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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 454/11
vom
27. September 2011
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
-2-
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 27. September 2011 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Rostock vom 19. Mai 2011 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte
wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit
mit versuchtem sexuellen Missbrauch eines Kindes verurteilt worden ist.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere als Jugendschutzkammer
zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit versuchtem sexuellen Missbrauch eines Kindes zu
einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Mit seiner hiergegen eingelegten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Sein Rechtsmittel hat Erfolg.
-3-
I.
2
Nach den Feststellungen des Landgerichts begleitete der Angeklagte die
ihm unbekannte neun Jahre alte Grundschülerin C.
auf ihrem Schulweg.
Dabei erzählte er ihr, dass zwei etwa 12 Jahre alte Freundinnen seiner Tochter
bei ihm zuhause gebadet hätten. Eine von ihnen habe auf seine Aufforderung
hin seinen Penis angefasst und sei anschließend von ihm von hinten „gefickt“
worden. Im Anschluss daran forderte er C.
auf, ebenfalls seinen Penis
anzufassen. Diese weigerte sich, ging aber weiter neben dem Angeklagten her.
Kurz darauf kam ihr Vater hinzugeeilt und stellte den Angeklagten zur Rede. Ob
C.
die Bedeutung des Wortes „Ficken“ geläufig war, vermochte das Land-
gericht nicht sicher festzustellen. Sie war jedoch in der Lage, sowohl den sexuellen Bezug der Erzählungen, als auch den Inhalt der an sie gerichteten Aufforderung zu erfassen. Noch am Folgetag wirkte sie deshalb peinlich berührt.
3
Das Landgericht hat in den Erzählungen des Angeklagten einen sexuellen Missbrauch von Kindern im Sinne von § 176 Abs. 4 Nr. 4 StGB und in der
sich anschließenden Aufforderung seinen Penis anzufassen einen hierzu in
Tateinheit stehenden versuchten sexuellen Missbrauch eines Kindes gemäß
§ 176 Abs. 1 Fall 2, Abs. 6 Halbsatz 1; § 23 Abs. 1, § 22 StGB gesehen.
II.
4
Ein versuchter sexueller Missbrauch eines Kindes wird durch die Feststellungen nicht belegt.
5
Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt (§ 22 StGB). Noch nicht tatbestandsmäßige Handlungen erfüllen diese Voraussetzungen nur dann, wenn
sie nach dem Tatplan der Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals so dicht
-4-
vorgelagert sind, dass das Geschehen bei ungestörtem Fortgang ohne weiteren
Zwischenakt in die Tatbestandsverwirklichung einmündet (BGH, Urteil vom
16. Januar 1991 – 2 StR 527/90, BGHSt 37, 294, 297 f.; Fischer, StGB,
58. Aufl., § 22 Rn. 10 mwN). Danach kann in der Aufforderung des Angeklagten, seinen Penis anzufassen, nur dann ein unmittelbares Ansetzen zur Verwirklichung des Tatbestandes des § 176 Abs. 1 Fall 2 StGB gesehen werden,
wenn der Angeklagte dabei angenommen hat, dass es im unmittelbaren Anschluss – also auf offener Straße – zur Vornahme der angestrebten sexuellen
Handlung kommt. Ausdrückliche Feststellungen hierzu hat das Landgericht
nicht getroffen. Obgleich der Angeklagte in der Vergangenheit mehrfach wegen
exhibitionistischer Handlungen und Vornahme sexueller Handlungen in der Öffentlichkeit verurteilt werden musste, versteht sich ein solcher Tatplan hier nicht
von selbst.
6
Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Da das
Landgericht von Tateinheit (§ 52 StGB) ausgegangen ist, betrifft die Aufhebung
auch die an sich rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs
eines Kindes nach § 176 Abs. 4 Nr. 4 StGB.
Ernemann
Roggenbuck
Bender
Franke
Quentin