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5 StR 204/10
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 22. Juli 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls u. a.
-2-
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Grund der Sitzung vom
22. Juli 2010, an der teilgenommen haben:
Richter Dr. Brause
als Vorsitzender,
Richter Dr. Raum,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Prof. Dr. König,
Richter Bellay
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
-3-
für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des
Landgerichts Dresden vom 23. November 2009 wird verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die
dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
– Von Rechts wegen –
Gründe
1
Das Landgericht hat den jetzt 27jährigen seit frühester Jugend psychisch kranken und süchtigen Angeklagten, der weite Teile seines bisherigen
Lebens in Heimen und psychiatrischen Kliniken untergebracht war, zu sieben
Monaten Gesamtfreiheitsstrafe mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt.
Der Verurteilung lagen fünf Vergehen zugrunde, die der Angeklagte während
mehr als zwei Jahre vor dem angefochtenen Urteil vollstreckter Untersuchungshaft zum Nachteil von Vollzugsbediensteten begangen hatte – versuchte Körperverletzung, Beleidigung, drei Fälle der Bedrohung –, ferner ein
mehr als eineinhalb Jahre vor dem angefochtenen Urteil begangener Diebstahl eines Mopeds. Die auf die Überprüfung der Strafaussetzung beschränkte, mit der Sachrüge begründete Revision der Staatsanwaltschaft bleibt
– gegen den Antrag des Generalbundesanwalts – erfolglos.
2
Das Tatgericht hat den ihm bei der Prognose nach § 56 Abs. 1 StGB
zustehenden weiten Beurteilungsspielraum (vgl. Fischer, StGB 57. Aufl. § 56
-4-
Rdn. 11 m.w.N.) trotz Vorbelastungen des Angeklagten und wiederholter
Haftverbüßungen aufgrund gegebener Fallbesonderheiten nicht überschritten. Solche durfte das Gericht bei der ihm obliegenden Gesamtwürdigung im
umfassenden Geständnis des Angeklagten – in dessen Motivation keine ausschlaggebende Bedeutung gefunden werden muss – sowie in dem beträchtlichen Zeitablauf seit Tatbegehung sehen. Entscheidend kommt hinzu, dass
der in seiner Steuerungsfähigkeit möglicherweise krankheitsbedingt erheblich
verminderte Angeklagte unter umfassende Betreuung gestellt worden ist und
nunmehr regelmäßig medikamentös behandelt wird, was einen erheblichen
Stabilisierungsfaktor ausmacht.
3
Das Landgericht hat den Risikofaktor einer für die Behandlung ungünstigen „nicht ganz unerheblichen Alkoholmissbrauchssymptomatik“ (UA
S. 13) beachtet und ihn durch Eingriffsmöglichkeiten im Rahmen der Betreuung – die bei deren vorauszusetzender verantwortungsvoller Wahrnehmung
fraglos ausreichend konkret sind – im Ergebnis ebenso wenig als negativ
ausschlaggebend angesehen wie eine vom Angeklagten eingeräumte Beteiligung am Diebstahl zweier Schnapsflaschen. Diese Beurteilung ist – zumal
angesichts der dem geständigen Angeklagten infolge seiner Verurteilung für
den Fall wiederholter Straffälligkeit nunmehr sofort konkret drohenden erneuten Strafvollstreckung – nicht unvertretbar.
4
Das angefochtene Urteil lässt keine relevanten Lücken erkennen, die
ein Eingreifen des Revisionsgerichts veranlassen müssten. Dass sich der
psychiatrische Sachverständige konkret gegen die Voraussetzungen einer
Strafaussetzung ausgesprochen hätte, ist dem Urteil, auf das die Überprüfung aufgrund der allein erhobenen Sachrüge beschränkt ist, nicht zu entnehmen. Das Gericht musste für die Aussetzungsentscheidung den Rat des
-5-
Sachverständigen – der gemäß § 246a StPO zu einer Maßregel nach § 63
StGB gehört wurde, deren Voraussetzungen nicht vorlagen – weder einholen
noch dessen etwa gleichwohl erfolgte Einschätzung ausdrücklich referieren.
Brause
Raum
König
Schneider
Bellay