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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 53/17
vom
15. März 2017
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:150317B4STR53.17.0
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 15. März 2017 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Görlitz vom 18. Oktober 2016 mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen
Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit
versuchtem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr verurteilt worden ist, sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „Diebstahls in zwei Fällen
und wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit versuchtem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt“. Hiergegen richtet sich die
auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das
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Rechtsmittel erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg;
im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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1. Die Verurteilung wegen versuchten gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 und 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1b
StGB (Fall II.3 der Urteilsgründe) begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
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a) Der Angeklagte hatte auf der Flucht vor den ihn verfolgenden Polizeibeamten den von ihm gefahrenen PKW zweimal in dem Moment auf die Gegenfahrbahn der dreispurig ausgebauten Bundesstraße gelenkt, als das Polizeifahrzeug jeweils gerade zum Überholen ansetzte. Das Landgericht hat diese
Fahrmanöver als Hindernisbereiten im Sinne des § 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB gewertet und weiter gemeint, der Angeklagte habe mit „zumindest bedingte(m)
Gefährdungsvorsatz hinsichtlich der konkreten Rechtsgutsgefährdung“ gehandelt. „Die hochgefährliche Fahrweise des Angeklagten und das Werfen der Gegenstände aus dem Fluchtfahrzeug durch den Mittäter belegen, dass der Angeklagte die konkrete Gefährdung der Polizeibeamten und des Streifenwagens
zumindest billigend in Kauf genommen hat.“
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b) Damit ist der Versuch eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr nicht belegt.
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aa) Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats muss die Tathandlung
über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus zu einer kritischen Situation geführt haben, in der – was nach allgemeiner Lebenserfahrung auf Grund
einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist – die Sicherheit einer
bestimmten Person oder Sache im Sinne eines „Beinaheunfalls“ so stark beein-
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trächtigt war, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt
wurde oder nicht (vgl. nur Senatsbeschluss vom 3. November 2009 – 4 StR
373/09, BGHR StGB § 315b Abs. 1 Nr. 3 Eingriff, erheblicher 6 mwN). Bei Vorgängen im fließenden Verkehr muss zu einem bewusst zweckwidrigen Einsatz
eines Fahrzeugs in verkehrsfeindlicher Absicht ferner hinzukommen, dass das
Fahrzeug mit zumindest bedingtem Schädigungsvorsatz missbraucht wurde
(Senatsurteil vom 20. Februar 2003 – 4 StR 228/02, BGHSt 48, 233, 237 f.; Beschluss vom 5. November 2013 – 4 StR 454/13, NStZ 2014, 86).
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bb) Das Landgericht hat sich demgegenüber darauf beschränkt, einen
bloßen Gefährdungsvorsatz festzustellen. Der Senat kann – entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts – auch dem Gesamtzusammenhang der
Urteilsgründe nicht entnehmen, dass der Angeklagte bei seinen gefährlichen
Fahrmanövern mit bedingtem Schädigungsvorsatz gehandelt hat.
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2. Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen versuchten gefährlichen
Eingriffs in den Straßenverkehr zieht die Aufhebung der – für sich rechtsfehlerfreien – tateinheitlichen Verurteilung wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte gemäß § 113 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB und der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich.
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3. Der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter wird deutlicher als bisher geschehen darzulegen haben, ob der Angeklagte – gegebenenfalls im Sinne sukzessiver Mittäterschaft – mit dem Hinauswerfen des Feuerlöschers und
der weiteren Gegenstände durch seinen Mittäter einverstanden war und dies
mit bedingtem Schädigungsvorsatz geschehen ist; der Angeklagte hat dies bestritten.
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Für den Fall, dass sich in der erneuten Verhandlung ein auch nur bedingter Schädigungsvorsatz des Angeklagten nicht nachweisen lässt, wird der nunmehr zur Entscheidung berufene Tatrichter eine Strafbarkeit wegen Gefährdung
des Straßenverkehrs gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 2b StGB zu erwägen haben.
Sost-Scheible
Roggenbuck
Franke
Cierniak
Bender