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5 StR 372/04
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 11. November 2004
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u. a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. November 2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt S
als Verteidiger,
Rechtsanwalt W
als Vertreter des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
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für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des
Landgerichts Berlin vom 26. Februar 2004 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dadurch entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der
Staatskasse zur Last.
– Von Rechts wegen –
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen (besonders) schweren
Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die dagegen erhobene,
wirksam auf das Strafmaß beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft, die
vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, bleibt erfolglos.
1. Das Landgericht hat im wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
Am Abend des 23. Juni 2003 verabredeten der Angeklagte, der Mitangeklagte K
, der gesondert Verfolgte Wl
unter ihren Vornamen M
Wohnung des
Wa
und B
und zwei lediglich
bekannte junge Männer, in der
unter Gewaltanwendung Haschisch und andere
mitnehmenswerte Gegenstände zu entwenden. Der Angeklagte Sz
klingelte in Begleitung des M
Wa
vergeblich nach Geld. Sz
an der Wohnungstür und fragte
drängte Wa
in den Woh-
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nungsflur und schlug ihm kräftig mit der Faust in das Gesicht. Auf die Hilferufe Wa
s eilte dessen Freund Sc
herbei, der von M
im Wohnzim-
mer unter Androhung von Schlägen gezwungen wurde, sich mit dem Kopf
nach unten auf den Boden zu legen. Der Angeklagte brachte Wa
mit ei-
nem weiteren Faustschlag und einem wuchtigen Tritt zu Boden und trat gegen den Kopf des Wa
. Der Geschädigte schrie vor Schmerzen und verlor
kurzzeitig das Bewußtsein. Die Täter schleiften Wa
ins Wohnzimmer und
suchten in der ganzen Wohnung nach Geld. Entweder der Angeklagte
Sz
oder M
nahmen Sc
sich. Der Angeklagte Sz
s Mobiltelefon und Geldbörse an
verließ dann die Wohnung und begab
sich zu den vor dem Wohnhaus wartenden weiteren Mittätern. Das Landgericht hat zugunsten des Angeklagten Sz
und M
den bereits schwer verletzten Wa
angenommen, daß B
erneut angriffen und
den Großteil der später in der Wohnung des Angeklagten Sz
verteil-
ten erheblichen Beute – vier Mobiltelefone, 1200 € Bargeld, Schmuck, Münzen, zwei Geldbörsen und Papiere, elektronisches Spielzeug und eine ECKarte – an sich nahmen. Wa
erlitt unter anderem Frakturen des Joch-
beins, des Ober- und Unterkiefers, ein Schädel-Hirn-Trauma zweiten Grades
und mußte den Verlust eines Zahnes hinnehmen. Nach mehreren Operationen fällt ihm das Sprechen immer noch schwer; die linke Seite seines Gesichts ist betäubt. Er leidet ständig unter Schmerzen und ist schwach, gebrechlich und durch die Tat gezeichnet.
2. Das Landgericht hat diesen Sachverhalt hinsichtlich der Beteiligung des Angeklagten Sz
als (besonders) schweren Raub nach
§ 250 Abs. 2 Nr. 3a StGB in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2, 4 und 5 StGB gewürdigt und die Strafe dem Strafrahmen des § 250 Abs. 3 StGB entnommen. Zwar sprächen das brutale,
zielgerichtete Vorgehen des bewährungsbrüchigen Angeklagten und die erheblichen mit noch andauernden physischen und psychischen Beeinträchtigungen verbundenen Verletzungen gegen die Annahme eines minder
schweren Falles. Einen solchen hat das Landgericht letztlich aber für gege-
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ben erachtet, weil der Angeklagte an der Erlangung der Raubbeute nicht sicher persönlich mitwirkte, an ihr nur in geringem Umfang partizipierte, sich
teilgeständig eingelassen und sich beim Geschädigten entschuldigt hat.
Schließlich hat das Landgericht die schwierigen Bedingungen für die kindliche und jugendliche Entwicklung des Angeklagten in Polen, die lange Untersuchungshaft, seine alkoholische Enthemmung und den Umstand gewürdigt,
daß letztlich keine konkrete Lebensgefahr für den Geschädigten bestand.
3. Die gegen die Strafzumessung des Landgerichts erhobenen Einwendungen der Revision bleiben erfolglos. Die vom Landgericht vorgenommene Bestimmung des Strafrahmens und die Bemessung der Strafe halten
rechtlicher Prüfung noch stand.
Die Strafzumessung, zu der auch die Frage gehört, ob ein minder
schwerer Fall vorliegt, ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine
Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der
Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen
hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen
und gegeneinander abzuwägen. Welchen Umständen er bestimmendes Gewicht beimißt, ist im wesentlichen seiner Beurteilung überlassen (st. Rspr.;
vgl. BGHSt 3, 179; 24, 268; BGHR § 177 Abs. 5 Strafrahmenwahl 2 m.w.N.).
Das Revisionsgericht darf die Gesamtwürdigung nicht selbst vornehmen,
sondern nur nachprüfen, ob dem Tatrichter bei seiner Entscheidung ein
Rechtsfehler unterlaufen ist (vgl. BGHSt 29, 319, 320; BGH StV 2002, 20;
BGH, Urt. vom 20. April 2004 – 5 StR 87/04). Das ist hier nicht der Fall.
Soweit die Revision mit Angriffen gegen die Beweiswürdigung des
Landgerichts einen größeren Schuldumfang geltend macht und damit auf
andere Feststellungen abhebt, kann sie damit nicht gehört werden, weil die
Überprüfung im Revisionsverfahren mit der Sachrüge auf die im Urteil getroffenen Feststellungen beschränkt ist (vgl. BGHSt 35, 238, 241). Durch die
wirksame Beschränkung des Rechtsmittels auf den Strafausspruch kann die
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Beschwerdeführerin auch den Schuldspruch unter dem Gesichtspunkt einer
fehlenden Erörterung des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB nicht mehr angreifen (vgl.
BGHSt 29, 359, 364). Allerdings ist der Revision zuzugeben, daß die mildernde Wertung des Landgerichts, es habe keine konkrete Lebensgefahr für
den Geschädigten bestanden, Bedenken begegnet. Die Verursachung einer
Todesgefahr begründet nach § 250 Abs. 2 Nr. 3b StGB eine weitere Qualifikation. Der Gesetzgeber hält somit diese Variante eines Raubes im Vergleich
zu den Taten, in denen das Opfer nicht in Todesgefahr geriet, für besonders
strafwürdig. Damit ist aber umgekehrt impliziert, daß eine Raubtat, der lediglich ein Qualifikationsmerkmal fehlt, allein aus diesem Grund nicht als besonders mild bewertet werden darf. Des weiteren wird die zur Milderung herangezogene Wertung des Landgerichts, der Angeklagte habe lange Untersuchungshaft hinnehmen müssen, von den Feststellungen nicht getragen. Der
Angeklagte hat seit 24. Juli 2003, dem Tag seiner Festnahme, – infolge der
Vollstreckung anderweit verhängter Haftstrafen – lediglich etwas über zwei
Monate Untersuchungshaft verbüßt, die grundsätzlich nicht strafmildernd zu
berücksichtigen ist (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Lebensumstände 20). Die dem
Angeklagten im Hinblick auf die als Überhaft notierte Untersuchungshaft
möglicherweise nicht gewährten Vergünstigungen als Strafgefangener können kein solch nachteiliges Gewicht entfalten, wie es ausnahmsweise eine
allein von der Vollstreckung der Untersuchungshaft herrührende besondere
Beeindruckung eines Angeklagten darstellt (vgl. BGHR aaO).
Diese Erwägungen begründen vorliegend aber noch keinen Rechtsfehler. Das Landgericht hat bei der Bestimmung des Strafrahmens in erster
Linie auf den geringeren Tatbeitrag des Angeklagten für das Raubgeschehen
abgehoben und die Verantwortung des Angeklagten für die massive und folgenschwere Körperverletzung betont. Es hat unter „besonderer Würdigung
der brutalen Vorgehensweise im Wohnungsflur und damit eines für den Geschädigten besonders geschützten Bereiches“ (UA S. 24) zu einer insgesamt
angemessenen, auch dem Normalstrafrahmen des besonders schweren
Raubes zu entnehmenden Sanktion gefunden. Die häufig nur floskelhaft oder
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unreflektiert erwogene „lange Untersuchungshaft“ hat vorliegend die verhängte Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten ersichtlich nicht
zugunsten des Angeklagten beeinflußt.
Harms
Brause
Häger
Raum
Schaal