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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 11/01
vom
6. Februar 2001
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a.
-2-
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 6. Februar 2001 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Dortmund vom 17. August 2000, soweit der
Angeklagte verurteilt worden ist, mit den Feststellungen
aufgehoben.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten "wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 83 Fällen, dabei in 30 Fällen in Tateinheit mit
unerlaubter gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige", zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und ihn im übrigen freigesprochen. Ferner hat es die Einziehung von Gegenständen angeordnet.
Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und
materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachbeschwerde Erfolg.
1. Der Angeklagte veräußerte in der Zeit von Sommer 1998 bis zu seiner
Festnahme am 7. Juni 1999 an seine - zum Teil minderjährigen - Abnehmer
-3-
Haschisch in Mengen von einem bis zu sieben Gramm, "um damit längerfristig
und regelmäßig seinen damaligen Heroinkonsum zu finanzieren" (UA 16). Zwar
ist die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe sich dadurch - soweit
er wußte, daß seine Abnehmer noch nicht volljährig waren, in Tateinheit mit
gewerbsmäßiger unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige
- des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln schuldig gemacht, an
sich nicht zu beanstanden. Die von der Revision gegen die Strafbarkeit des
Handeltreibens mit Haschisch geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken teilt der Senat nicht (vgl. BVerfGE 90, 145, 174 ff.; BVerfG NJW 1997,
1910). Die Verurteilung kann aber deshalb keinen Bestand haben, weil das
Landgericht das Konkurrenzverhältnis zwischen den einzelnen Verkaufsgeschäften rechtsfehlerhaft beurteilt hat:
Sämtliche Betätigungen, die sich auf den Vertrieb derselben, in einem
Akt erworbenen Betäubungsmittel beziehen, sind als eine Tat des unerlaubten
Handeltreibens anzusehen, weil bereits der Erwerb und der Besitz von Betäubungsmitteln, die zum Zweck gewinnbringender Weiterveräußerung bereitgehalten werden, den Tatbestand des Handeltreibens in Bezug auf die Gesamtmenge erfüllen, so daß auch die späteren Veräußerungsgeschäfte, soweit sie
dasselbe Rauschgift betreffen, als unselbständige Teilakte im Sinne einer Bewertungseinheit zu dieser Tat gehören (st. Rspr.; BGHSt 30, 28, 31; BGHR
BtMG § 29 Bewertungseinheit 13 m.w.N.). Eine solche Bewertungseinheit
kommt bei allen Absatzdelikten, also auch bei der Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige, in Betracht (BGH NStZ 1999, 192). Zwar ist es nicht
geboten, festgestellte Einzelverkäufe zu einer Bewertungseinheit zusammenzufassen, nur weil die nicht näher konkretisierte Möglichkeit besteht, daß sie
ganz oder teilweise aus einem Verkaufsvorrat stammen (vgl. BGH StV 1999,
-4-
431; BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 14, jew. m.w.N.). Hier liegen aber
Hinweise vor, die dies nahelegen.
Nach den Feststellungen kaufte der Angeklagte das Haschisch bei "unbekannt gebliebenen Lieferanten" und verpackte es "sodann in marktüblichen
Einzelportionen, wobei er es - dem Grammpreis von 10,00 DM entsprechend in marktüblichen Kleindosen aufteilte". Dabei kam es ihm "entscheidend darauf
an, daß er auf längere Sicht mit seinen Haschischverkäufen kontinuierliche und
erhebliche Einkünfte erzielte, um somit seinen eigenen täglichen Heroinkonsum finanzieren zu können" (UA 11). Bereits diese Ausgangssituation legt es
nahe, daß der Angeklagte in dem Tatzeitraum jeweils größere Teilmengen Haschisch kostengünstig erworben hat, um die durch den Weiterverkauf beabsichtigte Gewinnspanne erzielen zu können (vgl. BGH, Beschluß vom
16. November 2000 - 3 StR 457/00). Zudem hat der Angeklagte in den Fällen
II 1 der Urteilsgründe jeweils zugleich an drei Minderjährige Konsumeinheiten
von einem Gramm und in den Fällen II 3 und 5 der Urteilsgründe Haschisch in
Mengen von fünf bis sieben Gramm bzw. drei Gramm an seine Abnehmer verkauft. Auch dies deutet darauf hin, daß sich zumindest einige Verkaufsakte auf
dieselbe Einkaufsmenge bezogen haben.
Die Beurteilung, ob selbständige Rauschgiftgeschäfte zu einer Bewertungseinheit zusammenzufassen sind, ist zwar in erster Linie Sache des
Tatrichters, dessen Wertung vom Revisionsgericht nur auf Rechtsfehler hin zu
überprüfen ist (vgl. BGH NStZ 1997, 344; BGH, Beschluß vom 24. Juli 1997 –
4 StR 222/97 m. w. N.). Das Urteil verhält sich aber zu der Frage der Zusammenfassung einzelner Rauschgiftgeschäfte nicht. Da es sich insoweit revisi-
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onsrechtlicher Überprüfung entzieht, kann die Verurteilung nicht bestehen bleiben.
2. Bedenken begegnet im übrigen auch die Annahme des Landgerichts,
die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren sei “nicht nur tat- und
schuldangemessen, sondern ausgesprochen milde”; denn nach den bisherigen
Feststellungen ist zugunsten des Angeklagten davon auszugehen, daß er insgesamt lediglich etwa 143 g Haschisch veräußerte.
In der neuen Hauptverhandlung wird die Unterbringung des Angeklagten
in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB erneut zu prüfen sein. Soweit das
Landgericht unter Hinweis auf die "plausiblen Ausführungen" des Sachverständigen "wegen der inzwischen therapiebedingt eingetretenen Stabilisierung des
Angeklagten" das Bestehen einer Gefahr im Sinne des § 64 Abs. 1 StGB verneint hat, läßt sich dies nicht ohne weiteres mit den Feststellungen zu dem
Scheitern früherer Therapieversuche vereinbaren, zumal der Angeklagte sich
im Tatzeitraum trotz der Substitution mit Methadon täglich ein bis zwei Gramm
Heroin injizierte.
Maatz
Kuckein
Solin-Stojanovi
Athing