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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 609/08
vom
5. Februar 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Brandstiftung u.a.
-2-
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 5. Februar 2009 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Halle vom 16. Juli 2008 im Strafausspruch
mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
1
Das Landgericht hat den Angeklagten der versuchten gemeinschädlichen
Sachbeschädigung in zwei Fällen sowie der vorsätzlichen Brandstiftung für
schuldig befunden und ihn unter Einbeziehung zweier Urteile des Amtsgerichts
Eisleben zu einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten
verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er
das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das
Rechtsmittel hat zum Strafausspruch mit einer Verfahrensrüge Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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1. Die Revision hat keinen Erfolg, soweit sie sich gegen den Schuldspruch richtet. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die Ausführungen zu I. 2.
und 3. sowie II. der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 14. Januar
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2009, denen gegenüber auch das weitere Vorbringen im Schriftsatz des Verteidigers vom 2. Februar 2009 nicht durchdringt.
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2. Demgegenüber kann der Strafausspruch nicht bestehen bleiben. Insoweit macht die Revision mit Erfolg den absoluten Revisionsgrund des § 338
Nr. 5 StPO i.V.m. § 231 c StPO geltend.
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a) Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde:
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Der Angeklagte war durch das hier einbezogene Urteil des Amtsgerichts
Eisleben vom 18. März 2008 u.a. wegen gemeinschaftlich mit den beiden Mitangeklagten des vorliegenden Verfahrens am 11. Januar 2008 begangener gefährlicher Körperverletzung zu der zur Bewährung ausgesetzten Einheitsjugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden. Diese Tat
war, soweit es den Mittäter Carsten E.
betrifft, nach Abtrennung des Ver-
fahrens durch das Amtsgericht und dessen Übernahme durch das Landgericht
Gegenstand des mit dem Verfahren gegen u.a. den Angeklagten zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbundenen Verfahrens. Im Hauptverhandlungstermin vom 3. Juli 2008 beurlaubte die Jugendkammer den Angeklagten sowie den Mitangeklagten H.
und ihre Verteidiger auf deren Anträ-
ge gemäß § 231 c StPO für die Dauer der Vernehmungen derjenigen Zeugen,
"die ausschließlich zu der Tat vom 11.01.08 vernommen werden soll(t)en", darunter ausdrücklich auch der Zeugin Evelin S.
. Danach verließen diese
beiden Angeklagten und ihre Verteidiger den Saal.
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Im angefochtenen Urteil hat das Landgericht bei der Bemessung der Jugendstrafe den erheblichen Erziehungsbedarf des Angeklagten in erster Linie
mit der brutalen Art und Weise des Vorgehens bei der Tat vom 11. Januar 2008
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begründet und dabei ausdrücklich auch strafschärfend gewertet, dass der Angeklagte sich selbst durch die Anwesenheit von mehreren Tatzeugen, "u.a. der
Apothekerin Frau S.
als Hausrechtsinhaberin der betreffenden Apotheke",
nicht in seinem Handeln stören ließ. Die Anwesenheit der Zeugin S.
bei der
Tat war in dem einbezogenen Urteil des Amtsgerichts Eisleben vom 18. März
2008 nicht erwähnt.
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b) Mit Erfolg macht die Revision geltend, dass in Abwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers - wie das Urteil belegt - Umstände erörtert worden sind, die den Angeklagten betrafen, und deshalb die Voraussetzungen für
eine Beurlaubung nach § 231 c Satz 1 StPO nicht vorlagen. Nach dieser Vorschrift besteht die Möglichkeit der Beurlaubung nur für einzelne Teile der Verhandlung, von denen der zu beurlaubende Angeklagte und sein Verteidiger
„nicht betroffen“ sind. Letzteres trifft nur zu, wenn auszuschließen ist, dass die
während der Abwesenheit des Angeklagten behandelten Umstände auch nur
mittelbar die gegen ihn erhobenen Vorwürfe berühren. Auch wenn der Verhandlungsteil nur für den Ausspruch über eine Rechtsfolge für den Angeklagten von
Bedeutung ist, wird dieser von ihm betroffen (Gmel in KK-StPO 6. Aufl. § 231 c
Rdn. 4; Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 231 c Rdn. 12; jew. m.N.).
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Hiernach war die Beurlaubung ungeachtet des Antrags des Verteidigers
des Angeklagten unstatthaft. Dies folgt bereits aus dem Wesen der Einbeziehung des früheren Urteils gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 JGG. Zwar sind der
Schuldspruch des früheren Urteils und die ihn tragenden Feststellungen für das
einbeziehende Gericht grundsätzlich bindend und ist deshalb auch eine vollständige oder teilweise Wiederholung der Beweisaufnahme über Umstände, die
Gegenstand des früheren Verfahrens gewesen sind, grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. Eisenberg JGG 13. Aufl. § 31 Rdn. 37 und 58). Dies schließt
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aber ergänzende Feststellungen, die zu den im früheren Verfahren getroffenen
nicht in Widerspruch stehen, nicht aus. Im Übrigen ist das einbeziehende Gericht hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs nicht an die Feststellungen im
früheren Urteil gebunden, sondern es hat unter zusammenfassender eigenständiger Würdigung der in dem früheren Urteil festgestellten und der neuen
Straftaten auf eine sämtliche Straftaten gerecht werdende Rechtsfolge zu erkennen (vgl. Eisenberg aaO Rdn. 38 m.N.). Schon deshalb war der Angeklagte
von der Beweisaufnahme zu den Umständen der gefährlichen Körperverletzung
vom 11. Januar 2008 im Sinne des § 231 c Satz 1 StPO "betroffen". Auch wenn
sich das Verfahren insoweit unmittelbar nur noch gegen den Mitangeklagten
E.
richtete, mussten auch der Angeklagte und sein Verteidiger Gelegenheit
haben, die Beweisaufnahme zu dieser Tat zu verfolgen und sich zu allen Umständen, die für die einheitlich zu entscheidende Straffrage – und damit auch in
Bezug auf diese Tat – von Bedeutung sein konnten, zu äußern. Dies machte
ihre Anwesenheit während dieses Verhandlungsteils zwingend erforderlich.
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c) Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO zwingt zur Aufhebung des Strafausspruchs. Dagegen ist der Schuldspruch von dem Verfahrensfehler offenkundig nicht betroffen; das angefochtene Urteil hat deshalb im
Schuldspruch Bestand (zur Möglichkeit der Teilaufhebung Kuckein in KK-StPO
§ 338 Rdn. 6 m.w.N.).
Tepperwien
Maatz
Solin-Stojanović
Athing
RiBGH Dr. Ernemann
ist infolge Krankheit gehindert zu unterschreiben
Tepperwien