 6 verhängten Strafen und des Gesamtstrafenausspruchs (vgl. zum
Verbot der reformatio in peius Meyer-Goßner/Schmitt, 61. Aufl., § 331 Rn. 18).
Mutzbauer
König
Mosbacher
Berger
Köhler